Erstes NATO-Verteidigungsministertreffen seit dem Gipfel: Beratung über die ‚Speerspitze‘

Ganz so entspannt wie beim Treffen vor einem Jahr (Foto oben) dürfte es beim Zusammenkommen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel am (heutigen) Donnerstag nicht zugehen. Die Ressortchefinnen und -chefs treffen sich erstmals seit dem Gipfel des Bündnisses im vergangenen September in Wales, und in Brüssel wird es darum gehen, die Gipfelbeschlüsse in die Praxis umzusetzen. Vor allem den Readiness Action Plan, sozusagen die Antwort der NATO auf die Ukraine-Krise und auf die dramatische Verschlechterung der Lage an der Südgrenze der Allianz, in Syrien und im Irak.

Deutschland kommt dabei eine besondere Rolle zu, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf dem Flug nach Brüssel: Wir sind die Pfadfinder für die neue NATO-Speerspitze (hier ein Video dazu, die TV-Erfahrung der neuen Chefin der Bundeswehr-Zentralredaktion schlägt sich in deutlich kürzerer Video-Produktionszeit nieder…)

Das Verhältnis zu Russland ist seit dem September-Gipfel nicht besser geworden, deshalb gewinnt auch ein scheinbares Routine-Ereignis bei diesem Treffen an Bedeutung: Als erstes Gremium des Ministertreffens kommt die Nukleare Planungsgruppe der NATO zusammen. Was dort besprochen wird, bleibt in der Regel auch hinter verschlossenen Türen (es sei denn, das Bündnis möchte unbedingt bestimmte Dinge im Hinblick auf seine nukleare Abschreckung verkünden). Aber russische Raketentests und zunehmende Flüge russischer Bomber, die Atomwaffen tragen können, bis an die Grenzen auch weiter entfernter NATO-Mitglieder bescheren dieser Sitzung mehr Aufmerksamkeit als üblich. Auch wenn die deutsche Seite am Vortag die Bedeutung herunterspielte und, nicht ganz falsch, darauf verwies, dass sich die Nukleare Planungsgruppe jedes Jahr trifft. Dass 2014 kein solches Treffen stattfand, habe mit dem Gipfel zu tun gehabt.

Öffentlichkeitswirksamer wird vermutlich die Nachmittagssitzung, in der Einzelheiten zur Umsetzung des Readiness Action Plan besprochen werden. Da dürfte die Aufwertung der NATO Response Force (NRF) und vor allem die geplante, verläufige superschnelle Eingreiftruppe, also die Speerspitze,  im Mittelpunkt stehen. Das hat für Deutschland besondere Bedeutung: Zusammen mit den Niederlanden und Norwegen hatte Generalinspekteur Volker Wieker angeboten, den ohnehin für die NRF gemeldeten deutschen Truppen-Anteil für eine Provisional Response Force zur Verfügung zu stellen. Also für diejenigen, die mal ausprobieren sollen, wie sich die bislang nur als Konzept bestehende Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) so rein praktisch organisieren lässt.

Und zudem, das ist auch ein Teil der härteren NATO-Haltung gegenüber Russland, soll die Einrichtung von Aufnahmestäben und Kommandozentralen in den östlichen Mitgliedsländern besprochen und möglicherweise auch beschlossen werden. Da geht es um Einrichtungen, die dafür sorgen, dass schnell Truppen aus den westlichen NATO-Staaten nach Osten verlegt werden können, die Infrastruktur, Gerät und die nötige Führungsmöglichkeiten bereitstehen.

Und weil das alles Geld kosten wird, dürften die Ministerinnen und Minister auch besprechen, was es denn kosten darf und wer wie was bezahlt. Im NATO-Apparat wird laut einem Zeitungsbericht schon konkret überlegt, wie es laufen könnte: Das Bündnis zahlt zehn Prozent aus dem gemeinsamen Topf, die restlichen 90 Prozent müssen die beteiligten Länder tragen. Wer stark beteiligt ist, wie Deutschland in diesem Jahr, wird dann also gut zur Kasse gebeten. Ob das so beschlossen wird, wird auch eine spannende Frage.

Über die Ergebnisse will Stoltenberg am Abend bei einer Pressekonferenz Auskunft geben. Die interessanteren Details hört man aber vielleicht am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende, wo etliche der Teilnehmer des Brüsseler Treffens ja anschließend hinreisen.

Zur Ergänzung: Die Vorab-Geschichte von Associated Press und das Vorab-Statement der NATO-Sprecherin zu dem Ministertreffen.

Nachtrag: Stoltenberg hat vor Beginn des Treffens noch ein paar Details erzählt:

was den niederländischen Kollegen Hans de Vreij zu Recht zum dem Hinweis veranlasst, dass die NATO Response Force schon mal auf die Größe von 30.000 ausgelegt war, dann aber geschrumpft wurde, weil die Nationen zu wenig Truppen meldeten:

 

(Archivbild Februar 2014: Meeting of the North Atlantic Council in Defence Ministers session; Informal group photo of the women Defence Ministers participating in the meeting. Left to right: Mimi Kodheli (Minister of Defence, Albania); Jeanine Hennis-Plasschaert (Minister of Defence, The Netherlands); Ursula von der Leyen (Minister of Defence, Germany); Ine Marie Eriksen Soreide (Minister of Defence, Norway) and Roberta Pinotti (Minister of Defence, Italy) – Foto NATO)