Kampf gegen ISIS: Deutsche Waffen für mehr Kurden?
In der deutschen Politik wird offenbar fieberhaft darüber nachgedacht, was man von deutscher Seite im Kampf gegen die islamistischen ISIS-Terrormilizen noch tun könnte. Nachdem die bereits beschlossenen Waffenlieferungen an kurdische Kämpfer (Foto oben bei der Einweisung in Erbil) ausdrücklich nicht der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei und mit ihr verbundenen Gruppen zugute kommen sollten, scheint sich ein Umdenken abzuzeichnen. Denn in der Stat Kobane in Syrien nahe der türkischen Grenze, die derzeit im Mittelpunkt der Wahrnehmung steht, kämpfen genau die Gruppen, die bislang keine deutschen Waffen bekommen.
Den Kurswechsel deutete CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder am (heutigen) Donnerstag in einem Interview mit Spiegel Online an:
SPIEGEL ONLINE: Die Waffen gehen an die Peschmerga. Gegen den IS kämpfen aber auch andere Gruppen wie die PKK. Müsste die PKK auch unterstützt werden?
Kauder: Ich weiß, welche Probleme die Türkei mit der PKK hat, aber zuzuschauen, wie die IS wichtige Grenzstädte einnimmt und sich immer mehr zu einer Bedrohung der weltweiten Sicherheit entwickelt, kann nicht die Lösung sein. Die Unterstützung von weiteren Gruppen schließe ich nicht aus.Aber das ginge sicher nicht gegen die Türkei, sondern nur mit ihr. Das gilt auch für eine Unterstützung der PKK. Natürlich sind alle Waffenlieferungen mit Risiken verbunden. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, dass die Waffen dort bleiben, wohin sie geliefert wurden. Aber wenn der IS überhaupt nicht gestoppt wird, ist das Risiko noch viel größer.
Ein anderer Plan scheint noch nicht so recht weitergekommen: Nach der Ankündigung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Anfang Oktober, in der Kurdenhauptstadt Erbil ein Ausbildungszentrum für die Peshmerga-Kämpfer zu errichten und zu betreiben, gibt es da noch keine Entscheidung. Wir befinden uns in der Prüfungs- und Abstimmungsphase, hieß es dazu aus dem Verteidigungsministerium.
Der Vollständigkeit halber die Originalmeldung zu dem inzwischen in den deutschen Medien aufgeschlagenen Bericht, dass Waffenlieferungen an Rebellen in der Vergangenheit nicht so viel gebracht haben. Quelle dafür: die CIA – und die sollte es wissen: C.I.A. Study of Covert Aid Fueled Skepticism About Helping Syrian Rebels
(Foto: Beginn der Einweisung (Multiplikatoren-Ausbildung) der kurdischen Peschmerga in die Handhabung des G3-Sturmgewehrs durch Soldaten der Bundeswehr auf einer Schießanlage nahe der nordirakischen Stadt Erbil am 02.10.2014 – Bundeswehr/Sebastian Wilke via Flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz mit Freigabe für redaktionelle Verwendung)
Frau Bundeskanzlerin Merkel ist für den Spruch „vom Ende her denken“ bekannt. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Methode der langfristigen Handlungsfolgenabschätzung bei allen ihren Untergebenen verinnerlicht wurde.
Die Methode „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ funktioniert leider nur selten. Erdogan verhält sich zwar höchst eigenartig, trotzdem ist die Türkei unser Nato-Partner. Daher sollten wir mit unserem Nato-Partner in der Region jegliche Handlungsstrategie abstimmen. Dieser Abstimmungsprozess mit der Türkei wird nicht ohne Konfrontation und blauen Flecken ablaufen. Er ist aber dringend notwendig, wenn wir den Nato-Partner Türkei nicht verlieren wollen. Möglicherweise müssen wir im Rahmen der Klärung gemeinsamer Normen und Werte mit der Türkei feststellen, dass es das Bündnis nur noch auf dem Papier gibt. Aber auch dann ist die Klarheit wertvoller aus die gegenwärtige Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland.
Wie viele Soldaten in den Reihen der Bundeswehr fühlen sich eigentlich eher den Werten Erdogans verbunden als dem, wofür unser Land steht? Die Frage nachhaltiger Loyalität wird wohl immer wichtiger.
Darf ich kurz offtopic werden?
