Britische Parlamentarier fordern ‚Rückbesinnung‘ auf konventionelle militärische Fähigkeiten
Der Verteidigungsausschuss des britischen Parlaments hat ein Umdenken in der Verteidigungsplanung des Landes und eine Rückbesinnung auf konventionelle militärische Fähigkeiten gefordert. Angesichts des Verhältnisses zu Russland und der Bedrohung durch die islamistischen ISIS-Milizen am Rande Europas bis hin nach Libyen seien die bisherigen Grundannahmen nicht mehr gültig, heißt es in dem am (heutigen) Dienstag veröffentlichten Bericht Re-thinking defence to meet new threats.
Aus der einleitenden Zusammenfassung:
For the first time in twenty years, an advanced military state has challenged the borders of European nations, and the security challenges in the Middle East, Africa, and South Asia have increased dramatically in scale and complexity.
Russia has annexed Crimea, and Russian-backed separatists have taken much of Eastern Ukraine. DAESH (or ISIL) have seized the second largest city in Iraq, and now control areas of a territory larger than the United Kingdom. The Libyan government has retreated to a ship off the coast. The President of Yemen has fled from his capital. Boko Haram controls swathes of Northern Nigeria. South Sudan — the newest country in the world — is in Civil War. Over 10,000 civilians were casualties in Afghanistan last year. Serious instability persists in Darfur, Somalia, the Central African Republic, and Pakistan. Three million people have been displaced and two hundred thousand killed in Syria. (…)
But the UK’s current Defence Assumptions are not sufficient for this changed environment. The 2010 National Security Strategy had assumed that “Cold War” capacities for state-on-state conflict were no longer needed, and that instead, the military would focus on ‘fragile states’, lightly-armed insurgents and terrorists, through enduring stabilisation operations (which were assumed to be relatively infrequent). The SDSR was primarily designed in the light of the UK’s presence in Afghanistan (a mission, in which the UK deployed fewer than 10,000 troops as part of a 100,000 strong, US-dominated coalition). Future Force 2020 planned to deal with one problem at a time by deploying 6,600 troops on a decade-long enduring stabilisation operation in a single country. And even US doctrine, envisaged sustaining a deployment in only two countries. Now there is a requirement to support stability in a dozen different theatres simultaneously, and to engage with both unconventional and conventional threats. (…)
Second, the UK must rebuild its conventional capacities eroded since the Cold War. The requirements are many, including Maritime Surveillance, Nuclear, Biological, Chemical and Radiological warfare training, developing a Ballistic Missile Defence capability, an enhanced Navy and Air Force, a comprehensive carrier strike capability, and full manoeuvre warfare capacity. This will involve demonstrating a conventional and nuclear capacity and determination to deter any further threats to the European order.
Den weltweiten Anspruch des ehemaligen Empire ebenso abgerechnet wie die eigene nukleare Fähigkeit Großbritanniens, sind die zu Grunde liegenden Daten aus deutscher Sicht nicht so viel anders. Gerade im laufenden Prozess für das neue deutsche Weißbuch zur Bundeswehr und zur Sicherheitspolitik wird ja interessant sein zu beobachten wie sich die Schlussfolgerungen in Deutschland und Großbritannien unterscheiden – oder nicht.
Den kompletten Bericht gibt es hier; die zusammenfassende Mitteilung hier.
(Archivbild 2014: A Challenger 2 Main Battle Tank of the Royal Welsh Battle Group on Exercise Prairie Storm at the British Army Training Unit Suffield in Canada – Sgt Mark Webster RLC/MoD/© Crown Copyright 2014)
@M.Steffen
Damit haben sie vll einen Kostenfaktor eleminiert, erzeugen aber einen neuen indem die Nationalstaaten sturmlaufen werden, wenn die eigene Rüstungsuindustrie nicht in die Beschaffung mit einbezogen wird. Ergalso hat man keinen einzelnen Hersteller sondern ein gesamteuropäisches Konsortium, dass alle beteiligten Betriebe fürstlich allimentiert sehen will. Wo also ergibt sich hier der Sparfaktor?
@ M.Steffen | 25. März 2015 – 12:51
Die Grundidee von Größendegressionseffekten ist ja immer wieder nett und in einer friedlich kooperativ funktionierenden arbeitsteiligen Welt auch durchaus richtig.
Eine Armee/die Systeme der Landesverteidigung sind aber nun mal dafür da, die nationale Sicherheit sicherzustellen, wenn die netten Dinge wie Frieden, Kooperation, arbeitsteiliger Handel etc. aus welchen Gründen auch immer nicht mehr funktionieren. Dafür braucht es dann autonome Fähigkeiten, bei größeren Ländern mit industrieller Basis eben auch eine eigene autonome Rüstungsindustrie. Man kann ja gern standardisieren, bei der Entwicklung kooperieren etc. bei der Herstellung der Waffen will aber jedes Land, dass es sich soeben leisten kann, selbst produzieren, und wenn nur in Lizenz. Denkt man das mal zu Ende, so ist dieses Verhalten durchaus nachvollziehbar. Die volkswirtschaftlichen Effekte lasse ich mal außen vor, der Staat gibt Geld gern im Inland aus, weil das Rückflusseffekte bei Steueraufkommen, Sozialleistungen etc. hat.
Nehmen wir mal an, ganz Europa würde seine Panzer in Deutschland kaufen und für Ersatzteile etc. auf Deutschland angewiesen sein. Anschließend würde Sigmar Gabriel nicht passen, dass das französische Fernsehen Witze über seine Figur macht bzw. er würde Menschenrechtsverletzungen in Pariser Vororten ausmachen und würde weitere Panzer- und Ersatzteillieferungen in Frage stellen. Gauben Sie ernsthaft, Frankreich würde sich so derart abhängig und erpressbar machen lassen von einem unzuverlässigen Rüstungslieferanten, wie das Deutschland inzwischen ist? Das kann Deutschland ja gern bei Ländern wie Saudi-Arabien (erfolglos) versuchen, aber Länder mit industrieller Basis werden das tunlichst durch eigene Fähigkeiten verhindern.
Das Paradoxon ist zudem: Weil unsere aktuelle Regierung bei Rüstungslieferungen unzuverlässiger geworden ist, fördert sie damit den Bau von Rüstungsfabriken im Ausland und schadet so unseren sicherheitspolitischen Interessen und einer europäisch integrierten arbeitsteiligen Rüstungsindustrie, die allokativ effizienter wäre.
Wiesel, alle BergePz, Leo 2, ATF3, Eagle IV + V, Ozelot (viel zu wenige und nicht beim Heer)
aber alles OT
wie ich die britschen Parlamentarier verstandem habe,
ist die Vorstellung dass es der Westen in Zukunft nur noch mit leicht bewaffneten Irregulären zu tun bekommt hinfällig.
War in meinen Augen schon immer Traumtänzerei selbst die BW in AFG musste immer mehr Hardware bereitstellen
Die Bildung industrieller Konsortien ist nicht das Problem. Der Leopard ist ein sehr gutes Beispiel wie gut Konsortien und ARGEN funktionieren können. Ich würde aber niemals Behaupten das eine EU Armee auf absehbare Zeit realistisch ist. Die Widerstände werden gigantisch sein und die Fragen die zu klären sind noch viel größer. Wem soll eine solche Armee überhaupt unterstellt sein? Den europäischen Parlament? Dem Europäischen Rat? Einer neu zu bilden Institution? Fragen über Fragen. Wenn man diese Fragen aber nicht stellt wird es auch kein Antworten geben.
Eins ist aber sonnenklar. Wenn Europa sich von den USA emanzipieren will muss es auch eine gemeinsame Verteidigungsstruktur schaffen. Jeder Nationalstaat für sich wird das nicht stemmen können. Diese Vorstellung ist wirklich unrealistisch.
Und noch eine Frage: Wer hat 1980 an die Einführung des Euro geglaubt? Stellt Russland die nächsten zehn Jahre eine potentielle Bedrohung für die territoriale Sicherheit Europas da wird es eine Verteidigungsunion geben. Anders ist die Sicherheit in Europa bei gleichzeitiger Emanzipation von den USA nicht zu haben.
@M.Steffen
Diese Verteidigungsunion gibt es bereits, nennt sich NATO…
@M.Steffen | 25. März 2015 – 13:32
der Leopard 2 ist kein multinationales Rüstungsprojekt
@M.Steffen | 25. März 2015 – 13:34
auch wenn es einige nicht gerne sehen (ich aber schon)
die EU ind die USA gehen mehr auf einander zu als dass sie sich auseinander dividieren lassen
@M.Steffen | 25. März 2015 – 13:41
die Einführung einer Europawährung war schon in den 1950er ein Ziel für das hart gearbeitet wurde und wird, kein Wunder an das man Glauben musste
Die NATO ist eben keine Verteidigungsunion, denn sie verpflichtet nicht zum Bewaffneten Beistand.
Eine Verteidigungsunion verpflichtet dazu und das ist elementar wichtig, wenn man Fähigkeiten abbaut.
Die Verteidigungsunion möchte ich sehen, die konkreter wird als NATO Artikel 5!
http://www.nato.int/terrorism/five.htm
@ M.Steffen | 25. März 2015 – 13:04
Was Sie bei Ihren Überlegungen vollkommen übersehen, ist die tragedy of the commons.
