Britische Parlamentarier fordern ‚Rückbesinnung‘ auf konventionelle militärische Fähigkeiten
Der Verteidigungsausschuss des britischen Parlaments hat ein Umdenken in der Verteidigungsplanung des Landes und eine Rückbesinnung auf konventionelle militärische Fähigkeiten gefordert. Angesichts des Verhältnisses zu Russland und der Bedrohung durch die islamistischen ISIS-Milizen am Rande Europas bis hin nach Libyen seien die bisherigen Grundannahmen nicht mehr gültig, heißt es in dem am (heutigen) Dienstag veröffentlichten Bericht Re-thinking defence to meet new threats.
Aus der einleitenden Zusammenfassung:
For the first time in twenty years, an advanced military state has challenged the borders of European nations, and the security challenges in the Middle East, Africa, and South Asia have increased dramatically in scale and complexity.
Russia has annexed Crimea, and Russian-backed separatists have taken much of Eastern Ukraine. DAESH (or ISIL) have seized the second largest city in Iraq, and now control areas of a territory larger than the United Kingdom. The Libyan government has retreated to a ship off the coast. The President of Yemen has fled from his capital. Boko Haram controls swathes of Northern Nigeria. South Sudan — the newest country in the world — is in Civil War. Over 10,000 civilians were casualties in Afghanistan last year. Serious instability persists in Darfur, Somalia, the Central African Republic, and Pakistan. Three million people have been displaced and two hundred thousand killed in Syria. (…)
But the UK’s current Defence Assumptions are not sufficient for this changed environment. The 2010 National Security Strategy had assumed that “Cold War” capacities for state-on-state conflict were no longer needed, and that instead, the military would focus on ‘fragile states’, lightly-armed insurgents and terrorists, through enduring stabilisation operations (which were assumed to be relatively infrequent). The SDSR was primarily designed in the light of the UK’s presence in Afghanistan (a mission, in which the UK deployed fewer than 10,000 troops as part of a 100,000 strong, US-dominated coalition). Future Force 2020 planned to deal with one problem at a time by deploying 6,600 troops on a decade-long enduring stabilisation operation in a single country. And even US doctrine, envisaged sustaining a deployment in only two countries. Now there is a requirement to support stability in a dozen different theatres simultaneously, and to engage with both unconventional and conventional threats. (…)
Second, the UK must rebuild its conventional capacities eroded since the Cold War. The requirements are many, including Maritime Surveillance, Nuclear, Biological, Chemical and Radiological warfare training, developing a Ballistic Missile Defence capability, an enhanced Navy and Air Force, a comprehensive carrier strike capability, and full manoeuvre warfare capacity. This will involve demonstrating a conventional and nuclear capacity and determination to deter any further threats to the European order.
Den weltweiten Anspruch des ehemaligen Empire ebenso abgerechnet wie die eigene nukleare Fähigkeit Großbritanniens, sind die zu Grunde liegenden Daten aus deutscher Sicht nicht so viel anders. Gerade im laufenden Prozess für das neue deutsche Weißbuch zur Bundeswehr und zur Sicherheitspolitik wird ja interessant sein zu beobachten wie sich die Schlussfolgerungen in Deutschland und Großbritannien unterscheiden – oder nicht.
Den kompletten Bericht gibt es hier; die zusammenfassende Mitteilung hier.
(Archivbild 2014: A Challenger 2 Main Battle Tank of the Royal Welsh Battle Group on Exercise Prairie Storm at the British Army Training Unit Suffield in Canada – Sgt Mark Webster RLC/MoD/© Crown Copyright 2014)
@Bang50
• Zitat:“ Die Schlussfolgerung man könne wegen dieser offenen Fragen eine europäische Armee nie realisieren ist aber falsch.“ – Behauptung. Wo ist das Argument?
Antwort: Das Fragen nicht beantwortet werden können ist genauso eine Behauptung. Ich habe ihre Behauptung damit nur schlicht bestritten.
