Vor weiterem Bundeswehreinsatz in Mali: Lagebeobachtung
Da in der Bundesregierung über ein weiteres militärisches Engagement im Norden Malis nachgedacht wird, als Teil der – robusten – UN-Blauhelmtruppe MINUSMA, und da in der kommenden Woche (Korrektur:) in den kommenden Wochen eine Erkundungsmission der Bundeswehr in den westafrikanischen Staat aufbrechen soll, muss man wohl die Situation dort etwas genauer in den Blick nehmen.
Und die sieht im Norden nicht besonders erfreulich aus, wie aus der Reuters-Meldung vom (gestrigen) Dienstag hervorgeht:
Mali’s U.N. peacekeeping mission deployed troops around a northern separatist stronghold on Tuesday, seeking to prevent an escalation of clashes between rebels and pro-government militias that threaten to torpedo a June peace accord.
The mainly Tuareg secessionist Coordination of Azawad Movements (CMA) and pro-Bamako Platform militias have both signed onto the deal, which aims to pacify the north and allow the Malian army to focus on tackling Islamist militants. (…)
The two sides have traded blame for starting the violence which has centred on a road axis in the northern Kidal region.
Ein wenig mehr Hintergrund dazu liefert die Deutsche Welle:
Neue Gewalt im Norden Malis: Erst vor wenigen Tagen hatten Islamisten Anschläge auf malische Soldaten verübt und zahlreiche Geiseln in einem Hotel genommen. (…) In der Region Kidal kam es nach Angaben eines Rebellensprechers am Montag (17.08.2015) an drei Orten zu Zusammenstößen zwischen der „Tuareg-Selbstverteidigungsgruppe Imghad und Verbündete“ (Gatia) und der „Koordinierung der Azawad-Bewegungen“ (CMA). Etwa 20 Menschen sollen dabei getötet worden sein. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Gewalt provoziert zu haben.
Dann mal weiter nach Entwicklung…
Nachtrag: Die malische Regierung hat MINUSMA in einer am (heutigen) Mittwoch veröffentlichten Erklärung (Google-Übersetzung hier) aufgefordert, nicht nur in Kidal, sondern im ganzen Land für Sicherheit zu sorgen.
Nachtrag 2: Weiteres von Reuters:
Mali’s Islamist conflict spreads as new militant group emerges
* Assassinations reported around Mopti region
* Local mayor says imam had opposed rising militancy
* Radical preacher appeals to marginalised Fulanis
(Foto: Soldaten aus Bangladesch in Mali im Februar 2015 – MINUSMA/Marco Dormino)
Wäre die Entwicklung erfreulich, müsste man in Deutschland ja auch nicht über eine Ausweitung des Engagements nachdenken.
In Anbetracht dessen, wie effektiv die Niederländer in Baghlan und später in Urusgan agierten muss einem klar werden, dass in Mali der Baum brennt.
Persönlich sähe ich deutsche Truppen lieber in direkter Unterstützung und Zusammenwirken mit der französischen Langzeitoperation „Barkhane“ als mit der UNO-Truppe MINUSMA.
pi
@pi
Noch einige Details zur eingerichteten Sicherheitszone um Kidal:
„Any movement within the zone by pro-government Tuareg forces or their allies „will be deemed to constitute an imminent danger to the security of the population of the town of Kidal“, it said, stressing that the peacekeeping force would „act in accordance with its mandate“ in the event of any violation.“
http://www.france24.com/en/20150818-mali-kidal-un-security-zone-tuareg-clashes
Sofern man das ernst meint, ist dies eine anspruchsvolle Aufgabe für Aufklärung/ Führung/ Wirkung. Da stelle man sich zwischendrin die Bundeswehr vor.
Der Vergleich zu der Leistungsfähigkeit der Niederländer in Urzugan (human terrain, second track) kam mir da auch gerade in den Sinn.
Eine Beteiligung an „Barkhane“ sehe ich nicht – das ist die franzöische Variante von OEF.
Da fehlen und Wille und Mittel.
Mal sehen ob die Diskussion auf der politischen Ebene weiterhin blauäugig verläuft (ist ja ein Blauhelmeinsatz…).
Für alle die vergessen haben was 2014 in Kidal mit den malischen Streitkräften passiert ist: https://en.m.wikipedia.org/wiki/2nd_Battle_of_Kidal
@Memoria
„…das ist die franzöische Variante von OEF…“
Genau. Ich wäre glücklich, wenn die Streitkräfte endlich wieder ihren militärischen Kernauftrag wahrnehmen würden und nicht wieder mit einer Nation-Building-Utopie beauftragt würden.