Laut Focus (kein Link aus bekannten Gründen) wird DAESH zunehmen in Kobane zurückgedrängt. Laut Welt (ditto) bekommt DAESH zunehmend Probleme mit Nachschub und Truppenbewegungen im gesamten kontrolliertem Gebiet. Das ist zwar noch weit weg von „Kontrolverlust und Zusammenbruch“ aber eine interessante Entwicklung.
Kurzer Kommentar meinerseits, ich hatte in den letzten Tagen bis Wochen den Eindruck dass die westlichen Streitkräfte die Luftangriffe gezielt in den Medien kleinhalten. Wenn täglich 100 Einsätze geflogen werden aber davon nur zehn über Kurdisch-Syrien und -Irak gesichtet werden, was machen dann die anderen 90? Ist die Katze aus dem Sack und dafür DAESH drin?
Waffenlieferungen an die Kurden, auch linksextreme? Damit erschlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe, erstens baut man die einzige zuverlässige Volksgruppe in der Region auf, zweitens zeigt man der Türkei wie weit die Gedult gegenüber türkischen Eskapaden reicht. Wobei die türkische Blockade gegenüber Kobane nicht so perfekt zu sein scheint wie die Türkei immer glauben machen will…
Mittelfristig wird es wohl so kommen dass sich jede Macht in der Region nach Ethnien getrennte Verbündete sichert und da sind die Kurden keine schlechten Verbündeten.
Russland und Iran werden die Schiiten/Alewiten unterstützen, Türkei und einige Arabische Länder werden konservative bis radikale Sunniten unterstützen und der Westen wird sich auf Kurden und linke Gruppen stützen. Daraus wird sich wohl ein lokaler kalter Krieg und eine Teilung Syriens und Iraks entwickeln aber eben auch mehr Staatlichkeit und ein Ende der offenen Gewalt. So Gott will noch vor 2016.
Kobane ist das inzwischen das kurdische Khe Sanh
steht im Zentrum der Aufmeksamkeit
bindet die USAF obwohl die eigentlich wo anders gebraucht werden
man muss sich endlich von der Vorstellung lösen
diese Bedrohung billig mit ein paar Kleinwaffen oder vereinzelten Lufteinsätzen in den Griff zu bekommen
@FvSt
„Wie viele Soldaten in den Reihen der Bundeswehr fühlen sich eigentlich eher den Werten Erdogans verbunden als dem, wofür unser Land steht?“
ZB: Welche Werte hat denn Erdogan? Ist die Unterstützung der ISIL einer dieser Werte? Wo für steht denn ihrer Meinung nach unser Land?
Ich denke der PKK Waffen zu liefern wäre zwar ein Affront gegenüber der Türkei aber in seiner Qualität einige Stufen unter dem was die Türkei derzeit selbst abliefert. Außerdem wäre es nur konsequent nicht nur die irakischen Kurden zu stärken, sondern auch die syrischen. PKK hin oder her.
@Freiherr
Also.. sie befürchten das dem Westen die Türkei „verloren“ gehen könnte? Können sie kurz erläutern wo genau sie da einen Verlust erkennen können?
Und: Stellen sie ernsthaft die Frage in den Raum wieviele Bundeswehrsoldaten sich Erdogans Werten (Die da wären?) verbunden fühlen? Beruht diese Annahme auf irgendwelchen Insider-Informationen oder ist es das wonach es aussieht?
In der Presse ist zu lesen, dass sich extremistische Hooligans aufmachen, einen „Hooligan-Krieg gegen Salafisten“ zu führen. Die Polizei fürchte Ausschreitungen.
Will Herr Kauder diese eigenartigen Zeitgenossen aus der Hooligan-Szene, oft eine Mischung aus Dummheit, mangelnder Bildung und Extremismus, nun auch unterstützen??? Bei aller Ablehnung dieser Szene sind deutsche Hooligans im Vergleich zur PKK noch Weisenknaben.
Schreiben wir nur mal als Gedankenspiel das Kauder-Zitat etwas um (ich hoffe, es kommt nie zu sowas):
Kauder (vielleicht in ein paar Monaten?): Ich weiß, welche Probleme die Deutschen mit den Holigans haben, aber zuzuschauen, wie der Islamismus wichtige deutsche Stadtviertel einnimmt und sich immer mehr zu einer Bedrohung der weltweiten Sicherheit entwickelt, kann nicht die Lösung sein. Die Unterstützung von weiteren Gruppen schließe ich nicht aus.
