Lesetipp: Die russische Luftwaffe – zu alte Maschinen, zu junge Piloten?
Die russische Luftwaffe hat in den vergangenen Wochen eine überraschend hohe Zahl von Flugzeugabstürzen hinnehmen müssen. Die Kollegen von Defense News haben sich das mal näher angeschaut und kommen zu der Einschätzung: Da trifft teilweise überaltertes und/oder schlecht gewartetes Gerät auf junge, unerfahrene Piloten:
The latest in the string of crashes came July 6, when a two-seat Su-24 strike fighter crashed at an air base outside of Khabarovsk, in Russia’s Far East, while trying to take off for a training exercise.
This follows the crashes of two MiG-29s, an Su-34 and a Tu-95, all in the last month — part of a larger trend of Russian aviation failures over the last several years as the Soviet-era fleets have fallen victim to age and substandard sustainment.
A source close to the Defense Ministry said on condition of anonymity that the crashes are the result of two key trends dogging Russia’s Air Force today — the overuse of old aircraft and a lack of qualified pilots.
Die ganze Geschichte hier.
Nachtrag 14. Juli – aus der Moscow Times:
Russian Bomber Crashes in 6th Military Aircraft loss in One Month
A Russian Tu-95 “Bear” strategic bomber crashed during routine training in Russia’s Far East on Tuesday, news agency RIA Novosti reported, marking the second loss of a Tu-95 bomber and the sixth loss of a Russian military aircraft in a little over a month. (…)
The Defense Ministry said the crew in Tuesday’s crash managed to bail out of the aircraft before it went down, and that it was not loaded with weapons. (…)
An unidentified Defense Ministry source told RIA Novosti that the cause of the accident was “most likely a technical failure.”
(Archivbild Juni 2015: A RAF Typhoon accompanying a Russian IL-20M ‚Coot‘ electronic intelligence gathering aircraft over the Baltic – Royal Air Force/MoD/Crown Copyright under MoD News License)
Ob man da nicht zu früh „jubelt“? Für mich persönlich wäre es erst aussagekräftig, wenn sich so eine Unfallserie fortsetzt. Soweit ich mich zurückerinnern kann hatte auch die Bundeswehr solche „Peaks“, ohne dass die grundsätzliche Qualität betroffen gewesen wäre.
Ohne unken zu wollen frage ich mich hingegen, ob wir ein solches Op-Tempo durchhalten würden ohne höhere Absturzraten hinzunehmen…
(Ironie an) Vermutlich nicht, da beim ersten Crash alles gegrounded wird (Ironie aus).
Mir scheint nicht, dass da jemand jubelt. Oder erwarten Sie das?
Das kann auch sein das das Material jetzt Fertig ist von den vielen Anflüge , Manöver
und eine Begründung warum mehr Flugzeuge kauft
Man schaut mal unser EF an mit wenige Flüge die schon naja sind
Mehr Flugstunden erhöhen das Risiko von Flugunfällen. Das ist hier mMn der Fall.
Im Zuge der Reportagen zum Germanwings-Absturz sagte mal ein „Technischer Berater“, dass Flugzeuge kein EOL haben. Wenn die ordentlich gewartet sind, leben die ewig. Als Beispiel führte er ein Feuerlöschflugzeug aus Kanada auf, welches nach seinen Angaben 80 Jahre ist und noch immer eingesetzt wird.
Es gibt immer eine gewisse Unfallwahrscheinlichkeit, dass bei 25 Flugzeugen weniger runterfallen als bei 1000 wundert mich ehrlich nicht. Das tolle an statistischer Wahrscheinlichkeitsrechnung ist, dass man sie nicht betrügen kann. Am ende gewinnt immer die Mathematik.
„Crash“ heißt ja nicht gleich „vom Himmel gefallen“. Im genannten Fall war es ein Unfall beim Start (Fehlstart -?).
