Zwei Ex-Generale, vier Juristen: Kommission soll Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen überprüfen
Als die Bundeswehr vor fast 21 Jahren in ihren ersten bewaffneten Auslandseinsatz in Somalia zog (Foto oben), betraten die Soldaten nicht nur praktisch, sondern auch rechtlich Neuland: Gesetzliche Regelungen für einen Einsatz deutscher Soldaten außerhalb des Verteidigungsfalles und außerhalb des NATO-Gebiets existierten nicht. Nach einer Klage gegen die Somalia-Mission (und gegen den Einsatz von AWACS-Überwachungsflugzeugen der NATO mit deutschen Besatzungsmitgliedern über der Adria) vor dem Bundesverfassungsgericht wurde 1995 2005 das so genannte Parlamentsbeteiligungsgesetz geschaffen, das in seiner damaligen Form bis heute gilt: Der Bundestag muss dem Einsatz bewaffneter Streitkräfte zustimmen, ehe die Bundesregierung Soldaten in Marsch setzen kann.
Knapp zwei Jahrzehnte später soll dieses Gesetz von einer Parlamentskommission überprüft werden, die der Bundestag am (heutigen) Donnerstag mit den Stimmen der großen Koalition einsetzen will eingesetzt hat.Hintergrund sind praktische Fragen zum Beispiel beim Einsatz von deutschen Soldaten in integrierten NATO- (aber in Zukunft vielleicht auch EU-)Stäben und in den AWACS-Flugzeugen bei Missionen, an denen Deutschland eigentlich gar nicht teilnimmt. Fast hätte sich das beim Libyen-Einsatz der NATO ausgewirkt – an dem beteiligte sich Deutschland zwar nicht, hatte aber zuvor im NATO-Rat der Operation Unified Protector zugestimmt. Die deutschen Soldaten, die in NATO-Stäben an diesem Einsatz mitarbeiteten, durften zwar bleiben; an neu für diese Mission aufgestellten Stäben hätte sich die Bundesrepublik aber nicht beteiligen dürfen, auch wenn grundsätzlich deutsche Soldaten als Experten für solche Stäbe zugesagt waren.
Zudem wurde vor allem von Unionsseite seit Jahren immer wieder thematisiert, ob der Bundestag nicht auch Vorsorge treffen müsste für gemischte Verbände wie die NATO Response Force und die EU Battlegroups, zu denen zwar Bundeswehreinheiten gemeldet sind – aber im Sinne der Verlässlichkeit für die Verbündeten auch klar sein müsse, ob diese deutschen Truppen im Fall des Einsatzes der Verbände auch bereit stünden. Diese Überlegungen hatte insbesondere der CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff vorgebracht, der auch Mitglied der Kommission ist (siehe unten), die Sozialdemokraten standen und stehen solchen Vorstellungen bislang eher ablehnend gegenüber.
Vor allem der letzte Punkt ist ein Streitfall, und der führt dazu, dass nur die beiden Regierungsfraktionen Mitglieder für die Kommission benannt haben. Zunächst die Linkspartei, dann auch die Grünen bemängelten, die Arbeit der Kommission diene lediglich dazu, Parlamentsrechte an die Regierung abzutreten. Für eine Kommission, die sich die Aufweichung des Parlamentsvorbehalts zum Ziel setzt, stehen wir nicht zur Verfügung, sagte Frithjof Schmidt, Koordinator des Arbeitskreises Internationale Politik und Menschenrechte der Grünen-Fraktion. Es besteht mehr und mehr die Gefahr, dass Parlamentsrechte an die Exekutive verlagert werden, sagte die grüne Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth der Deutschen Presse-Agentur.
