Hilfe für Badakshan: Ein Aufruf an die ehemalige Truppe in Feyzabad
In der vergangenen Woche wurden in einem abgelegenen Distrikt in der afghanischen Nordostprovinz Badakhshan Hunderte, vielleicht auch Tausende von Menschen nach einem Erdrutsch in einer Schlammlawine begraben – eine der größten, wenn die nicht größe nicht-kriegerische Katastrophe in Afghanistan. Inzwischen gibt es auch internationale Hilfe, aber die reicht bei weitem nicht.
Zwei Deutsche, die sich für das Land am Hindukusch auch nach ihrer aktiven Zeit engagieren, der frühere Grünen-Abgeordnete Winfried Nachtwei und der ehemalige Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Rainer Glatz, haben zur Unterstützung für die Opfer dieser Katastrophe aufgerufen – und wenden sich vor allem an die deutschen Soldaten, die im früheren PRT Feyzabad in Badakhshan im Einsatz waren.
Den Aufruf von Nachtwei und Glatz, auch zu finden auf Nachtweis Webseite, gebe ich hier auszugsweise gerne weiter:
Am 2. Mai gegen 13.30 Uhr begrub ein Erdrutsch Teile des Dorfes Ab-e-Barik im Argo Distrikt in der Provinz Badakhshan unter sich. Als Nachbarn zur Hilfe eilten, wurden diese von einer zweiten Schlammlawine in den Tod gerissen. 300 Häuser wurden völlig zerstört. Die Schätzung der Todesopfer schwankt von 350 bis 2000. Zu den Opfern gehört eine Hochzeitsgesellschaft. Insgesamt seien 1000 Familien betroffen, 700 seien obdachlos. Bereits am Folgetag stellten die Behörden die Rettungsversuche ein. Die Schlammdecke sei mehr als 50 Meter dick.
Zwei Tage danach war vor Ort erst wenig Hilfe eingetroffen und gab es kein Hilfsgesuch an die Internationale Gemeinschaft. Während in Kabul die eigene staatliche Katastrophenhilfe als völlig mangelhaft kritisiert wurde, ging eine ungewöhnliche Welle der Solidarität durch das Land, wird für Spenden gesammelt.
(…)
Wir erinnern uns lebhaft: Von 2004 bis Oktober 2012 stand in der Provinzhauptstadt das deutsch geführte PRT Feyzabad. Die Provinz Badakhshan mit den westlich anschließenden Provinzen Takhar und Kunduz gehörte zum Kern-Verantwortungsbereich des deutschen AFG-Einsatzes. Abertausende Bundeswehrsoldaten, Hunderte Polizisten und Entwicklungsexperten arbeiteten hier für mehr Sicherheit, Frieden und Aufbau in einer der ärmsten Provinzen Afghanistans. Auch heute ist noch deutsche Entwicklungshilfe vor Ort.
Den Frauen und Männern, die in Badakhshan waren und meist von Land und Menschen fasziniert waren, ist nicht egal, wie es den Menschen dort geht, was aus der Provinz wird. Jetzt, in den Tagen höchster Not und Verzweiflung, in denen die Menschen vor Ort buchstäblich vor dem Nichts stehen, sind Zeichen und Taten der Solidarität ganz besonders wichtig. auch aus Deutschland!
Deshalb rufen wir Sie herzlich auf:
Unterstützen Sie die folgenden Spendensammlungen, verbreiteten Sie den Aufruf bitte auch unter Ihnen bekannten Afghanistan-Rückkehrern und Afghanistan-Freunden!
• Spendenkonto des „Afghanischen Frauenvereins“, Stichwort „Erdrutsch Badakhshan“ Nr. 0680 850 500 bei Commerzbank Koblenz (BLZ 570 800 70) Pressemitteilung und Aufruf des Afghanischen Frauenvereins unter http://www.afghanischer-frauenverein.de (Der Afghanische Frauenverein e.V. wurde 1992 von in Deutschland lebenden Afghaninnen gegründet. Die Vorsitzende Nadia Nashir gehört seit langem zu dem Vorbereitungsteam der Villigster AFG-Tagung.)
