Probleme mit dem G36: ‚Zwischenlösung‘ von Heckler&Koch
Angesichts der Probleme mit dem Sturmgewehr G36 der Firma Heckler&Koch setzt die Bundeswehr auf eine Zwischenlösung – von Heckler&Koch. Aus einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium Markus Grübel an den Verteidigungsausschuss vom (gestrigen) Donnerstag:
Als Zwischenlösung hat Frau Staatssekretärin Dr. Suder am 26. August 2015 die Beschaffung von 600 Sturmgewehren auf der Basis des eingeführten G27P sowie von 600 leichten Maschinengewehren MG4 zur Ergänzung des bisherigen Waffenmixes für den Einsatz entschieden.
Der Entscheidung ging eine umfassende Bewertung voraus. Diese berücksichtigte sowohl das Erfordernis einer Lösung auf Basis eines bereits in die Bundeswehr eingeführten Gewehres, die Sicherstellung einer Leistungssteigerung für die Soldaten im Einsatz – dabei vor allem die Erfüllung der durch die Arbeitsgruppe „G36 in Nutzung“ erarbeiteten Präzisionsforderungen bei schussinduzierter und klimabedingter Temperaturänderung – als auch die notwendigen Maßnahmen zur Herstellung der Einsatz- und Versorgungsreife (Beschaffung von Zubehör und Logistik).
Als kurzfristige Lösung kam somit eine Variante auf Basis des Gewehrs G27P (Präzisionswaffe der Spezialkräfte, Kaliber 7,62 x 51 mm) in Betracht, die auf dem marktverfügbaren Gewehr HK417 beruht. Vorbehaltlich noch ausstehender Überprüfungen der Präzisionsforderungen des G27P ist beabsichtigt, ein erstes Los von ca. 60 Waffen mit zugehöriger Ergänzungsausstattung bis Ende November 2015 zu beschaffen. Bis Juni 2016 sollen weitere 540 Waffen zur Verfügung stehen. Unter Berücksichtigung dieser Zeitlinien sowie des Zeitansatzes für die Ausbildung kann das G27P – nach derzeitigem Kenntnisstand – ab der zweiten Jahreshälfte 2016 in den Einsätzen genutzt werden.
Mit der Beschaffung zusätzlicher MG4 in der Variante IdZ (Infanterist der Zukunft), welches bereits in die Bundeswehr eingeführt ist, soll der Waffenmix weiter ausgebaut werden. Bis Ende 2016 sollen bis zu 600 Waffen bereitgestellt werden. Der Umfang der als Interimslösung bereitzustellenden Waffen orientiert sich am kurzfristig verfügbaren und geeigneten Angebot und an der Produktionsleistung der Industrie. Die Kosten für die Beschaffung der Waffen werden mit ca. 18 Mio. € veranschlagt. Hinzu kommt ein regelmäßiger jährlicher Finanzbedarf für die Nutzung der Waffen. Die Beschaffung erfolgt als „Sofortinitiative für den Einsatz“ auf der Grundlage des Verfahrens „Einsatzbedingter Sofortbedarf“.
Mit den beiden Waffensystemen kann das bekannte Defizit – vorbehaltlich der für das G27P noch ausstehenden notwendigen Überprüfung der Präzisionsforderungen sowie des Zeitbedarfes zum Herstellen der Einsatz- und Versorgungsreife sowie für die erforderliche Ausbildung – kurz- bzw. mittelfristig reduziert werden.
Das klingt in der Tat nach einer sehr schnellen Übergangslösung. Vor allem, weil das G27, die Bundeswehr-Bezeichung für das Sturmgewehr HK417, ein größeres Kaliber als das G36 hat und deshalb kaum als Nachfolgemodell für eine breite Einführung in der Truppe anzusehen ist. Und 600 Stück sind ebenso kein Ersatz für die gesamte Bundeswehr. Mit anderen Worten: Hier wird schneller Ersatz für einen sehr kleinen Teil der Truppe geschaffen; von einer breiten Neuorientierung ist das weit entfernt.
Ich spekuliere: im Gegenzug verzichtet HK auf Schadenersatz gegenüber der BReg wg. übler Nachrede u.a.
Vielleicht kommt ja noch … wer weiß?
