Schutzzonen in Afghanistan: Militärisch nein, politisch ja?

Kunduz_Bw_Marder_2010

Am vergangenen Samstag habe ich (mich) hier laut gefragt, ob die von Bundespolitikern der Union öffentlich diskutierten Schutzzonen in Afghanistan, die die Abschiebung von Afghanen in anscheinend halbwegs friedliche Landesteile erleichtern sollen, eine Luftnummer sind oder ernst gemeint.

Ich könnte die Frage heute wieder stellen. Wenn ich mir anschaue, was in der Bundespressekonferenz der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberst Boris Nannt, und Regierungssprecher Steffen Seibert geantwortet haben (und der Sprecher des Innenministeriums, Johannes Dimroth, eben nicht). Außer der Information, dass die Kanzlerin natürlich genau das meint, was sie sagt, bin ich nicht viel schlauer geworden.

Aber ich stelle jetzt einfach mal den Wortlaut zum Nachlesen ein und überlasse das Urteil meinen Lesern.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium zur Frage der innerafghanischen Schutzzonen, die die Bundeswehr gegebenenfalls einrichten oder bewachen soll. Gibt es sozusagen an das Verteidigungsministerium einen Prüfauftrag, zu gucken, was die Bundeswehr machen müsste, was sie können müsste, welchen Umfang das haben müsste? Wird eine entsprechende Idee in Ihrem Haus schon in irgendeiner Weise verfolgt?

Nannt: Wie Sie wissen, haben wir mit der Veränderung des Mandats „Resolute Support“ eine reine Ausbildungs- und Trainingsmission. Das heißt, die Sicherheitsverantwortung wurde für Afghanistan komplett an die Afghanen übergeben, sodass die Bundeswehr dort derzeit keine Sicherheitsverantwortung hat.

Ich hatte letzte Woche Mittwoch schon ausgeführt, wie der weitere Zeitplan ist. Es geht zukünftig auch weiterhin um Ausbildung und Beratung. Das ist das, was gebraucht wird. Wir befinden uns derzeit im Gespräch mit unseren Partnern. Es wird – darauf möchte ich noch einmal hinweisen – am 23. November Gespräche mit unseren Partnernationen geben, und Anfang Dezember findet das Treffen der Nato-Außenminister statt. Da stehen wir jetzt, was den Fahrplan angeht, und darauf konzentrieren wir uns. Wie gesagt, der Punkt ist, dass die Afghanen dort die Sicherheitsverantwortung für ihr Land übernommen haben.

Zusatzfrage: Dieser Gedanke zieht sich jetzt schon eine ganze Weile durch die Debatte, jedenfalls seitens der Bundeskanzlerin. Sie hat auf einem Bürgerforum gesagt: Wir könnten da, wo die Bundeswehr stationiert ist, sozusagen Schutzzonen schaffen. Es gibt ein CDU/CSU-Papier, dass man die Afghanen beschützen wolle, wie es dort heißt. Es steht letztlich im Koalitionsbeschluss, dass man diese innerafghanischen Fluchtmöglichkeiten, Fluchtzonen oder Ähnliches unterstützen wird. Deswegen jetzt die Frage: Sind Sie in den vergangenen Wochen, in denen dieser Gedanke mehrfach von verantwortlichen Leuten geäußert worden ist, in irgendeiner Weise mit einer konkreten Planung in dieser Richtung befasst worden, möglicherweise auch dahingehend, dass man die Afghanen dazu bewegen möchte, Schutzzonen zu bewachen? Gibt es schon das Konzept der innerafghanischen Schutzzone in der Tätigkeit des Bundesverteidigungsministeriums innerhalb der letzten Wochen an irgendeiner Stelle?

Nannt: Sie sprechen sichere Räume, sichere Gebiete in Afghanistan an. Sie müssten vielleicht an das Innen- und Außenministerium herantreten.

Wir sind, wie gerade schon gesagt, derzeit dabei, unsere Ausbildungs- und Trainingsmissionen und auch die Fortsetzung des Mandats weiter vorzubereiten. Das ist der Punkt, auf den wir uns konzentrieren.

Vorsitzender Detjen: Herr Dimroth, können Sie ergänzen?

Dimroth: Ehrlich gesagt kann ich dem hier substanziell nichts hinzufügen.

Zuruf: Vielleicht kann ja der Regierungssprecher sagen, was die Kanzlerin damit meinte, wenn sie an verschiedenen Stellen vom Beschützen und den innerafghanischen Schutzzonen spricht.

StS Seibert: Sie meint natürlich genau das, was sie sagt. Das wird gemeinsam mit afghanischen Partnern umzusetzen sein. Darüber werden wir auch mit unseren internationalen Partnern sprechen und sprechen müssen. Ansonsten gilt, was die Koalition am Donnerstag genau zu dem Thema Afghanistan gemeinsam beschlossen hat: Wir werden uns an der Stabilisierung des Landes beteiligen. Wir werden unser finanzielles Engagement aufrechterhalten. Und wir werden gemeinsam mit den Amerikanern und mit weiteren Partnern auch das militärische Engagement in Afghanistan verlängern. Das alles vor dem Hintergrund Stabilisierung ermöglichen, Stabilisierung unterstützen. Stabilisierung unterstützen heißt, Möglichkeiten im Lande Afghanistan zu schaffen, dass Menschen nicht fliehen müssen, um sicher zu sein.

Nachtrag – Bonus Track: Aus der selben Pressekonferenz zur Sicherheitslage in Afghanistan, mal als Video:


(Direktlink: https://youtu.be/oL_BtnRw5ZE)

(Archivbild April 2010: KUNDUZ, AFGHANISTAN – Two German tankers wait for their convoy of German Marders to depart on a patrol – Photo by U.S. Navy Petty Officer 2nd Class Daniel Stevenson)