Wähler wählen Politiker, die ihnen maximalen Wohlstand versprechen. Ausgaben für Sicherheit verursachen in Friedenszeiten nur Kosten und stiften keinen direkt merkbaren Wohlstand. Der durch Sicherheitsausgaben bereitgestellte Wohlstand macht sich erst im Kriegsfall bemerkbar. Dieser Fall ist jedoch außerhalb der kurzfristorientierten Mechanismen der Tagespolitik. Sicherheitspolitik leidet grundsätzlich daran, dass wiederwahlorientierte Politik in kurzen Zeiträumen denkt, Sicherheitsvorsorge aber langfristig betrieben werden muss.
Politiker orientieren sich am Medianwähler, der ihnen per Mehrheit Macht verspricht. Eine gewählte Regierung kommt so zwangsläufig in die Rationalitätenfalle, dass für den Nationalstaat rational vernünftig ist, was für die Gesamtheit Europas/einer EU-Armee unvernünftig ist. Wenn die Bereitstellung des Gutes europäische Sicherheit nicht mehr individueller Verantwortung zugeordnet wird, kommt es zum Moral Hazard individuell leichtfertigen Verhaltens zum Schaden der kollektiven Verteidigungsfähigkeit. Im Ergebnis werden alle den Trittbrettfahrer beim anderen spielen wollen und Europas Verteidigungsfähigkeit bricht zusammen.
Steigt man mal in europäische Rüstungsprojekte wie dem NH90 ein, so sieht man, dass diese Projekte erheblich unter den Effekten Rationalitätenfalle und Moral Hazard gelitten haben und es strukturelle Gründe für die Annahme gibt, dass diese europäischen Lösungen, egal ob sie NH90 oder Euro heißen, erst funktionieren können, wenn es ein europäisches Staatsvolk mit starken Loyalitäten gibt.
@ M.Steffen | 25. März 2015 – 13:34
Was genau verstehen Sie unter „sich von den USA emanzipieren“? Das klingt für mich recht antiamerikanisch und spalterisch. Europa und Nordamerika sollten ein vitales Interesse daran haben, in sicherheitspolitischen Fragen kooperativ zusammenzuarbeiten.
Ich nehme Deutschland als sehr unabhängigen Staat in der Weltgemeinschaft wahr. Wir interagieren mit Ländern wie China, Frankreich, den USA und Russland, vertreten unsere Interessen und sagen nein, wenn uns etwas nicht passt. Ich kann jetzt nicht erkennen, dass wir von Frankreich, England oder den USA, die alle Truppen in Deutschland stationiert haben, irgendwie unterdrückt werden. Ich sehe da eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit, die wir dringend mal wieder mehr pflegen sollten.
Es ist sehr schade, dass die Anfänge von sicherheitspartnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Russland von Russland so brutal zerstört wurden und es ist zu hoffen, dass sich das in Zukunft wieder ändert.
Es gehört nach wie vor zu den vitalen Interessen Deutschlands, mit möglichst vielen Ländern möglichst enge auch sicherheitspolitische Beziehungen zu pflegen.
Sehr schlechtes Beispiel. Der Euro ist leider eine Fehlkonstruktion, die Südeuropa verarmen lässt und Deutschland dazu zwingt, die verarmenden Südeuropäer zu alimentieren. Die Transfers von Deutschland nach Griechenland sowie die Bevormundung Griechenlands durch Deutschland/die Troika/die Instutionen schadet der Völkerfreundschaft in Europa. Der Euro wird sicherheitspolitisch mehr und mehr zum Problem für den Frieden und die Völkerfreundschaft Europas.
Und diese fehlkonstruierte Währung führen Sie nun als Beispiel und Vorbild für eine EU-Armee an? Mit dem Euro sind unsere Regierungen nicht unwesentlich mit der Lösung von Problemen beschäftigt, die es ohne Euro nicht gäbe.
Wenn Europas Sicherheit bedroht wird, wird sich dem eine Koalition nationaler Armeen entgegenstellen, die sich kooperativ koordinieren. Gerade die osteuropäischen Staaten werden dabei auf die USA setzen uns sich z.B. mit Rüstungsgütern und Verbandsstrukturen an die USA binden. Von Deutschland hingegen werden sich Länder wie Polen oder Estland „emanzipieren“, weil man Deutschland nicht mehr als zuverlässig erachtet. Eine fünfte Teilung Polens will man in Warschau halt nicht erleben, da lehnt man sich lieber an potente Schutzmächte an, die nicht in der Vergangenheit schon über einen hergefallen sind.
@Magmakammer:
Gemäß Vertragstext ist die EU eine Verteidigungsunion, deren Klausel konkreter ist als NATO Art 5.
Im NATO-Vertrag heißt es, dass jedes Land im Bündnisfall die Maßnahmen trifft, „die sie für erforderlich erachtet“.
Art 42 (7) EU-Vertrag: “ Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung “
Dass auch diese Formulierung Spiel- und Interpretationsraum lässt, ist klar (insbesondere durch den nachfolgenden Satz: Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits-und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt ).
Trotzdem würde ich als Laie aus dem EUV einen stärkeren Handlungsimperativ ableiten als aus dem NATO-Vertrag.
Die Verteidigungsunion möchte ich sehen, die konkreter wird als NATO Artikel 5!
http://www.nato.int/terrorism/five.htm
Art 47 (7) EU-Vertrag:
„Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.
Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.“
Der Schritt zu einer europäischen Armee als Instrument um Art. 47 Abs. 7 ist also überhaupt nicht so groß wie man meinen könnte.
@ jungchen | 25. März 2015 – 14:23
Artikel 5 Natovertrag sollte man schon mal ganz lesen, dann klingt das doch wesentlich verbindlicher.
Es ist ein Unterschied, ob ich Hilfe schulde (EU) oder ob ein Angriff auf ein anderes Land wie ein Angriff auf mich zu sehen ist.
@M.Steffen
Ich kann ihrer Argumentationslinie nicht folgen. Auf Grund des EU-Vertrages ist es doch vollkommen überflüssig eine weitere Verteidigungsunion zu fordern und die Notwendigkeit einer solchen als Argument für eine EU-Armee anzuführen. Nochmal, welchen Sinn haben dadurch aufgebaute Doppelstrukturen (National/Eu/NATO)? Kosten spart das ganze dann leider immer noch nicht. In der Theorie ist der Komplex EU-Vertrag/NATO ziemlich potent.
Interessant dabei, dass sich hier häufig über den Wasserkopf in der Bundeswehr und seine ineffizienz/ineffektivität diskutiert wird, aber scheinbar bei einer EU-Armee Doppelstrukturen in Konkurrenz zur NATO durch aus akzeptiert werden.
Cheers
Flip
PS: @TW würden die letzten ca 15 Kommentare nicht im EU-Armee Thread eher on-topic sein? Dann erübrigen sich vll auch manche Beiträge/Fragen, da schon längst diskutiert. Vll mögen sie ja verschieben ;)
Thema Doppelstruktur:
Zunächst einmal geht es ja nur um einen ersten Schritt. Im übrigen schlage ich ja gerade eine Verteidigungsunion in dem Sinne vor, als dass die europäische Armee der Landesverteidigung dient. Es geht also gerade um die Bereiche die die meisten europäischen Staaten wegrationalisiert haben als das Feindbild Russland abhandengekommen war. Nun bedarf es in dieser Fähigkeit wieder. Der Aufbau wird viel Geld kosten. Wird der Bedarf für eine Armee gebündelt, würde dies Milliarden sparen. In der Tat ist es richtig, dass wenn jeder Nationalstaaten seine Armee behält es weiter doppelt dreifach zehnfach Strukturen gibt. Das ist natürlich nicht erwünscht. Die Hoffnung ist, dass nach und nach die Nationalstaaten auf ihre eigenen Streitkräfte verzichten. Dies können Sie tun müssen es aber nicht. Tun sie es werden Sie viel Geld sparen. Tun sie es nicht ist es ihre souveräne Entscheidung. Der eine gibt eben Geld für kostenlose Kitaplätze aus und der andere für seine nationalen Streitkräfte.
Verteidigungsunion? Verpflichtet zum bewaffneten Beistand?
„Wir marschieren in den Irak ein, die völkerrechtliche Legitimation ist umstritten – Ihr seid verpflichtet uns Beistand zu leisten selbst wenn euer Souverän gegen einen solchen Beistand stimmt.“
Und nun?
• Kommt eine supranationale Institution und macht „du! du!“?
• Droht die Nation welche es mit dem Völkerrecht nicht zu genau nimmt, diesem Vasallen nun mit Krieg?
Leute! Vielleicht sollten manche sich erst mal überlegen welches Recht und welche Rechtsphilosophie in unseren Breitengraden herrscht.
Dieser Vorschlag ist nichts anderes als ein Rückfall in Zeiten, als man die nationale Souveränität von Staaten nicht akzeptierte und jederzeit einen Grund fand den Nachbarn zu überfallen. Egal wie man es sieht. Eine souveräne Nation kann und darf zu Nichts von außen gezwungen werden (sofern sie nicht selbst zu diesen illegalen Agressoren gehört) – dafür wurden übrigens die Vereinten Nationen gegründet. Auch Verträge die von Nationen im freien Willen auf supranationaler Ebene (EU) oder zwischen Nationen geschlossen wurden (NATO) stehen nicht über dem Souverän und können folglich nicht gegen den Souverän durchgesetzt werden.