• Spendenkonto 202 von Caritas International bei der Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 660 205 00), Stichwort „Afghanistan“.
Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung und Ihr Zeichen an die Menschen in Afghanistan!
Ihr Winfried Nachtwei und Rainer L. Glatz
(Foto: Bergungsversuche in Badakhshan – Matin Bek vom afghanischen Independent Directorate of Local Governance via Twitter)
Das Geschehen ist zweifellos tragisch, doch angesichts der fortschreitenden Entwaldung des Landes durch die Afghanen unvermeidlich. Solange Überbevölkerung und Raubbau ungebremst weitergehen, wird so etwas immer wieder geschehen, und die einzigen, die dauerhaft etwas daran ändern können, sind die Afghanen selbst. Dem Satz:
schließe ich mich ausdrücklich nicht an. Die Aufgabe der paternalistischen Haltung, die Fremde in der Verantwortung das Land sieht und nicht dessen Bewohner, ist längst überfällig. Der Schaden, den die diversen „Helfer“ in den vergangenen Jahrzehnten bereits angerichtet haben, sollte doch reichen.
Barnabas | 08. Mai 2014 – 13:00
Sie sollten sich mal eine Definition zum Begriff „Menschlichkeit“ an lesen … mehr ist zu Ihrem Statement nicht zu sagen.
@Heiko Kamann
Dann nennen Sie mir doch mal Ihre Definition. Ich habe genug „Menschlichkeit“ von der Art, die sie vermutlich meinen, in Afghanistan erlebt. Alle diejenigen, die Afghanistan mit Milliarden von Hilfsgeldern korrumpiert haben, haben es natürlich immer nur gut gemeint. Diejenigen, die sich daran bereichert haben und durchaus in der Lage wären, ihren Landsleuten zu helfen, kaufen jetzt stattdessen davon jetzt in großem Maßstab Immobilien in Dubai. Das finde ich unmenschlich. Aber für manche Leute ist die gute Absicht und die moralische Selbstdarstellung eben wichtiger als das Ergebnis.
Ich halte es wie Barnabas. Wir sind raus aus der Nummer.
Der nächste Lacher nach den Kriegsgräberfürsorgesammlungen .
Nur kurz OT und @ Fred:
Letztere finde ich nicht zum Lachen, wenn sie sich mal anschauen, in welchem Zustand manche dieser Friedhöfe in Frankreich sind…
Btt:
Ein guter Aufruf der im aktuellen Fall sogar hilfreich sein kann – wenn das Geld bei den Menschen landet und nicht einer „zentralen“ Stelle, die dass dann „verteilt“…
@Barnabas et al. :
Katastrophenhilfe und Entwicklungshilfe sind aber zwei paar Stiefel. Ihre Ansicht hinsichtlich Letzteren ist durchaus berechtigt und man findet diese auch bei Leuten die im entsprechenden Sektor arbeiten und auch in der Literature (in development economics etc.), aber bei Katastrophen (ist in diesem Fall vielleicht zu Hoch gegriffen. Ich meine konkrete Fälle und Events im Gegensatz zu allgemeiner Entwicklung) ist eine solche Betrachtungsweise nicht unbedingt hilfreich oder angebracht – wenn das Haus brennt sollte die erste Frage nicht der potentiellen Wasserrechnung gelten.
Aber wie gesagt ihre grundsätzliche Kritik kann ich nachvollziehen
@Voodoo
Da keine der beiden NGOs zumindest laut Eigendarstellung in Badakhshan präsent ist, können Sie davon ausgehen, dass Ihre Annahme zutrifft. Davon abgesehen könnte mit jetzt gesammelten Spenden ohnehin keine sinnvolle Nothilfe mehr geleistet werden.