• Zitat: “Die Beantwortung der von Ihnen gestellten Fragen hängt stark davon ab, wie eine europäische Armee ausgerichtet sein soll.2 – Nein, sie hängen davon ab was rechtlich, ökonomisch und politisch Sinn macht bzw. möglich ist. Da die EU keine originäre Hoheitsgewalt besitzt, bleibt die nationale Kooperation. Da militärische nationale Kooperation weitgehend praktisch als auch formal in der NATO organisiert ist, braucht man nicht parallel eine Organisation aufbauen und die Transaktionskosten und Friktionen erhöhen –> Effizienzverluste
Antwort: Richtig ist, dass die Ausgestaltung einer europäischen Armee davon abhängen, was ökonomisch und politisch Sinn macht. Einverstanden. Habe ich mich aber für einen bestimmten Weg entschieden sind die Antworten die ich auf bestimmte Fragen zu geben habe anders als wenn ich einen anderen Weg einschlage. Geht man von einer europäischen Armee aus die ein Alleinstellungsmerkmal hat sie also alle nationalen Ameen in der EU zwingend ausschließt sind die Fragen und Antworten andere als wenn eine europäische Armee in einem ersten Schritt neben die nationalen Armeen tritt. Hier hängen die Antworten wiederum davon ab, wie die Aufgabe dieser Armee aussehen. Geht es um eine Interventionsarmee die die europäischen Interessen in der Welt vertreten soll, sind die Antworten andere als wenn’s um eine reine Verteidigungsarmee mit der alleinigen Aufgabe der Landesverteidigung geht. Die Behauptung die EU habe keine originäre Hoheitsgewalt ist falsch. Im Gegenteil haben die Nationalstaaten in vielen Bereichen die alleinige Hoheitsgewalt auf die Europäische Union übertragen. Die EU Armee tritt nicht in Konkurrenz zur NATO und es werden auch keine parallelen Strukturen zur NATO geschaffen. Eine EU Armee (als Verteidigungsarmee) würde schlicht die Aufgaben der europäischen Nationalstaaten im Rahmen der NATO übernehmen.
• Zitat:“ Realistisch erscheint mir gegenwärtig nur eine rein defensive Verteidigungsunion zu sein. Dies deshalb, da die Nationalstaaten nicht auf ihr Recht verzichten werden selbst und eigenständig Außenpolitik auch mit militärischen Mitteln zu betreiben.“ Herzlichen Glückwunsch, dieses „Verteidigungsunion“ nennt sich NATO.
Antwort: vielen Dank für Ihren Glückwunsch. Die NATO ist aber nicht die Verteidigungsunion von der ich spreche. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und keine Verteidigungsunion.
• Zitat:“ Gehen wir also (spaßeshalber) von einer rein defensiven der Landesverteidigung verpflichteten europäischen Armee aus.“ Gerade war Ihnen noch klar, dass die nationale Hoheit nicht aufgegeben werden kann, nun wollen sie schon wieder die europäische Armee. Sorry, aber wissen Sie eigentlich was Sie gerade noch gesagt haben?
Antwort: ich weiß was ich gesagt habe. leider ist es mir aber offenbar nicht gelungen es Ihnen verständlich zu machen. Ich hätte nicht unterstellen sollen, dass sie alles gelesen haben was ich bereits geschrieben habe. Eine europäische Armee mit der primären Aufgabe der Landesverteidigung und der sekundären Aufgabe eines Zeughauses stellte die nationalen Interessen, Außenpolitik mit militärischen Mitteln betreiben zu können nicht infrage. Eine europäische Armee, sowie ich sie mir vorstelle, erlaubt es den Nationalstaaten eigene Streitkräfte zu betreiben. Sie können dies tun, müssen es jedoch nicht. Wer auf eigene Streitkräfte verzichtet wird viel Geld sparen. Wer dies nicht tut profitiert trotzdem von den europäischen Streitkräften, nämlich von dem Zeughaus. Der Nationalstaate kann auf Material und Ressourcen der europäischen Armee zurückgreifen. Der Nationalstaats muss also nur noch Schlüsselkompetenzen vorhalten und kann im übrigen zum Beispiel auf Lufttransportkapazitäten der europäischen Streitkräfte zurückgreifen.
• Zitat:“ Dann gilt folgendes: die Vorteile einer europäischen Armee sind ausreichend diskutiert.“ – Eine Behauptung und quod est dubitandum. Können Sie überhaupt die theoretischen Vorteile benennen?