Damit besteht die Kommission nur aus sieben Mitgliedern der Unions- und fünf Mitgliedern der SPD-Seite:
Für die CDU/CSU:
Volker Rühe, früherer Bundesverteidigungsminister (Vorsitzender)
Andreas Schockenhoff, CDU-Bundestagsabgeordneter
Hans-Peter Uhl, CSU-Bundestagsabgeordneter
Prof. James W. Davis, Politikwissenschaftler, St. Gallen
Prof. Georg Nolte, Jurist, Humboldt-Universität Berlin
Prof. Matthias Herdegen, Jurist, Bonn
Generalleutnant a.D. Rainer Glatz, früherer Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
Für die SPD:
Rainer Kolbow, ehem. Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium
Niels Annen, SPD-Bundestagsabgeordneter
Rainer Arnold, SPD-Bundestagsabgeordneter
Wolfgang Zeh, Jurist und ehemaliger Bundestags-Direktor
General a.D. Wolfgang Schneiderhan, früherer Generalinspekteur der Bundeswehr
Den Auftrag der Kommission hatten beide Seiten bereits in ihrem Koalitionsvertrag im vergangenen Jahr formuliert:
Die Bundeswehr bleibt auch in Zukunft Parlamentsarmee. Die parlamentarische Beteiligung an der Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr hat sich bewährt. Sie ist eine Grundlage für die breite Verankerung der Bundeswehr und ihrer Einsätze in der Gesellschaft. Der Parlamentsvorbehalt ist keine Schwäche Deutschlands, sondern eine Stärke. Wir wollen die Beteiligung des Parlaments an der Entscheidung über den Einsatz deutscher Soldaten auch angesichts vermehrter Zusammenarbeit und Arbeitsteilung mit unseren Partnern sicherstellen. Eine zunehmende Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene muss mit dem Parlamentsvorbehalt vereinbar sein. Deshalb wollen wir eine Kommission einsetzen, die binnen Jahresfrist prüft, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können. Die Kommission wird darauf aufbauend Handlungsoptionen formulieren.
Im Bundestagsantrag zur Einsetzung (BT-Drucksache 17/766) heißt es ähnlich:
Der Deutsche Bundestag beauftragt die Kommission zu prüfen, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können. Ziel der Kommission soll die rechtliche und politische Prüfung eines entsprechenden Handlungsbedarfes zur Anpassung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes sein. Die Kommission soll darauf aufbauend Handlungsoptionen möglichst im Konsens formulieren, die gegebenenfalls in ein förmliches Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden können.
Als Beobachter der Arbeit der Kommission sehe ich ja vor allem einen Passus im Bundestagsantrag mit Interesse: Die Kommission informiert die Öffentlichkeit regelmäßig über den Stand ihrer Arbeit. Darauf bin ich ebenso gespannt wie auf die Zusammenarbeit der beiden Ex-Generale Schneiderhan und Glatz – denn die war schon zu deren aktiven Zeiten, als Schneiderhan Generalinspekteur war und Glatz das Einsatzführungskommando befehligte, nicht ganz spannungsfrei. (Offenlegung: Ich kenne beide, schätze beide sehr und weiß, dass beide gelegentlich hier mitlesen.)
Und da ich oben den Bezugspunkt Somalia-Einsatz erwähnt habe, gebe ich an dieser Stelle eine Info weiter: Am 24.Mai treffen sich in der Edelsweisskaserne in Mittenwald die Ehemaligen des 2.Einsatzktontingents UNOSOM SOMALIA. (Normalerweise mache ich solche Terminhinweise nicht; ausnahmsweise folge ich der Bitte der Organisatoren.)
(Foto: Bundeswehrsoldat in Belet Huen, Somalia, im Dezember 1993 – Foto Sgt. G.D. Robinson via defenseimagery.mil via Wikimedia Commons)
Ganz ehrlich? Ich finde es fast schon beleidigend, wenn Deutschland hier aufgefordert wird seine verfassungsmäßige Praxis umzustülpen, nur damit theoretische Multinationalität und „mehr Europa“ etwas einfacher wird. Europa kann sich schon nicht mal auf gemeinsame außenpolitische Ziele und die dafür einzusetzenden Mittel einigen und da soll der Bundestag seine Kontrollfunktion verlieren? Sind die Leuts da denn völlig plemplem?
Und was die „Rückholfunktion“ angeht … Ja, nee is klar. Eine EU-Battlegroup wird ausnahmsweise mal eingesetzt und steht in heftigen Kämpfen mit Aufständischen und dann soll das BW-Kontingent plötzlich aufgrund eines Bundestagsbeschlusses die Koffer packen und abrücken? Für wie dämlich halten diese Herren und Damen uns eigentlich?