Das Dorf in Badakhshan erhält aktuell das ZEHNFACHE an notwendigen Hilfsgütern, da alle lokalen Machthaber Nordafghanistans ein Stück vom medialen Kuchen abhaben wollen und Hilfslaster entsenden. Die VN haben bereits gestern darum gebeten, vorerst keine weiteren Hilfsgüter nach Ab-e Barik zu bringen, da mittlerweile „Hilfsgütertouristen“ aus anliegenden Provinzen anreisen und auf kostenlose Verpflegung und Medizin hoffen. Resultat: Teilweise kommt er zu Tumulten, bei denen die Sicherheitskräfte einschreiten müssen.
Dennoch ist der Aufruf richtig, denn viele medial nicht abgedeckte Gebiete Nordafghanistans werden momentan von Fluten heimgesucht und versinken buchstäblich in der Bedeutungslosigkeit. So beispielsweise Jowzjan oder Samangan. Man muss nur einen allgemein formulierten Verwendungszweck bei der Spende angeben, anstelle des Hinweises auf Badakhshan. So sind Hilfsorganisationen freier in der Allokation von Hilfsgütern.
Wer nicht spenden mag, der spendet eben nicht. Die Masse an Finanzmitteln, die dieses Land „korrumpiert“ haben (ich frage mich, ob es vorher anders war) kam aus Verteidigungshaushalten der ISAF Nationen
Letztlich kann man an Hilfsorganisationen herumkritisieren so viel man möchte. Aber am Ende sitzen diese Leute zumindest nicht auf ihren Händen herum, schreiben als Privatbeschäftigung (oder während der Dienstzeit) Foreneinträge und klagen nur. Sie handeln stattdessen und machen evtl. Fehler. Fehlerfrei ist eben nur, wer nichts tut.
Schönen Gruß aus Kabul.
Quellen:
http://www.afghanistan-analysts.org/wp-content/uploads/2014/03/20140200-WT94_Thema_Ruttig-FINAL.pdf
http://www.ndtv.com/article/world/un-admits-problems-in-aid-delivery-as-afghans-flock-to-landslide-520132
Liebe(r?) ChairForce,
ich habe schon manche Hilfsorganisation „mit den Händen in der Tasche“ erlebt, selbst als die „Selbige“ gewaltig am dampfen war – das fing bei den „Tausend hilflosen Wichteln“ beim Elbehochwasser an und endete mit diversen „selbstlosen Samaritern“ vor Ort in AFG. Vergeben Sie mir daher mein Lächeln ob Ihrer letzten Worte. Bin da etwas desillusioniert.
Aber Sie haben recht: Wer spenden will, der soll es unbedingt tun, wer nicht, der eben nicht.
@Voodoo
Dann steht es ihnen mE frei diese in ihrer Freizeit zu pflegen.
@ChairForce
„Aber am Ende sitzen diese Leute zumindest nicht auf ihren Händen herum…“
Sicherlich muss man auch im anrüchigen EZ- und Hilfsgewerbe differenzieren und auf die wenigen positiven Einzelbeispiele hinweisen, aber mit Masse muss man diese Branche sehr kritisch sehen.
Ich war übrigens nach meinem Ausscheiden aus der Bundeswehr zeitweise in diesem Bereich in Afghanistan tätig und weiss, wovon ich spreche. Geholfen wird in erster Linie Deutschen mit ansonsten auf dem Markt nicht vermittelbaren Studiengängen, die hier ein Auskommen finden, in Kabul sitzen, ihr chronisch gutes Gewissen beim Wein im L’Atmosphère pflegen während der englischsprachige afghanische Fahrer, der eigentlich Lehrer ist aber bei der NGO mehr verdienen kann draussen im teuer beschaftten Landcruiser wartet. Man verteilt die Gelder, die man nicht selbst verkonsumiert an irgendwelche meist dubiosen Partner im Land, die damit die eigentliche Arbeit machen sollen. Diese Zusammenarbeit stellt man nach außen hin als Beispiel dafür da wie gut man im Land vernetzt ist. Tatsächlich sind die allermeisten einheimischen NGOs im Grunde kriminelle Strukturen, was auch bekannt ist.
