Ebola: Bundeswehr will erkrankte Helfer ausfliegen (2.Neufassung)

Freiwillige Helfer der Bundeswehr, die sich im Kampf gegen das Ebola-Virus in Westafrika mit der Krankheit infizieren, sollen nach den Plänen der Bundeswehr rasch ausgeflogen werden. Wenn ein Helfer mit diesem Virus angesteckt sei, sei „selbstverständlich Evakuierung die erste Option“, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, am Mittwoch vor der Bundespressekonferenz. Nach seinen Angaben wird die Truppe ab der kommenden Woche über 20 mobile Isolierzellen verfügen,  die in Flugzeuge der Typen Airbus A310 und Transall eingerūstet werden könnten.

Flosdorff relativierte damit Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium Markus Grübel in einem Schreiben an den Verteidigungsausschus des Bundestages. In dem Schreiben, das Augen geradeaus! vorliegt und über das zuerst Spiegel Online berichtete, heißt es:

Hinsichtlich der Frage des Rücktransportes von infizierten Personen nach Deutschland verfolgt die Bundeswehr in ihrem Behandlungsansatz derzeit das von der WHO [Weltgesundheitsorganisation, T.W.] empfohlene Prinzip des „Stay and Play“. Somit würde derzeit im Falle einer Infektion die sanitätsdienstliche Behandlung im Schwerpunkt direkt vor Ort sichergestellt werden.
Aktuell verfügt die Bundeswehr nicht über eigene Lufttransportmittel, mit denen Ebola-Patienten transportiert werden können. Allerdings werden derzeit mit Hochdruck Möglichkeiten geprüft, einen Transport auch solcher Patienten an Bord eines eigenen Luftfahrzeugs sicherstellen zu können.

Interessantester Punkt ist dabei, dass nicht die (noch immer) fehlenden Transportmöglichkeiten ausschlaggebend sind – sondern das offensichtlich schon lange bekannte grundsätzliche Verfahren, zunächst keinen Rücktransport Infizierter vorzusehen. Dazu hatte bereits 2009 die Webseite des Fachmagazins Wehrmedizin und Wehrpharmazie berichtet:

Bei einer Erkrankung eines Soldaten im Einsatz ist die Repatriierung ins Heimatland auf Grund internationaler Patiententransportvorschriften (Stichwort: Überfluggenehmigungen) ausgeschlossen. Die Behandlungsdevise lautet hier: „stay and play“. Der Soldat verbleibt im Einsatzland und wird auch dort behandelt.

Eigentlich hätte dieser Grundsatz auch der Ärztin und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bekannt sein müssen, als sie in ihrem Tagesbefehl vom 22. September den freiwilligen Helfern versicherte:

Im Notfall können Sie sich darauf verlassen, dass Sie nach Deutschland zurückgeholt und Sie in Deutschland fachgerecht medizinisch behandelt werden.

 

Nach Angaben von Flosdorff soll allerdings „nicht jeder, der Fieber hat“, ausgeflogen werden. Zunächst müsse geklärt werden, ob es sich nicht um eine andere Krankheit wie Malaria handele.

Das Verteidigungsministerium hatte zuvor ausführlich auf den Spiegel Online-Bericht reagiert, erwähnte jedoch die Stay and Play-Regel dabei zunächst mit keinem Wort:

Das Bundesverteidigungsministerium weist die Behauptung bei Spiegel Online, die Bundeswehr werde die Rettungskette für freiwillige Helfer für den noch in Planung befindlichen Einsatz im Ebola-Gebiet nicht sicherstellen können, als „Nonsens“ zurück.
Es wurde immer gesagt, dass die Bundesregierung bisher über keine eigenen Evakuierungskapazitäten für Verdachtsfälle und Ebola-Infizierte verfügt, diese Fähigkeit aber mit Hochdruck aufgebaut werde (mehrfach Thema in der RegPK). Die gemeinsame Ausbildung ziviler und militärischer Freiwilliger mit den gesuchten Qualifikationen beginnt erst in wenigen Tagen. Bis die ersten Freiwilligen ihren Einsatz im Ebola-Gebiet aufnehmen, wird die zugesagte Rettungskette vollständig stehen. Angestrebter Einsatzbeginn für die Freiwilligen Helfer aus den Reihen der Bundeswehr in den Ebola-Regionen ist nach derzeitigen Planungen im Krisenstab ab Mitte November. Ende dieser Woche startet ein Erkundungsteam aus Deutschem Roten Kreuz und Bundeswehr in die Krisenregion um mögliche Standorte für den Betrieb einer gemeinsamen Krankenstation zu prüfen.
Die Bundeswehr hat bereits in der vergangenen Woche den Einbau von Isolierzellen in einen MedEvac-Airbus erfolgreich erprobt. Die Beschaffung von 20 Isolierzellen ist auf dem Weg. Nach derzeitiger Planung wäre der MedEvac-Airbus bereits in der kommenden Woche und damit weit vor dem geplanten Einsatz der ersten Freiwilligen für den Rücktransport von Ebola-Infizierten ausgerüstet.
Für den Transport von schwer erkrankten und hochinfektiösen Patienten sieht die Planung der Bundesregierung (Staatssekretärsrunde) ohnehin den Transport durch ein Spezialflugzeug mit fest eingebautem Behandlungsraum vor. Dieser Teil der Rettungskette wird derzeit durch einen amerikanischen zivilen Dienstleister gewährleistet, der auch bereits mehrere Evakuierungsflüge nach Deutschland durchgeführt hat. Das Auswärtige Amt arbeitet gemäß den Vereinbarungen innerhalb der Bundesregierung mit Hochdruck daran, für Deutschland ein vergleichbares eigenes System zu beschaffen.