Darüber hinaus halte ich es für nicht unmöglich, daß die jetzt schon völlig unzureichende Begründung und Öffentlichkeitsarbeit der maßgeblichen Personen in Punkto warum sich Deutschland an diesem oder jenem Militäreinsatz beteiligen sollte nun völlig zusammenbricht. Auch angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ist ein „alternativloses“ Durchwinken ohne ernsthafte Diskussion ein mögliches Szenario … und ein Fall von „Multilaterismusfalle“, der für mächtigen Ärger sorgen könnte (und bei Eintreten dürfte).
Eine generelle Ummodelung des Parlementsvorbehalts ist mit mir solange nicht zu machen, wie die Leute in Bundestag und BmVg nicht die Zähne auseinanderbekommen und ehrlich mit der Bevölkerung umgehen. Solange Verschweigen, Beschönigen, Herumdrucksen und Lavieren der standardmäßige modus operandi sind, kriegen die von mir für sowas kein Mandat. Das Leben und die Gesundheit deutscher Soldaten und Soldatinnen sind kein Einsatz, den man wie beim Pokern auf den Haufen in der Mitte wirft.
PS: Sachen wie AWACS und Stäbe sollte man einfach einmal jährlich vorab dem Bundestag vorlegen. Ganz einfach.
@T.W.
„besserwissmodus an“
Wenn man den Vorläufer der SHARP GUARD Mission in der Adria, die Operation MARITIME GUARD mitbetrachtet, dann war Somalia nicht der erste bewaffnete Auslandseinsatz (Kap. VII VN, etc.).
„besserwissmodus aus“
Haben nicht etwa auch die Niederlande einen Parlamentsvorbehalt? Interessant wäre zu erfahren, wie die Nachbarn parlamentarisch mit ihrem Mandaten, wie z.B. MALI (NLD Spezial- und Intel-Kräfte) umgehen?
@ csThor
Es kommt mir so vor dass nicht ‚Deutschland aufgefordert wird‘ also von aussen, (EU oder NATO) sondern die GroKo diese Aenderung der Einsatz-Kontrolle wuenscht.
Den ‚Buendnissen‘ ist doch eigentlich egal wie die rechtliche Stellung der DL-Soldaten begruendet wird, Hauptsache sie ‚liefern‘.
Tolle Auswahl bei den militärischen Experten:
Die können ja nochmal erzählen wie sie beide (!) sich bei den ROE für ISAF jahrelang hinter dem Parlament versteckt haben und dieses dann auch noch bewußt und wiederholt beschwichtigt haben („Rein theoretische Debatte in Berlin“).
Insbesondere natürlich der GI. Aber Glatz sass in der entscheidenden Phase (2006-2009) an der richtigen Stelle um das Thema schön klein zu halten.
Aber nun schön in der Kommission über Probleme mit den Mandatierungen mitreden.
Da kann man dann auch schnell seine unrühmliche Rolle vergessen machen und über die vielen Probleme des Parlaments lamentieren…
Legendenbildung – nächster Teil…
@ Mike
In Deutschland passiert sowas nicht „von allein“, dazu ist die Thematik den Damen und Herren Parlamentariern zu „toxisch“ und ist schlecht für die Karriere. Hierzulande wird nur auf Druck von außen reagiert, sei es bei der sogenannten „Strategiedebatte“, bei der Gestaltung der „Strukturreform“ oder eben bei der Gestaltung des Parlamentsvorbehalts. Man macht „etwas“ weil alle außen rum drüber reden. [Ironie an] Kann dann ja nicht falsch sein, oder? [Ironie aus]
@csThor:
Die ROE-Änderung bei ISAF war zumindest mal eine positive Ausnahme.
Da war es den Herren im BMVg und im EinsFüKdo, auch denen in Feldgrau, zu toxisch.
@ Memoria. Da ich aber nicht so in der Thematik „Wer macht(e) Was und Was nicht in der BW?“ stecke, habe ich halt meine Sicht auf den politischen Teil zum Besten gegeben. Bitte mir keine unlauteren Motive unterstellen, ich kenne lediglich nicht alle Facetten.