• Warum konnte DEU wohl mehrmals in Folge die Maastricht Kriterien reißen?
• Warum können wir eigentlich Griechenland nicht vorschreiben wie sie ihr Land zu regieren haben? Warum ist die Troika rechtlich so ein großes Problem und kann nur mit Zustimmung der griechischen Regierung arbeiten?
• Warum kann und darf die NATO den Beistand im Konfliktfall nicht erzwingen?
Daher
• Warum kann es wohl keine Beistandspflicht geben?
Wenn die deterministischen Schwärmer daher bitte mal den Souverän als absolut höchste Instanz respektieren, dann würden sie zumindest auf rechtsstaatlichen Boden zurückkehren.
*kopfschüttel*
Zumal es M. Steffen ja auch um die nachvollziehbare „Emanzipation“ Europas von den USA geht. Wenn es darum geht, ist die NATO wohl nicht das geeignete Forum.
Bisher hat die EU als Doppelstruktur was die Führungsfähigkeit angeht den Militärstab mit 200 people. Da kann sie ja noch ordentlich Doppelstrukturen aufbauen, bis sie die Dimensionen der Wasserköpfe nationaler Armee erreicht.
EU-Armee Thread:
In der Tat passt das zuletzt geschriebene dorthin. Es geht aber auch um das Thema hier. GB beabsichtigte die Landesverteidigung wieder in den Vordergrund zu rücken. Dies werden alle europäischen Staaten tun. Und da ist dann auch gleich den Link zu europäischen Armee.
What does Article 5 mean?
Article 5 is at the basis of a fundamental principle of the North Atlantic Treaty Organisation. It provides that if a NATO Ally is the victim of an armed attack, each and every other member of the Alliance will consider this act of violence as an armed attack against all members and will take the actions it deems necessary to assist the Ally attacked
Das kann auch bedeuten, dass man mit Geld oder Beileidsbekundungen seine Anteilnahme zum Ausdruck bringt.
P.S.: Es geht nicht um Doppelstrukturen sondern um deren Abschaffung. Z.B.: EU Pfeiler der NATO muss nur von der EU geführt werden und nicht von einem US General.
Auch wäre es möglich, dass im Frieden und Abenteuereinsatz die Spezialtruppen national geführt werden und nur im VFall unter ein Kommando gehen.
Da die Frage aufkam, ob die Debatte, die sich hier entwickelt hat, nicht eher in den Europa-Armee-Thread gehört: Ich denke, es ist wenig sinnvoll, das alles jetzt da rüber zu schieben, auch wenn es da eher hinpassen würde… sondern hier diese Diskussion weiter zu führen.
@ vom Stein: „Was genau verstehen Sie unter „sich von den USA emanzipieren“? Das klingt für mich recht antiamerikanisch und spalterisch. Europa und Nordamerika sollten ein vitales Interesse daran haben, in sicherheitspolitischen Fragen kooperativ zusammenzuarbeiten.“
Ich kann zwar nicht für M.Steffen sprechen und es ist (leider) auch gegenwärtig unrealistisch – weil wir u.a. eben in Friedenszeiten, wie Sie völlig richtig bemerken, eher Geld für Wohlfahrt, als für Sicherheit investieren, aber auch aufgrund des Aufrechterhaltens von 28 nationalen Armeen samt Ministerien und Wasserköpfen nebst subventionierten Industrien – aber ich halte die Emanzipation eines Staatenverbundes mit über 500 Millionen Einwohnern, einem BIP größer als der USA, mit 170 Mrd. Dollar Verteidigungsbudget und 1,5 Millionen Soldaten eigentlich für eine Selbstverständlichkeit und keinesfalls für anti-amerikanisch. Dass wir in selbstverschuldeter Unmündigkeit nicht selbst in Europa und der unmittelbare Umgebung für unsere Sicherheit sorgen können (Russland gibt ungefähr 85 Mrd. Dollar für Verteidigung aus), ist der eigentliche Skandal. Daher müssen wir den USA dankbar sein und umgekehrt akzeptieren, dass wer „free riding“ betreibt, eben im Umkehrschluss nicht bestimmen kann, wohin der Zug fährt, den hauptsächlich ein anderer angeschafft hat, unterhält und betankt.
Wir werden keinesfalls von den USA unterdrückt, stimmen in vielen, aber nicht allen Belangen überein, werden aber eben auch nicht immer für voll genommen (B. Nuland: „Fuck the EU“) und sollten zumidnest theoretisch in der Lage sein, unsere Dinge in Europa selbst regeln zu können. Gerne mit den USA, aber notfalls(!!!) eben auch ohne sie, ohne uns von externen Autokraten spalten zu lassen. Aber zu diesem „notfals ohne“ sind wir definitiv absehbar nicht in der Lage und damit automatisch abhhängig, gleich ob wir das gut oder schlecht finden. Auch ein sicherheitspolitisch“emanzipiertes“ Europa
(wann auch immer das sein mag) sollte engste Beziehungen zu den USA und anderen nicht-europäischen NATO-Partnern halten und diese pflegen, aber eben sicherheits- und verteidigungspolitisch (vollständig) unabhängig, selbstständig und auf Augenhöhe sein und dazu gehört die Option „notfalls ohne“ zu können.
Wer im Zuge der Ukraine-Krise und nach Libyen behauptet, wir wäre unabhängig in unseren äußeren und speziell sicherheitspolitischen Angelegenheiten oder auf Augenhöhe, der lebt genauso in einer Traumwelt, wie die, die sich schon in wenigen Jahren im gelobten Land der „Vereinigten Staaten von Europa“ samt europäischer Armee sehen.
@Iroquois So ist es!
@ Iroquois | 25. März 2015 – 17:34
Schöner Beitrag, dem ich weitgehend zustimmen kann.
Sie versachlichen sehr schön, dass es sehr wohl auch zwischen Europa und Amerika Interessenskonflikte gibt und es ein stabilisierendes Element ist, wenn diese auf Augenhöhe friedlich ausgetragen und gelöst werden. Die sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei Europas ist sicherlich ein Problem, dass es zu lösen gilt. Nur solange die USA über 1200 $ pro Einwohner und Europa irgendwas zwischen 400 – 500 $ für Verteidigung ausgibt, so stimmt da einfach ein Kernparameter nicht. Da müssen wir uns nicht wundern, dass EU-Europa nicht für voll genommen wird – was aber nicht nur an fehlenden militärischen Fähigkeiten liegt, sondern auch an einer eher stümperhaften EU-Außenpolitik. Wer kann mal eben benennen, wer der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik ist und wofür die Dame steht? Eben.
Regionale Egoismen im Rüstungsbereich gibt es in den USA genauso, wie in Europa. Wenn da die Lobbyisten von Texas und Kalifornien aufeinander losgehen, geht man lieber in Deckung …
Aber auch da haben es die USA trotz ihrer föderal innenpolitisch starken Bundesstaaten geschafft, mehr aus dem Dollar zu machen, als die Europäer. Eine Überprüfung der Funktionsweise der europäischen Armeen und Rüstungsbeschaffungen ist also mehr als angebracht.
Der absurde Ruf nach einer zentralisierten EU-Armee ist hier eher eine hinderliche Nebelkerze und verdeckt den Blick aufs Wesentliche.
Moin,
das Verhältnis von EU und NATO wird übrigens in der Berlin Plus Vereinbarung geregelt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin_Plus
Iroquoise: man kann es nicht schöner auf den Punkt bringen.
@FvS
Auch ihnen stimme ich zu :-)
doch:
“ Nur solange die USA über 1200 $ pro Einwohner und Europa irgendwas zwischen 400 – 500 $ für Verteidigung ausgibt, so stimmt da einfach ein Kernparameter nicht.“
Das läßt die Frage offen, ob wir zu wenig oder die USA zuviel Geld verbraten…..und warum?
Wenn der europäische Teil der NATO (nicht EU Armee :-)) seine Beschaffung, Ausbildung, Übung und Grundbetrieb abstimmen würden, hätten wir wohl viel Luft nach oben.
Also das mit dem amerikanischen Rüstungssektor kann so nicht stehen bleiben. Sonst bleibt hier wieder nur hängen „Da drüben ist alles Tutti und wir sind zu blöd“.
Dieser Komplex schafft es eben nicht „mehr aus dem Dollar zu machen“. Außer man versteht darunter die Partikularinteressen der verschiedenen Beteiligten = Firmen die ordentlich an den verschiedenen mit erheblichen Problemen behafteten verdienen.
F35, LCS, DDG1000 um mal nur ein paar Problemkinder zu nennen.
Alle genannten haben erhebliche Kostensteigerungen, schlechte operative Ableitungen und Analysen, miserable functionale Forderungen und damit einher gehende miserable Spezifikationen, schlechte Entwürfe Fehl- bzw, gar keine Entscheidungen (Beispiel 2Typen LCS und jetzt die weiterverfolgung beider Varianten im Rahmen der Gedanken Small Surface Combatant) und einen erheblichen Filz zwischen den Beschaffungsbehörden und den Entscheidern, schlechtes Programmmanagement usw.