Abseits davon sind UN-Truppen (3. Welt) derzeit international in Verruf geraten als Vergewaltiger und schlimmeres. Ob wir ausgerechnet mit diesen wenig leistungsfähigen Kräften und aufgrund regionaler Machtprojektion korrumpierten Truppe zusammenarbeiten müssen bleibt fraglich.
Leider läuft es in meiner Wunschvorstellung auf die Frage hinaus:
NL oder FR?
Die Argumente überwiegen hier klar für die Niederlande.
pi
Lage und Auftrag der NLD Task Force Uruzgan (TFU) sind in keiner Weise mit Zuschnitt und Auftrag des NLD Engagements in Mali vergleichbar.
Die Dimensionen in Mali übersteigen den begrenzten provinzialen Rahmen der TFU bei weitem.
Die TFU umfasste eine Battlegroup, die ein vstkPzGrenBtl, eine Kp MarInf (zeitweise), eigene Apache, eigene Chinook und 6 (!) eigene F-16 ausmachte, dazu HAufkl, PzPi und EOD sowie SanKr. Eigen bedeutete, dies Kräfte unterlagen Führungsvorbehalt Den Haag und wurden, erste Prio, für TFU verwendet!
TFU hatte zunächst einen Kampfauftrag, der nach weitgehender erfolgreicher Stabilisierung in Wiederaufbau wechselte.
Die NLD hatten in guter Tradition eines Heinz Guderian gehandelt, „klotzen, nicht kleckern“.
Und erneut, ähnlich klar definiert, treten die NLD in Mali auf. Eine rund 450 – Truppe (ebenfalls mit Apache/Chinook/MarInf/SpezKr) ist beauftragt, Aufklärung durchzuführen. Das ist klare Schwerpunktbildung und zeitigte Erfolge.
Wenn DEU also die NLD-Truppe in Mali ablösen (sollen) will, bedarf es vergleichbarer robuster Strukturen und Aufträge, und dies zumindest in mittelfristiger zeitlicher Dimension. Sollte unser Fact-Finding-Team dies nicht eindeutig formulieren und einfordern, lassen wir’s am besten sein.
PS: Dennis van Uhm, der als Oberleutnant in Afghanistan stationiert war, ist wenige Stunden nach der Ernennung seines Vaters, Generaal Peter van Uhm zum NLD GI, am 17. April 2008 als PzGrenZgFhr in Uruzgan gefallen.
Deutschland plant nicht die Ablösung von NL-Kräften in Mali sondern auf deren Anfrage eine Verstärkung im Bereich Aufklärung – was wiederum die derzeitige Schwerpunktbildung weiter stärken würde.
Hier wurde intern schon öfter über eine mögliche gemAufklKp spekuliert.
Mir geht es nicht um Auftrag und Zuschnitt der Kräfte in der vergleichenden Betrachtung von TFU und der jetzigen NL-Truppe in Mali sondern um die grundsätzliche Leistungsfähigkeit der NL-Truppen.
Die bewerte ich als hoch. Höher als deutsche Kräfte
Und weil sich in Mali derzeit eher Verschlechterung der Lage abzeichnet und NL um DEU-Unterstützung bittet, glaube ich, das es in Mali derzeit richtig schlecht läuft.
pi
Es ist nicht die Frage was DEU plant, befürchte nämlich, von Planung ist derzeit nichts zu erkennen.
NLD will Ustg bei Aufkl, ja, weil sie auf dem Zahnfleisch gehen. Entscheidend wird auch sein, was die UN für Vorstellung haben. Anzunehmen darf doch wohl sein, dass das NLD ihr Vorgehen mit New York abgesprochen haben.
Und, Aufkl und Erkd, Auftrag der Fact-Finding-Mission, muss selbstverständlich in die Zukunft sehen. Was soll da Ziel sein, wo-wann-welcher Endstate?
Und, einmal drin, werden nach aller Erfahrung in Einsätzen seit UNISOM, Folgekräfte als Verstärkung erforderlich sein, zumal Tuareg (MNLA -Mouvement National de Liberation de l’Azawad) sowie IS au Magreb nicht locker lassen.
Machen wir uns in Vorbereitung einer gem (vstk?) AufklKp also ehrlich und planen mit einem GefVbd, der in der Lage sein muss, NLD abzulösen. Das ist das Mittelfristziel in Den Haag.