Für Battle Group, AWACS usw. halte ich eine Modifizierung des Vorbehaltes trotz berechtigter BEdenken wie von csThor geäußert für sinnvoll.
Entweder man schafft hier entscheidungsstrukturen, die einen Einsatz a priori nicht sofort ausschließen (ergo jährlicher Vorratsbeschluss, common funding) oder man löst die VErbände komplett auf da sie sonst sinnlose Kostenfaktoren bleiben.
Bei allen Differenzen sind die sicherheitsinteressen unserer Nachbarn soweit mit unseren kongruent, das ich hier wenig konfliktpotential sehe (ja, gilt auch für CAR)
ach ja noch was
„Das Leben und die Gesundheit deutscher Soldaten und Soldatinnen sind kein Einsatz, den man wie beim Pokern auf den Haufen in der Mitte wirft.“
HAHAHAHA!
das Leben von Soldaten ist per definitionem ein Einsatz der von Politikern zur Erreichung ihrer Ziele investiert wird.
@T.W.:
Das Parlamentsbeteiligungsgesetz stammt aus dem Jahr 2005.
Hat eben nach der AWACS-Entscheidung ein wenig gebraucht…
@Memoria
In der Tat, ups, mein Fehler. Habe ich korrigiert.
@aufreger
Ich checke das noch mal, aber bislang galt nach meiner Meinung unwidersprochen, dass Somalia der erste bewaffnete Auslandseinsatz war (gab ja zuvor auch anderes wie das Hospital in Kambodscha).
Eine Gärtnergilde mit vielen Böcken, das war es dann, ganz wie Memoria und Andere schreiben (werden)?!
Das mit dem Bock und dem Gärtner lag mir in der Tat auf den Lippen als ich von Schneiderhan und Glatz las. Die sollten niemanden beraten oder gar in einer Kommission sitzen. Beide unfassbare Fehlbesetzungen im Soldatenberuf allgemein und als Generale erst recht.
Auf Tauchstation.
Was macht eigentlich die IBuK?
Ihr Schweigen widerspricht so augenscheinlich ihrem sonst üblichen Verhalten.
Was ist denn da im Busche?
Es kochen die Emotionen ja ordentlich hoch. Allerdings finde ich, dass hier der ein oder andere Kommentar schon ordentlich unter die Gürtellinie geht – ganz nach dem Motto: Warum denn sachlich, wenn es auch persönlich geht!
Aber das nur am Rande.
Zum eigentlichen Thema denke ich, es kommt halt ganz darauf an, was die DEU Politik will. Will sie, dass DEU als verlässlicher und vor allem berechenbarer Bündnispartner wahrgenommen wird oder nur als williger Zahler der Einsätze und ggf. auch bei entsprechender Sicherheit im Einsatzgebiet auch als Truppensteller (vorausgesetzt der Einsatz ist auch unheimlich humanitär). Wenn man als verlässlicher Bündnispartner agieren will, dann sollte man tunlichst alle DEU Soldaten in Planungs- / Stabsfunktionen in bestehenden HQs (bzw. ähnlichen Verwendungen z.B. AWACS) aus dem Parlamentsbeteiligungsgesetz heraushalten. Sonst sind verlässliche Planungen nur mit unheimlich großem Aufwand und unnötigen zeitlichen Verzögerungen möglich. Warum sollten dann DEU Soldaten auf DP bei SHAPE / EUMS etc. sitzen, wenn sie im Falle eines Falles nicht mitplanen dürfen? Bei der Entsendung von Kampftruppe und nicht z.B. bei (F)HQ DP-Inhabern soll m.M.n. durchaus der BT über einen Einsatz abstimmen.
Schneiderhahn und Glatz – das geht doch gar nicht!
Ich kann die Kritik an den beiden Generälen a.D. nicht verstehen. Immerhin sind ganze zwei ehemalige Soldaten in der Runde. Sonst hätten sich nur Politiker und Professoren unterhalten…
Leute, ich geh‘ mal Abends was Essen, und schon tobt das Leben… Mag ja sein, dass mancher hier die beiden Generale a.D. nicht schätzt, und er mag Gründe dafür haben. Den Ton finde ich dennoch nicht gerade lustig.
@Memoria 18:15
Danke!