Diese Probleme möchten wir hier nicht haben.
Warum ich das weiß? Nun vor allem für die Naval Dinger lese ich regelmäßig die GAO Reports, Congressional Research Service, beobachte die Diskussionen bspw im Umfeld des US Naval Institute und ich habe regelmäßigen Kontakt zu verschiedenen Firmen die dort vertreten sind.
@ FvS” Nur solange die USA über 1200 $ pro Einwohner und Europa irgendwas zwischen 400 – 500 $ für Verteidigung ausgibt, so stimmt da einfach ein Kernparameter nicht.”
Dazu vielleicht ein paar Fakten: Der Verteidigungshaushalt der EU Staaten zusammen liegt bei circa 270 Milliarden Dollar. Die USA geben circa 510 Milliarden Dollar aus. Zieht man von dem US Militärhaushalt die Kosten für die nukleare Bewaffnung, die Trägerverbände im Pazifik und die Kosten diverser Kampfeinsatz ab, und berücksichtigt man weiter das in den USA ca. 320 Millionen Menschen leben in der Europäischen Union aber 510 Millionen Menschen dann sind die Kosten pro Kopf dicht beieinander.
Umso erschütternder ist es, dass die Europäische Union ohne die USA militärisch quasi nichts alleine kann. Ist das nicht Grund genug die Kräfte in Europa zu bündeln?
Da sich die Diskussion hierher verlagert hat, gibt’s die Polemik auch hier.
@ Seaking
Es gibt überhaupt keinen Handlungsbedarf für ein anderes Konstrukt
Klar, gibt ja auch deutlich stressigere Jobs als bei der Bundeswehrbehörde für Traditionspflege und regionale Industrieförderung.
Flugzeugträger ohne Flugzeuge (GB), Nationen ohne einsatzbereite Hubschrauber (DE) oder Downlink-fähige Jets (FR) zeigen ja das alles rund läuft. Und die Ausstattung mit Schutzwesten (GB), Nachtsichtgeräten (DE) und ausreichend gepanzerten Fahrzeugen (FR) war ja in der Vergangenheit nie ein Problem. Hat die jeweilige Bevölkerung sicherlich auch vollstes Verständnis für, ist ja nicht so als gäbe es Wasserköpfe, Doppelstrukturen und Mittelverschwendung. Dekadent sind halt immer die anderen. Warum also die Menschen der EU nicht vom Kasernenhof verteidigen – solange es für die Paraden in Kiel und Paris reicht ist das doch Abschreckung genug?
Grade was die Praxistauglichkeit der Bundeswehr angeht werden die anderen Nationen sicherlich ohne Tadel zustimmen, dass sich die Bundeswehr in Afghanistan insgesamt im Rahmen ihrer Möglichkeiten bewährt hat, und dabei nicht unbedeutende Erfolge hatte. Also alles paletti.
Auch die Realitätsnähe der Führung auf Nato- und nationalstaatlicher Ebene wurde dort ja anschaulich demonstriert. Unity of Purpose einer Koalition von Nationalstaaten. Wie gut das funktioniert hat, so ganz ohne Ausscheren und Innenpolitik, wie da angemessen und mit Weitblick auf Lageänderungen reagiert wurde, wie die auftretenden Belastungen angemessen, solidarisch und ausdauernd gestemmt wurden. Toll, soviel Geschlossenheit und Wirkung hat man seit den Koalitionskriegen gegen Napoleon nicht mehr gesehen.
Und die Neo-Taliban-Badelatschenträger waren ja auch ne besondere Herausforderung, da war praktisch von vorneherein nichts zu machen, so beliebt wie die waren. Zum Glück wird Krieg ja leichter wenn der Gegner zahlreicher ist, über mehr Mittel und bessere Ausstattung verfügt, und sich nicht intern zerstreitet. Dann muss er konventionell nach Drehbuch kämpfen, oder etwa nicht?
Ok, der eine odere andere wird hier vielleicht zustimmen, dass womöglich doch nicht alles ganz rund läuft. Muss dann wohl am Geld liegen. Immerhin gibt Europa für seine Streikräfte ja kaum was aus, kann ja jeder auf den ersten Blick sehen. Da darf man ja nix erwarten.
Aber spätestens wenn’s ernst wird (noch ernster, am ernstesten?) werden die Regierungen den Geldhahn aufgedrehen, und alles was die Streitkräfte jetzt nicht hinkriegen wird auf einmal ein Kinderspiel. Oder? Welcher Gegner würde schon gleichzeitig zu einer militärischen Bedrohung versuchen die Wirtschaft und die Rohstoffversorgung zu destabilisieren, und die Bevölkerung zu spalten? Nur weil das gegen die Ukraine funktioniert… Zum Glück ist es ja nicht so, als wären die Staatseinnahmen von der Wirtschaftslage abhängig. (Hat da grad wer Sequestration gesagt?) Und selbst wenn: Sicherlich würden alle europäischen Staaten mit weniger Haushalt trotzdem mehr für die Streitkräfte aufwenden – da wird sicherlich niemand ausscheren und die eigene Wirtschaft auf Kosten der anderen pushen.
Also: Es gibt überhaupt keinen Handlungsbedarf für ein anderes Konstrukt.
Ein paar Anmerkungen möchte ich doch gerne noch kommentieren:
@Frühaufsteher
„Die Einführung einer Europawährung war schon in den 1950er ein Ziel für das hart gearbeitet wurde und wird, kein Wunder an das man Glauben musste“
Stimmt! Und genauso alt ist das Streben nach einer europäischen Armee: Bereits zu Beginn der 1950er Jahre äußerte der französische Ministerpräsident René Pleven Gedanken zu einer Europaarmee. Über eine europäische Verteidigungsgemeinschaft wurde sogar bereits in den fünfziger Jahren in Deutschland und Frankreich abgestimmt.
@FvS:
„Sehr schlechtes Beispiel. Der Euro ist leider eine Fehlkonstruktion, die Südeuropa verarmen lässt und Deutschland dazu zwingt, die verarmenden Südeuropäer zu alimentieren.“
Ich wollte keine Diskussion über den Euro anzetteln Und ich werde auch jetzt nicht über den Euro diskutieren (auch auch wenn das was Sie schreiben schlicht falsch ist). Es ging mir lediglich darum, zu verdeutlichen das auch wenn man glaubt etwas sein unmöglich es zehn oder 20 Jahre später Realität sein kann.
@ J.R
Was überzeugt Sie, dass europäische Nationen, die es auf Ebene der NATO nicht geschafft haben den Konflikt in Afg. zu denken, es nun plötzlich schaffen den Konflikt auf europäischer Ebene zu denken/gestalten? Und wenn wir den Konflikt auf europäischer Ebene denken/gestalten könnten, warum können wir ihn nicht auf NATO Ebene denken/gestalten?
Wenn wir Hubschrauber, Flugzeuge, Schutzwesten, Nachsichtgeräte etc… nicht auf nationaler Ebene beschaffen können, warum können wir Sie dann auf europäischer Ebene beschaffen?
• Weil die von den USA dominierte NATO neo imperialistisch ist und somit als Basis für verbesserte Zusammenarbeit ausfällt?
• Weil das Wort „Nation“ ein ungutes/schmutziges Gefühl auslöst welches durch Brüssels Bürokratie eingehegt und sterilisiert werden muss?
In diesem Fall muss ich sie enttäuschen – die Ursachen mangelnder militärischer Effizienz liegen weder in der NATO begründet, noch lösen sie sich wie durch ein Wunder im bürokratischen Brüssel.
Effizienz ist eine Frage der ökonomischen Analyse und Umsetzung gut durchdachter Strukturen innerhalb des möglichen rechtlichen/funktionellen und politischen Rahmens.
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Da man aber hier lieber völlig ohne ökonomischen Sachverstand und ohne Berücksichtigung des rechtlichen oder politischen Rahmens in scholastischen Visionen schwelgt, kann man eben nicht das Offensichtliche erkennen:
• Die EU-Armee auf supranationaler Ebene kann alleine aus staatsrechtlichen Gründen keine originäre Hoheitsgewalt ausüben – erst recht nicht über das ultima ratio der militärischen Gewaltanwendung. Die EU ist eben kein Staat und wird es bis zum Tag der Vereinigten Staaten von Europa nicht sein.
• Die militärische Kooperation zwischen Nationen ist in der NATO etabliert und am weitesten fortgeschritten. Die NATO erlässt Normen um Material und Prozesse zu harmonisieren. Die NATO plant und führt die militärische Operation im Verteidigungsfall. Die NATO hat nach der Berlin Plus Vereinbarung ein Vorrecht ggü. der EU: http://de.wikipedia.org/wiki/Berlin_Plus
Wenn man diesen Sachverhalt erst mal nüchtern analysiert hat, dann dürfte kein weiterer Diskussionsbedarf über die zukünftige Arbeitsebene mehr bestehen. Diese liegt schon alleine aus zeitkritischen, organisatorischen, öknomischen und militärischen (Kapazitäten der USA) Gründen bei der NATO.
