Ein bisschen weniger Infanterie

Über eines schienen sich die Koalitionspartner CDU/CSU und SPD schon während ihrer Verhandlungen über eine gemeinsame Regierung im vergangenen Jahr einig: Beim Thema Streitkräfte sollte es keine Reform der Reform geben, keinen völlig neuen Anlauf für die Neuausrichtung der Bundeswehr. Allerdings tauchte schon damals das Wort Nachsteuerung auf – und was noch als Nachsteuerung (auch gerne: kleinere Änderungen an der Struktur) anzusehen ist und was eine Reformreform wäre, ist vor allem eine Frage der Definition.

Das gilt auch für einen Anlauf, den der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels, jetzt in der Märzausgabe des Magazins loyal gemacht hat. Das Blatt des Reservistenverbandes fragte den Parlamentarier natürlich vor allem nach der künftigen Rolle der Reservisten. Aber dabei setzte sich Bartels auch für eine interessante Umsteuerung ein, auch wenn er das audrücklich als persönliche Vorstellung kennzeichnete: Weniger aktive Infanterieverbände als bislang geplant, dafür mehr enabler wie Führungsfähigkeit und Lufttransport, aber auch Schwerpunkte bei gepanzerten Kräften oder bodengebundener Luftverteidigung.

Die interessanteste Passage im Wortlaut – die Kollegen von loyal sind hoffentlich mit diesem etwas längeren Zitat einverstanden:

Welche Rolle sollten Reservisten noch in der Bundeswehr spielen?

Ihre künftige Rolle ist in der neuen Bundeswehr-Struktur abgebildet und daran gibt es auch keine Abstriche. Im Gegenteil: Ich sehe Möglichkeiten, Reservisten sogar etwas stärker als bisher geplant zu berücksichtigen, wenn es an der neuen Struktur kleinere Änderungen geben wird.

Welche Änderungen meinen Sie?

Wir reden seit einiger Zeit in der Nato von einer Anlehnungspartnerschaft. Wir stellen als „Framework-Nation“ bestimmte militärische Fähigkeiten und andere docken an. Wir werden Schwerpunkte setzen müssen, zu deren Gunsten an anderer Stelle Abstriche zu machen sind.

An welcher Stelle?

Um ein Stichwort aus meiner Sicht zu geben: etwa im Bereich der Infanterie. Hier könnte die Zukunft darin liegen, einzelne aktive Verbände in gekaderte oder teilgekaderte umzuwidmen. Sie verfügen dann nur über einen materiellen und personellen Grundstock, könnten aber im Bedarfsfall mit Reservisten aufgefüllt werden.

Und zu wessen Gunsten sollte dies geschehen?

Schwerpunkte kann Deutschland sinnvoller Weise etwa im Bereich der Führungsfähigkeit, beim Lufttransport, bei gepanzerten Kräften, U-Booten oder bodengebundener Luftverteidigung setzen. Wohlgemerkt: Das wäre meine Vorstellung, keine konkrete Planung der Exekutive.

Das Heer rüstet doch aber gerade die Infanterie im Zuge der Reform auf. Es soll mehr und nicht weniger Infanteriebataillone geben. Wie passt das mit Ihren Vorstellungen zusammen?

Diese Pläne richteten sich nach den Notwendigkeiten des Afghanistan-Einsatzes. Und der geht in diesem Jahr vielleicht nicht ganz zu Ende, aber es werden dort künftig in einer Unterstützungmission doch deutlich weniger Soldaten benötigt.

So was wäre in der Tat etwas mehr als eine kleine Änderung. Bis zum Ende des vergangenen Jahrzehnts (wenn mich meine Erinnerung nicht trügt) gingen die Überlegungen genau in diese Richtung: Mehr enabler, weniger Kampftruppe – wurden nicht damals auch Infanteriebataillone in Fernmeldeeinheiten umgewidment? Dann, etwa Anfang 2010, gab es im Denken des Heeres so etwas wie eine Renaissance der Infanterie und die ersten Pläne für mehr aktive Bataillone. Also schon deutlich vor der Neuausrichtung.

Konsequent durchdacht, würden Bartels Überlegungen zum Beispiel zu mehr als den derzeit geplanten vier aktiven Panzerbataillonen führen. Zu einer höheren Priorität für die Patriot-Nachfolge bei der bodengebundenen Luftverteidigung. Vielleicht auch zu mehr als den vorgesehenen sechs U-Booten. Vermutlich also: Zu einem höheren Finanzbedarf.

An einer Stelle sieht der Verteidigungsausschuss-Vorsitzende allerdings keinen Änderungsbedarf: Kleiner als bislang sollte, sagt er, die Bundeswehr nicht werden.

Wir sollten die Bundeswehrreform jetzt mal mit genau der geplanten Stärke zu Ende führen! eine gewisse Einsatzpause kann da nicht schaden.

(Archivbild 2006: Fallschirmjäger im Mungo – Bundeswehr/Bannert via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)