@tex:
„Es kochen die Emotionen ja ordentlich hoch. Allerdings finde ich, dass hier der ein oder andere Kommentar schon ordentlich unter die Gürtellinie geht –“
Ich erkenne keine hochgekochten Emotionen und keinen Kommentar unter der Gürtellinie. Können sie mir helfen?
the internet never dines out ;)
@Stefan H.:
Natürlich soll in dieser Kommission auch militärisches Fachwissen eine Rolle spielen, hinzu kommt offenbar die politische Farbenlehre. Da wird die Auswahl dann eben recht eng. Ramms hätte beispielsweise mit Blick auf NRF eine Sichtweise mit stärkerem NATO-Hintergund einbringen können, paßt aber farblich nicht.
Mich stört eben vorallem die Personalie Schneiderhan, da er den ihm gegeben Rahmen oftmals nicht ausfüllte. Gerade bei den ROEs ISAF negierte er über Jahre die Einsatzrealität.
Nach „unten“ und bei den CHODs versteckte er sich dann hinter dem Parlament. Obwohl der Mandatstext ja Regierungssache ist.
Da erwarte ich mir auch jetzt sehr wenig fachlich-realistische Verbesserungsvorschläge.
Aber das ist sicher durch persönliche Erfahrung geprägt.
Jedoch dabei keine Momentaufnahme, sondern eine durchgehende Linie über Jahre hinweg.
Wenn man bei den integrierten Verwendungen voran kommen würde wäre das sicher schonmal was.
@csThor:
War nicht als Unterstellung gemeint, sondern als Hinweis auf eine positive Ausnahme.
@Memoria
nicht ausfüllte – nicht ausfüllen konnte – nicht ausfüllen durfte
Militärische Spitzenberatung hat viele Aspekte und findet hinter verschlossenen Türen statt. Loyalität gegenüber dem Primat der Politik und dem Minister(-in) ist nun einmal Grundvoraussetzung und Teil der Arbeitsplatzbeschreibung eines GenInsp.
Gerade auf die Expertise General Schneiderhans zu verzichten, wäre unzweckmäßig. Er kennt neben praktisch allen historischen Einsatzmandaten der Bundeswehr auch jede Diskussion über Mandate die nicht zustande gekommen sind und dazu aus erster Hand, wie unsere Bündnispartner darauf reagiert haben. Ihn auf eine Einzel-RoE oder die „Krieg“ Diskussion ISAF zu reduzieren, wird einem Spitzenoffizier über viele Jahre nicht gerecht. Wenn man ihm etwas vorwerfen kann, dass er selbst wenig Einsatzerfahrung hat. Das gilt nun einmal für alle deutschen Generäle seiner Altersklasse. Mangels Einsätzen kann man dies keinem persönlich vorwerfen. Dies löst sich über die Zeitachse.
@Stefan H.:
Ich reduziere Schneiderhan nicht auf eine „Einzel-ROE“ – dies ist nur ein besonders plastisches Beispiel für seine Art der militärfachlichen Beratung (Fähnchenprinzip).
Da zeigt sich eben auch das Thema Loyalität und Verantwortung.
Mein Urteil bilde ich mir übrigens (auch) nicht nur durch Erfahrungen „vor der Türe“.
Wenn man hier sehr zu Recht und häufig die Defizite der Politik anspricht, dann sollte man dabei nicht die Realitäten der militärischen Führung vergessen (Primat der Politik erklärt den Zustand nur bedingt).
@Memoria
Ich wage zu behaupten, dass durch das sich selbst befruchtende System die bei Inzucht immanenten Probleme grundsätzlich zu Tage treten müssen.