Ein massiver Diskussionsbedarf besteht jedoch bei den Fragen:
• Wie können die europäischen Nationen bzgl. der Verteidigung des europäischen Kontinents ihre eigenen Interessen ggü. den USA besser vertreten und eine echte europäische Verteidigungspolitik in dieser geographischen Region prägen? P.s Vielleicht sind die USA ja auch glücklich darüber wenn der europäische Kindergarten endlich seinen eigenen geostrategischen Vorgarten sauber halten kann und die USA sich ohne Sorgen der neuen Lustwiese zuwenden können? Und selbst wenn die USA so böse sind wie manche behaupten und eine europäische Kooperation um jeden Preis verhindern wollen, wo befindet sich die Tanzfläche? Etwa in kleinen lokalen europäischen Projekten die es dem Riesen USA oder Russland ganz mächtig zeigen sollen? Die werden sich totlachen und den Europäern mitleidig den Kopf tätscheln. Nein. Die Tanzfläche befindet sich in den Räumen der NATO – hier werden die Weichen der Zukunft gestellt. Entweder gestalteten die Europäer diesen Prozess mit und beeinflussen aktiv die Zukunft, oder sie versuchen sich trotzig eigenes Spielzeug zu bauen weil der große Bruder sie nicht mitspielen lässt. In diesem Fall wird Europa eben keine richtungsweisende Kraft für die nächsten 30 Jahre sein und primär mit sich selbst beschäftigt sein. Aber so viel Zeit darf es dann mit einem aggressiven Putin vor den Toren schon sein?
• Wie können die Strukturen der NATO effizient genutzt/modifiziert werden um eine verbesserte Harmonisierung der europäischen Streitkräfte (und damit Skaleneffekte) zu realisieren? Warum beschaffen europäische Nationen trotz NATO Harmonisierung immer noch inkompatible Systeme?
• Können in der Struktur der NATO Fähigkeiten direkt implementiert werden z.B. MEDEVAC Verband? Wie müssen diese Fähigkeiten beschaffen sein und finanziert werden, damit die jeweils nationalen Anteile ohne Blockade einer weiteren Nation eingesetzt werden können – Vermeidung des AWACS Problem mit DEU.
• etc…
Es gibt also eine Menge zu diskutieren und umzusetzen. Aber eben nicht in hypothetischen Konstruktionen ohne Chance auf Realisierung, sondern ganz konkret im Hier und Jetzt und unter Verwendung der gegeben Werkzeuge und Mittel. Diese angebliche Diskussion über die EU-Armee ist nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver um von den Entscheidungen welche auf NATO Ebene jetzt zu treffen sind bzw. gerade getroffen werden, aber von den europäischen Politikern nicht getroffen werden wollen weil sie Positionierung erfordern und Geld kosten, abzulenken – wir machen das eben lieber mit den Fähnchen und fühlen uns als tolle Europäer.
@ M.Steffen | 25. März 2015 – 23:14
Das Problem bei schlechten Beispielen ist: Sie verursachen Diskussionen, die nichts mit dem Thema zu tun haben. Ein verkürztes gegeneinanderprallen unterschiedlicher Sichtweisen ist da meist wenig erhellend. Da ich aber auch keine OT-Diskussion anfangen möchte, verweise ich nur kurz auf die Studien des Ifo Institut für Wirtschaftsforschung, auf die ich mich bei der von mir dargestellten Sichtweise inhaltlich beziehe. Die erklären gut, warum der Euro u.a. mangels außenwirtschaftlicher Abwertungsmöglichkeit für die Südeuropäer zur Zwangsjacke wurde, die ihnen Arbeitslosigkeit, Armut und Destabilisierung beschert.
Im Rausch der Euro-Einführung hat man so viele Effekte übersehen bzw. bewusst übergangen, dass das Ergebnis leider so fehlerhaft ist, dass es mehr Schaden anrichtet als Nutzen stiftet.
Hier sehe ich nun die Parallele zu einer EU-Armee. Auch hier handelt es sich um ein politisch, nicht sachlich motiviertes Projekt. Auch mit einer EU-Armee soll ein Grundstein für ein geeintes Europa gelegt werden. Nur leider sind beim Thema EU-Armee die Details noch vertrackter als beim Euro und die Konsequenzen eines Scheiterns sind existentiell. Scheitert der Euro, kostet das (nur) Geld (schlimm genug). Scheitert eine EU-Armee kostet das schnell Leben und Freiheit.
Natürlich können wir alle nicht in die Zukunft schauen. Und wie Europa aussehen würde, wenn die Euro-Visionäre zum Arzt und nicht in die Politik gegangen wären, ist auch Spekulation. Griechenlands Wirtschaft könnte dank Abwertung des Außenwertes der Drachme florieren … Europa hätte keine internen Streitereien und hätte dank der freien Kapazitäten die Ukraine schon 2004 in die EU aufgenommen … Putin hätte ob des stabilen Bündnisses die Krim nicht annektiert und wir müssten uns aktuell keine Gedanken über Aufrüstung machen …
@ Bang
Das sind in der Tat alles sehr wichtige Fragen. Die Schlussfolgerung man könne wegen dieser offenen Fragen eine europäische Armee nie realisieren ist aber falsch. Die Beantwortung der von Ihnen gestellten Fragen hängt stark davon ab, wie eine europäische Armee ausgerichtet sein soll. Diskutierte wird eine eher offensiver Ausrichtung für außereuropäische Einsätze oder eine defensiver Ausrichtung als schlichte Verteidigungs Union mit der Aufgabe der Landesverteidigung und gegebenenfalls ergänzt durch die Aufgabe der Hilfeleistung nationaler Streitkräfte. Realistisch erscheint mir gegenwärtig nur eine rein defensive Verteidigungsunion zu sein. Dies deshalb, da die Nationalstaaten nicht auf ihr Recht verzichten werden selbst und eigenständig Außenpolitik auch mit militärischen Mitteln zu betreiben. Gehen wir also (spaßeshalber) von einer rein defensiven der Landesverteidigung verpflichteten europäischen Armee aus. Dann gilt folgendes: die Vorteile einer europäischen Armee sind ausreichend diskutiert. Meiner Auffassung nach liegen die Vorteile auch auf der Hand. Sie sind insbesondere wirtschaftlicher aber auch ideeller Art. Beispiele: große Stückzahlen führen zu günstigen Preisen beim Material; Doppelstrukturen können abgebaut werden; das Drama multinationaler Beschaffungs Projekte kann beendet werden wenn es nur noch einen Auftraggeber gibt…; Eine gemeinsame Verteidigung kann integrieren.
Wie passt es aber ins heutige Bild Europas unter der NATO? Eine Verteidigungsunion sollte (aus deutscher Sicht) eine Parlamentsarmee sein. Nichts liegt näher, als dem europäischen Parlamente eine erste echte Aufgabe zu geben und die europäische Armee dem europäischen Parlament zu unterstellen. Damit dürfte sich auch Ihre Frage nach dem fehlenden Staatsgebiets erledigt haben. Völkerrechtlich ist das kein Problem.
„• Weil die von den USA dominierte NATO neo imperialistisch ist und somit als Basis für verbesserte Zusammenarbeit ausfällt?
• Weil das Wort „Nation“ ein ungutes/schmutziges Gefühl auslöst welches durch Brüssels Bürokratie eingehegt und sterilisiert werden muss?“
Das sind nicht meine Themen. Auch wenn die Emanzipation von der USA wichtig ist. Man kann weder von den USA erwarten noch darf man sich darauf verlassen das in die USA stets den Europäern zu Diensten sind wenn diese die Dienste der der USA verlangen.
“ Die NATO hat nach der Berlin Plus Vereinbarung ein Vorrecht ggü. der EU“
Das ist so schlicht falsch. Die NATO hat ein primäres Interventionsrecht. Sie geht der EU nicht vor. Das ist etwas grundsätzlich anderes . In jedem Falle ist die Berlin plus Vereinbarung Ausdruck der tatsächlichen Strukturen. Die Europäische Union ist ohne die USA zu keinerlei militärischer Maßnahme in der Lage. Die Vereinbarung ist ein Spiegel der tatsächlichen militärischen Machtstrukturen. Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an. Ist die europäische Armee ausschließlich der Landesverteidigung verhaftet, stellt sich die Frage nach dem Premieren Interventionsrecht nicht.
Zu guter letzt muss bemerkt werden, dass eine europäische Armee keine Alternative zur NATO ist und diese aber ergänzen kann. Sie soll vielmehr der Verantwortung der europäischen Staaten in der Welt gerecht werden und dazu führen, dass die finanziellen Mittel, die europäischen Staaten für Verteidigung einsetzen, effizient genutzt werden. Dies ist ohne eine einheitliche Struktur nicht vergleichbar möglich.
M.Steffen | 26. März 2015 – 9:46
„Völkerrechtlich ist das kein Problem.“
hm, könnten Sie das bitte etwas näher ausführen? Ich habe da einen völlig anderen Wissensstand, würde den aber gerne erweitern (keine Ironie).
@FvS
EURO:
Das Euro Beispiel ist nicht schlecht es muss nur verstanden werden. Es ist mir vollkommen gleichgültig ob der Euro gut oder schlecht, richtig oder falsch ist. Entscheidend ist nur das in den achtziger Jahren kein Mensch daran geglaubt hat, dass es den Euro je geben würde. Heute ist er Realität. Genauso wird es mit der EU Armee kommen.