Nur weil die PKK ein türkisches und kein deutsches Problem ist, sollte man nicht leichtfertig bei der Bewertung solcher Gruppen vorgehen. Irgendwie erscheinen mir die Handlungsstrategien, die Herr Kauder verkündet, nicht zu Ende gedacht.
Die Tatsache, dass sich jetzt Hooligans als „Retter des Abendlandes“ inszenieren können und dabei offensichtlich auf fruchtbaren Boden treffen, offenbart sicherheitspolitisches Staatsversagen, sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik.
@ Elahan | 16. Oktober 2014 – 11:00
„Welche Werte hat denn Erdogan?“
Darüber sollten wir uns vielleicht mal klar werden. Ich kann es nicht abschließend beurteilen. Den Weg von Mustafa Kemal Atatürk scheint er jedenfalls nicht fortsetzen zu wollen.
Wofür unser Land steht und stehen sollte, könnte unsere Regierung ja mal klarstellen.
@ Hutzel | 16. Oktober 2014 – 11:04
Sie haben vielleicht die Berichterstattung über den desertierte Elitesoldaten mitbekommen (vgl. SZ: „Fahnenflucht an die Front – Ein desertierter deutscher Soldat kämpft offenbar in der Ukraine – für die prorussischen Separatisten. Der bestens ausgebildete Kämpfer hat seine Ausrüstung wohl mitgenommen. …“)? Wenn so was passiert, müssen sämtliche Alarmglocken beim ZInFü läuten.
Vor diesem Hintergrund ist denke ich die Frage erlaubt, ob es noch weitere Soldaten bei uns gibt, die sich eher anderen Ländern und Werteordnungen verpflichtet fühlen als der BRD und dem Grundgesetz. Die Bundeswehr konnte sich den Nachwuchs in der letzten Zeit ja nicht wirklich aussuchen.
@FvS
Offen gesagt ist es eine Weile her seit ich zuletzt etwas gelesen habe zu dem mir nichts mehr einfällt.
Hm, ich hab‘ das hier schon mal angesprochen (und auch ein bisschen Prügel dafür kassiert): Die ganzen innenpolitischen Auswirkungen sind wichtig, sprengen aber den Rahmen dieses Blogs… Ich wäre dankbar, wenn das nicht das zentrale Thema würde.
etwas OT sorry
wärenddessen sich die Welt auf Kobane konzentriert, erobern die IS halb Irak. Für mich hat dass fast schon den Anschein eines Entlastungsangriff. Die Welt ist mit Kobane beschäftigt und die IS kann ungestört auf Bagdadat vorrücken.
gibt es eigentlich eine übersicht, was mittlerweile geliefert wurde?
ist die erste tranche vollständig vor ort oder ist man noch dabei
vor lieferung der weiteren chargen sollte doch eine „bedarfsevaluation“ o.ä. gemacht werden. läuft die schon?
ich beantworte meine Frage einfach mal selbst
http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/LYvRCoJAEEX_aMcFK-qtzZfeJIiyF1l1kCGdlXE2Qfr4VuheOHA5XHhBKvsP9V4psB_gCVVLp2YxzdJhjcSz1zXNyIoya0RdI_c1iX_DY3t3aNrAqBsVWSmxF69BzBREh81EkWQMdVBltnD2kGf_2O-xvLvLzu7z4upuMI3j-QeRVrUS/
Ging ja dann doch recht flott
tja, allerdings meldet SPON, daß diverse ministeriale Juristen da noch ein paar Zweifel haben, ob das Ganze überhaupt verfassungsgemäß ist (kopfkratz…)
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-von-der-leyens-missionen-juristisch-zweifelhaft-a-997546.html
Argh, Juristen…………..
@f28: Juristen die an einer OSZE Mission zweifeln die haben ihren Job verfehlt. Das BVerfG wird doch keinen OSZE Einstaz für Verfassungswidrig erklären. Maximal wollen die eine Bundestagsmandat. Da es nur eine Überwachungsmission ist, mit Selbstschutz und Wachschutz, kann es sein, daß ein BT-Mandat notwendig ist. Da die OSZE dem Frieden in Europa dient, was schon aus dem Namen folgt, bin ich mir absolut sicher, daß diese sog. Verfassungsbedenken Unsinn sind.