Die Parlamentarier bzw. die Regierung bevorzugen einen ganz bestimmten Spin in der militärische Beratung:
1. Es darf nicht gefährlich für deutsche Soldaten sein
2. Es darf nicht gefährlich für den Gegner sein
3. Die Öffentlichkeit muss das voll dufte finden, deswegen MUSS der Einsatz
4. Etwas mit Menschenrechten, Mädchenschulen oder wenigstens dem Schutz von Lebensmitteltransporten für hungernde Kinder in Afrika zu tun haben
Dadurch hat man in den letzten Jahren eine Generation Offiziere / Generale herangezüchtet die darauf konditioniert ist, genau das zu sagen, was die politischen Entscheidungsträger hören möchten. Was bei solchen „Kellner-Gutachten“ raus kommt, ist doch klar…
Ich glaube man kann den einen oder anderen „Goldfasan“ nachts um drei aus dem Tiefschlaf reißen, im das Wort „Einsatz“ an den kopf werfen und er wird reflexartig „Menschenrechte“ bellen…
@ Memoria & Stefan H
Zu dem Thema Einsatz hat die Ministerin in ihrer Rede zum Wehrbeauftragtenbericht 2013 die – ich zitiere sinngemäß – „Stärken der Bw aufgeführt, die von den Verbündeten immer stärker nachgefragt würden:“
– „das weite Thema der Luftunterstützung“
– „Logistik“
– „das breite Feld der Ausbildung und zwar nicht nur der militärischen Ausbildung sondern auch hin zu Ausbildung von Fertigkeiten wie z.B. Spezialpionierwesen“ – „Sanität“
– und der DEU Exportschlager (Anm. d.Verf.): „wertegebunden Führung“, sprich Innere Führung“
Die vermeintliche Wende in der DEU Außen-/Sicherheitspolitik Anfang des Jahres, die durch den Bundespräsidenten und die Ministerien verkündet wurde, materialisiert sich nun.
Die Rühekommission und deren Wirken sollte man im Zusammenhang mit dem Statement der Ministerien zum Wehrbeauftragtenbericht sehen und insbesondere den von ihr gesetzen Schwerpunkten des militärischen Einsatzes.
@ wacaffe
„HAHAHAHA!
das Leben von Soldaten ist per definitionem ein Einsatz der von Politikern zur Erreichung ihrer Ziele investiert wird.“
Schon klar, aber ich meinte es anders. Die Laientruppe aus Berlin will am Tisch der Großen sitzen und für voll genommen werden, scheut aber den „Einsatz“ bzw den innenpolitischen Preis und macht daher auf Nebelkerzenwerfer (nach außen wie nach innen). Ein paar Uniformierte hier, ein paar da … ist doch alles Tutti und Deutschland „wird seiner Verantwortung gerecht“. *facepalm*
@ Interessierter
„Ich glaube man kann den einen oder anderen “Goldfasan” nachts um drei aus dem Tiefschlaf reißen, im das Wort “Einsatz” an den kopf werfen und er wird reflexartig “Menschenrechte” bellen…“
*lach* Tolles Wortspiel!
@Stefan H.: Ganz bewußt habe ich bei meinem Statement „Eine Gärtnergilde mit vielen Böcken“ mich nicht auf konkrete Personen oder auf ein Teilspektrum (politisch, wissenschaflich, militärisch) festgelegt.
Fest steht aber, die Kommission soll für mögliche Vorhaben und Maßnahmen ex-ante Handlungsoptionen und Entscheidungsparameter für das Parlament und auch für das BMVg erarbeiten und eben nicht ex-post „einsame oder vorgegebene Entscheidungen des BMVg“ dem Parlament „schmackhaft“ machen. Insofern stellt sich hier schon zu allen Kommissionsmitgliedern die Frage nach einsatzbezogenem und einsatznahem Wirken, als auch nach militärischer und/oder miltäraffiner Praxis und Erfahrung, neben rein pragmatischen und wissenschaftlichen Ansätzen der Kommission und deren einzelner Mitglieder. Genau das sollte Kriterium einer Wertung des Ganzen und auch des Einzelnen sein.
Beim hier beispielhaft und politisch unverfänglich genannten _W_a_l_t_e_r_ Kolbow (*27.04.1944) – auch schon aus seiner Ochsenfurter- und Würzburger-Zeit persönlich bekannt – habe ich genau nach vorgenannten Kriterien sowie anhand dessen Erfolgen u.a. als „Beauftragter der Bundesregierung für Koordination von deutschen Hilfsmaßnahmen in Mazedonien“ (vgl. http://www.welt.de/print-welt/article571050/Undiplomatisch-zum-Erfolg.html) mein persönliches (übrigens positives und parteipolitisch völlig unabhängiges) Urteil gebildet, und ebenso über andere „Stärken“, „Schwachstellen“ und „blasse oder auch laute Mitläufer“ in der Kommission (auch ganz nach den von @memoria und @Interessierter benannten Kriterien).