Ich kenne die RUS Pilotenausbildung nicht, aber vielleicht ist dort mehr „learning by flying“ angesagt als bei uns (also weniger Simulator, mehr „real flying“)?
Thomas Melber | 13. Juli 2015 – 15:33
Wenn der EF politisch auch mehr in die luft muss , stürzen die auch nach und nach ab
Aberglauben die Russen sind schlecht darum können unsere super Leute bei dieser Politischen Lage 8 Wochen in den Urlaub gehen
Nun ja, betrachtet man die deutsche Starfighter-Krise, könnte man ggf. auch von dort Schlüsse auf die russische Situation ziehen: Schlechte Wartung, die zudem mit witterungsanfälliger „Lagerung“ verbunden war, sowie eine vorangegangene Reduzierung der „scharfen“ Ausbildungsstunden führten letztlich zu einer Absturzserie, die nur mühsam eingedämmt werden konnte.
Ich würde eine MiG-29 (Indienststellung 1983) übrigens nicht pauschal als alt ansehen, denn die westliche F-16 ist beispielsweise noch älter (Indienststellung 1978) und fliegt ebenfalls noch. Lack of qualified pilots klingt schon plausibler, aber dies würde im Umkehrschluß auch bedeuten, dass Russland offenbar jede Menge neue Piloten ausbildet.
„Lack of qualified pilots“ kann aber auch bedeuten, dass da eine größere Menge an Piloten in den (wohlverdienten) Ruhestand gegangen ist. Schließlich sagt man ja auch erst seit wenigen Jahren, dass unter der Ägide von Putin die konventionellen Streitkräfte wieder gestärkt werden. Haben die Russen möglicherweise eine ähnliche „Friedensdividende“ eingefahren mit der Folge, dass Ende der 90er Jahre kaum Pilotennachwuchs generiert wurde?
Dann würden die neuen Piloten nicht als Verstärkung zulaufen, sondern als dringend benötigte Personalauffrischung.
@SvenS | 13. Juli 2015 – 15:27: Sie meinen bestimmt dieses Schätzchen: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_JRM
Die MIG 29 ist zwar ähnlich alt wie die F16 aber wesentlich wartungsintensiver.
So mussten bei den deutschen MIG 29 alle 50 Flugstunden die Triebwerke gewechselt werden.
Mal 30 Jahre zurück in den Kalten Krieg in die DDR, also Zucht, Ordnung und einen Gegner. Da gab es einen einer „Luftarmee“ gleichen Großverband der sowjetischen Luftstreitkräfte. Und derer Großverbände gab seinerzeit so einige. Das waren dann also nur in der DDR knapp 2000 Luftfahrzeuge und auf ihre Stunden sind die Piloten an 3 von 6 Flugtagen innerhalb einer Woche auch noch vernünftig gekommen. Der technische Klarstand sollte bei mindestens 80% gelegen haben. Im Jahresschnitt ist jeden Monat ein Flieger unfreiwillig wieder runtergekommen, mitunter mit tödlichen Ausgang. Das könnte man nun mal mit den letzten beiden Dekaden vergleichen und dann dazu die heutige Situation betrachten. Ein statistischer Vergleich bietet sich da natürlich an. Nicht in die Betrachtung mit rein spielt das Alter der Luftfahrzeuge, das ist ein Thema für sich. Auch die Gesamtanzahl sowie die Tatsache das keine Einstrahler mehr existieren.
@Thomas Melber
Also vier Abstürze und den von ihnen zitierten Crash im Monat sind schon heftig.
Es wäre interessant zu erfahren wieviele Stunden die russischen Piloten im Jahr in der Luft sind und welche Missions geflogen werden.
Unsere Luftwaffe dürfte ja schon lange bei weniger als 100 Stunden pro Jahr und CR-Pilot angekommen sein.
Meines Wissens unterster NATO-Level.Leider!
@Jens Schneider
Nun ja, statistisch signifikant ist das noch nicht. Es betraf ja auch drei Baumuster / Typen.