Ein investigativer Journalist könnte in diesem Geschäft Dinge aufdecken, die die Spendenfreudigkeit in Deutschland doch stark beeinträchtigen dürften.
An der Stelle einfach mal ein kurzes Danke, dass die Katastrophe in Badakshan auch hier aufgegriffen wird. Auch wenn sich bei diesem Thema die Zahl der Kommentare und damit auch die Seitenaufrufe in Grenzen halten dürften, so ist es eben doch relevant.
(Was man leider vom oft selbstzentrierten Bundeswehrbetrieb nicht sagen kann. Aber der dortige Mangel an Verantwortlichkeit und Leistung scheint mal wieder einige nicht davon abzuhalten sich hier weit aus dem Fenster zu lehnen. Oder gibt es konkret etwas gegen die Arbeit von Caritas und Frauenverein in Afghanistan vorzubringen?)
@ ChairForce
Danke für die Infos.
@J.R.
„Oder gibt es konkret etwas gegen die Arbeit von Caritas und Frauenverein in Afghanistan vorzubringen?“
Das würde ich schon aus rechtlichen Gründen nicht wagen und weise nur dezent darauf hin, dass keine der beiden Organisationen gemäss Eigendarstellung über irgendwelche Strukturen in Badakhshan verfügt, die sie dazu in die Lage versetzen würde, dort kurzfristig aktiv zu werden, und darum geht es schliesslich bei Humanitärer Hilfe. Ich finde es auch etwas merkwürdig, rund eine Woche nach dem Vorfall und nachdem der Ort des Vorfalls offenbar mit Helfern bereits überversorgt ist mit dem Spendensammeln zu beginnen und dabei den Eindruck zu erwecken, als würde dort nicht geholfen (ich verweise auf ChairForce’s Kommentar mit Belegen dafür dass dies falsch ist), wobei dass ja anscheiend von den Herren Nachwei und Glatz ausgeht und nicht von den Hilfsorganisationen.
Über die genannten grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber der Helferszene hinaus vermute ich hier gutgemeinten blinden Aktionismus als Motiv und will nicht so weit gehen zu unterstellen, dass man sich hier im Zusammenhang mit dem Thema profilieren will und davon ausgeht, dass schon niemand kritische Fragen stellen wird.
@ Barnabas
„Das würde ich schon aus rechtlichen Gründen nicht wagen“
Welche rechtlichen Gründe wären das?
Ansonsten sollten Sie vielleicht einen Blick auf die verlinkte Seite werfen. Nicht zuletzt das „den Eindruck zu erwecken, als würde dort nicht geholfen“ wird da eindruckvoll widerlegt.
Ca. 40 Häuser wurden zerstört.
Und die Hilfsgüter stapeln sich und werden nicht verteilt.
Ruhe bewahren!
@J.R.
In der verlinkten Quelle steht:
„Aid workers say a large number of humanitarian actors – including international and local aid groups, U.N. agencies, foreign governments, local businessmen and even private individuals – have descended on the impoverished village since news emerged of the massive disaster five days ago.“
Auf Nachtweis Seite heisst es:
„Zwei Tage danach war vor Ort erst wenig Hilfe eingetroffen und gab es kein Hilfsgesuch an die Internationale Gemeinschaft. Während in Kabul die eigene staatliche Katastrophenhilfe als völlig mangelhaft kritisiert wurde….“
Die erste Beschreibung ist natürlich nicht dazu geeignet, die Spendenbereitschaft zu verstärken, und die zweite ist nicht ganz falsch, aber es entsteht schon der Eindruck, dass hier absichtlich ein nicht ganz zutreffender Eindruck der Lage erzeugt werden soll.