In Sachen Lage Mali noch eine andere Facette: UNMAS und andere humanitäre Akteure:
http://www.mineaction.org/programmes/mali
UNMAS fällt unter „humanitär“ und auch die anderen ausschließlich humanitär agierenden UN-Agenturen wie UNHCR oder WFP sowie NGO müssen ja nun in das MINUSMA-Mandat irgendwie eingebunden werden, und nicht nur das: sie müßten eigentlich seitens MINUSMA koordiniert werden. Und genau hier tritt wohl wieder das sattsam bekannte Strategie-Dilemma zwischen UN-Peacekeeping und UN-Humanitarian Assistance auf:
http://www.thebrokeronline.eu/en/Blogs/Sahel-Watch-a-living-analysis-of-the-conflict-in-Mali/Understanding-MINUSMA-s-mandate-for-humanitarian-coordination-efforts
Hinzu tritt das auch sattsam bekannte Ausrüstungsproblem bei den Kontingenten aus afrikanischen und oder asiatischen Truppenstellern, z.Bsp im Bereich geschützte Fahrzeuge.
Und so tobt im Hintergrund natürlich eine Art Wettbewerb um die funds der Nationen…….wer bekommt welche Hilfsgelder und für was werden die eingesetzt ?
Asiatische & afrikanische Kontingente erfüllen die Funktion „Devisenbringer“, sonst Muster ohne Wert.
@KPK
Ist schon ein bisschen pauschal. Die mehrfach gerühmte Kampfkraft der Truppen aus dem Tchad wurde hier auch schon mal erwähnt…
Ok, stimmt, Tschad – im Vgl zu anderen AfrikaTr, schon. Trotzdem, eine Schwalbe …etc.
@KPK
Ehrlich machen?
Ich glaube nicht an den Willen und die Möglichkeiten Deutschlands um die NL mit ihren derzeitigen Fähigkeiten in MALI zu ersetzen.
NH 90 und TIGER???
– Nicht durchhaltefähig verfügbar.
GefVbd?
– 1x dauerhaft für NRF/IVJTF/VJTF/EUBG usw. gebunden
– 1x wäre verfügbar
=> damit keine Reserven und das in Zeiten höchster Ahnungslosigkeit für die kommenden Jahre (Baltikum, Ukraine, Syrien)
Bin skeptisch.
pi
Schlage vor, von BLACKWATER; Mr.Prince ein Angebot einzuholen.
Das Angebot sollte den Preis beinhalten, für welchen er Mali säubern kann
und natürlich in welchem Zeitraum.
Die Spar-BW kann das sowieso nicht. (Frei nach Scholl-Latour)
Die Engländer könnten das, wie bei der Operation Barras in Sierra Leone
2000 bewiesen aber die wollen nicht mehr.
@K-P K
Das sehe ich aber völlig anders. Gib einem „Garuda“ die richtige Ausrüstung und der bringt Dir ganz schnell das (weg)rennen bei. Das Problem ist, dass die VN zumeist die Kontingente möglichst „preiswert“ und „peaceful/neutral looking/“ einkaufen, weil man bei DPKO noch immer nicht begriffen hat, was „robust“ wirklich bedeutet …..die budgeteers der VN sind immer noch im „monitoring-mind-set“……Ich erinnere mich an teilweise recht heftige Kritik ziviler VN-Bürokraten an der robusten Ausstattung der UNIFIL-Franzosen mit APC etc, weil die VN-Bürokraten der Meinung waren, dass man damit die Zivilbevölkerung „verschrecken“ würde…..im südlichen Libanon wohlgemerkt !
@all
Ab und an füge ich oben noch Nachträge hinzu…
Es gibt auch eine Drohung, die sich direkt an FRA und NLD Kr richtet:
http://www.longwarjournal.org/archives/2015/08/al-murabitoon-threatens-french-dutch-forces-in-mali-in-new-audio.php?utm_source=feedburner&utm_medium=email&utm_campaign=Feed%3A+LongWarJournalSiteWide+%28The+Long+War+Journal+%28Site-Wide%29%29
Als ob die VN die Wahl hätten, welche Truppen sie nehmen. Westliche Soldaten mit entsprechender Ausrüstung, Verbribgungsmitteln, logistischen und Kampfunterstützungstruppen sind sicher auch deren Mittel der Wahl. Nur werden die halt selten gestellt. Man hält sich zurück und schickt Unterstützung um Schlüsselfähigkeiten bereitzustellen, ohne selbst in heikle Situationen kommen zu müssen.