Weshalb eine Armee gefährlicher sein soll als eine Vielzahl von Armeen wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben.
@ M.Steffen | 26. März 2015 – 10:14
Nö, das ist schnell erklärt.
Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.
Dezentrale Sicherheitskräfte sorgen dafür, dass die Gedanken subsidiärer föderaler Strukturen auch gelebt werden können. Liegen die Mittel der Ausübung von Staatsgewalt in zentralen Händen, so werden diese zentralen Hände eben diese Staatsgewalt für ihre Interessen einsetzen/missbrauchen und die Provinzen können sich nicht dagegen wehren. Liegen die Werkzeuge zur Ausübung von Staatsgewalt dezentral, so zwingt das zur Kooperation und zur Konsensbildung, da keiner einfach mit Gewalt dem anderen seinen Willen aufzwingen kann. Auch aus diesem Grund ist in Deutschland die Polizei z.B. Ländersache. Auch in Europa braucht es Systeme von gegenseitiger Kontrolle, die mit Machtmitteln unterlegt sind, die den jeweils anderen überhaupt nicht auf dumme Gedanken kommen zu lassen. Diese Machtmittel sind u.a. nationale Armeen unter nationalem Kommando. Weil jeder in der EU weiß, dass die Drohung mit oder Anwendung von Gewalt nicht funktioniert (im Gegensatz zur Ukraine, bei der Gewalt für Putin eine erfolgversprechende dominante Strategie war), weil sich jedes Land wehren kann, spielt diese Dimension bei der Interessenvertretung keine Rolle mehr und man löst seine Probleme brav am Verhandlungstisch.
Eine zentrale EU-Armee könnte also eine Gefahr für den Frieden zwischen den europäischen Völkern darstellen. Viele nationale Armeen, die untereinander kooperieren, stellen hingegen eine wichtige Komponente im System eines zwischenstaatlichen Checks and Balances dar und nehmen die Option der gewaltsamen Interessenvertretung vom Tisch.
• Zitat:“ Die Schlussfolgerung man könne wegen dieser offenen Fragen eine europäische Armee nie realisieren ist aber falsch.“ – Behauptung. Wo ist das Argument?
• Zitat: “Die Beantwortung der von Ihnen gestellten Fragen hängt stark davon ab, wie eine europäische Armee ausgerichtet sein soll.2 – Nein, sie hängen davon ab was rechtlich, ökonomisch und politisch Sinn macht bzw. möglich ist. Da die EU keine originäre Hoheitsgewalt besitzt, bleibt die nationale Kooperation. Da militärische nationale Kooperation weitgehend praktisch als auch formal in der NATO organisiert ist, braucht man nicht parallel eine Organisation aufbauen und die Transaktionskosten und Friktionen erhöhen –> Effizienzverluste
• Zitat:“ Realistisch erscheint mir gegenwärtig nur eine rein defensive Verteidigungsunion zu sein. Dies deshalb, da die Nationalstaaten nicht auf ihr Recht verzichten werden selbst und eigenständig Außenpolitik auch mit militärischen Mitteln zu betreiben.“ Herzlichen Glückwunsch, dieses „Verteidigungsunion“ nennt sich NATO.
• Zitat:“ Gehen wir also (spaßeshalber) von einer rein defensiven der Landesverteidigung verpflichteten europäischen Armee aus.“ Gerade war Ihnen noch klar, dass die nationale Hoheit nicht aufgegeben werden kann, nun wollen sie schon wieder die europäische Armee. Sorry, aber wissen Sie eigentlich was Sie gerade noch gesagt haben?
• Zitat:“ Dann gilt folgendes: die Vorteile einer europäischen Armee sind ausreichend diskutiert.“ – Eine Behauptung und quod est dubitandum. Können Sie überhaupt die theoretischen Vorteile benennen?
• Zitat:“ Meiner Auffassung nach liegen die Vorteile auch auf der Hand. Sie sind insbesondere wirtschaftlicher aber auch ideeller Art.“ – Ah! Und was hat die Privatwirtschaft nun mit dem öffentlichen Gut Verteidigung bzw. europäischer Armee zu tun? Können Sie den Unterschied benennen? Sei es drum – können sie determinieren welche Effizienzvorteile ihre europäische Armee besitzt? Ideller Art – ja, ich finde meine Kaffeetasse auch schön.
o Zitat: “große Stückzahlen führen zu günstigen Preisen beim Material“ – immerhin eine Aussage. NH90 und Eurofighter wurden auch in großen Stückzahlen gebaut – warum sind die Stückkosten trotzdem so hoch? Ich gebe ihnen einen kleinen Tip: Economy of Scale wird nicht nur durch Stückzahlen bestimmt.
o Zitat:“ Doppelstrukturen können abgebaut werden“ – Sie wollen sie doch gerade aufbauen?
o Zitat:“ das Drama multinationaler Beschaffungs Projekte kann beendet werden wenn es nur noch einen Auftraggeber gibt…“ – oh weia, dann müssten die Amerikaner ja geradezu Effizienzwunder bei der Beschaffung sein – V22 Osprey, JSF etc…? Okay, sei es drum. Worin besteht der Unterschied zwischen amerikanischen Beschaffungsprogrammen und den europäischen Beschaffungsprogrammen? Die Antwort hat etwas mit den feineren Punkten der Economy of Scale zu tun.
o Zitat:“ Eine gemeinsame Verteidigung kann integrieren.“ – Und was soll diese „Integration“ nutzen? Das wir uns alle lieb haben? Wird uns dann Russland auch lieb haben? Okay, das war etwas fies. Haben Sie mal in einer WG gewohnt? Haben sich dort alle lieb gehabt wenn es um das Putzen der Toilette bzw. der Küche ging?
• Zitat: “Eine Verteidigungsunion sollte (aus deutscher Sicht) eine Parlamentsarmee sein.“ – Der schlüssigste Satz bis jetzt. Ich würde es etwas präzisieren: Ein Verteidigungsbündnis sollte demokratisch legitim sein. Wie genau es im Einzelfall geregelt ist, kommt darauf an – z.B. sind die USA eine präsidentielle Demokratie mit dem Präsidenten als Oberkommandierenden der Streitkräfte.
• Zitat:“ Nichts liegt näher, als dem europäischen Parlamente eine erste echte Aufgabe zu geben und die europäische Armee dem europäischen Parlament zu unterstellen.“ – Ja, das „europäische Parlament“ fühlt sich so einsam und ist so traurig weil man sie nichts wirklich Wichtiges entscheiden lässt. Deshalb muss man denen halt einen Job vermitteln. Vielleicht hat es ja einen Grund warum dort nichts wirklich Staatstragendes entschieden wird wie z.B. die Anwendung militärischer Gewalt – Stichwort „originäre Hoheitsgewalt“?
• Zitat:“ Damit dürfte sich auch Ihre Frage nach dem fehlenden Staatsgebiets erledigt haben. Völkerrechtlich ist das kein Problem“ – Autsch. Weil Sie der Meinung sind es sei kein Problem ist es kein Problem? Vielleicht sollte ich in Zukunft doch im Halteverbot parken weil ich der Meinung bin, dass es kein Problem ist?
• Zitat: “Das ist so schlicht falsch. Die NATO hat ein primäres Interventionsrecht.“ – Und das Vorrecht im V-Fall jemanden Kugeln ins Gesicht zu schießen ist irrelevant für eine militärische Organisation?
• Zitat:“ In jedem Falle ist die Berlin plus Vereinbarung Ausdruck der tatsächlichen Strukturen. Die Europäische Union ist ohne die USA zu keinerlei militärischer Maßnahme in der Lage. Die Vereinbarung ist ein Spiegel der tatsächlichen militärischen Machtstrukturen. Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an. Ist die europäische Armee ausschließlich der Landesverteidigung verhaftet, stellt sich die Frage nach dem Premieren Interventionsrecht nicht.“ – ????? Wollen Sie mir diesen Abschnitt vielleicht nochmal erklären?
• Zitat:“ Zu guter letzt muss bemerkt werden, dass eine europäische Armee keine Alternative zur NATO ist und diese aber ergänzen kann. Sie soll vielmehr der Verantwortung der europäischen Staaten in der Welt gerecht werden und dazu führen, dass die finanziellen Mittel, die europäischen Staaten für Verteidigung einsetzen, effizient genutzt werden“ – Ahh! Es geht also im Kern um das eigene Ego. Sehr schön. Wenn Europa seiner Verantwortung in der Welt gerecht werden will, wo spielt dann die Musik? Bei einem europäischen Projekt in der Provinz? Der MEDEVAC Verband der BW wird natürlich massiven Einfluss auf das internationale Geschehen haben? Wer steht nochmal im V-Fall an der Ablauflinie?
• Zitat:“ Dies ist ohne eine einheitliche Struktur nicht vergleichbar möglich.“ – Auch dieses Thema haben wir bearbeitet. Die Sache ist nur, die NATO ist eine bereits etablierte Struktur und erlässt Normen zur Harmonisierung. Wollen Sie einen konkurrierenden Standard auf europäischer Ebene einführen?