Unabhängig von der Schlammkatastrophe:
Inwieweit sind die Afghanen selbstständig in der Lage sich zu helfen?
Wie sieht es heute im Lager Feyzabad aus?
Wie sieht es heute im Lager Kunduz aus?
Waren natürlich 3 rethorische Fragen…….
P.S.: Die beiden Lager wurden piccobello übergeben. In KDZ gabs angeblich noch extra ´nen Steinofen für 100k dazu……
@CRM-Moderator: Sie wissen zu Ihren Fragen sicher auch die Antworten. Ich nämlich nicht, denn ich kann hier leider nicht immer flächendeckend mitlesen. Die Links bei zeit.de drehen sich eher um die Vorbereitung zur Übergabe.
@ilits
es sollte nicht an mir sein zu antworten nichts desto trotz will ich es (hoffentlich richtig) tun:
Das was CRM Moderator wohl sagen wollte folgt der Idee „Perlen vor die Säue geworfen“.
Miserabel schaut es dort aus, heruntergewirtschaftet, wie nach einem Jahrhundert vernüftiger Nutzung.
Nur, wo kein vernüftiges Gemeinwesen existiert, wo sich jeder selbst der nächste ist, ist auch anonymes Eigentum (und wenn es das eines Staates ist, an den man selbst nicht galubt, auch wenn man von ihm Geld bekommt (bekommen sollte) ) nichts wert.
Also bereichert man sich an dem, was beweglich genug ist und für einen Appel und ein Ei irgendwo zu Geld gemacht werden kann.
Hilfe bedeutet nun mal nicht, dass die angebotene Hilfe vom Spender als hilfreich beurteilt wird, sondern dass sie auch von Hilfenehmenden als solche für diesen Zweck empfunden wird.
Insofern: was hilft es wenn man an einer zweitrangigen „Baustelle“ arbeitet, wenn erstens vermutlich eine deutliche Menge der Hilfe den das Ziel gar nicht erreicht und zweitens die ankommende Hilfe eher gegenteilig wahrgenommen wird??
Hilfe zur Selbsthilfe, auf der Basis der Idee, das ein Gemeinwesen existiert, welches überhaupt einen gemeinsamen Nenner für die erwünschte Hilfe benennen kann, vermutlich sollte sich das der eine oder andere unifomierte oder nicht uniformierte Gutmensch mal vor Augen halten, bevor wir mit unserem westlichen Füllhorn der Glückseligkeit ganze Landstriche beglücken, ob gewünscht oder nicht.
Brabantiner | 09. Mai 2014 – 21:28
Der Krieg in AFG dauert inzwischen länger als der 1. und 2. Weltkrieg zusammen … kein Wunder das es da an gewissen Strukturen mangelt. Deutschland wurde damals, trotz allem, geholfen … Sie gestehen dem Land im Angesicht einer Naturkatastrophe keine Hilfe zu? Wir würden vermutlich immer noch im Schutt der zerstörten Städte dahin vegetieren, wenn die Alliierten genauso gedacht hätten wie Sie.
@Brabantiner: Danke für die Antwort, ich hatte das nach CRM’s Andeutung erwartet, fand aber keine Berichte dazu, lediglich von der Übergabe selbst.
Ich fürchte, daß uns nach einer so langen Friedensphase inzwischen aber auch der Gemeinschaftsgeist abhanden kommt. Schauen Sie sich nur in einem beliebigen S-Bahn- Zug bei uns um. Sie werden eine ganze Anzahl Leute finden, die als Fußabtreter das nutzen, worauf sich andere setzen wollen. Schade…
@Heiko Kamann: Zählen Sie mal noch die Jahre der sowjetischen Besatzung hinzu und die der Talibanherrschaft. Trotzdem – Der deutsche Wiederaufbau geschah mit amerikanischem Anschub, der bei allem Wohlwollen keine einzige Trümmerlore an die jeweiligen Stadtränder befördert hat. Vor allem war es der Gedanke, daß nun endlich Ruhe ist mit Krieg und Gesinnungsterror. Man konnte den ganzen Mist nicht mehr hören und sehen und wollte sich endlich mal um sein eigenes Leben kümmern. Und das konnte man tun. Keine Werwölfe weit und breit.
