Preview: Wald der Erinnerung
Am (morgigen) 15. November, einen Tag vor dem Volkstrauertag, wird auf dem Gelände des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr der Wald der Erinnerung eingeweiht. Die neue Gedenkstätte in Geltow bei Potsdam, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Gegenwart von Bundespräsident Joachim Gauck eröffnen will, ist die zentrale Gedenkstätte der Bundeswehr zum Gedenken an die in den Auslandseinsätzen ums Leben gekommenen Soldaten und zivilen Mitarbeiter – aber auch für alle in Deutschland im Dienst ums Leben gekommenen Bundeswehrangehörigen und damit als Ergänzung zum zentralen Ehrenmal der Bundeswehr am Bendlerblock in Berlin gedacht.
An 104 ums Leben gekommene Männer und Frauen wird im Wald der Erinnerung gedacht, und es sind nicht nur Deutsche: Auch an Soldaten anderer Nationen, die zum Beispiel in Afghanistan fielen und gemeinsam mit der Bundeswehr im Einsatz waren, wird dort erinnert.
Und das Gedenken gilt eben nicht nur den Gefallenen: Diejenigen, die im Einsatz bei einem Unfall starben, aber auch diejenigen, die sich im Einsatz das Leben nahmen, finden dort Erinnerung.
Die Ehrenhaine und Gedenkstätten aus den abgeschlossenen Einsätzen und aufgegebenen Camps der Bundeswehr haben und werden in Geltow ihren Platz finden. Der Ehrenhain aus Sarajevo, die Ehrenhaine aus Faisabad, Kundus und dem OP North in Afghanistan stehen bereits im Wald der Erinnerung, teilweise kleiner aufgebaut als im Original. Und der Platz für den Ehrenhain aus Masar-i-Scharif ist bereits vorgemerkt.
Auf Stelen und Tafeln sind alle Namen der Toten seit 1993 verzeichnet – angefangen mit dem Sanitätsfeldwebel Alexander Arndt, der am 14. Oktober 1993 beim Blauhelmeinsatz in Kambodscha von Unbekannten erschossen wurde, vermutlich bei einem Raubüberfall. Auch der erste in einem Auslandseinsatz gefallene Bundeswehrsoldat, der 2001 bei einem Hubschrauberabschuss in Georgien ums Leben gekommene Oberstabsarzt Dieter Eißing, findet sich auf einer der Stelen.
Ist die Gedenkstätte mit dem Standort auf dem abgelegenen Gelände in Geltow der öffentlichen Wahrnehmung entzogen? Und wird hier, abseits der Öffentlichkeit, eine neue Heldengedenkstätte eingerichtet? Nein, betont in beiden Fällen Generalleutnant Hans-Werner Fritz, der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos:
(Foto oben: Ehrenhain des OP North/Afghanistan – mehr Fotos hier)
Nachtrag: Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitiker Winfried Nachtwei hat seine Beobachtung des Waldes der Erinnerung sehr ausführlich hier aufgeschrieben.
@ T.W.
Ein sehr guter Beitrag, danke fürs Verlinken! Genau dieses Fazit versuchte ich zum Abschluss meines Postings von 10:55 auszudrücken.
@FvS
Das Wuerdelose vergraben von Selbstmörder n und Verbrechern ist eigentlich eine germanische Tradition.
Wenn ein Soldat Selbstmord begeht, weil er unter der direkten oder indirekten Belastung, Stress, PTBS des Einsatzes dazu kommt, hat er meiner Ansicht alles gegeben was er geben konnte und damit mehr als man fordern durfte.
Und gnauso empfinde ich es als Falsch diese Würdigung einem Soldaten nicht zu erweisen, der im Lager überfahren, green on blue erschossen, bei der Reparatur eines Fahrzeuges oder Bau einer Brücke getötet wurden.
Einer meiner Kameraden hat sich beim Wachschiessen erschossen, er war mMn für den Wehrdienst völlig ungeeignet, aber kein Vorgesetzter hat spez in der Grundausbildung die notwendigen Konsequenzen gezogen.
Der Staat verdient ganz gut am Einziehen der Kirchensteuer, mWn 7%.
Gegenüber ihren weiteren Angriffen verwahre ich mich aufs schärfste!