War ich noch vor 9 Tagen skeptisch, ob meiner eigenen Vorhersehung Ende April….. muss ich lernen, einfach etwas geduldiger zu sein.
Alle 6 Punkte damit erfüllt.
War noch was?
http://augengeradeaus.net/2015/08/g36-von-maengeln-im-gefecht-steht-nichts-in-den-akten/comment-page-1/#comment-206742
http://augengeradeaus.net/2015/04/g36-der-aerger-der-abgeordneten-seit-2012/comment-page-2/#comment-193664
Kann das jemand erklären? Inwiefern kann ein DMR wie das G27 ein Ersatz für das G36 sein? Käme da nicht eher das HK416 in Frage? Jetzt mal unabhängig von der Menge an beschafftem „Ersatz“. Hat das mit der Variante „P“ zu tun? Und worin liegt der Sinn, das G27 dem G28 vorzuziehen? Das G28 ist doch ohnehin schon der G3ZF-Nachfolger und daher in Gebrauch.
Naja, das G27 wirkt auf mich eher wie der wahre Nachfolger des G3. Und dieses war ja quasi auch als normales Sturmgewehr, ausgewählte Stücke aber auch als DMR im Einsatz. Vor allem die unterschiedlichen Lauflängen bringen da noch ein großes Stück Variabilität rein.
Was mich aber auch interessieren würde: für was soll das „P“ stehen?
Bei dem EOTech-Visier stellen sich aber auch alle Nackenhaare auf.
@Mufflon: falls da überhaupt noch jemand denkt, würde ich mal auf „G28 kann nur Einzelfeuer“ tippen. was natürlich sagen wir mal die briten jahrzehntelang nicht davon abgehalten hat, schußwechsel erfolgreich zu beenden.
@ Mufflon
Die gleiche Frage hatte ich mir auch gestellt – die Lösung verbirgt sich aus meiner (da bisher ungedient, ergo nicht in der Materie steckenden) Sicht hinter der Formulierung „zur Ergänzung des bisherigen Waffenmixes für den Einsatz“.
Ich vermute (!), dass die zu beschaffenden G27 (& MG4) das G36 nicht ersetzen, sondern im Rahmen des Waffenmixes komplementieren sollen, wie zuvor bereits durch Beschaffung des G28 geschehen.
Das G27 ist deutlich leichter als das G28, vielleicht hat es Beschwerden aus der Truppe über das Gewicht des G28 gegeben? Dazu, bzw zu anderen eventuellen Problemen beim G28, werden wohl einige hier im Blog mehr wissen.
Zudem soll die Beschaffung ja einigermaßen schnell gehen, da wird wohl auch auf Verfügbarkeit der Systeme geachtet worden sein („orientiert sich am kurzfristig verfügbaren und geeigneten Angebot und an der Produktionsleistung der Industrie“ lässt einen dies ja zumindest vermuten).
@Someone: Das hatten wir schon mal in einem anderen Thread im Juni
Jas | 20. Juni 2015 – 14:39
Der Pragmatismus hat gesiegt, HK417 oder MK17 sind exakt was die kämpfende Basis sich seit Jahren wünscht.
MG4? Ich wäre für eine Erklärung dankbar warum in der deutschen Armee die Sturmgewehre wieder auf grosses Kaliber zurückkehren während Maschinengewehre den Trend zum kleinen Kaliber fortsetzen. Gibt es dafür nachvollziehbare Gründe oder hinkt nur die ministeriale Lernkurve bei Maschinengewehren hinterher?
Die „sehr schnelle Übergangslösung“ sollten doch aber ursprünglich 7.000 Waffen bis zum Sommer 2015 sein (http://augengeradeaus.net/2015/04/g36-der-aerger-der-abgeordneten-seit-2012/).
Nun werden es eben 1.200 Waffen – frühestens Ende 2015.
Mal sehen, ob die Waffen als DMR ausgelegt und eingesetzt werden oder als Surmgewehr.
Beim Blick auf den Preis wird klar:
Nachtkampf ist nicht dabei.
Mein Fazit: Nichts großes, aber immerhin.