Sorry, aber ich musste Sie jetzt einfach mal hart angehen. Die echte Konsistenz Ihres Beitrags ist: Ich finde die europäische Armee einfach toll, kann es aber nicht begründen. Das wäre nicht schlimm wenn sie es so kommunizieren würden. Aber dann Scheinargumente in die Diskussion zu werfen ist nervig für Leute die produktiv etwas voran bringen wollen aber dann ständig gegen die Flut von Nicht-Argumenten oder längst geklärten Sachverhalten ankämpfen müssen.
@ Bang50 | 26. März 2015 – 11:31
Vielen Dank, dass Sie das mal auseinander genommen haben.
Aber so funktioniert Europa: Visionäre wiederholen ihre Vision so oft, bis sich alle an Vernunft und Sachargumenten interessierten Zeitgenossen abgewandt haben und die Visionäre unter sich beschließen können, was sie wollen. Solange die EU keine Macht hatte, war das nicht schlimm. Mit dem bisschen Macht, was sie inzwischen haben, wird es schon schlimmer. Mit der ultimativen Macht einer EU-Armee in den Händen dieser Leute würde es verdammt übel für die Völker Europas.
@F28
Probleme bestehen nicht in völkerrechtlicher Hinsicht sondern beruhen allenfalls, zum Beispiel in Deutschland auf dem GG, also auf nationalem Recht. Diese Probleme bestehen aber auch nur dann wenn die Nationalstaaten verbindlich auf eigene Armeen verzichten müssen. Dies ist jedoch überhaupt nicht zwingend.
Die europäische Armee beginnt mit einer Doppelung und endet mit dem freiwilligen (nicht bindenden) Verzicht der Nationalstaaten auf eine eigenständige Armee. Die Formel der Nationalstaaten könnte lauten : so lange die europäische Armee unsere Sicherheitsinteressen ausreichend wahrnimmt wird das Recht auf eigene Streitkräfte nicht ausgeübt.
Aber verraten Sie mir doch welches rechtliche Problem Sie meinen. Dann werde ich mich um eine Stellungnahme bemühen.
Ich finde auch, dass der „Ruf nach einer zentralisierten EU-Armee“ von den wirklichen Problemen ablenken kann, aber richtig gewendet nicht muss. Was Juncker gesagt hat, wiederspricht sich ja z.T. selbst. Von daher gehe ich davon aus, dass es eher als Impuls gedacht war, ein gewissen „europäisches Momentum“ in der Verteidigungspolitik aufrechtzuerhalten. Dieses Momentum besteht für mich darin, dass wir in Europa – gleich ob mit NATO-Hut oder EU-Hut – seit 2008 und mit Ausnahme des Gipfels vom Dezember 2013, überhaupt wieder ernsthafter über Sicherheitspolitik und Verteidigung reden. Mit dem Verteidigungsgipfel im Juni, der Weißbuch-Debatte in Deutschland und dem Versuch wieder über die ESS-Debatte in ein kontinuierlichen Austausch über Verteidigungsfragen zu kommen, ist das Thema auf der Agenda etwas nach oben gerutscht und sollte da auch bleiben.
Egal, wie viel USA oder Europa pro Kopf ausgeben, es bleibt der ernüchternde Befund, dass wir als Europäer mit extrem viel mehr Geld (sind die 270 Mrd. SIPRI- oder EDA-Daten? Bin noch nicht dazu gekommen, selbst nachzusehen) als beispielsweise Russland, extrem wenig auf die Beine bekommen und zwar sowohl in NATO, als auch in der EU. Und daran müssen wir etwas ändern, die Ursachen hierfür müssen wir analysieren, benennen und angehen. Unabhängig von transatlantischen Debatten und pro und contra USA-Einfluss, dürften wir überhaupt nicht in einer Lage sein, angesichts unserer Ausgangsaten (Bevölkerung, BIP, Vtdg.-Budget), in der wir vor Russland Angst haben und ohne die USA nicht unsere eigenen Belange in unserer eigenen Sphäre klären können. Und das Problem lösen wir nicht mit einer zentralisierten Euroarmee (jedenfalls nicht bevor die VSE Realität sind und das dürfte mindestens sehr, sehr lange dauern, falls es überhaupt kommt), aber der Weg zu mehr Zusammenarbeit in der Verteidigung – im NATO- und EU-Rahmen – ist alternativlos, denn die 28 mittleren, kleinen und kleinsten Armeen samt Ministerien und Wasserköpfen sind eben mehr Teil des Problems, als Teil der Lösung und auch dies in beiden Organisationen.
Absehbar wird Verteidigung eine nationale Angelegenheit bleiben, aber die meisten werden und können/wollen sie national gar nicht mehr leisten und haben sich entschieden, dies – wie in den Einsätzen – multilateral und mit Partnern in NATO und EU zu gewährleisten.
Ja, die USA wären glücklich, wenn der europäische Kindergarten seinen eigenen Vorgarten selbst bestellen könnte – siehe anfängliche Zurückhaltung in Libyen – aber sie wollen in erster Linie eine bessere Lastenteilung und wenn es geht keine Machtteilung. Aus nationalem US-Interesse völlig verständlich. Und ohne Lastenteilung erst recht keine Machtteilung.
Der tönerne Riese Russland dürfte – wie gesagt – eigentlich gar nicht über uns lachen können dürfen, würden wir unser Geld nicht derart ineffizient ausgeben. In der gegenwärtigen Situation mit der Ukraine klappt die Zusammenarbeit mit den USA übrigens gar nicht so schlecht, denn die langfristig extrem schmerzhaften Sanktionen trägt überwiegend die EU mit ihren Mitgliedsstaaten und die notwendige Hilfe beim Aufbau eines gut regierten Staatswesens Ukraine ist auch eher von einer Organisation, wie der EU, als einem kollektiven Verteidigungsbündnis, wie der NATO zu erwarten, während diese die notwendige Rückversicherung und Abschreckung glaubhaft darstellt….weil wir das nicht können, obwohl wir es eigentlich können müssten, angesischts der bereits mehrfach genannten Daten.
NATO und EU haben mit unterschiedlichen Ansätzen nicht bewirken können, dass wir das absolut machbare Ziel souveräner Selbstverteidigung und „Sauberhalten des eigenen Vorgartens“ ohne Hilfe verwirklichen können. Die Einspar-Zwänge durch die Finanz- und Schuldenkrise haben hier nicht den nötigen politischen Druck zu einem effektiveren Einsatz der betträchtliche, aber 28 mal national aufgewandten Mittel, entfalten können. Der Offenbarungseid in Libyen nicht und der extern Schock der Ukraine-Krise/Russland-Bedrohung bisher auch nicht. Man misstraut – zu Recht und auch zu Unrecht – den Partnern, man verlässt sich weiter auf die USA. Das ist und bleibt aber unbefriedigend und unmünmdig und wenig erwachsen. Wie lautet der Ausweg aus diesem Dilemma? Unmündigkeit für immer? Traum von den Vereinigten Staaten von Europa?
Beides halte ich entweder für nicht wünschenswert – was überhaupt nichts mit pro oder anti-amerikanisch zu tun hat, sondern mit Selbstbehauptung und Verantwortung, die wir von anderen (Afrika) auch verlangen und unserem wirtschaftlichen Gewicht entsprechen würde – oder momentan unrealistisch. Den Weg zu einem mehr an europäischer Gemeinsamkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik zu beschreiten – in NATO und EU – halte ich aber für richtig und beide Organisationen, nicht nur die NATO, können hier Hilfestellung leisten und als Forum dienen. Siehe EDA, Kommission, MAWA, EMAR, also Hilfsangebote für Kooperationen, Forschungsgelder, Ausschreibung, rechtliche Vereinheitlichungen, Standardisierungen etc.
Also Hilfestellung von „oben“. Annäherung in der GASP und kontinuierlicher und ehrlicher Austausch über Sicherheit und Verteidigung und konkrete, sinnvolle, bi- und multilaterale Schritte, Projekte zwischen NATO- und EU-Mitgliedsstaaten von „unten“. Wobei die Einteilung in „unten“ und „oben“ aus meiner Sicht falsch ist und falsche Bilder erzeugt.
P.S.: Die NATO hat gem. Berlin-Plus das Erstentscheidungs-/Erstzugrifssrecht und könnte sogar Material und Strukturen zurückfordern während eines laufenden Einsatzes der EU. Deshalb eher nationale OHQ´s wie im Falle „ATALANTA“.
@Bang50
„Was überzeugt Sie, dass europäische Nationen, die es auf Ebene der NATO nicht geschafft haben den Konflikt in Afg. zu denken, es nun plötzlich schaffen den Konflikt auf europäischer Ebene zu denken/gestalten?“
Konflikte denkt man doch nicht, denn sie sind da oder nicht!
Wenn es in EU Europa zu einem Angriff käme, dann bleibt den Staaten nichts anderes übrig als zu reagieren. Vorbeugend gibt es mit militärischen Mitteln nur die Abschreckung.
Es ist völlig unerheblich wie man die Streitkräfte in Europa nennt oder bezeichnet.
Erheblich ist kann Europa einen Konflikt verhindern und wenn ja wie.
Wenn nein, dann ist die Frage wie wir unsere Schlagkraft optimieren.