Bleiben wir doch mal bei der Basis bitte. Nicht das ich auch das Ehrbezeugen von Selbstmördern für fraglich halte. Oder das Ehrbezeugen an Tote, die in Folge von falschem Verhalten zustande kommen. Aber das ist hier NICHT das Thema, NICHT das Thema der Gedenkstätte.
Dies ist ein Ort von Angehörige an/für Angehörige. Ein Wald der Erinnerung. Erinnern wird/will man sich aber an jeden Toten, egal was der Grund seines Ablebens war. Diesem räumt der Staat mit der Bereitstellung des Geländes/der Finanzmittel endlich mal eine Grundlage ein.
Hier geht es nicht um die steingewordene Ehrung von soldatisch förderungswürdigem Verhalten sondern schlicht um einen Ort, an dem Angehörige Halt finden. Nicht mehr, aber bei (und das sei sehr deutlich formuliert) auch nicht weniger.
Wird denn nicht primär durch die Vergabe von Orden und Ehrenzeichen den Taten der Soldaten gedacht? In diesem Fall dann posthum.
Ich empfinde den Trauerkult als seltsam und belastend. Die Selbstmorde von PTBS-belasteten (Ex-)Soldaten zu ignorieren, die an den Folgen der Einsätze sterben ist zynisch.
Gehuldigt wird der, der eine Kugel gefangen hat oder angesprengt wurde? So groß das Leid der Angehörigen ist: die Überlebenden und Traumatisierten drum herum müssen mit den Bildern weiterleben. Und für viele ist es nicht das singuläre Ereignis, dem im Ehrenhain gedacht wird, sondern ein tagtäglicher, wiederkehrender Alptraum, den sie nur begrenzt aushalten.
So zynisch es klingt: ein getöteter Soldat, dem „Ehre“ bezeugt wird hat davon nichts und es ist kostengünstiger für die Bundeswehr. Der Umgang mit den Überlebenden und Traumatisierten ist ungleich teurer – und die Nachlässigkeiten des Dienstherrn in diesem Bereich sind – wie in anderen NATO-Staaten auch – auf den Straßen und in den Obdachlosenasylen zu suchen.
@all
Einen ausführlichen Text von Winfried Nachtwei zum Wald der Erinnerung habe ich oben als Nachtrag verlinkt.
Leider ist nicht anzunehmen, dass sich die hier herum geisternden selbsternannten Freiherrn als Pseudonyme bekannter Kabarettisten erweisen. Die unter diesen Nicks stehenden Texte sind wohl tatsächlich ernst gemeinte Stellungnahmen. Daher scheinen mir (nach harten inneren Kampfe) zwei Hinweise unumgänglich, was die ach so unheroische Gegenwart angeht.
Da wäre zunächst auf die Ernst May gewidmete Ausstellung im Frankfurter Architekturmuseum von 2011 hinzuweisen. Dieser Architekt ist einer der Gründerväter des modernen sozialen Wohnungsbaus und verantwortlich für einige der im Wiederaufbau der 50er/60er Jahre hochgezogenen Großsiedlungen wie die Vahr in Bremen, Neu-Altona u.ä.m. Zuvor hatte er im Exil für Stalin die neuen Städte auf der grünen Wiese wie etwa Magnitogorsk entworfen und hochgezogen. Wirklich interessant wird es aber vorn in seiner Biografie: Er war praktisch aus der Ausbildung heraus 1914 Soldat geworden und bei Kaisers Leuten war sein Job – die Planung von Soldatenfriedhöfen (was Wikipedia schamhaft verschweigt, die genannte Ausstellung aber dokumentierte). Das wirklich atemberaubende daran ist die enge Verwandtschaft zwischen seinen Soldatenfriedhöfen und den späteren Großsiedlungen. Bei diesem grausigen Spaß blieb mir jedenfalls das Lachen im Halse stecken – und dazu die Erkenntnis, dass einige hunderttausend unserer Mitbürger auf stilisierten Soldatenfriedhöfen leben.
Das ist genug Heroismus.