Antwort: ja, kann ich und habe ich bereits mehrfach.
• Zitat:“ Meiner Auffassung nach liegen die Vorteile auch auf der Hand. Sie sind insbesondere wirtschaftlicher aber auch ideeller Art.“ – Ah! Und was hat die Privatwirtschaft nun mit dem öffentlichen Gut Verteidigung bzw. europäischer Armee zu tun? Können Sie den Unterschied benennen? Sei es drum – können sie determinieren welche Effizienzvorteile ihre europäische Armee besitzt? Ideller Art – ja, ich finde meine Kaffeetasse auch schön.
Antwort: die private Wirtschaft wird von den öffentlichen Auftraggeber zur Entwicklung von militärischem Material beauftragt und dieses Material wird dann vom öffentlichen Auftraggeber beschafft.
o Zitat: “große Stückzahlen führen zu günstigen Preisen beim Material“ – immerhin eine Aussage. NH90 und Eurofighter wurden auch in großen Stückzahlen gebaut – warum sind die Stückkosten trotzdem so hoch? Ich gebe ihnen einen kleinen Tip: Economy of Scale wird nicht nur durch Stückzahlen bestimmt.
Antwort: sehr interessant. Sie bestreiten den Zusammenhang zwischen Stückzahl und Stückpreis? Dann leben sie in einer anderen Welt als ich. In meiner Welt setzt sich der Preis aus den allgemeinen Geschäftskosten, den besonderen Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn und den Einzelkosten der Teilleistung zusammen. Der positive Skalierungseffekt ist wissenschaftlich belegt. Ein einfaches Beispiel für Sie: Die Entwicklung eines bestimmten Systems verursacht Kosten. Diese Kosten werden auf den Stückpreis umgelegt. Bei der hohen Stückzahl ist der Anteil der Entwicklungskosten pro Stück niedriger als bei einer niedrigen Stückzahl. Dieser Zusammenhang kann nicht bestritten werden.
o Zitat:“ Doppelstrukturen können abgebaut werden“ – Sie wollen sie doch gerade aufbauen?
Antwort: warum sollte ich das wollen?
o Zitat:“ das Drama multinationaler Beschaffungs Projekte kann beendet werden wenn es nur noch einen Auftraggeber gibt…“ – oh weia, dann müssten die Amerikaner ja geradezu Effizienzwunder bei der Beschaffung sein – V22 Osprey, JSF etc…? Okay, sei es drum. Worin besteht der Unterschied zwischen amerikanischen Beschaffungsprogrammen und den europäischen Beschaffungsprogrammen? Die Antwort hat etwas mit den feineren Punkten der Economy of Scale zu tun.
Antwort: Nein, der unterschied z.B. zwischen dem Tiger und dem JSF besteht darin, dass (mehr oder weniger) die Amerikaner das Endprodukt F35 A, B, C vorgegeben haben. Bei europäischen Beschaffungsprogramm kaufte (mehr als weniger) jeder sein eigenes Produkt bei dem es (mehr oder weniger) Überschneidungen zu dem Produkt des anderen Bestellers gibt. Es wird also in Wahrheit nicht ein Kampfhubschrauber entwickelt sondern jede Nation entwickelt sein eigenen Kampfhubschrauber. Das und das ewige Nachverhandlungen bereits geschlossener Verträge ist das Problem. Auch ohne Spezialkenntnisse bei Großprojekten kann dies jeder nachvollziehen der schon mal ein Haus gebaut hat. Nach der Unterschrift des Bauvertrages kostet jede Änderung und jeder Sonderwunsch das Vielfache des Marktpreises. Auch dies ist ein unbestreitbare Tatsache.
o Zitat:“ Eine gemeinsame Verteidigung kann integrieren.“ – Und was soll diese „Integration“ nutzen? Das wir uns alle lieb haben? Wird uns dann Russland auch lieb haben? Okay, das war etwas fies. Haben Sie mal in einer WG gewohnt? Haben sich dort alle lieb gehabt wenn es um das Putzen der Toilette bzw. der Küche ging?
