ISIS-Sammler: Kobane und anderswo
Turkey says ground war against IS „unrealistic“ without help; calls for no-fly zone http://t.co/3bGysZNd1S pic.twitter.com/f9TWgdwxH9
— BBC News (World) (@BBCWorld) October 9, 2014
Im Kampf gegen die islamistischen ISIS-Terrormilizen im Nordirak und in Syrien richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit derzeit auf die erbitterten Auseinandersetzungen in der syrischen Stadt Kobane nahe der türkischen Grenze. Die Luftangriffe der US-geführten Koalition werden aber auch an anderen Orten fortgesetzt. Die Lage entwickelt sich ständig weiter; hier ein erneuter Versuch, die eingehenden Informationen zu sammeln:
Der neue NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist heute zu Besuch im NATO-Mitgliedsland Türkei; und die Türkei steht international unter dem Druck, auf die Vorgänge kurz hinter ihrer Grenze zu reagieren. Allerdings sieht die türkische Regierung das nicht alleine als ihre Aufgabe an, wie unter anderem die BBC berichtet:
Turkey’s foreign minister says it cannot be expected to lead a ground operation against Islamic State (IS) militants in Syria on its own.
Mevlut Cavusoglu also called for the creation of a no-fly zone over its border with Syria after talks in Ankara with new Nato chief Jens Stoltenberg.
Nach nicht verifizierten Berichten soll ISIS ein Drittel Kobanes kontrollieren, meldet Reuters:
Islamic State militants control more than a third of the Syrian border town of Kobani, a monitoring group said on Thursday, after three weeks of fighting Kurdish forces backed by U.S.-led air strikes.
„ISIS control more than a third of Kobani. All eastern areas, a small part of the north east and an area in the south east,“ head of the Syrian Observatory for Human Rights, Rami Abdulrahman, said by telephone. He used Islamic State’s former name, ISIS.
Die USA hatten allerdings am Mittwoch deutlich gemacht, dass Kobane für sie im Kampf gegen ISIS keine strategische Bedeutung hat. Dennoch ist die derzeit offene Frage, ob das Drama in Sichtweite der Fernsehkameras da politischen Druck aufbaut und diese Haltung verändert.
Die Hintergründe zur Haltung der Türkei hat die Nachrichtenagentur AFP (hier bei tagesschau.de) mal aufgedröselt.~
Die aktuelle Meldung des U.S. Central Command vom 9. Oktober – entscheidende Aussage im letzten Satz: Indications are that Kurdish militia there continue to control most of the city and are holding out against ISIL
U.S. military forces continued to attack ISIL terrorists in Syria Wednesday and today using bomber, fighter and remotely piloted aircraft to conduct five airstrikes.
In Syria, five strikes south of Kobani damaged an ISIL training camp, destroyed an ISIL support building and destroyed two ISIL vehicles. These strikes also struck one small ISIL unit and one large ISIL unit. To conduct these strikes, the U.S. employed U.S. bomber, fighter and remotely piloted aircraft deployed to the U.S. Central Command area of operations. All aircraft exited the strike areas safely.
U.S. Central Command continues to monitor the situation in Kobani closely. Indications are that Kurdish militia there continue to control most of the city and are holding out against ISIL.
Weiter nach Entwicklung.
Was sich in Kobani anbahnt und teilweise in vollem Gange ist, entwickelt sich zum Srebrenica 2.0! Auf der einen Seite eine Koalition, die IS Stellungen bombadiert, dies aber mangels Aufklärung nur mit bescheidenem Erfolg macht….und auf der anderen Seite das türkische Militär, mit einem Staatspräsidenten, der eigene Versprechen zum einem schlechten Witz verkommen lässt(niemand hat vor eine Mauer zu bauen). Mit Pfeil und Bogen könnte man von der Türkei aus eingreifen, so nah ist der Konflikt. Was mögen wohl die Kurden denken, die das türkische Militär auf ihren Panzern sitzen sehen und von der anderen Seite nahen die IS Schlächter.
Es muss die Frage gestellt werden, ob die Türkei noch in ein Bündnis wie NATO passt….ob sie in die EU passt, beantwortet Erdogan fast monatlich.
Natürlich ist es nicht nur alleinige Aufgabe der Türkei, mit Bodentruppen einzugreifen, aber durch die unmittelbare Nähe müssten sie das noch nicht einmal. Einen besseren Platz, um Ziele mit einem Laser zu beleuchten, gibt es wohl kaum….
Es ist mehr als beschämend, was dort passiert!
Das ganze ist doch ein rein politisches Spielchen, zu Lasten der Betroffenen. Hier brauch man doch weder die Türkei noch Spezialkräfte um die ISIS zu stoppen. Die Nationen der Koalition sollten doch genügend Kampfflugzeuge haben um über Kobane eine permanete Kill-Box aufzubauen die jedes Fahrzeug bekämpfen könnte, somit wäre nach relativ kurzer Zeit der Zugang mit gepanzerten und ungepanzerten Fahrzeugen in die Stadt gestoppt und damit wohl auch das Momentum der ISIS. Mit 2-3 Angriffen am Tag wird es wohl nicht getan sein, aber wenn man wollte ginge da doch einiges mehr. Mir erzählt keiner, dass es nicht möglich sein soll, diesen Vormarsch aus der Luft zu stoppen, wenn man es denn wollte
@tosch
Da sind wir uns wohl alle einig!