Und AFG? Wenn die ganzen Westsoldaten weg sind und das sind sie ja schon fast, werden Habgier und religiöses Eiferertum dafür sorgen, daß das Leben wieder zu gewohnten Hölle wird. Da baut es sich schlecht drauf auf, also kümmert sich jeder um das, was er gerade im Moment überblicken kann.
Wenn man dem „Gutmenschentum“ also etwas vorwerfen will, dann das, daß man die Aufgabe, die Taliban einen Kopf kürzer zu machen nicht mit der letzten Entschlossenheit angegangen ist oder daß man es einfach nicht geschafft hat. Wenn man die bösen Buben nicht erkennt, ist schlecht Krieg führen. Nun, die Gründe für das Scheitern sind ja bereits ausführlich diskutiert worden.
@ Brabantiner
Nur, wo kein vernüftiges Gemeinwesen existiert, wo sich jeder selbst der nächste ist,
Gewagte These. Haben Sie dafür auch mehr als anekdotische Belege?
Oder verallgemeinern Sie da gerade die Auswirkungen 30 Jahre Krieg samt zwei Kulturevolutionen, Rückgang der landwirtschaftlichen Produktivität bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum, und das Zurückziehen auf persönliche Vertrauensverhältnisse zu einem arg negativen Menschenbild?
(Nur mal zum Vergleich: die Deutschen schneiden in Sachen Verschrottungsprämie oder Steuererklärung auch nicht besser ab: Auch da wird mitgenommen was geht, auch wenn es persönlich für Schwachsinn gehalten wird.)
Das wirklich tragische ist halt, dass die afghanischen Strukturen wegen der enormen Bedeutung des persönlichen Vertrauens (bei gleichzeitigem Mangel an institutionellen Alternativen) a) nur eine begrenzte Reichweite hat, und daher familienwirtschaft begünstigt und bei großen Ereignissen oft an seine Grenzen stößt, und b) nicht stabil ist, weil eben Status inhärent ein Nullsummenspiel ist.
Nur ist das eben nicht naturgegeben, sondern nicht zuletzt den gesellschaftlichen Dynamiken von 30 Jahren Instabilität geschuldet. (Dass es auch anders geht haben ironischerweise gerade die Taliban mit ihrer überregionalen und hierarchischen Struktur gezeigt. Die haben dafür halt an anderer Stelle noch mehr kaputtgemacht.)
Und vor allem ist es kein Argument gegen Unterstützung und Menschlichtkeit. Nur muss man sich in die Lage vor Ort versetzen können und Mißbrauchsmöglichkeiten berücksichtigen. Das scheint aber möglich, wenn die Perspektive nicht auf Berlin, Kabul und Mazar beschränkt ist.
Sorry @iltis, war verhindert…aber @Brabantiner hat die richtigen Worte gefunden.
Aus meiner Sicht ist dieses Land übrigens gar nicht so arm. Nur mit der Verteilung des Reichtums haperts etwas. Aber immerhin haben wir AFG wieder die Weltmarktführerschaft im Opiumanbau ermöglicht. Somit dürften auch Kleinbauern ein besseres Einkommen erwirtschaften, was langfristig vielleicht helfen wird.