Antwort: ich gebe zu hier sind wir im Bereich des Glaubens. Niemand kann wissen wie sich das Projekt einer gemeinsamen Verteidigung auswirkt. Ich glaube das gemeinsame Streitkräfte das Zusammengehörigkeitsgefühl der Europäischen Union stürzt. Ich gestehe, das kann man auch anders sehen.
• Zitat: “Eine Verteidigungsunion sollte (aus deutscher Sicht) eine Parlamentsarmee sein.“ – Der schlüssigste Satz bis jetzt. Ich würde es etwas präzisieren: Ein Verteidigungsbündnis sollte demokratisch legitim sein. Wie genau es im Einzelfall geregelt ist, kommt darauf an – z.B. sind die USA eine präsidentielle Demokratie mit dem Präsidenten als Oberkommandierenden der Streitkräfte.
Antwort: sind wir uns einig? (Ungläubiges Staunen…)
• Zitat:“ Nichts liegt näher, als dem europäischen Parlamente eine erste echte Aufgabe zu geben und die europäische Armee dem europäischen Parlament zu unterstellen.“ – Ja, das „europäische Parlament“ fühlt sich so einsam und ist so traurig weil man sie nichts wirklich Wichtiges entscheiden lässt. Deshalb muss man denen halt einen Job vermitteln. Vielleicht hat es ja einen Grund warum dort nichts wirklich Staatstragendes entschieden wird wie z.B. die Anwendung militärischer Gewalt – Stichwort „originäre Hoheitsgewalt“?
Antwort: Vielleicht erläutern Sie mal das Schlagwort „originäre Hoheitsgewalt“ verstehen. Ich verstehe darunter offenbar was anderes als sie.
• Zitat:“ Damit dürfte sich auch Ihre Frage nach dem fehlenden Staatsgebiets erledigt haben. Völkerrechtlich ist das kein Problem“ – Autsch. Weil Sie der Meinung sind es sei kein Problem ist es kein Problem? Vielleicht sollte ich in Zukunft doch im Halteverbot parken weil ich der Meinung bin, dass es kein Problem ist?
Antwort: weil sie glauben, nachts nach draußen zu gehen ist verboten darf niemand mehr nachts nach draußen gehen?
• Zitat: “Das ist so schlicht falsch. Die NATO hat ein primäres Interventionsrecht.“ – Und das Vorrecht im V-Fall jemanden Kugeln ins Gesicht zu schießen ist irrelevant für eine militärische Organisation?
Antwort: auf eine unsinnige Anmerkung gibt es wohl keine sinnvolle Antwort…
• Zitat:“ In jedem Falle ist die Berlin plus Vereinbarung Ausdruck der tatsächlichen Strukturen. Die Europäische Union ist ohne die USA zu keinerlei militärischer Maßnahme in der Lage. Die Vereinbarung ist ein Spiegel der tatsächlichen militärischen Machtstrukturen. Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an. Ist die europäische Armee ausschließlich der Landesverteidigung verhaftet, stellt sich die Frage nach dem Premieren Interventionsrecht nicht.“ – ????? Wollen Sie mir diesen Abschnitt vielleicht nochmal erklären?
Antwort: gerne was wollen Sie wissen?
• Zitat:“ Zu guter letzt muss bemerkt werden, dass eine europäische Armee keine Alternative zur NATO ist und diese aber ergänzen kann. Sie soll vielmehr der Verantwortung der europäischen Staaten in der Welt gerecht werden und dazu führen, dass die finanziellen Mittel, die europäischen Staaten für Verteidigung einsetzen, effizient genutzt werden“ – Ahh! Es geht also im Kern um das eigene Ego. Sehr schön. Wenn Europa seiner Verantwortung in der Welt gerecht werden will, wo spielt dann die Musik? Bei einem europäischen Projekt in der Provinz? Der MEDEVAC Verband der BW wird natürlich massiven Einfluss auf das internationale Geschehen haben? Wer steht nochmal im V-Fall an der Ablauflinie?
Antwort: es geht um die Erkenntnis, dass vielstarterei gerade bei der Verteidigungspolitik insbesondere in ökonomischer Hinsicht nicht der beste Weg ist. Darüber hinaus geht es um die europäische Integration und die Emanzipation von den USA. (Emanzipation von den USA bedeutet keine Spalterrei und bedeutet keine Abgrenzung von der USA oder von der NATO. Die europäischen Staaten können sich aber weder darauf verlassen noch haben sie einen Anspruch darauf, dass die USA stets die Probleme vor unserer Haustür löst.)
