Mehr internationales Engagement Deutschlands gewünscht – aber vor allem Diplomatie

30.08.2015 BM Steinmeier in Afghanistan

Die Deutschen wünschen sich von ihrem Land mehr internationales Engagement, setzen dabei aber vor allem auf Diplomatie, Entwicklungshilfe und Wirtschaftssanktionen – und erst in vierter Linie auf militärische Einsätze. Das ist eine Erkenntnis aus den noch unveröffentlichten Ersten Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung 2015, die das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) für das Verteidigungsministerium durchgeführt hat und die Augen geradeaus! vorliegen. Die Daten zum Sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsklima in der Bundesrepublik Deutschland werden vom ZMSBw mit weitgehend identischer Fragestellung jährlich erhoben.

Nach der Umfrage, über die zuerst Bild am Sonntag berichtete, sprachen sich zwei Drittel der mehr als 2.600 Befragten dafür aus, dass Deutschland eher eine aktive Politik verfolgen und bei der Bewältigung von Problemen, Krisen und Konflikten mithelfen sollte; 27 Prozent waren dagegen:

ZSMBw-Umfage_2015_Engagement

Diese Zustimmung zu mehr internationalem Einsatz ist, darauf weisen die Befrager ausdrücklich hin, mit Abstand der höchste Wert im ganzen betrachteten Zeitraum zwischen 2000 und 2015. Ein seit 2013 absehbarer Trend scheine sich zu verstetigen.

Interessant ist, welche Form des internationalen Engagements die befragte Bevölkerung bevorzugt:

ZSMBw_Umfrage_2015_Mittel

Die Reihefolge, aber vor allem die Prozentzahlen sind recht eindeutig. In den Worten der Autoren: Insgesamt zeigt sich also eher eine Präferenz für nicht-militärische Mittel bei den Teilnehmern der Bevölkerungsbefragung.

Die Bevorzugung ziviler Mittel der Konfliktbeilegung kontrastiert allerdings auf – aus meiner Sicht – seltsame Weise mit der wachsenden Zustimmung sowohl zu einer Erhöhung des Verteidigungshaushalts als auch zu einer Vergrößerung der Bundeswehr:

ZMSBw_Umfrage_2015_VertdgHaushalt

Die Detailbetrachtung zeigt auf, dass sich 38 Prozent dafür aussprechen, dass das Verteidigungsbudget eher erhöht werden sollte, 13 Prozent votieren dafür, es stark zu erhöhen. Im direkten Vergleich mit den Daten aus dem Jahr 2014 wächst der Anteil der Befürworter erhöhter Verteidigungsausgaben folglich um 19 Prozentpunkte an, heißt es in der Studie.

Analog dazu die Veränderung bei den Ansichten zur Bundeswehr-Stärke:

ZMSBw_Umfrage_2015_Bw-Personal

Auch wenn eine Aufstockung der Bundeswehr politisch (bislang?) nicht zur Debatte steht – in der Bevölkerung scheint das deutlich mehr Zustimmung zu finden als in den vergangenen Jahren: elf Prozent für eine starke Erhöhung, 34 Prozent für eher erhöht ist ein Ergebnis, dass die Autoren der Studie mit veränderten Sicherheits- und Bedrohungswahrnehmungen der Deutschen erklären.

Die Umfrage enthält in ihrer ersten Auswertung natürlich noch viel mehr, unter anderem die regelmäßige Abfrage des gesellschaftlichen Ansehens der Streitkräfte oder die Einschätzung der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr (was ich jetzt hier nicht alles unterbringen kann). Interessant ist aber, was in der Umfrage nicht vorkommt, wie aus den Eingangsbemerkungen hervorgeht:

Im Vergleich zur Vorjahresuntersuchung entfielen aufgrund ministerieller Weisung Fragen zum Ukrainekonflikt, zur Bewertung und zu den Auswirkungen des Afghanistaneinsatzes sowie zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Drohnen. Damit liegen zu diesen politisch sensiblen und relevanten Themen keine aktuellen Informationen vor.

(Foto: Bundesaussenminister Frank-Walter Steinmeier am 30.8.2015 beim Besuch einer Schule in Kabul – Thomas Trutschel/ photothek.net)