Hilfe zur Selbsthilfe….oder so…
AFG scheint etwas aus dem Focus gerückt zu sein; aus Syrien hört man auch eher wenig – NSTR. Nun ja, zumindest am Hindukusch geht es wieder los:
http://shahamat-english.com/index.php/paighamoona/44468-statement-of-leadership-council-of-islamic-emirate-regarding-the-commencement-of-the-annual-spring-operation-named-%E2%80%98khaibar%E2%80%99
Einen ruhigen Abzug wird es also wohl nicht geben. Davon ab: werden sich die Amerikaner ganz verabschieden? Wie ist denn der Stand bei RESOLUTE SUPPORT? Auch bei diesem Thema ist es eher ruhig. Wird die BReg einen neuen Einsatz „verkaufen“ können, zumal andere Einsätze absehbar sind (ZAR, Mali, Somalia, Nigeria (?), Süd Sudan (?)) oder bereits begonnen haben und zur Verlängerung / Aufstockung (?) anstehen?
@iltis:“Die Links bei zeit.de drehen sich eher um die Vorbereitung zur Übergabe.“
Hier ist etwas aktuelleres aus Kunduz. Zum Heulen!
http://de.wikipedia.org/wiki/Feldlager_Kunduz
http://de.wikipedia.org/wiki/Feldlager_Faizabad
http://www.kommando.streitkraeftebasis.de/portal/a/kdoskb/!ut/p/c4/HYuxDsIwDET_yE4KQoKNtgsbYgDKgtIkKlbapHJNWfh4Eu5Ob3k6fGBuNCsNRihFM-IdO0uH_gNL6J_BJVg8r2Q9GLYvWqFSegMpCN7K1XmwKXopFB-FMgc2khjmxDIW82bOBshhp3Rbq636R-d99825vTa7Sren-oLzNB1_deI7cw!!/
Und zum Wochenende:
„This is what winning looks like“
http://www.youtube.com/watch?v=Ja5Q75hf6QI
[Tut mir leid, auch wenn es an der Stelle widersinning klingt: Den Link zu einer deutschen Verlagswebseite habe ich entfernt, aus den bekannten Gründen. T.W.]
Ein kleiner snapshot aus USA:
http://www.latimes.com/world/afghanistan-pakistan/la-fg-cia-plan-to-cut-back-in-afghanistan-worries-military-20140508-story.html#page=1
Der CIA zieht sich wohl aus der Fläche zurück, und das wäre natürlich eine Art GAU für die US/Coalition-follow-on mission, bzw. die Abzugsoperation, denn die Konsequenzen von
„The CIA also plans this summer to stop paying the salaries of Afghan paramilitary forces that it has armed and trained for more than a decade to help fight the Taliban-led insurgency in eastern Afghanistan, near the Pakistani border. It’s unclear what will happen to the militias“ konnte man ja im Irak gut beobachten..
Nachdem der Link aus bekannten Gründen (sorry) gelöscht wurde:
Bitte bei ZEIT Online unter „250 Millionen Euro teures Bundeswehrlager verfällt“ suchen.
Zum OT:
Zum Zustand des Feldlagers Kunduz empfiehlt sich in der Tat der von CRM-Moderator verlinkte Zeit-Artikel „250 Millionen Euro teures Bundeswehrlager verfällt“. Man beachte die Schäden an der Bausubstanz nach nur einem Winter. Dafür die Afghanen verantwortlich zu machen ist wohlfeil.
Das Feldlager Kunduz wurde eben für Streitkräfte gebaut worden, die Geld wie Heu haben, ohne irgendwelche Gedanken an die Weiterverwendung zu verschwenden. Die Küche ist auf professionelle Contractor-Firmen ausgelegt war, die man aus Drittstaaten einfliegt, ist da nur ein Beispiel. Die Dieselkosten für die Stromversorgung lagen bei 0.9 Mio € im Monat. (Sehr empfehlenswert dazu der N24-Artikel „Kampf um Kunduz“.) Das entspricht dem Stromverbrauch von Kunduz Stadt. Und nur mal zum Vergleich: Die Gemeinde der Stadt Kunduz hat ein jährliches Budget von 1 Mio. € (80 Mio. AFN).