Leichter, wie die Verteidigung dieser Stadt könnte es endgültig nicht mehr gehen!
Man müsste nicht einmal mit Flugzeugen angreifen.
Diese Stadt liegt so nah an der türkischen Grenze, dass T-155 Geschütze direkt feuern müssten. Wie gesagt, einfacher geht es nicht mehr…..man WILL NICHT.
Lieber schaut man beim Verrecken zu….
@Sascha Vohwinkel:
(Zitat aus dem Kommentar „Was wollen die Kurden?“ auf taz.de)
Was man von der Türkei möchte, ist eine Öffnung der türkischen Grenzen für Verstärkung und Nachschub.
Ich halte fest: die Türkei ist nicht neutral, also Mitspieler. Und dann gibt es nur zwei Alternativen: die Türkei ist Teil der Lösung, oder Teil des Problems.
Wie ein Teil der Lösung sieht sie mir derzeit nicht aus.
Oder anders: der Feind meines Feindes ist mein Freund. Offenbar sind die Kurden mehr Feind als der IS – noch.
Ist augenscheinlich ne Frage der Abwägung. Habe ich lieber die Kurden oder den IS auf dem Hals. Ne gute Lösung (ausser der Möglichkeit für die Türkei sich komplett rauszuhalten) gibt es nicht.
@Sascha Vohwinkel bzgl. Srebrenica 2.0:
Ich sehe auch eine gewisse Parallelität zum Warschauer Aufstand 1944: IS = Nazitruppen, Kurdenmiliz = polnische Heimatarmee, türkische Armee = Rote Armee.
@O&A: Guter Vergleich, aber ich fürchte Kobane ist noch viel schlimmer als Warschau. Denn selbst Stalin hat seine polnischen Truppen kämpfen lassen, die aber alleine zu schwach waren die deutschen Linien zu durchbrechen. Stalin hat also nur seine Hauptkräfte zurück gehalten.
Dagegen sperren die Türken ja die Grenze, so daß nicht einmal neue Kämpfer, Munition und Waffen zu den eingeschlossenen gelangen können.
Und die Westalliierten haben damals Transportflüge zur Unterstützung des Warschauer Aufstandes unternommen. Es gibt aber diesmal auch keine Transall oder Hercules Transporter die versuchen Nachschub für die Kurden Kämpfer in Kobane abzuwerfen, obwohl dies natürlich möglich wäre, wenn man wollte.
BILD online berichtet in der Münchner Ausgabe, dass der bayerische JU-Chef Hans Reichhart einen Kampfeinsatz der Bundeswehr im Mittleren Osten gegen die Terrormiliz IS fordert. Es scheint mir, Herr Reichart hört den Schuss nicht mehr.
Das ist eine dpa-Meldung, die dürfte also noch in mehreren Medien auftauchen. So lange nicht gewichtigere Stimmen dazu kommen…
Ja der Herr Hans Reichhart hat sogar mal Wehrdienst im Transportbataillon 220 gleistet.
Leider hat sich dies nicht in militärischen Sachverstand niedergeschlagen.
Damit ist er ja in der CSU nicht alleine.
So schlimm wie es auch klingen mag, aber hier geht es nicht einfach nur darum, irgendwem zu helfen.
Erstens sind die Kurden keine homogene Einheit. Das hat man ganz gut bei den Jesiden gesehen; hier in den Kommentaren lesen müssen. Das muss man im Kopf behalten. Meiner Ansicht nach ist das auch nicht unbedingt falsch, dass es so ist, wie es ist. Vereinte Kurden könnten in der augenblicklichen Lage durchaus einen kurdischen Nationalstaat ausrufen, was eine außerordentliche Bedrohung der territorialen Integrität der Türkei, Syriens, des Iraks und des Iran darstellte.
Zweitens spielen die Türkei, Saudi-Arabien und die VAE ein doppeltes Spiel (wie Pakistan es in Afghanistan tut). Hier geht es auch um die Sunniten-Schiiten-Nummer, im Wesentlichen aber um hegemoniale Ansprüche innerhalb der Region. Dass sich der Irak in einem derart volatilen Zustand befindet, hat unter anderem damit zu tun.
Drittens muss man die Bündnisse, deren Mitglieder und deren Zielen hinterfragen. Hier wird auf allen Seiten mit fliegenden Mehrheiten gearbeitet. Wo Taktik über Strategie obsiegt, ist Skepsis oberstes Gebot.
Viertens ist die Assad-Frage zu beantworten. Das geht nur mit Russland.
Fünftens kann der Irak durchaus grundsätzlich in Frage gestellt werden. Damit stehen aber einige Grenzen, Staaten und ethnische Identitäten zur Diskussion.