• Zitat:“ Dies ist ohne eine einheitliche Struktur nicht vergleichbar möglich.“ – Auch dieses Thema haben wir bearbeitet. Die Sache ist nur, die NATO ist eine bereits etablierte Struktur und erlässt Normen zur Harmonisierung. Wollen Sie einen konkurrierenden Standard auf europäischer Ebene einführen?
Antwort: Nein.
@Bang50
“ Auch für Sie gilt. Der fromme Wunsch bleibt der Vater des Gedanken.“
100 Punkte denn genau so ist es, denn ales was der Mensch schaft, beginnt als Gedanke
Iroquois | 26. März 2015 – 12:04
noch einmal Beifall zu einem sehr gelungenen und lesenswerten Beitrag!
@ M. Steffen – Okay, alles klar ;-)
@M.Steffen
in Ihrer tollen Analyse unterstellen Sie, das sich alle an Verträge halten und KEINE I(eigenen) Interessen haben.
Das ist so ?
Nun dann !
Kein Zitat von Ihnen: Wir „Mahner“ sind nur Spinner, denen die höherbesoldete Einsicht fehlt,
Wiederum,
nun dann!
Viel Glück in Ihrer Welt!
@ Zimdarsen – Wie in Guten als auch im Schlechten – quidquid agis, prudenter agas et respice finem
@M.Steffen
Mal ganz konkret, was macht die Europaarmee einer engen militärischen Kooperation der EU-Nationen gegenüber überlegen?
Und da ich ahne, dass nun wieder vorne voran das Argument des enormen Einsparens aufgeführt wird, dieses bitte einmal substantiell unterlegen und vorallem losgelöst von dem Bereich der Beschaffung. Verteidungshaushalt ist nicht nur Beschaffung.
Wie soll außerdem die Verteilung des Finanzbedarfs auf die Nationen erfolgen?
Außerdem worauf basiert ihre Annahme, dass die EU-Nationen keinerlei Einfluss nehmen würden und nicht versuchen würden ihre partikular Interessen auch in der Europaarmee durchzusetzen? Vorallem auch, wenn nationale Streitkräfte weiter unterhalten werden (2 militärische Machtbasen sind schon verlockend).
Cheers
Flip
@M. Steffen: Vielen Dank für die Blumen. Manchmal kommt bei langem Nachdenken über und andauernder Beschäftigung mit einem Thema auch mal was Brauchbares raus. Aber es ist mehr ein Problemaufriss, als ein Lösungsansatz. Wie man den Prozess der engeren militärischen Kooperation der Mitgliedsstaaten(!) beschleunigen kann und welcher Schock/welche Schocks groß genug wäre(n) (Rückzug der USA aus Europa, weitere russ. Expansionen) und wie man das alles auflöst, ohne die VSE das ist bisher aber unbeantwortet. Es gibt gute und schlechte Vorschläge, Programme in NATO und EU, Ideen der Mitgliedsstaaten und der Wissenschaft, aber es dauert alles (viel zu) lange und mit wenig Ertrag bisher. Strategische Geduld und harte Arbeit im Kleinen? „Islands of Cooperation“? Darum sollte sich die Debatte drehen, finde ich.
@ iroquios
in problemlagen wie der von ihnen richtig erfassten ist es meist am sinnvolltsten die ansprüche bzw. angestrebten strukturen eher bescheiden zu formulieren sie dann aber mit nachdruck und ausreichend ressourcen konsequent umzusetzen.
auf die militärische kooperation übersetzt:
– statt utopischer Halluzinationen a la Eu-Armee pragmatische reform der bestehenden elemente im sinne praktischer einsetzbarkeit.
Vorschlag:
EU Battle groups werden von „costs lie where they fall“ auf pauschale eu finanzierung nach quotenschlüssel umgestellt (finanzierung war immer ein einsatzhindernis).