Auch wenn ich den einen oder anderen Herren der Komission persönlich erleben durfte und mich daher mit Wertungen zurückhalten möchte; die Frage drängt sich ja geradezu auf: „rechtliche und politische Prüfung eines entsprechenden Handlungsbedarfes“ , „Handlungsoptionen“ erarbeiten, das kling mir zu billig. „Eine zunehmende Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene muss mit dem Parlamentsvorbehalt vereinbar sein.“ Darüber muss sich doch spätestens derjenige IBUK Gedanken gemacht haben als die Dienstposten geschaffen und besetzt worden sind….Was sollen da jetzt die Winkeladvokaten entscheiden?
Die Traumtänzerei des Nichteinsatzes von EU BG, AWACS und anderen Gebilden ist doch nun hoffentlich vorbei. Und wenn der AWACS fliegt, sitzen wir mit den deutschen Besatzungen doch drin??? Anderenfalls gehört diese Einrichtung asap abgeschaftt weil nutzlos. Gedanken machen sollte man sich lieber über die fehlende Abstimmung unter den Nationen VOR einem solchen Einsatz und dazu gehört auch die Mandatierung in den jeweiligen Länderparlamenten. Hier feste Regeln aufzustellen und verbindlich und damit verläßlich zu sein ist eher den Aufwand wert. Oder brauchen wir schon wieder ne neue Komission um die Entscheidungen im Kollektiv zu treffen und damit auch die Verantwortung so diffus wie möglich zu halten? Das Politbüro der Bundesrepublik Deutschland hat beraten…Komissionen hat es genug gegeben, Weise, Weizäcker…. die Liste läßt sich endlos fortsetzen aber was haben die denn an positiven Veränderungen gebracht????
Um was geht es eigentlich?
(…) Wir wollen die Beteiligung des Parlaments an der Entscheidung über den Einsatz deutscher Soldaten auch angesichts vermehrter Zusammenarbeit und Arbeitsteilung mit unseren Partnern sicherstellen. Eine zunehmende Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene muss mit dem Parlamentsvorbehalt vereinbar sein. Deshalb wollen wir eine Kommission einsetzen, die binnen Jahresfrist prüft, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können. (…)
Es geht gerade nicht um die Inhalte von Mandaten der Bw für Auslandseinsätze und es geht auch nicht um Vergangenheitsbewältigung. Warten wir doch einfach das Ergebnis der Kommission ab, evtl ist es ja eher sekundär wer daran teilnimmt, denn es muss in jedem Fall durchs Parlament.
„Darüber muss sich doch spätestens derjenige IBUK Gedanken gemacht haben als die Dienstposten geschaffen und besetzt worden sind….Was sollen da jetzt die Winkeladvokaten entscheiden?“
Als man die Dienstposten geschaffen hatte, dachte man dass die NATO nur innerhalb ihres Auftrages eingesetzt wird und selbst im Verteidigungsfall muss der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates diesen feststellen. Die Feststellung erfolgt auf Antrag der Bundesregierung und bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.
Da man verhindern wollte, dass die Bw unrechtmäßig in den Krieg zieht und ein bloßes Instrument der Regierung ist, zog man diese Sicherung ein.
Es wäre gut, wenn dies für alle Kampfeinsätze gelten würde.
Es gilt weiterhin:
Strafgesetzbuch § 80
Vorbereitung eines Angriffskrieges
Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
Wo ist das Problem? Evtl das Delta zwischen Angriffskrieg und Verteidigung :-)
Wird jetzt rudolf scharping mit gefängnis bestraft?
Oder gibt es mildernde Umstände? :-)
@wetzelsgruen
Wer will den scheinbaren Sieger anklagen? Wer will ihn verurteilen?
Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta. Denn dem völkerrechtlichen Gewaltverbot unterfällt „jede“ Art der Anwendung oder Androhung von Waffengewalt durch einen Staat, sofern sie gegen die „territoriale Integrität“ oder die „politische Unabhängigkeit“ eines anderen Staates gerichtet ist oder“ sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen“ unvereinbar ist.