Wie Sie schon schrieben, man muß das ins Verhältnis zu den Flugstunden / Einsätze setzen und was genau das für Unfälle waren. Zudem kann dabei auch intensive Übungstätigkeit mit Austesten der Belastbarkeitsgrenze von Mensch / Material mit dabei gewesen sein (muß aber nicht).
@TW 12:50 Uhr
Ich habe „jubeln“ deutlich in Anführungsstriche gesetzt.
Diese Meldung passt ja durchaus in das Politik-Schema:
„Die Russen halten das Op-Tempo nicht durch!“
Daher meine Anmerkung.
Persönlich sehe ich auch russische Soldaten als Berufskameraden. Deren Tod berührt mich durchaus, obwohl nicht persönlich betroffen.
Ansonsten bleibe ich dabei – abwarten ob es so bleibt. Und dass erscheint auch der allgemeine Tenor zu sein.
Man sollte das realistisch sehen: Abstürze auf der Seite des potentiellen Gegners verringern dessen Fähigkeiten. Auch wenn man mit dem auf der anderen Seite gefallenen Soldaten vermutlich mehr gemeinsam hat als mit dem Zivilisten der vermeintlich eigenen Seite und sich dementprechend vor dem drüben Gefallenen verneigt, so kann der Verlust auf der anderen Seite dennoch keine schlechte Nachricht sein.
Vielleicht hält man auch heute noch an Gepflogenheiten aus der Sowjetzeit fest. Zumindest während der deutschen Wiedervereinigung war es nichts außergewöhnliches, dass russische Piloten nach nächtlichem Saufgelage mit ihren „Gästen“ der Bundeswehr am frühen Morgen alkoholisiert ins Cockpit gestiegen sind.
Sind sie da Zeitzeuge derartiger Geschehnisse?
Stefan Büttner | 13. Juli 2015 – 22:06
„Sind sie da Zeitzeuge derartiger Geschehnisse?“
Oh ja – das bin ich. Und in diesem Blog ist das sicher auch noch der ein oder andere der Kommentatoren.
Und das betrifft in meinem Falle Starrflügler wie Drehflügler in gleichem Maße.
Würde mich über eine Kontaktmail von ihnen in der Angelegenheit freuen, sie sehen ja das ich erreichbar bin …
@Hans Schommer: Ein entsprechendes Verhalten war damals auch auf unserer Seite des eisernen Vorhangs nicht unüblich. Damals gingen die Uhren in mancherlei Hinsicht anders…
Sehr geehrter Herr Büttner,
leider find ich über den Link den Weg zu Ihnen nicht. Bitte helfen Sie mir auf die Sprünge.
A Russian Tu-95 Bear strategic bomber has crashed in the Siberian region approximately 50 miles from the city of Khabarovsk, the Russian Defense Minister said Tuesday.
MOSCOW (Sputnik) –
Read more: http://sputniknews.com/russia/20150714/1024590456.html#ixzz3frH2EGV
Meldung heute.
@KPK
Siehe Nachtrag oben…
Ok, nicht gesehen, bin unterwegs/nur Handy, sorry
@Hans Schommer
Der Kommentatoren-Name von Stefan Büttner ist mit einem Link hinterlegt.
Laut N-TV konnte sich Besatzung der Tupolew mit Schirm retten.
@KPK
Es haben sich wohl leider doch nicht alle retten können. Bild online berichtet (im News-Ticker) das 2 Piloten gestorben sind und 5 weitere Besatzungsmitglieder sich retten konnten.
Die nächste Meldung zu diesem bedauerlichen Totalverlust dürfte nun ein Flugverbot für diesen Flugzeugtyp sein, allerdings dann wohl schon das zweite Mal in diesem Jahr. Grundsätzlich ist das ja ausgereifte Technik, dürfte auch nicht älter als 30 bis 33 Jahre sein.