Die einstimmigkeit für einsatz wir auf zweidrittelmehrheit im rat geändert. (eisntimmigkeit war immer hindernis)
Parlamentsvorbehalt wir durch järlichen vorratsbeschluss (wenn zweidrittelmehrheit der eu einsatz beschließt einsatzerlaubnis auch für deutsche komponenten) rechnung getragen.
Anschließend wird eine battle group für 6 monate ins baltikum für intensive manöver zwecks reassurance verlegt.
konsewunez wäre ein glaubhafter europäischer beitrag zur abschreckung potentieller agressoren der kurzfristig umsetzbar ist und die verfassungs- und staatsrechtlichen kollateralschäden einer eu armee vermeidet.
wenn man ambitionierter ist kann man in ähnlicher struktur auch größere formationen erwägen sollte sich obiges procedere bewähren.
So müsste man vorgehen wenn das ziel tatsächlich die steigerung der europäischen verteidigungsfähigkeit und nicht die usurpation weiterer Kompetenzen durch demokratisch illegitime EU institutionen sein soll.
@Bang50
„Konflikte denkt man doch nicht, denn sie sind da oder nicht!“ – Autsch – dann können wir ja die ganzen militärischen Stäbe abschaffen. “
Könnte man, wenn man sie im Krieg und zur Abschreckung (auch die muss geplant und geführt werden) nicht bräuchte! Leider haben sie meine Aussage aus
dem Zusammenhang gerissen.
“Wenn es in EU Europa zu einem Angriff käme, dann bleibt den Staaten nichts anderes übrig als zu reagieren.“ Ja und wer reagiert? Die militärischen Stäbe der NATO und die NATO Response Force und nicht ein seltsames Konstrukt aus europäischen Staaten.
……und wer ist die NATO in Europa?
„Es ist völlig unerheblich wie man die Streitkräfte in Europa nennt oder bezeichnet.“ – Nein, weil gewisse Termini ein spezifisches Modell beschreiben. Da Sie die grundlegenden Organisationsformen nicht unterscheiden können, können sie auch nicht die individuellen Problemstellungen begreifen/erkennen.“
Da verstehen sie mich falsch! Sie können heute die EU Armee bezeichnen wie sie wollen, denn sie ist fiktion und in ihrer Organisation und rechtlichen Grundlage noch nicht festgeschrieben. Am Ende kann auch eine Bündnisarmee entstehen und europäische Streitkräfte heißen. Es geht nicht um den Namen der militärischen Organisation auf EU Boden in 20,30,100 oder mir doch egal Jahren. Es geht um den Prozess der Abstimmung.
“ Hier mit einer Scheindiskussion über EU-Armee die Kräfte zu verausgaben schwächt die Position Europas und bestärkt die USA in ihrer Überzeugung, dass Europa nicht für sich selbst einstehen kann und bei realen Herausforderungen sich lieber in utopische Scheindiskussionen flüchtet.“
Es geht jetzt nicht um eine EU Armee sondern um die Abstimmung/ Stärkung der Streitkräfte europäischer Staaten. Wenn dann als Ergebnis irgendwann eine EU Armee steht, dann ist das so, wenn nicht ist auch das dann faktisch.
“ Die Art des Beistandes in Europa ist anders geregelt als in der NATO.“ – Welche Art meinen Sie den ganz konkret? Sorry, ich hatte es vergessen – es ist ja unerheblich wie man diese Kooperation nennen soll.“
Genau, es ist unerheblich, denn die Verträge/Gesetze sind erheblich und da hilft ein Blick in die Bestehenden (NATO und EU- Vertrag (Artikel 42(7)))
Sie springen in ihrer Argumentation ständig zwischen dem Jetzt und der Zukunft und tun so als ob das jetzt (Zustand von Verträgen, Bündnissen, Rüstung) unveränderlich ist.
Gerade weil die Schlagkraft in Europa in einem schlechten Verhältnis zum Streitkräfteumfang und aufgewendeten Mittel steht muss sich etwas ändern.
Das europäische Militär muss effizienter werden oder nicht.
Lösungswege gibt es wenige doch man muss sie diskutieren und beschreiten.
Wenn es dann am Ende eine bessere NATO ist Und diese dann NATO Kommando Europa heißt und unter Führung von europäischen Befehlshabern ist …. auch gut.