Was nun unsere selbsternannten Freiherrn angeht, scheint es geboten, deren Positionen eine echte preußische Haltung gegenüberzustellen: „Alle Stubenhocker dringen beständig auf „Opfertod“, alte geschulte Soldaten aber, die aus fünfzig Schlachten her wissen, einerseits, welch ein eigen und unsicher Ding der Mut ist, andererseits welche niedrige Organisation, welch bloßer, wer weiß woher genommener Taumelzustand ausreicht, um ein Heldenstück gewöhnlichen Schlages zu verrichten, alle diese denken sehr ruhig über Bravourangelegenheiten und haben längst aufgehört, alles was dahin gehört, in einem Glorienschein zu sehen.“
Dieser Autor dieser Zeilen war nicht nur zeitlebens stolz darauf in der preußischen Armee als Einjährig-Freiwilliger gedient zu haben sondern auch einer der bekanntesten Kriegsberichter Deutschlands, der uns über jeden Krieg Bismarcks mindestens ein dickes und bis heute lesenswertes Buch hinterlassen hat, Bei ihm verband sich (Dank einer Lehrzeit in UK) mit der konservativen Grundhaltung Vernunft und Bildung an Stelle der hierzulande üblichen Zugaben Ressentiment, ideologische Hetze und bornierte Unbildung („ . . . Deutschland ist nicht Westen sondern Mitte . . .“) zum konservativen Selbstverständnis.
Damit ist wohl auch klar, dass unsere falschen Schills und Steins nicht das Geringste mit den alten preußischen Traditionen zu tun haben, die sie usurpieren. Die Herkunft unserer Freiherren liegt ein paar Etagen tiefer im völlig korrupten zweiten Kaiserreich, allzeit angemessen verkörpert durch den kaiserlichen Narren Willemzwo und seinen Deserteur Erich Ludendorff alias Ernst Lindström. Die hätten freilich ihre Freude gehabt an der bürokratischen Heldscholastik bei der Unterscheidung des „Heldentods zweiter Klasse“ vom „Ableben durch vollste Pflichterfüllung (Heldentod dritter Klasse)“.
PS: Ich bin kein Insider, ich kann mir daher schwer vorstellen, wie da etwas von der immer wieder beschworenen Kameradschaft übrig bleibt, bei all diesen Ablebensübungen „zwanglos nach der Rangordnung“.
PS: Entschuldigung, ist ein bißchen lang geworden. Musste so.
@ Voodoo | 16. November 2014 – 10:55
….“ wenn jemand sich selbiges ohne Not’…..
Das ist der Punkt, ohne NOT….. nicht einmal ausgebildete Psychologen koennen die individuelle Not eines Menschen richtig diagnostizieren oder gar bewerten.
Insofern hat jede Selbsttoetung eines Soldaten unseren Respekt und unsere Trauer zu verdient.
@ Zivi a.D. | 21. November 2014 – 11:43
Abgesehen von Ihrer gelahrten und amuesanten Etude ueber den geschaetzten Th. Fontane sollten Sie sich auch dessen humane Lebensklugheit zulegen.
Es ist schon ein Unterschied, auch fuer die Hinterbliebenen, ob jemand im Einsatz ‚faellt‘ oder sich wegen Aussichtslosigkeit selber toetet.
Ganz rational ist der Erste ‚in Erfuellung des Gesetzes‘, der Zweite aus persoenlichsten Gruenden zu Tode gekommen.
Diesen Unterschied kann man nicht verwischen. Das hat auch nichts mit den unterschiedlichen Schichten preussischer Traditionen zu tun.
Und insoweit passt Ihre Abwertung der FvS.. Aeusserungen nicht.
@ Max Chavez
Nein, was sollte man auch „durchschnittlich“ verleihen, ausser der Einsatzmedaille (sofern noch nicht verliehen)?
@ Daniel Lücking
Auch wenn ich Ihnen beipflichte, dass die Versorgung der Veteranen in den westlichen Gesellschaften erschreckend ist – Sie vermischen mit Ihrer Ausführung zwei grundlegend verschiedene Dinge, nach denen hier eigentlich nicht gefragt wurde.
Und bei allem Respekt: Ihr Argument bezüglich der Toten empfinde ICH als zynisch.