Aber Regeln wie „Plane für die Übergabe ab Tag 1“ gelten eben nicht für die Bundeswehr. Dann darf man sich aber auch nicht wundern, wenn die nicht wirtschaftlich nutzbaren Liegenschaften am AdW hinterher genauso zerfallen wie nach der Wende die russischen Kasernen in Deutschland.
Zurück zum Thema:
Auf die deutsche Geschichte übertragen wirken die Reaktionen hier, als würde zu den Hochzeiten von Pauperismus und Sozialer Fragen auf einen Grubeneinsturz mit hunderten Toten mit „Aber wir haben dem Geld-Adel in diesem Land doch soviel Kredit gegeben, die Toten müssen selbst schuld sein“ reagiert. Das ist dann eben schlicht empathielos, pauschalisierend, weltfremd.
An der Stelle hilft es dann vielleicht, sich zu erinnern, dass wesentliche gesellschaftliche Erungenschaften maßgeblich von Graswurzelbewegungen (Arbeiterbewegung etc.) aufgebaut wurden, und erst danach vom Staat aufgegriffen und absichert wurden.
Gerade die Distriktebene wurde aber lange gar nicht systematisch betrachtet (und damit auch so Aspekte wie ländliche Rechtssprechung, Landreform, Landwirtschaftsförderung, regionale Notfallvorsorge, etc.). Stattdessen zeichnete sich gerade ISAF durch Kabulzentrismus, „Key Leader Engagements“ und einen Glauben an den Trickle-Down-Effekt aus. Hat halt die Einflussreichen noch einflussreicher gemacht, und die Unterprivilegierten dazu gebracht sich nach Alternativen umzuschauen.
Aber hat das außer den verpaßten Chancen wirklich etwas mit den vom Erdrutsch in Argo betroffenen Menschen zu tun?
@Heiko Kamann
wenn Sie aus meinem Beitrag schliessen, ich würde dem Land keine Hilfe zugestehen, sorry, dann haben Sie das von mir geschriebene nicht verstanden.
@JR
warum nicht mal verallgemeinern? Sich aus der Hubschrauberperspektive dem Thema nähern? Wer einmal in die treuherzigen Augen einen kleinen Mädchens dort geguckt hat, der sollte sich davon irgendwann trennen und betrachten, warum sich die Situation in diesem Land nicht wirklich bessert.
Vielleicht ist nun mal der Weg der westlichen Besserwisser nicht der Weg der Menschen, die dort leben.
Die sich kleinere, aber spürbarere Verbesserungen als Demokratie wünschen, die – auch in ihrer Armut, derer sie sich wohl bewusst sind – einen grossen Stolz in sich tragen.
Die wir sehr sicher, wie mir meine bescheidene Erfahrung als Soldat dort und meine Berufserfahrung aus anderen armen Ländern zeigt, durch eine ungefragte und unangepasste Hilfe und Ausführung der Hilfe leicht kränken und somit auf Dauer nicht helfen, sondern in eine andere Form von Hilfebedürftigkeit treiben, nämlich die durch Entmündigung.
Ich bin nicht gegen Hilfe, nicht gegen Hilfe bei diesem Erdbeben.
Mich stimmen nur solche Aktionen ehemals hochrangiger Funktionsträger bedenklich, die es in der Hand gehabt hätten, auch die deutsche Form der Hilfe für dieses Land in der letzten Dekade effektiver und effizienter zu gestalten.
Mir ging es eher also um die Hilfe insgesamt, als speziell diesen Fall.
(operative Hektik versus strategischer Windstille)
Die Küche mit dem Steinofen ist doch extra nach Abzug eingebaut worden, um Brot nach dortigem Brauchtum zu backen.
Der Tanklaster fährt zwar angeblich hin, soll aber leer sein bis er ankommt.
Das ausgebildete AFG-Spezialpersonal für den Lagerbetrieb ist angeblich in alle Winde verstreut.
So der afghanische Landfunk…..