Ich kann es nicht bestimmen und sie können nicht wissen was kommt :-)
@wacaffe:
„In problemlagen wie der von ihnen richtig erfassten ist es meist am sinnvolltsten die ansprüche bzw. angestrebten strukturen eher bescheiden zu formulieren sie dann aber mit nachdruck und ausreichend ressourcen konsequent umzusetzen.“
Absolute Zustimmung, das scheint mir auch der gangbare Ansatz zumal man Großprojekte von oben, und dann auch noch im militärischen Bereich, gar nicht erst auf die Agenda setzen sollte in der derzeitigen „Integrationsstimmung“, was nicht heißt, dass Europa nicht irgendwann weitere Schritte gehen kann, wird, sollte.
Kosten und Einstimmigkeit sind immer ein Grund (gewesen). Bei den Kosten streiten sich dann ja auch wieder Parlament (Haushaltszustimmung), Kommission (Budgethoheit) und die Mitgliedsstaaten, wobei die die Verträge gemacht haben. Gewisse Reformen bei der Einstimmigkeit gab es ja, aber die müssten wirklich viel weiter gehen.
Kostenschlüssel nach BIP in einem begrenzten Budget, ja vielleicht geht das.
Das spräche dann wieder für „Islands of Cooperation“ von Staaten, die ähnliche Vorstellungen in der AuSiPol haben und die bi-, tri- und multilateral in bestimmten Bereichen vorangehen. NORDEFCO, VISEGRAD. Wie kann man das beschleunigen, fördern, die Anreize erhöhen?
Dazu gehört natürlich immer die ehrliche und kontinuierliche Debatte zwischen allen Mitgliedsstaaten in einem ESS-Review-Prozess, um die unterschiedlichen Vorstellungen in der GASP und GSVP anzunähern und die Knackpunkte offen anzusprechen. Ohne zumindest Annäherung in diesem Prozess und Prioritätenannäherung wird dies wieder wegen der unterschiedlichen (geograf.) Prioritäten und Vorstellungen von Militär als Mittel der Außenpolitik schwierig, jenseits der absehbar unlösbaren Fragen VNSR-Mitgliedschaft, Atomwaffen etc..
Mir stellt sich die Frage, wie und mit welchen handfesten Argumenten (Fähigkeiten), wir unsere Partner in GB und Osteuropa davon überzeugen könnten, dass nationale Verteidigung durch multilaterale Kooperation funktionieren kann und ähnlich, wie ATALANTA auch im britischen Interesse sein kann und wie wir unsere Politiker da hin kriegen in dieser Richtung aktiv zu werden. Nebst nicht zurückzuweisenden Argumenten des Vorteils erweiterter Funktionen und Fähigkeiten der EU (bei allen Schwächen) im Bereich der entw.-politischen, wirtschaftlichen, regierungsreform-technischen und sonstigen Fähigkeiten, die zum Sicherheits-Entwicklungs-Nexus dazugehören.
Parlamentsvorbehalt muss in jedem Fall diskutiert werden. Vorratsbeschluss werden wir wohl nicht durchkriegen und wir sind ja auch nicht die Einzigen mit Parlamentsvorbehalt, aber der wohl wesentlichste Akteur mit Parlamentsbeteiligung, aber in jedem Fall sollte der Vorschlag aufgegriffen werden, dass hier zumindest bei den dt. Anteilen, die multinational und integriert eingesetzt und elementar wichtig sind, das Prinzip wirklich umgekehrt wird, also dass grundsätzlich unter den von Ihnen genannten Kriterien (VN-Mandat, völkerrechtskonform, 2/3-Mehrheit im Rat etc.) für diese Teile eine Teilnahme an einem multilateralen Einsatz als vom Bundestag genehmigt gilt, solange diese nicht aktiv vom BT aufgehoben wird, was er aber immer könnte. Das kriegt man politisch wohl eher durch.