@ MikeMolto
Das sehe ich, gerade für die Bundeswehr und aus eigener Erfahrung, anders. Schon in der Einsatzvorbereitung wird dem Führungspersonal mittlerweile eingebläut, ein Netzwerk in der Einheit und ein „Fangnetz unter den Soldaten“ zu errichten und Alles und Jeden dafür zu sensibilisieren, auf die Kameraden zu achten. Zudem hatte ich als Vorgesetzter In der Einsatzvorbereitung ein recht aktuelles Bild über meine Soldaten und deren Nöte – zugegeben, sofern die Gegenseite mit offenen Karten spielte. Ich bin der Meinung, dass man zu einem großen Prozentsatz, vor allem mit professioneller Hilfe der Psychologen und Pfarrer, Selbsttötungen im Dienst im Ausland vermeiden kann. Das funktioniert natürlich nicht, wenn ich als Chef null Plan von Menschenführung habe und abends lieber auschließlich sporten gehe oder in der Sansibar mein Bier schlürfe, anstatt mit den Jungs und Mädels auch mal am Kicker zu stehen…
(Zur Respektierung etc. bitte nochmal genau lesen, was ich schrieb, denn die hatte ich ausdrücklich nicht in Abrede gestellt)
PS:
Nachtwei emotionalisiert in seinem Beitrag zum SanFw Pauli und vergisst dabei, dass am 15.04. nicht nur drei, sondern vier Gefallenen zu verzeichnen/beklagen waren – dabei war der Vierte sogar ein Arzt… „sportlich“oder eher traurig.
@ Zivi a.D. | 21. November 2014 – 11:43
Die von Ihnen unterstellten Motivationslagen gehen vollkommen an meiner Intention vorbei.
Ich kann mir Ihren Beitrag nur dadurch erklären, dass Sie nicht verstanden haben, was ich ausdrücken möchte. Ich bitte meine offenbar begrenzten kommunikativen Fähigkeiten zu entschuldigen.
Mit dem Herrn Schill möchte ich im Übrigen nicht in einen Topf geworfen werden.
Einige Eindrücke und Beobachtung zu der Verlinkung auf Winfried Nachtwei, den ich persönlich für einen von den „Guten“ halte, obwohl ich Teile seiner Denkschule nicht teile. Diese meine Eindrücke sind sicherlich subjektiv, mich würden andere Meinungen interessieren.
Herr Nachtwei gehört bezüglich der Toten, die in diesem Wald der Erinnerung betrauert werden, zu den „Tätern“- oder wie er selbst schreibt: „Als Mitglied des Einsatz-Auftraggebers Bundestag von 1994 bis 2009 erlebe ich den Wald der Erinnerung sehr persönlich.“ Hätten er und seine Kollegen die Einsätze nicht beschlossen, gäbe es diesen Wald der Erinnerung nicht. Seine Auseinandersetzung damit ehrt ihn, im Gegensatz zum dröhnenden Schweigen vieler anderer.
Ich will hier nicht darauf eingehen, ob die jeweiligen Einsatzbefehle des Bundestages richtig oder falsch waren. In den meisten Fällen waren sie meiner Ansicht notwendig. Im Ergebnis ist Deutschland meist recht glimpflich davongekommen, der Blutzoll – so schmerzhaft jeder Einzelfall auch ist – war begrenzt.
Ich betrachte gerade, welche Spuren militärische Einsatzbefehle bei Einsatz-Auftraggebern mit Gewissen hinterlassen. Ich meine in dem Artikel von Herrn Nachtwei etwas Technokratisches zu erkennen. Eigene Emotion wird (mit begrenztem Erfolg) kontrolliert gehalten, man ergeht sich im Beschreiben, im Dokumentieren. Spontan habe ich gedacht: Der schreibt ja stilistisch wie Winston Churchill über den zweiten Weltkrieg schrieb.
Die Frage, die sich daraus für mich ableitet: Welche Spuren, gar welche Veränderungen verursachen schwere Entscheidungen, wie die über einen Kriegseinsatz, bei den Entscheidern? Jeder MdB hat bei der Entsendung gewusst: Einige der Jungs, die wir losschicken, werden im Sarg wiederkommen. Und doch scheint die spätere Konfrontation mit den absehbaren Folgen Veränderungen hervorzurufen, die in vergleichbarer Form immer wieder beobachtet werden.
@FvS
Und wie verhält es sich beim militärischen Führer, der auch „seine“ Leute (oder die befreundeter Nationen) mit Aufträgen „in Gefahr“ bringt und sogar davon ausgehen muß, daß es konkret zu Verlusten kommt? Das wurde ja schon ausgeplant (z.B. Angriff – dreifache Überzahl erforderlich).