Zur Ergänzung: Sprecher von Verteidigungs- und Außenministerium hatten vor der Bundespressekonferenz am  1. Oktober betont, wie wichtig die Rückholgarantie sei:

Frage: Herr Gerhartz, es gab ja, was die Entsendung von freiwilligen Bundeswehrsoldaten angeht, Prüfungen in Ihrem Ministerium, inwieweit die Evakuierung im Falle einer Erkrankung oder sogar Infizierung mit der Seuche möglich ist. Wie ist denn der Stand dieser Prüfungen?

Gerhartz: Wir befinden uns derzeit noch in der Prüfung dessen, inwieweit wir marktverfügbare Module in unsere Transportflotte integrieren können. Die ersten Tests haben stattgefunden, sogenannte Stellproben, wie wir das nennen. Das betrifft eben verschiedene Luftfahrzeugtypen, die infrage kommen, im Wesentlichen die sogenannten MedEvac-Maschinen, diese fliegenden Intensivkrankenhäuser oder wie sie auch immer genannt werden, also unser Airbus und auch die Transall. Die Stellproben haben verständlicherweise ergeben – das war uns vorher klar -, dass auf jeden Fall bei allen marktverfügbaren Systemen noch Anpassungen der Plattform notwendig sind. Aber hinsichtlich dessen, wann wir sagen können „Plattform und Modul passen so zusammen, dass wir ein System haben, das auch funktioniert“, kann ich noch keinen Zeithorizont nennen; aber wir arbeiten mit Hochdruck daran. Allein dass wenige Tage nach diesem Vorhaben schon die ersten Stellproben stattgefunden haben, zeigt, wie wichtig uns das ist und wie viel Engagement wir da auch hineinstecken.

Schäfer: Wenn ich darf, würde ich das, was Oberst Gerhartz gerade gesagt hat, nur ergänzen: Das Problem einer dichten, nachhaltigen, belastbaren und irgendwie auch garantierten Rettungskette ist nicht nur für die Angehörigen der Bundeswehr von Bedeutung, sondern für all diejenigen, und zwar nicht nur aus Deutschland, die bereit sind, sich als Freiwillige in das Gebiet zu begeben, in dem Ebola herrscht, und die damit ganz bewusst das Risiko eingehen, dass auch sie – man kann das ja nicht hundertprozentig vermeiden – mit der Krankheit oder dem Risiko einer Infektion in Berührung geraten. Deshalb ist es völlig selbstverständlich – damit berichte ich Ihnen auch aus der gestrigen Sitzung des Krisenstabs, und zwar hoffentlich etwas, das Sie nicht überraschen wird -, dass die Bundesregierung in Toto diese Frage wirklich ganz oben auf der Agenda stehen hat, denn selbstverständlich wollen und werden wir nur dann Freiwillige entsenden, wenn wir ihnen auch anbieten können, dass im Ernstfall einer möglichen Erkrankung dann auch wirklich alles getan wird, um diese Krankheit anständig zu behandeln.

Nachtrag: Die Aussagen von BMVg-Sprecher Jens Flosdorff vor der Bundespressekonferenz am (heutigen) 8. Oktober im Wortlaut:

Frage: Ich habe eine Frage zum Stichwort „Ebola“. Heute Morgen hat das Schreiben von Staatssekretär Grübel an den Verteidigungsausschuss schon eine Rolle gespielt, in dem er unter anderem ausführt – ich zitiere -:

„Hinsichtlich der Frage des Rücktransportes von infizierten Personen nach Deutschland verfolgt die Bundeswehr in ihrem Behandlungsansatz derzeit das von der WHO empfohlene Prinzip des ‚Stay and Play‘. Somit würde derzeit im Falle einer Infektion die sanitätsdienstliche Behandlung im Schwerpunkt direkt vor Ort sichergestellt werden.“

Es spielt ja auch die Frage der Transportmöglichkeiten eine Rolle. Unabhängig von Transportmöglichkeiten: Wie verträgt sich dieser Schwerpunkt auf Behandlung vor Ort mit der Zusage der Verteidigungsministerin: „Jeder von ihnen, der infiziert ist, wird nach Hause geholt“?