Sechstens helfen pauschale Bombardierungen eher dem IS, denn sie erhöhen den zivilen Blutzoll unnötig und exorbitant. Dagegen braucht es mehr ISR. Unbemannte Kapazitäten können wir jenseits des Atlantiks nicht erwarten, das hat USCENTCOM in dieser Woche klargestellt.
Hier ist ein sehr alter Kalter Krieg umgeschlagen. Wir als Staaten des Westens müssen uns fragen, was unsere Interessen daran sind, wie ein für uns ideales und auch ein tolerables Endszenario aussehen soll, was wir dafür zu tun bereit sind und wie wir unsere Bevölkerungen auf einen neuen langen Konflikt vorbereiten.
Dieser Konflikt hat das Potenzial, ein Weltkrieg zu werden: Man findet Leichtfertigkeit, Verbissenheit und Hinterhältigkeit gleichermaßen auf allen Seiten. Strategien, wenn überhaupt vorhanden, sind nicht bis zu Ende gedacht. Bündnisse mit regionalen Partnern sind nicht verlässlich.
Sich in diesen Konflikt nicht (oder kaum wahrnehmbar) einzumischen, mag zynisch sein. Sich einzumischen könnte sich als fatal erweisen.
zum Bild:
sieht aus wie ein alter M48 mit türkischer Fahne
@Selber denken:
Dazu fällt mir spontan der Bericht aus der Celleschen Zeitung von gestern über das Transporthubschrauberregiment 10 „LÜNEBURGER HEIDE“ ein.
Dort hieß es starl verkürzt:
– War ein toller Einsatz
– Man hat keinen scharfe Landung unter Beschuss machen müssen
– Man hat quasi nur Feldlager angeflogen um dort Verletzte/Kranke auszufliegen
Oberst Pfeiffer hat mal wieder zum Ende des Berichtes getönt:
Die Heeresflieger sollten sich schnell erholen, der nächste Einsatz könnte bald wieder bevorstehen.
Dieses hört man nicht zum ersten Mal on O Pfeiffer, er ist zumindest mehr als bereit für den nächsten Einsatz….
Ich lese die Kommentare hier und sehe die Berichterstattung im Fernsehen zum drohenden Fall von Kobani.
Kleinklein, durchsichtige Taktik sich – aus welchen Gründen auch immer – herauszuhalten, Beschwichtigungen, keine durchgreifenden Lösungsvorschläge.
Wenn Kobani fällt, wird der Name dieser Stadt in einer Reihe mit den Begriffen Ruanda und Srebrenica. Nicht unbedingt wegen der Anzahl der Opfer oder der strategischen Bedeutung der Stadt, sondern als Zeichen der Unfähigkeit der Weltgemeinschaft einer solchen Bedrohung wie ISIS entgegen zu treten. Da müssen sich vor allem die NATO, die EU, allgemein der Westen an die Nase fassen. So verspielt man auch Soft Power.
Jetzt neu von CENTCOM:
Auf ARTE und Al Jazeera wurde angedeutet dass die Offensive der DAESH deutlich an Kraft verlohren habe und ein kurdischer Sprecher vor Ort wurde zitiert: „wenn die Luftangriffe der Amerikaner so weitergehen können wir Kobane halten und in einigen Wochen einen Gegenangriff führen“.
Was ist davon zu halten?
Woher kommt der Nachschub für die Eingeschlossenen in Kobane?
Haben die Lazarette und Munition für Jahre im Voraus?
Kobane ist nicht eingeschlossen
Verletzte werden in die Türkei gebracht
nur mit dem Nachschub durch die türkische Panzelinie klappt es nicht
Kobane ist Krieg live, aber nicht nur in TV wie Bagdad 1991 + 2003, jetzt sogar mit Zuschauern von den Bergen aus
Patrick Horstmann | 09. Oktober 2014 – 22:19
NATO/EU deren Interessen sind doch gar nicht berührt!
Screbenica? Kobani ist doch keine UN-Schutzzone …
Ruanda? Was hatten wir DEU/EU damit zu tun?
„Zeichen der Unfähigkeit der Weltgemeinschaft“ das ist ihre Wahrheit … in der „Weltgemeinschaft“ gibt es aber einige Mitglieder, die das „treiben“ der ISIS mit Applaus und moralischer und monetärer Unterstützung belegen.
Kobani? Ja, da schlachten sich Menschen ab. Das ist schlimm, geht uns aber gar nichts an. Wenn wir dort Interessen hätten, hätten wir viel früher und ganz anderst reagiert.
„Die oppositionelle CHP hat einen Antrag ins Parlament eingebracht, der auf die umgehende Entsendung von türkischen Truppen nach Kobani abzielt. Unterdessen hinderte die türkische Armee 16 kurdische Kämpfer am illegalen Grenzübertritt.“
Deutsch-Türkisches Journal vom 10.10.2014
http://dtj-online.de/chp-kobani-bodentruppen-38885
Einen Blog wert?
[Erst mal vielleicht in den laufenden ISIS-Thread? T.W.]
@T.W.
Mea culpa
Aus meiner Sicht für die Diskussion hier sehr lesenswert ist die Bewertung des bisherigen Vorgehens durch GenLt a.D. (USAF) Deptula:
http://time.com/3484325/pentagon-isis-air-power/