Und beim Irak ist es noch lächerlicher, weil Art. 51 der UN-Charta erlaubt dem Irak sich zu verteidigen und anderen Staaten, wie Deutschland, den Irak dabei zu unterstützen. Aufgrund der Hilfsbitte der Irakischen Regierung kann es kein verfassungsrechtliches Problem geben.
Das einzige was verfassungswidrig wäre, wäre wenn die BW gegen Assad zu Felde ziehen würde ohne UN-Mandat oder Nato-Beschluß. Eine Hilfe für Kobane könnte als humanitäre Intervention gerechtfertigt werden verfassungsrechtlich, wie einst der Kosovo-Einsatz der Tornados(Hufeisenplan).
Der einzige Trick der dagegen helfen könnte wäre, wenn die internationale Gemeinschaft Präsident Assad ächten würde und die Freie Syrische Armee und deren Vertreter als rechtmäßige Regierung von Syrien anerkennen würden und Assad die Rechtmäßigkeit absprechen würden. Dann könnte Deutschland aufgrund eines Hilfeersuchens der neu anerkannten syrischen Regierung handeln.
hm, ich mutmaße, daß man sich in Berlin weniger Gedanken darüber macht, IS oder gar Putin zu stoppen. Vorerst scheint es eher darum zu gehen, vdL am weiteren Vormarsch (wohin auch immer) zu hindern.
Der Jan war dort:
http://www.n-tv.de/politik/Peschmerga-lachen-ueber-unsere-Gewehre-article13688601.html
Vielleicht weiß er, wo die Waffen sind und wer sie braucht, vielleicht auch nicht. Aber er war dort, der Jan.
@ Peter Popel | 16. Oktober 2014 – 20:20
Der Jan war dort:
Ach derJani….niemand lacht über das Gewehr G 3, auch der nicht, der die AK persönlich besser findet bzw. präferiert.
@wacaffe
Dem ist wohl nichts hinzuzufügen. Konsequente Realitätsverweigerung.
Dieser Konflikt hat meiner Meinung nach auch das Potential, endlich den Kurdenkonflikt zu lösen. Denn, niemand in der Region außer Iran mag Assad.
Wenn die Türkei anfangen würde, den Kurden (auch und vor allem der PKK) ein Angebot zu machen, was diese nicht ablehnen können: mindestens inoffizielle Unterstützung beim Kampf gegen Assad und ISIS und anschließende Anerkennung eines kurdischen Staates auf ehemals syrischem und irakischem Gebiet.
Wie Wait&C richtig geschrieben hat, bietet der Konflikt die Möglichkeit, die Fehler, die 1920 bei der Gebietsaufteilung u.a. durch Großbritannien gemacht wurden, zu lösen.
Die Kurden könnten denke ich mal damit leben, auf die kurdischen Gebiete als eigenständiger Staat zu verzichten, wenn sie im Gegenzug überhaupt einen Staat, auf dem sie siedeln, anerkannt bekämen. Müssen sich die Kurden unter sich halt noch einigen… und die eigene Zerstrittenheit beilegen. Ob das klappt…. ich wünsche es mir…
@Hutzel: Viel mehr als das. Versuchte Beihilfe zum Völkermord. Denn die Realität und die Folgen eines Waffenembargos gegen die Kurden sind ihm völlig klar.
ISIS operiert derweile ganz offen innerhalb der Türkei:
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middleeast/syria/11173013/Islamic-State-foiled-in-attempt-to-kidnap-Syrian-rebel-leader-in-Turkey.html
Das ist eine ganze Welle von Attentaten:
http://www.hurriyetdailynews.com/former-mayor-son-killed-in-armed-attack-in-suruc-.aspx?pageID=517&nID=73207&NewsCatID=341
Die letzten Tage ging unter kurdischen Twitteraccounts plötzlich die Warnung um, ISIS hätte gerade etliche Kommandoeinheiten für Attentate in die Türkei geschickt, und alle sollten vorsichtig sein.
Da entwickelt sich ein handfester Skandal:
http://www.presstv.com/detail/2014/10/19/382854/press-tv-reporter-in-turkey-killed/
Guten Morgen,
bei Kobane werden die Kurden jetzt aus der Luft mit Waffen versorgt:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/kobane-usa-unterstuetzen-kurden-aus-der-luft-mit-waffen-a-998048.html
@all
Habe mit der Originalquelle zu dem Airdrop einen neuen Thread aufgemacht.