Lagebeobachtung Ukraine, 3. Juni
Die Auseinandersetzungen in der Ost-Ukraine werden schlimmer, die Grenze zwischen einem Anti-Terror-Einsatz (so die offizielle Lesart der Regierung in Kiew) und einer militärischen Aktion gegen die pro-russischen Kräfte verschwimmt immer mehr.
Eine Übersicht vom (heutigen) 3. Juni von Associated Press:
Ukrainian troops on Tuesday launched an offensive against pro-Russian insurgents in the eastern city of Slovyansk and advanced through the city’s outskirts, the nation’s interior minister said.
Arsen Avakov said that government troops broke through rebel positions around the village of Semenovka on the eastern fringe of Slovyansk. „An active offensive stage of the counterterrorist operation is underway in Slovyansk,“ he wrote on his Facebook page.
Local residents said that several Ukrainian combat jets and helicopter gunships attacked rebel positions on the eastern outskirts of Slovyansk, and heavy artillery barrages have continued throughout the day.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin vereinbarten unterdessen, am Rande der Feierlichkeiten zur Invasion in der Normandie in einem Vier-Augen-Gespräch über die Ukraine zu reden, wie der Kreml mitteilte:
Vladimir Putin had a telephone conversation with Federal Chancellor of Germany Angela Merkel.
Ahead of the bilateral meeting in Normandy on June 6, 2014, the two leaders exchanged opinions regarding the situation in Ukraine. Both parties spoke in favour of coordinated measures aimed at de-escalating the crisis.
The Russian President and the German Federal Chancellor also discussed negotiations between Russia, the EU and Ukraine regarding natural gas supplies from Russia.
Mit der Bitte um Ergänzungen in den Kommentaren – und ganz herzlichem Dank an die Kommentatoren, die schon in den vergangenen Tagen den Strom an Informationen zur Situation in der Ukraine hier aufrecht erhalten haben.
@JCR: Warum wollen Sie es nicht einfach den Ukrainern überlassen, zu entscheiden, ob sie Russen werden oder nicht? Putin weiter auf den Leim zu gehen, hieße, einem erfolgreichen Eroberungskrieg zuzusehen.
Und wenn dann das Baltikum dran ist und damit Artikel 5 getriggert wird: Wollen Sie dann wieder von oben herab über die Kapitulation der angegriffenen Staaten verhandeln oder hätte man dann nicht lieber doch die russischen Eroberungsträume einbremsen sollen, bevor NATO-Territorium angegriffen wird?
@wacaffe | 04. Juni 2014 – 14:45 „chamberlain“
Appeasement im Sinne von ’38 kann immer nur ein Schuß ins eigene Knie sein, keine Frage. Aber mit geschichtlichen Vergleichen ist das so eine Sache: sie hinken meistens; und in diesem Fall besonders. Putin ist nicht Hitler und die Krim nicht das Sudetenland.
Die völkerrechtlichen Fragen, die die jüngsten Ereignisse in der Ukraine aufgeworfen haben, sind hier bereits mehrfach diskutiert worden. Aus meiner Sicht ist der Terminus „Annexion“ in diesem Zusammenhang falsch gewählt. Der heutige Status der Krim ist aus westl. Sicht ein Ärgernis aber eben nicht die Ursache der Ukrainekrise, sondern ein Resultat. Dies dürfte auch wohl irreversibel sein. In der Ost-Ukraine ist die Karre in den Dreck gefahren worden (von allen Beteiligten). Es gilt zunächst, Schlimmeres zu vermeiden um dann zur Normalität zurückkehren zu können. Das ist m.E. mit Machtdemonstrationen wie Luftangriffe nicht möglich. Die Eskalation im Donezbecken spielt der russ. Regierung nur in die Hände. Tatsächlich würden strikte Grenzkontrollen auf russ. Seite die Unterstüzung der Separatisten durch Freischärler eindämmen und damit wohl den Kampfeswillen der Separatisten brechen. Warum aber sollte Putin das tun? Wer will die EU dafür verurteilen, daß rund 700 Europäer nach Syrien gereist sind um dort ihrer mörderischen Gesinnung freien Lauf zu lassen?
„man kennt Sie hier bereits unter anderem Nick…“
Nein. Auch bin ich nicht von bezahlt, um gleich Ihren nächsten Einwand vorwegzunehmen.
„noch keine Belege für einen Terroranschlag“
Nun, es sieht aus wie ein Terroranschlag. Belege für einen legitimen Luftangriff konnten Sie nicht vorbringen, also gestatten Sie mit bei meiner Meinung zu bleiben, Ihnen steht ja auch dasselbe Recht zu.