*schieb*
Interessant ist die Beschaffung von 600 G27P (aka. H&K 417) und 600 MG4 aus mehreren Gründen:
1. Keine dieser Waffen ersetzt das G36 direkt in seiner Rolle, sondern ergänzt das G36 im Sinn des „Waffenmix“
2. Das G27P aka. H&K417 (sofern keine Verwechselung/Irrtum der Journalisten bei der Bezeichnung vorliegt) ist ein Gewehr im Kaliber 7,62 NATO – G36 hat Kaliber 5,56 NATO. Damit ist diese Waffe eher geeignet für den Einzelschuss auf größere Entfernung. Die BW führt somit das lange ersehnte „DMR light“ für die Infanterie ein, nachdem das G28 inzwischen vollkommen (zu Recht) von den Scharfschützen aufgesogen wurde.
3. Das MG4 ist ein leichtes Maschinengewehr im Kaliber 5,56 NATO. Dieser Waffentyp wurde eigentlich genau für solche Situationen entworfen, für die das G36 in der Kritik steht. So sollen leichte Maschinengewehre eben genau dieses hohe Feuervolumen bereit stellen, welches das G36 nicht mit der gewünschten Präzision (um sinnvoll oder nicht sei dahingestellt) liefern konnte. Die leichten MG`s sollen den Feind unterdrücken und die Bewegungsfähigkeit der eigenen Teile erhalten (eine Rolle die wegen des Mangels an MG4 oft das G36 erfüllen musste).
Mich überrascht diese Nachricht ehrlich gesagt sehr positiv. Die Auswahl lässt militärischen Sachverstand erblicken und ist weniger von Hysterie/Aufregung getragen. Man hat einen Ad-hoc Lösungsansatz gewählt, welcher die Kampfkraft für jeden eingesetzten Euro maximiert. Alternativ irgendein Sturmgewehr zu beschaffen, hätte hingegen keinen tatsächlichen militärischen Mehrwert in Form von Kampfkraft generiert.
Nun müssen diese Waffen (mit weiteren zu beschaffenden Waffen und Ausrüstungsgegenständen) nach 2016 auch im Querschnitt der Truppe und in ausreichender Stückzahl zur Verfügung stehen.
Bleibt die spannende Frage: „Warum ausgerechnet wieder eine Waffe von HK!?“- Gibt es keine anderen mehr …
Ich nehme mal für mich zur Kenntnis. Diese „Beschaffung“ bringt also HK rund 18 Millionen Euro bis Ende 2016, plus eines regelmäßigen jährlicher Finanzbedarf für die Nutzung der Waffen!
Da würde ich sagen: Den Umständen nach ein „super-deal“ für HK,- Glückwunsch!
Thomas Melber,
sehe ich auch so…was Farce alles…H&K soll zu recht den Auftrag bekommen, völlig unbegründeter Image Schaden…
„… ein erstes Los von ca. 60 Waffen (G27P o.Ä.) mit zugehöriger Ergänzungsausstattung bis Ende November 2015 zu beschaffen.“
Unter Berücksichtigung der Formulierung „einsatzbedingter Sofortbedarf“ lässt mich das unwillkürlich an den bevorstehenden Einsatz in Mali denken, und das wäre damit ein erstes zartes Anzeichen für einen gewachsenen Realitätssinn hinsichtlich der dort zu erwartenden Einsatzszenarien.
Was da jetzt genau beschafft wird, ist mit gewohnter deutscher Präzision unklar beschrieben worden: „eine Variante auf Basis des Gewehrs G27P … die auf dem marktverfügbaren Gewehr HK417 beruht“. Also etwas G27P ähnliches, aber ganz sicher vielleicht möglicherweise im Kaliber 7,62, den Anforderungen entsprechend unter Umständen sogar schon im übernächsten Monat.
Nicht vorm ersten Kaffee posten – die Lösung war bedingt durch (Zitat) „[…] das Erfordernis einer Lösung auf Basis eines bereits in die Bundeswehr eingeführten Gewehres[…]“ (Zitat Ende). Da die Bw fast ausschließlich HK führt, war dass also klar.
Für eine ggf. zu entscheidene Neuanschaffung sind die Karten noch nicht verteilt, wenn ich das richtig verstanden habe.