Flosdorff: Wir richten in Afrika Krankenstationen ein, das ist geplant: das Deutsche Rote Kreuz auch mit Beteiligung von Bundeswehrpersonal, die logistische Hilfe, die wir dabei stellen. Es versteht sich von selbst, dass der Großteil der Patienten, die in diesen Krankenstationen behandelt werden, dort unten behandelt werden. Da sprechen wir jetzt noch nicht über das Hilfspersonal selbst.

Wenn Hilfspersonal Verdachtsmomente zeigt, also Fieber – so geht das los, sagen die Experten -, dann muss man erst einmal abwarten, ob sich Indizien zeigen, was für eine Ursache das Fieber hat. Das kann Malaria sein. Das kann eine andere infektiöse Sache sein, Gelbfieber oder Ebola-Indizien. Wenn sich dann Ebola-Indizien zeigen, dann ist selbstverständlich die Evakuierung die erste Option.

Wir haben an dieser Stelle immer wieder klargemacht, dass Deutschland derzeit noch nicht aus eigenen Mitteln über die Fähigkeit verfügt, die Evakuierungskette sicherzustellen. Auch den allermeisten anderen Nationen geht das so. Es gibt bisher nur eine amerikanische zivile Firma, die auf Mietbasis ein Flugzeug zur Verfügung stellt und jeweils für andere Nationen Patienten herausgeflogen hat. Die Bundesregierung hat aber schon vor einiger Zeit den Beschluss gefasst, dass wir diese Rettungskette sicherstellen wollen.

Die Bundeswehr hat die Aufgabe übernommen, für Ebola-Verdachtsfälle – also nicht einfach nur Fieber, sondern Ebola-Verdachtsfälle – und Leichtinfizierte den Lufttransport sicherzustellen. Dafür haben wir – das haben wir hier auch schon als Thema gehabt – bereits seit Wochen angeschoben, getestet, wie man den MedEvac-Airbus, aber auch die Transall, diese fliegenden Krankenstationen, mit Isolierzellen aufrüsten kann. Dazu sind in der vergangenen Woche die ersten erfolgreichen Tests gelaufen. Die haben dazu geführt, dass der Beschaffungsauftrag ausgelöst worden ist. Wir werden bereits in der nächsten Woche über 20 angelieferte Isolierzellen verfügen, die man in den MedEvac-Airbus einbauen kann. Damit würde in absehbarer Zeit die Möglichkeit zur Verfügung stehen, solche Verdachtsfälle und Leichtinfizierte nach Deutschland zu bringen.

Sie haben selbst gemerkt – wir haben schon Fälle hier in Deutschland, nämlich in Hamburg und Frankfurt -, dass an Ebola erkrankte Menschen ausgeflogen worden sind. Das ist diese Firma auf Mietbasis, Charterbasis, die ich eben angedeutet habe, die das weltweit anderen Nationen anbietet und auf die nachweislich auch zurückgegriffen werden kann. Auch das würde kurzfristig zur Verfügung stehen.

Was den Zeithorizont angeht: Die Tatsache, dass wir erst in der nächsten Woche in der Lage sein werden, den MedEvac-Airbus fertig aufgerüstet zu haben, mit dem Freiwilligenaufruf in Verbindung zu bringen, ist insofern etwas problematisch, als gerade die Sichtung der Freiwilligenmeldungen erfolgt, die eingegangen sind. Man ist gerade dabei zu identifizieren: Wer bringt die notwendigen Qualifikationen mit? Wer kann was? Parallel wird auch geschaut: Wie kann man das Ganze von den Qualifikationen her sinnvollerweise so portionieren, dass man dann eine durchhaltefähige Kette aufbaut, dass die Ausbildungen beginnen? In einigen Tagen werden die konkreten Ausbildungen beginnen können. Parallel dazu wird das aufgebaut. Aber es ist schon jetzt absehbar, dass die Rettungskette vorher dargestellt werden kann, und zwar mit einigen Wochen Vorlauf, bevor der erste Freiwillige dort hinuntergeht und seinen Einsatz antritt.