Redundanz ist sicherlich angesichts der teils unterschiedlichen Interventionsfreudigkeit, aber bei gleichzeitigem Hauptauftrag „Landes- und Bündnisverteidigung“ und der für beide Szenarien doch recht unterschiedlichen Menge an Truppe und Fähigkeiten auch irgendwie sinnvoll hinzukriegen, ohne sinnlos Doppelstrukturen zu schaffen und weiter Geld zu verplempern. Und ja: Die Battlegroups und die NRF müssen immer üben müssen, egal, ob das Geld kostet oder nicht. Dann müssen nämlich alle und insbesondere wir entweder mal was tun und investieren oder die Hosen runter lassen. Belang- und konsequenzlose Zusagen, wie bisher würden damit entfallen. Und die Übungs-/Einsatzszenarien könnte man sicher auch sehr sinnvoll und mit Gewinn für alle gestalten.
Ach ja: Solange man die Wehrpflicht nicht wieder einführt oder wie in Norwegen sogar für beide Geschlechter, wird bei den 28 Armeen ja auch zunehmend das Personal knapp, selbst wenn man das Geld und den politischen Willen für mehr nationale Verteidigung hätte. Die Bw kriegt ja jetzt schon oft in einigen Bereichen nicht die Schiffe besetzt und vor allem nicht immer den Nachwuchs, den sie gerne hätte und bräuchte. Wie war die Aussage: Man muss angesichts der demografischen Entwicklung jeden 10. jungen Menschen, egal ob Frau oder Mann, eines Jahrgangs zu einer Bewerbung veranlassen, wenn man eine vernünftige und bedarfsgerechte Auswahl treffen wollte?
Wie sind denn da die Meinungen und Vorschläge hinsichtlich des Dienstes anderer EU-Bürger? Ich sehe ja angesichts der bekannten nationalen Vorbehalte höchstens die Möglichkeit automatischer (doppelter) Staatsbürgerschaftsvergabe.
@Flip
Man muss nicht immer das Rad neu erfinden.
Eine sehr gute Übersicht der Pro Argumente finden Sie hier von Prof. Thomas Straubhaar
http://m.welt.de/wirtschaft/article138253485/Sieben-gute-Gruende-fuer-eine-europaeische-Armee.html
@all
Nur als Hinweis: es gibt einen neuen Thread zum Thema Europa-Armee…
@ M.Steffen
Bei allem Respekt, aber da ist Straubhaar ja ein richtig toller Experte für ein sicherheitspolitisches Thema (wie man übrigens u.a. auch seinen Ausführungen, z.B. zu den Vorteilen eines Drohnenkrieges entnehmen kann…). „EU-Armee“ wäre mehr als ein Konstrukt für Finanzpolitik, warum wollen das in Deutschland immer alle ausblenden?!
@M.Steffen
Tut mir leid, die „7-Argumente“ überzeugen mich nicht davon, dass eine Europaarmee einer engeren und besseren Kooperation der Streitkräfte vorzuziehen ist.
Meiner Meinung nach sprechen die Argumente für eine bessere Zusammenarbeit, Absprache und Geschlossenheit der EU Mitglieder auf politischer Ebene. In deren Resultat am Ende vll eine Europaarmee stehen könnte, aber genauso gut und wahrscheinlich einfacher erreichbar auch die Kooperation der Streitkräfte. Ergalso beschreiben die meisten Argumente die Grundlagen, die für eine Europaarmee notwendig sind, bekräftigen aber nicht die Notwendigkeit einer solchen.
Daher nochmal die Frage an Sie: Was macht ihrer Meinung nach die Europaarmee der Kooperation der Streitkräfte überlegen und ist damit vorzuziehen?
Cheers
Flip
@flip
was lässt Sie glauben das eine „bessere Zusammenarbeit, Absprache und Geschlossenheit der EU Mitglieder auf politischer Ebene“ plötzlich funktioniert?
@M.Steffen
Ich habe mich wohl missverständlich ausgedrückt. Ich bin der Meinung die „7-Argumente“ plädieren dafür, dass eine bessere Zusammenarbeit, Absprache und Geschlossenheit der EU-Mitglieder auf politischer Ebene erfolgen sollte/muss. Vielleicht ist mein Text jetzt unmissverständlicher.
Das dies plötzlich funktionieren soll glaube ich nicht, habe ich auch nirgends geschrieben.
Vielleicht gehen Sie noch auf meine Frage an Sie ein? ;-)
Cheers
Flip