Zwei Ex-Generale, vier Juristen: Kommission soll Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen überprüfen

Operation CONTINUE HOPE - Germany

 

Als die Bundeswehr vor fast 21 Jahren in ihren ersten bewaffneten Auslandseinsatz in Somalia zog (Foto oben), betraten die Soldaten nicht nur praktisch, sondern auch rechtlich Neuland: Gesetzliche Regelungen für einen Einsatz deutscher Soldaten außerhalb des Verteidigungsfalles und außerhalb des NATO-Gebiets existierten nicht. Nach einer Klage gegen die Somalia-Mission (und gegen den Einsatz von AWACS-Überwachungsflugzeugen der NATO mit deutschen Besatzungsmitgliedern über der Adria) vor dem Bundesverfassungsgericht wurde  1995 2005 das so genannte Parlamentsbeteiligungsgesetz geschaffen, das in seiner damaligen Form bis heute gilt: Der Bundestag muss dem Einsatz bewaffneter Streitkräfte zustimmen, ehe die Bundesregierung Soldaten in Marsch setzen kann.

Knapp zwei Jahrzehnte später soll dieses Gesetz von einer Parlamentskommission überprüft werden, die der Bundestag am (heutigen) Donnerstag mit den Stimmen der großen Koalition einsetzen will eingesetzt hat.Hintergrund sind praktische Fragen zum Beispiel beim Einsatz von deutschen Soldaten in integrierten NATO- (aber in Zukunft vielleicht auch EU-)Stäben und in den AWACS-Flugzeugen bei Missionen, an denen Deutschland eigentlich gar nicht teilnimmt. Fast hätte sich das beim Libyen-Einsatz der NATO ausgewirkt – an dem beteiligte sich Deutschland zwar nicht, hatte aber zuvor im NATO-Rat der Operation Unified Protector zugestimmt. Die deutschen Soldaten, die in NATO-Stäben an diesem Einsatz mitarbeiteten, durften zwar bleiben; an neu für diese Mission aufgestellten Stäben hätte sich die Bundesrepublik aber nicht beteiligen dürfen, auch wenn grundsätzlich deutsche Soldaten als Experten für solche Stäbe zugesagt waren.

Zudem wurde vor allem von Unionsseite seit Jahren immer wieder thematisiert, ob der Bundestag nicht auch Vorsorge treffen müsste für gemischte Verbände wie die NATO Response Force und die EU Battlegroups, zu denen zwar Bundeswehreinheiten gemeldet sind – aber im Sinne der Verlässlichkeit für die Verbündeten auch klar sein müsse, ob diese deutschen Truppen im Fall des Einsatzes der Verbände auch bereit stünden. Diese Überlegungen hatte insbesondere der CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff vorgebracht, der auch Mitglied der Kommission ist (siehe unten), die Sozialdemokraten standen und stehen solchen Vorstellungen bislang eher ablehnend gegenüber.

Vor allem der letzte Punkt ist ein Streitfall, und der führt dazu, dass nur die beiden Regierungsfraktionen Mitglieder für die Kommission benannt haben. Zunächst die Linkspartei, dann auch die Grünen bemängelten, die Arbeit der Kommission diene lediglich dazu, Parlamentsrechte an die Regierung abzutreten. Für eine Kommission, die sich die Aufweichung des Parlamentsvorbehalts zum Ziel setzt, stehen wir nicht zur Verfügung, sagte Frithjof Schmidt, Koordinator des Arbeitskreises Internationale Politik und Menschenrechte der Grünen-Fraktion. Es besteht mehr und mehr die Gefahr, dass Parlamentsrechte an die Exekutive verlagert werden, sagte die grüne Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth der Deutschen Presse-Agentur.

Damit besteht die Kommission nur aus sieben Mitgliedern der Unions- und fünf Mitgliedern der SPD-Seite:

Für die CDU/CSU:
Volker Rühe, früherer Bundesverteidigungsminister (Vorsitzender)
Andreas Schockenhoff, CDU-Bundestagsabgeordneter
Hans-Peter Uhl, CSU-Bundestagsabgeordneter
Prof. James W. Davis, Politikwissenschaftler, St. Gallen
Prof. Georg Nolte, Jurist, Humboldt-Universität Berlin
Prof. Matthias Herdegen, Jurist, Bonn
Generalleutnant a.D. Rainer Glatz, früherer Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr

Für die SPD:
Rainer Kolbow, ehem. Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium
Niels Annen, SPD-Bundestagsabgeordneter
Rainer Arnold, SPD-Bundestagsabgeordneter
Wolfgang Zeh, Jurist und ehemaliger Bundestags-Direktor
General a.D. Wolfgang Schneiderhan, früherer Generalinspekteur der Bundeswehr

Den Auftrag der Kommission hatten beide Seiten bereits in ihrem Koalitionsvertrag im vergangenen Jahr formuliert:

Die Bundeswehr bleibt auch in Zukunft Parlamentsarmee. Die parlamentarische Beteiligung an der Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr hat sich bewährt. Sie ist eine Grundlage für die breite Verankerung der Bundeswehr und ihrer Einsätze in der Gesellschaft. Der Parlamentsvorbehalt ist keine Schwäche Deutschlands, sondern eine Stärke. Wir wollen die Beteiligung des Parlaments an der Entscheidung über den Einsatz deutscher Soldaten auch angesichts vermehrter Zusammenarbeit und Arbeitsteilung mit unseren Partnern sicherstellen. Eine zunehmende Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene muss mit dem Parlamentsvorbehalt vereinbar sein. Deshalb wollen wir eine Kommission einsetzen, die binnen Jahresfrist prüft, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können. Die Kommission wird darauf aufbauend Handlungsoptionen formulieren.

Im Bundestagsantrag zur Einsetzung (BT-Drucksache 17/766) heißt es ähnlich:

Der Deutsche Bundestag beauftragt die Kommission zu prüfen, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können. Ziel der Kommission soll die rechtliche und politische Prüfung eines entsprechenden Handlungsbedarfes zur Anpassung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes sein. Die Kommission soll darauf aufbauend Handlungsoptionen möglichst im Konsens formulieren, die gegebenenfalls in ein förmliches Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden können.

Als Beobachter der Arbeit der Kommission sehe ich ja vor allem einen Passus im Bundestagsantrag mit Interesse: Die Kommission informiert die Öffentlichkeit regelmäßig über den Stand ihrer Arbeit. Darauf bin ich ebenso gespannt wie auf die Zusammenarbeit der beiden Ex-Generale Schneiderhan und Glatz – denn die war schon zu deren aktiven Zeiten, als Schneiderhan Generalinspekteur war und Glatz das Einsatzführungskommando befehligte, nicht ganz spannungsfrei. (Offenlegung: Ich kenne beide, schätze beide sehr und weiß, dass beide gelegentlich hier mitlesen.)

Und da ich oben den Bezugspunkt Somalia-Einsatz erwähnt habe, gebe ich an dieser Stelle eine Info weiter: Am 24.Mai treffen sich in der Edelsweisskaserne in  Mittenwald die Ehemaligen des  2.Einsatzktontingents UNOSOM SOMALIA. (Normalerweise mache ich solche Terminhinweise nicht; ausnahmsweise folge ich der Bitte der Organisatoren.)

(Foto: Bundeswehrsoldat in Belet Huen, Somalia, im Dezember 1993 – Foto Sgt. G.D. Robinson via defenseimagery.mil via Wikimedia Commons)