Was mir eben auffällt und auch bereits genannt wurde – man beschafft einen temporären Ersatz für das G36 und wählt eine Waffe auf Basis der 417. Das ist wahrlich ein interessanter Ansatz, bleibt es denn dann weiterhin ein Sturmgewehr oder sind jetzt alle zukünftigen Nutzer Präzisionsschützen?
Danke @bang50 für diese schöne Zusammenfassung. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Meiner persönlichen Meinung nach ist es illusionär, daß HK die Bundeswehr jemals nicht beliefern wird.
Schönes Wochenende zusammen.
N-TV medet soeben als Begründung gem BMVg: Optimierung Waffenmix und 1.200 Gewehre. Ggf. Meldungsirrtum, nicht erkannt 600 MG4/G27.
Nicht gegen Waffenmix, nur der Zeitpunkt der Entscheidung ist „verdächtig“.
Sei’s drum, es passiert was und, aus meiner Sicht, erster Schritt weg vom „Schießbudenkaliber“. 7,62 mm sonst nichts!
Den Kommentar nach dem 7,62 nicht für die breite Truppe sein soll kann ich nicht nachvollziehen. Andere NATO-Partner setzen bei der Modernisierung ihrer Armee auch auf das größere Kaliber (Siehe MKEK MPT-76 7.62).
@Memoria
Könnte es sein, dass die hier genannte Zwischenlösung ein Pressetrick des BMVg ist und es sich um die lange geplante Ergänzung des Werkzeugkastens beim KSK handelt?
Evtl geht es gar nicht um DIE Truppe und auch nicht um einen Ersatz des G36.
Das P steht mWn für die Patrolienversion, kürzerer Handschutz, anderes Schulterstück und eine 1-8×24 ZF statt des großem.
@SvenS
Erfahrungen mit 7,62 im freien Schuss, in der Bewegung, Feuerstoß?
7,62 mm war das nicht das Kaliber, das genommen wurde weil man aus WWI und II nichts gelernt hatte und die Amerikaner das zuerst wollten.
Wo das 7,62 rulen könnte ist mMn in Gefechten auf längere Distan bzw. wenn die Deckung für 5.56 zu stark ist wenn – WENN wir die Schützen, die Infanterie und Panzergrenadiere dafür richtig ausbilden. WENN!
Von einer Variante G27P habe ich bisher noch nichts gehört.
P für Patrouillenversion würde sich auf das G28 beziehen. Die ist wohl auch beauftragt, aber in anderem Zusammenhang.
Das G27 selbst ist meines Wissens ein früherer Konstruktionsstand des HK417. Inzwischen ist ja das beidseitig bedienbare HK417A2 verfügbar. Vielleicht steht P ja für „Peidhändig“ ;-)
Oder es werden – analog zum ebenfalls zu beschaffenden MG4 IDZ (das MG4 ist ja faktisch bisher nur im Rahmen des IdZ-Programmes beschafft worden) – Push-to-talk-Tasten integriert. Also stünde P für „Pushtotalk“
Vielleicht bestehen wesentliche Teile auch aus Kunststoff, damit unser Amtmann sich hier weiter die Finger wundschreiben kann. Dann stünde das „P“ für „Plasteundelaste“.
Oder das „P“ steht für „Politisch“ – um das entschlossene Handeln für die infanteristische Feuerkraft zu würdigen (obwohl ja Handwaffen keine nationale Schlüsseltechnologie mehr darstellen).
Am wahrscheinlichsten steht es aber wohl für „Präzision“, denn darauf scheint das Ministerium ja besonderen Wert zu legen.
In diesem Sinne: schönes Wochenende!
Wieso nicht einfach die HK416? Ist 5,56mm und damit wären die probleme doch bestimmt in erste linie übergehend gelöst.
Der Kenner JPW hat wie üblich Recht, und ich schreibe gerade an einem aktualisierten Eintrag.
@J-P-W sehr amüsanter Beitrag, danke dafür :) Das „P“ müsste aber dann an jedes beschaffte Gewehr angehängt werden, da jede Beschaffung das Siegel oder den Makel „politisch“ hat ;)
@all
Gibt ’nen neuen Eintrag zu dem Thema.
/edit: Damit die Kommentare übersichtlich bleiben, mache ich hier die Kommentarfunktion zu und bitte darum, die Debatte im neuen Thread weiterzuführen.