@ JCR
„Beiderseitige Unnachgiebigkeit führt in den Krieg. “
Nö. brinksmanship gehört zum realpolitschen intrumentenkasten wie von Putin gerade schön vorexerziert.
wer darauf nur mit Panik und hilflosem „aber die atomwaffen“ (die übrigens im ukrainekonflikt denkbar irrelevant sind) reagiert, ist gezwungen alle interessen zur disposition zu stellen.
russland bei einer ökonomisch politischen konfrontation detulich verwundbarer als der westen. man müsste eben gwillt sein kurzfristige ökonomische einbußen zugunsten langfristiger strategischer ziele hinzunehmen. strategic patience.
man alternativ kann auch sagen ist uns alles egal was dahinten im osten passiert. wir wollen kontinal grand bargain mit russland. dann aber auch bitte mit menschenrechtsgedöns und sonstigem petitessen aufhören.
was momentan passiert ist weder hüh noch hott. man verliert krim,ostukraine und völkerrechtliches prinzip und macht sich auch noch lächerlich.
@JCR
„Beiderseitige Unnachgiebigkeit führt in den Krieg. “
Das setzt voraus, dass beiderseitig der Krieg „sinnvoll“ erscheint, bzw. die Auswirkungen als akzeptabel angesehen werden. Das dürfte zumindest fragwürdig sein.
Losgelöst davon: Unnachgiebigkeit bedeutet nicht Reden schwingen und Abwarten. Dann wird es in der Tat heikel. Unnachgiebigkeit würde bedeuten, den Preis zu verdeutlichen. In diesem Punkt hat man sich offensichtlich in der Ukraine auf einen Rückzug eingestellt. Finanzielles Unterstützen und verbale Untermalung aber kein eigenes Eingreifen und keine weitergehenden wirtschaftlichen Maßnahmen. Das ist auch ein Weg am bewaffneten Konflikt (bzw. der eigenen Beteiligung) vorbei, aber einer, der der Ukraine sehr weh tun wird. Ein direktes Eingreifen der russischen Armee hat man verhindern können, aber mehr auch nicht. Die Verhandlungserfolge waren soweit alle recht dürftig und das russische Erfüllungsverhalten sagen wir mal berechnend irrational. Ich kann nicht so richtig glauben, dass dieses Verhalten sich plötzlich dramatisch ändern könnte. Jedes Zugeständnis hat bislang die Verhandlungsbasis der Ukraine geschwächt und Fakten geschaffen. Wie geht man mit einer Verhandlungspartei um, die von Frieden spricht, während sie „Grüne Männchen“ und massive Truppen in Stellung bringt. Das ist ein recht fundamentales Problem…
Erstens, die Ukraine ist ein ethnischer Konflikt, in dem nach dem Maidan (über dessen Recht oder Unrecht man geteilter Ansicht sein kann), die eine Hälfte des Landes versucht, der anderen Hälfte ihre Vorstellung von Staatlichkeit, Kultur und nationaler Identität aufzuzwingen. Diese Dimension wird vom Westen vollkommen ausgeblendet, man ist wieder in der „our Bastard“ Logik angekommen.
Zweitens, mit welchem Recht spielt sich Califax hier eigentlich zum Forumsbullen auf?
@Gustav Struve:
Ich empfehle Ihnen dringend, sich einmal über die Akteure zu informieren. Das dem russischen Militärgeheimdienst GRU unterstehende tschetschenische Bataillon Wostok ist ebensowenig eine Gruppe privater Freischärler wie die staatlich unterstützten und gelenkten Kosacken der Hundertschaft des Wolves, der GRU-Offizier Girkin alias Strelkow oder der FSB-Direktor Borodai. Und auch in Ossetien brechen nicht einfach mal Hunderte schwerbewaffnete Leute auf Militär-LKW auf ohne dafür die Weisung des Kreml zu haben.
Mit europäischen Islamisten, die für ihren Jihad bei der Rückkehr als Staatsfeinde gejagt werden, hat das absolut gar nichts zu tun.
@JCR.: Die Lüge vom ethnischen Konflikt wird auch nur von Leuten geglaubt, die alles ausblenden, was dem russischen Staatsfernsehen widerspricht. Es gibt dazu solide Zahlen, und das Gejammer der russischen Paramilitärs über fehlende Unterstützung durch die lokale Bevölkerung ist mittlerweile Alltag.
Und wie kommen Sie eigentlich auf den Unfug mit dem Forumsbullen?
Ok. Drei dezente Hinweise, kein Ergebnis. Ich mache die Kommentare hier zu, Lagebeobachtung scheint nicht erwünscht, persönliches Beharken schon. Gibt’s bestimmt passendere Foren für.