Seit Ruanda/Jugoslawien/Somalia ist da auch beim UNDPKO einiges passiert. Würde die Finanzierung stehen, würden die sicher auch ganz anders arbeiten. Und auch westliche Truppen in und außerhalb von Friedensmissionen können derbe versagen. Siehe Mogadischu, siehe Canadian Airborne, siehe belgisches KiBat, etc…
@pi soweit ich weiß, stehen im Mittelpunkt akteller Missbrauchsskandale bei UN Missionen französische Soldaten. Ich weiß ja nicht, warum Sie diese den Kräften aus militärischen Entwicklungsländern vorziehen.
@sanjäger
Richtig. Die Franzosen werden hier ins Zentrum der Aufmerksamkeit gezogen. Vielleicht auch, weil man sich davon zumindest eine disziplinare und strafrechtliche Ahndung erhofft. In der Regel geht es aber nicht um UN-Truppen Aids westlichen Ländern sondern um 3. Welt-Kontingente. Ich will das Thema jetzt nicht übermäßig bearbeiten.
pi
Kräfte aus dem Tschad sind ja berüchtigt, allerdings auch effektiv. Das Problem: das Land hat dort auch seine eigene Agenda. Mittelfristig will die AU mit eigenen Kontingenten eingreifen und stabilisieren, kommt damit aber nicht in die Gänge (African Standby Force):
https://en.wikipedia.org/wiki/African_Standby_Force
Eigentlich haben sie dabei die gleichen Schwierigkeiten wie wir.
Zu den Vorwürfen gegen die FRA Soldaten: die können stimmen (was ich nicht glaube), müssen aber nicht.
Nun, weil bei UN-Operationen in „Francafrique“ ein beauty-contest zwischen DPKO und insbesondere UNHCR/UNICEF hinter der UN-Fassade tobt….das hängt natürlich auch mit funding etc zusammen……siehe auch den 2. link in meinem
klabautermann | 19. August 2015 – 13:20
Natürlich nimmt Frankreich mit Geld und anderen voluntary contributions etc. Einfluß auf die verschiedenen VN-Operationen in Verfolgung der nationalen Interessen in Francafrique …..was natürlich im Skandal-Falle zu den üblichen bürokratischen Reflexen der VN führt: nicht-öffentliche Schadensminimierung und -regulierung, denn eine öffentliche Aufarbeitung schadet dem Image der VN und brüskiert natürlich Frankreich, auf dessen donations/contributions man sehr angewiesen ist. Dann kommt ein angeblicher „Whistle-Blower“ und t.s.h.t.f. :
http://www.codebluecampaign.com/carstatement
Die Franzosen werden hier eigentlich gar nicht ins Zentrum der Aufmerksamkeit gezogen, sie haben sich eben sehr „prominent“ in Francafrique auch über die VN engagiert.
Eigentlich ist es die VN, die hier in Sachen adjudication, accountability & transparency versagt hat.
Etwas mehr Hintergrund zu Francafrique:
http://video.aljazeera.com/channels/eng/videos/the-french-african-connection—episode-3%3A-turning-tables/4421072496001
Ob unsere Entscheidungsträger in Exekutive und Legislative diese Hintergründe auch sehen wollen?
unbedingte sehempfelung für alle drei teile der von memoria geposteten francafrique reihe.
teil 1:
http://video.aljazeera.com/channels/eng/videos/the-french-african-connection—episode-1%3A-frances-thirst-for-energy/4405251939001
teil 2:
http://video.aljazeera.com/channels/eng/videos/the-french-african-connection—episode-2%3A-the-elf-scandal/4421072495001
wurde offenbar republiziert ich meine die gleiche reihe bereits letztes jahr gesehen zu haben
zeigt mal wieder das al jazeera english hervorragende sachen produziert. insbesondere die interviews mit den verschiedenen ex botschaftern und konzernchefs sind erfrischend offen was die frnazösische raison d’etre angeht.
Ein düsterer Ausblick auf Mali bei War is Boring:
French and U.N. Troops Are Losing the Battle to Save Mali
@T.W.:
Der Artikel ist wirklich sehr lesenswert.
Zeigt sehr deutlich wir verfahren die Lage ist.
Nur habe ich wenig Hoffnung, dass derlei realistische Betrachtung derzeit in Berlin gefragt ist.
Ich gehe eher davon aus, dass man seitens AA und BMVg in Mali „mehr Verantwortung übernehmen will“.
Ohne Ziel und ohne Plan, einfach wieder dabei sein.
Wie vor 10 Jahren bei der ISAF-Ausweitung nach Kunduz.
Ah, und jetzt dürfen wir ‚ran? Will heißen: der Bw kann man dann das „fail“ anhängen.