“ Und wenn wir den Konflikt auf europäischer Ebene denken/gestalten könnten, warum können wir ihn nicht auf NATO Ebene denken/gestalten?“
Kann man doch nur auch da stellt sich die Frage der Schlagkraft in Europa und welche Interessen haben die USA und Kanada und decken sich diese immer mit den Europäischen.
Zudem sind die USA auch alleine handlungsfähig, Europa und seine Staaten nicht.
Die Art des Beistandes in Europa ist anders geregelt als in der NATO.
Wer Fähigkeiten abgibt benötigt zur Verteidigung einen Partner welcher mit all seinen Möglichkeiten bereit ist zu kämpfen und dies ist mit Artikel 5 nicht gewährleistet.
M.Steffen | 26. März 2015 – 11:55
„Aber verraten Sie mir doch welches rechtliche Problem Sie meinen. Dann werde ich mich um eine Stellungnahme bemühen.“
mal ganz simpel mit dem internationalen Flaggenrecht der Schiffe angefangen. Nach geltendem Recht muss jedes Schiff unter irgendeiner National-Flagge fahren – es ist schlichtweg nicht vorgesehen, unter der Flagge einer internationalen Organisation zu fahren (NATO, UN, EU oder sonstwas). Bei allen internationalen Einsätzen von Marine-Schiffen MUSS also immer die deutsche Fahne am Heck hängen – gilt natürlich genauso für alle anderen Nationen. Dabei geht es dann natürlich nicht nur um das Stück Stoff am Heck, sondern auch um die entsprechenden Registereintragungen, Geltung nationaler Vorschriften usw.
Gleiches gilt meines Wissens auch für Luftfahrzeuge. Deshalb fliegt (meines Wissens) die gesamte AWACS-Flotte der NATO unter luxemburgischer Flagge, um das Problem irgendwie zu lösen.
Wobei das Problem mit Schiffen bzw. Flugzeugen vermutlich vergleichsweise winzig ist im Vergleich zu der Frage, wie Streitkräfte unter internationaler Flagge rechtlich sauber unterzubringen sind. Da müßte jetzt ein echter Völkerrechtler sich mit der Frage beschäftigen, welche Institutionen im Falle eines Falles überhaupt wirksam agieren könnten (Krieg erklären, kapitulieren, Frieden schliessen usw.). Ich vermute, dass da unendliche viele grundlegende Fragen zu klären wären. Deshalb schliesse ich mich der Aussage an, die irgendwo hier ein anderer Forist gemacht hat: europäische Streitkräfte wird / kann es frühestens dann geben, wenn die Vereinigten Staaten von Europa gegründet wurden.
(Kooperationen von nationalen Truppenteilen sind natürlich was völlig anderes)
@f28
Es gibt keinen welcher bestreitet, dass es ein langer Prozess sein wird bis diese Grundlagen gesetzlich geregelt sind.
Doch auch hierbei ist der Weg das Ziel.
Schon jetzt müssen viele dieser Fragen geklärt werden, gerade vor dem Hintergrund der vielen Kooperationen. Wie macht es denn die Frontex?
Am Ende fragt uns der Gegner nicht, nach welchem Dienstrecht sein Opfer dient.
@ f28
unabhängig davon, dass die EU in der Tat auf dem Weg zu einer eigenständigen Rechtspersönlichkeit ist (Nationalstaat) geben Sie die Lösung des vermeintlichen Problems ja bereits vor indem Sie schreiben:
„Deshalb fliegt (meines Wissens) die gesamte AWACS-Flotte der NATO unter luxemburgischer Flagge, um das Problem irgendwie zu lösen.“
Wenn Sie schließlich schreiben: „Ich vermute, dass da unendliche viele grundlegende Fragen zu klären wären.“ ist das ohne Zweifel richtig. Ein Berg von scheinbar unlösbaren Problemen bestand genauso bei der Gründung der Montanunion, EURATOM, EWG, PJZS…
Die Europäische Union befindet sich auf einer Reise und ist noch lange nicht am Ende.
Als ich geschrieben habe dass keine völkerrechtlichen Problemen bestehen, habe ich nicht gemeint das Vorhaben einer europäischen Armee sei problemlos. Dies sei hier ausdrücklich klargestellt.
In addition, Regulation (EU) No 1052/2013 of 22 October 2013, establishing the European Border Surveillance System (Eurosur), specifies “a common framework for the exchange of information and for the cooperation between Member States and the [Frontex] Agency in order to improve situational awareness and to increase reaction capability at the external borders of the Member States of the Union (‘external borders’) for the purpose of detecting, preventing and combating illegal immigration and cross-border crime and contributing to ensuring the protection and saving the lives of migrants (‘EUROSUR)”.
Das wäre auch für die militärische Sicherung der Grenzen möglich.
Wenn das die FRONTEX kann, warum nicht die EDA zum Thema mili. Verteidigung.
@Bang50
@ Zimdarsen – Auch für Sie gilt. Der fromme Wunsch bleibt der Vater des Gedanken.
• Zitat:“ Konflikte denkt man doch nicht, denn sie sind da oder nicht!“ – Autsch – dann können wir ja die ganzen militärischen Stäbe abschaffen. Selbst ein Boxer würde Sie für diese Aussage belächeln.
• Zitat: “Wenn es in EU Europa zu einem Angriff käme, dann bleibt den Staaten nichts anderes übrig als zu reagieren.“ Ja und wer reagiert? Die militärischen Stäbe der NATO und die NATO Response Force und nicht ein seltsames Konstrukt aus europäischen Staaten.
• Zitat:“ Vorbeugend gibt es mit militärischen Mitteln nur die Abschreckung“ – öh, ja?
• Zitat:“ Es ist völlig unerheblich wie man die Streitkräfte in Europa nennt oder bezeichnet.“ – Nein, weil gewisse Termini ein spezifisches Modell beschreiben. Da Sie die grundlegenden Organisationsformen nicht unterscheiden können, können sie auch nicht die individuellen Problemstellungen begreifen/erkennen.
• Zitat:“ Erheblich ist kann Europa einen Konflikt verhindern und wenn ja wie“ – In dem Europa endlich den Kopf aus dem Dreck nimmt und sich über folgende Punkte klar wird.
o Die relevanten Entscheidungen werden momentan und wahrscheinlich auch in mittlerer Zukunft bei der NATO getroffen. Hier mit einer Scheindiskussion über EU-Armee die Kräfte zu verausgaben schwächt die Position Europas und bestärkt die USA in ihrer Überzeugung, dass Europa nicht für sich selbst einstehen kann und bei realen Herausforderungen sich lieber in utopische Scheindiskussionen flüchtet. Dann werden eben die Pflöcke in unserem Vorgarten auch in Zukunft von den USA und nicht den Europäern eingerammt – mit allen üblen Folgen die das haben kann.
• Zitat:“ Kann man doch nur auch da stellt sich die Frage der Schlagkraft in Europa und welche Interessen haben die USA und Kanada und decken sich diese immer mit den Europäischen.“ Endlich! Willkommen in der Realität. Wo wird nochmal getanzt und wo spielt die Musik? Wo ist also der Ort um im Sinn der europäischen Nationen etwa zu reißen?
• Zitat:“ Zudem sind die USA auch alleine handlungsfähig, Europa und seine Staaten nicht.“ Tja, Blinde führen Blinde ist natürlich besser als viele Blinde geführt durch einen nicht immer richtig liegenden Sehenden? Vielleicht sollte Europa sich mal ganz individuell darum kümmern den Dreck aus den Augen zu bekommen, welcher davon rührt, dass man ständig den Kopf im Dreck stecken hat.
• Zitat:“ Die Art des Beistandes in Europa ist anders geregelt als in der NATO.“ – Welche Art meinen Sie den ganz konkret? Sorry, ich hatte es vergessen – es ist ja unerheblich wie man diese Kooperation nennen soll.
• Zitat:“ Wer Fähigkeiten abgibt benötigt zur Verteidigung einen Partner welcher mit all seinen Möglichkeiten bereit ist zu kämpfen und dies ist mit Artikel 5 nicht gewährleistet.“ – „Wer seine Waffen zu Pflugscharen schmiedet, wird für jene pflügen welche das nicht getan haben“ – Dieser Ausspruch ist zwar relativ allgemein und wird der Problemstellung nicht ganz gerecht. Verdeutlicht aber das grundsätzliche Problem von gegenseitigem Vertrauen wenn es um reale physische Gewalt geht. Gegenseitige Abhängigkeit resultiert immer in einem Vertrauensverhältnis welches jederzeit und immer enttäuscht werden kann –sowohl bei einer EU-Armee als auch NATO. Nur ein Narr würde dieses Kalkül nicht in die Überlegung einbeziehen wenn es um das Schicksal seiner Nation geht. Daher sollte jede Nation Grundfähigkeiten selbst erhalten können. Die Frage stellt sich jedoch bzgl. Effizienz, wie man diese Grundfähigkeiten entsprechend harmonisiert um Interoperabilität sicher zu stellen und Stückkosten zu reduzieren. Dazu habe ich ein paar Überlegungen parat, welche ich aber aus Zeitgründen (da ich hier ständig alte Kamellen lutschen darf) nicht weiter entwickeln kann.