Es wird nicht der Fall sein – um das einmal klar zu sagen -, dass Leute hinuntergehen, die sich jetzt auf Basis der Aufrufe der Bundesregierung als Freiwillige gemeldet haben, und wir die Rettungskette nicht darstellen können.

Zusatzfrage: Herr Flosdorff, Sie haben jetzt auf ganz viele Fragen geantwortet, die ich gar nicht gestellt habe. Ich habe nicht nach dem Transport und der Rettungskette gefragt, sondern ich habe danach gefragt, ob die Aussage des Staatssekretärs Grübel steht, dass infizierte Personen primär vor Ort behandelt werden sollen. Darauf sagen Sie Nein. Verstehe ich das richtig?

Flosdorff: Es versteht sich doch von selbst, wenn wir nach den Hochrechnungen, die die WHO aufmacht, demnächst vielleicht Zehntausende dort unten haben könnten und haben werden, dass wir die natürlich nicht alle nach Deutschland fliegen.

Zusatzfrage: Aber die Bundeswehr oder freiwillige deutsche Helfer auf jeden Fall?

Flosdorff: Bei den Freiwilligen gilt das, was ich gesagt habe: Bei dem Freiwilligenpersonal, das wir hinunterfliegen, stellen wir die Rettungskette sicher. Es ist aber nicht so, dass jeder, der Fiebersymptome zeigt, sofort ins Flugzeug verladen wird. Das macht auch gar keinen Sinn; denn es kann sich nach kurzer Zeit herausstellen, dass das andere Ursachen harmloser Art hat. Die Kapazitäten sollen für diejenigen genutzt werden, bei denen wir uns relativ sicher sind, weil es einen begründeten Verdacht gibt. Diese Leute werden ausgeflogen.

Einfach nur, damit auch die Zahlen klar sind: Wenn der MedEvac-Airbus in der nächsten Woche aufgerüstet ist und wir auch die Transall so weit aufrüsten können, wie wir uns das vorstellen, nämlich mit Isolierzellen, die wir einbauen können, dann verfügen wir über sechs plus drei, also über neun Plätze. So viele Infizierte könnten jeweils im Pendelverkehr ausgeflogen werden.

Es ist klar, dass das für den Notfall gedacht ist. Wir werden sehr verantwortungsvoll damit umgehen, und zwar nicht, wenn sich nur ein kurzes Fiebersymptom zeigt. Diejenigen werden dann eng gemonitort, beobachtet. Zu dem Zeitpunkt, zu dem man sicher ist, das könnte etwas Ernsthafteres sein, würde sofort ausgeflogen werden.

Frage: Herr Flosdorff, ich habe den zeitlichen Ablauf noch nicht ganz verstanden. Ab wann sind die MedEvac-Airbusse und vielleicht auch die Transall mit Isolierzellen ausgestattet? Ist das die Voraussetzung dafür, dass erst ab dann Freiwillige der Bundeswehr in die Einsatzgebiete dort gehen können?

Flosdorff: Wie gesagt: Erfolgreiche Erprobungen, dass man diese Systeme zusammenbringt, die Isolierzellen und die fliegenden Krankenstationen, die wir haben, sind in Köln bereits gelaufen. Das ist in der vergangenen Woche gelaufen. Wenn alles nach Plan läuft – die Bestellungen sind alle ausgelöst, das Material wird jetzt geliefert -, werden wir in der nächsten Woche so weit sein, dass es die eingebauten Isolierzellen in dem MedEvac-Airbus gibt, möglichst auch in der Transall.

Das Ausbildungsprogramm läuft jetzt an. Wir bilden ja nicht alle gleichzeitig aus, sondern die müssen portionsweise ausgebildet werden. Wir machen auch keine eigene Sache für die Bundeswehr, sondern wir machen das zusammen mit den zivilen Helfern, die auch im Rahmen des Rot-Kreuz-Aufrufs ausgebildet werden, mit weiteren Freiwilligen. Das wird wahrscheinlich in Hamburg sein, wo wir ein Bundeswehrkrankenhaus haben, und wo auch das Nocht-Institut sitzt. Dort wird dann sukzessive ausgebildet.

Nach den Planungen, die wir auch mit den Amerikanern synchronisieren, weil das Thema Infrastruktur natürlich auch sehr wichtig ist, gehen wir im Moment davon aus, dass wir, was den konkreten Einsatz erster Freiwilliger in Westafrika angeht, eher über Mitte/Ende November reden. Bis dahin haben wir die Kette stehen.

(Archivbild 2007: Blick in den MedEvac-Airbus der Bundeswehr – Bundeswehr/Burger via Flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz mit Freigabe für redaktionelle Verwendung)