Man wollte weder die pol Unabhängigkeit noch das Territorium in Frage stellen, sondern nur Menschen schützen.
Es ging der NATO nicht um Bereicherung sondern um Schutz. Das ist der Unterschied zu Russland, welches sich am Territorium und Gütern (zB Schiffe der Marine) bereichert.
Gesetze sind eben dehnbar.
Wenn man die beiden ehemals uniformierten Herren an ihren Taten bemisst, denn Erfolge haben beide wohl nicht vorzuweisen, dann sei nur beider Rolle in den Nachwehen des Sept. 2009 empfohlen. An das Thema deut. FHQ, OHQ, braucht man da gar nicht weiter gehen.
Ich hätte andere, der gleichen Generation entstammende, für geeigneter befunden. Jedoch bin ich mir sicher, so bleibt’s schön bequem fuer die Bw, weil sich keiner groß aus dem Fenster lehnen wird.
Eine Reform des Parlementsbeteiligungsgesetzes ist aus meiner Sicht zwingend erforderlich.
Die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland sind nunmal deutlich weiter gefasst, als die bloße Landesverteidigung an der deutschen Grenze. Auf Grund der globalisierten und vernetzten Welt können auch weit entfernte Risiken direkte und unmittelbare Auswirkungen auf Deutschland haben. Dazu zählen zerfallende Staaten, internationaler Terrorismus, organisierte Kriminalität, Proliferation, Pandemien sowie Verknappung von Rohstoffen und Ressourcen. Daher sind die Interessen Deutschland neben dem Schutz der Staatsbürger, Rechte, Freiheit und Demokratie eben auch, globalen Herausforderungen zu begegnen und die internationale Ordnung zu stärken… selbst der freie Welthandel spielt eine Rolle (Piraterie!).
Diesen Herausforderungen und Risiken können wir Deutschen defintiv nicht alleine (und auch nicht nur mit Militär) begegnen. Der Ansatz muss stets umfassend, präventiv und multilateral sein… doch dazu gehören eben auch unsere Streitkräfte.
Multilateral wird in Zukunft, auf Grund des demographischen Wandels und der Reduzierung der Haushalte, jedoch auch nur durch die Bündelung von Fähigkeiten auf EU- oder NATO-Ebene funktionieren… sprich Pooling & Sharing (EU) oder Smart Defence (NATO). Jedoch wird keine Nation irgendeine Fähigkeit abbauen und sich auf eine andere Nation verlassen, wenn die Unterstützung im Bedarfsfall dann jederzeit am Parlament oder einen innenpolitischen Debatte (Wahlkampf!) scheitern könnte.
Dabei muss es noch nicht mal um Kampftruppen gehen, sondern es können ebenfalls logistische Kräfte, Führungsunterstützung oder die Bereitstellung eines OHQ sein.
Hier muss der Gesetzgeber über eine Möglichkeit nachdenken, wie dem Urteil des Bundesverfassungsgericht genüge getan ist („Streitkräfteurteil“ = parlamentarische Beteiligung), aber gleichzeitig die Bündnis- und Außenpolitische Handlungsfähigkeit gewahrt bleibt.
@Interessierter & Aufreger:
Die Rede der Ministerin zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten (http://tinyurl.com/ngbcr3w) ist wirklich interessant.
Die „Nicht-Kampffähigkeiten“, die wir (wenn überhaupt) anbieten, werden nun schon so gedeutet als würden nur diese von uns erwartet bzw. nur diese würden in den zukünftigen Einsätzen benötigt. Self fulfilling prophecy.
Das ist eigentlich schon die Abkehr von Breite vor Tiefe (die der GI fast zeitgleich bei der Clausewitzgesellschaft nochmal als politisch erforderlich darstellte).
Wenn nun schon die Verbündeten nur noch Ausbildung, Logistik und Sanität von uns erwarten, dann müssen wir ja eh nicht mehr breit aufgestellt sein.
Eine Armee ist eine Organisation zur Gewaltandrohung und -anwendung.
Das scheint man immer weniger so zu sehen.
Dann klappt es aber auch leichter mit der Parlamentsbeteiligung…