Zentralafrikanische Verwirrung
In der von Unruhen geschüttelten Zentralafrikanischen Republik verstärkt Frankreich seine Truppen – zu den bereits 450 Soldaten, die französische Einrichtungen in der ehemaligen Kolonie schützen, sollen zusätzliche 1.000 Soldaten eine afrikanische Friedenstruppe unterstützen.
Natürlich ist da eine berechtigte Frage, ob Frankreich bei seinen EU-Partnern um Unterstützung gebeten hat. Was das Auswärtige Amt am (heutigen) Freitag auf diese Frage antwortete, lässt mich allerdings ein wenig ratlos zurück: Klar gab’s Gespräche mit den französischen Partnern – aber worüber konkret?
Im deutschen Verteidigungsministerium scheint allerdings das Thema Zentralafrikanische Republik bislang nicht aufgeschlagen zu sein, und derzeit (und auch im nächsten Halbjahr) stellt Deutschland keine Soldaten für eine EU Battle Group – in der Richtung ist also nichts zu erwarten. Meine zugegeben spekulative Vermutung wäre ja: wenn Unterstützung, dann Ausweitung der bislang für Mali eingerichteten Luftbrücke mit Transall, die dann nicht nur nach Bamako, sondern auch nach Bangui fliegen…
Der Wortlaut der Frage/Antwort aus der Bundespressekonferenz, mit Antworten von Außenamts-Sprecher Martin Schäfer und Sebastian Lesch vom Entwicklungsministerium:
FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt, vielleicht auch an das BMZ. Es geht um die Zentralafrikanische Republik. Frankreich hat ja jetzt signalisiert, dass es bereit ist, sich da stärker zu engagieren. Der französische Botschafter hat zum Beispiel Österreich gefragt, wie es eventuell mit einer Beteiligung und Unterstützung von Seiten Österreichs aussieht. Haben Sie schon aus Paris oder vom Botschafter die Anfrage bekommen, ob Deutschland diese Mission oder die Bemühung von Frankreich in der Zentralafrikanischen Republik unterstützt?
Vielleicht an das BMZ eine Frage: Wie sieht es momentan mit dem Stand der Zusammenarbeit aus? Ist da nach einer Beruhigung der Lage vielleicht irgendetwas in der Zukunft geplant?
DR. SCHÄFER: Ich möchte zunächst einmal ganz grundsätzlich sagen, dass auch aus Sicht der Bundesregierung die Lage in der Zentralafrikanischen Republik die politische, soziale, wirtschaftliche und humanitäre Lage extrem besorgniserregend ist. Es gibt inzwischen auch Analysen der Vereinten Nationen zur Lage – Gremien der Vereinten Nationen haben sich schon damit beschäftigt, unter anderem des Sicherheitsrates , in denen die Vereinten Nationen ihre große Sorge über den Zustand und die Verhältnisse im Land geäußert haben.
Dem schließen wir uns in vollem Umfang an. Insbesondere die humanitäre Lage der zwischen vier und fünf Millionen Menschen, die in der Zentralafrikanischen Republik leben, ist sehr besorgniserregend. Wir müssen davon ausgehen, dass weit mehr als eine Million Menschen in der Zentralafrikanischen Republik auf Hilfe angewiesen ist. Nicht zuletzt beinhaltet ein solcher Konflikt in einem afrikanischen Land immer auch die Drohung, dass er grenzüberschreitend wirkt. Es ist ja bekannt, dass für die schrecklichen, instabilen und furchtbaren politischen Verhältnisse in Bangui und anderswo in der Zentralafrikanischen Republik nicht zuletzt auch Personen verantwortlich sind, die nicht aus der Zentralafrikanischen Republik stammen, sondern die Lage ausnutzen, um da selber tätig zu werden.
Jetzt konkret zu Ihrer Frage: In der Tat hat es bereits auf europäischer Ebene, unter anderem gestern im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee der Europäischen Union, Beratungen zum Thema Zentralafrikanische Republik gegeben, an denen sich natürlich die Bundesregierung, das Auswärtige Amt, beteiligt hat.
Ich kann Ihnen auch bestätigen, dass es bereits Gespräche mit unseren französischen Partnern gegeben hat und es diese auch weiter geben wird. Es ist aber jetzt zu früh, Ihnen da eine klare Richtung vorzugeben. Das liegt auch daran, dass die französischen Pläne, in der Zentralafrikanischen Republik mit eigenen Truppen einzugreifen, ja auch davon abhängen, in welcher Weise sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den nächsten Tagen und Wochen zu dem Thema Zentralafrikanische Republik einlassen wird, insbesondere ob er eine Kapitel VII-Mission verabschieden wird, unter deren Dach oder an deren Seite die Franzosen tätig werden können.
LESCH: Ich kann es kurz halten: Sie wissen, dass die Bundesregierung ihre entwicklungspolitische Zusammenarbeit auf 50 Kooperationsländer begrenzt. Die Zentralafrikanische Republik gehört nicht dazu.
ZUSATZFRAGE: Da ist auch in der Zukunft nichts geplant, eventuell nach einer Stabilisierung?
LESCH (nur eine Geste)
Nachtrag 30. November: Zur Situation in der Zentralafrikanischen Republik was vom Bloggerkollegen Bruxelles2 – hier im französischen Original und hier in der englischen Übersetzung.
(Foto: Französische Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik – Franz. Verteidigungsministerium)
Und wenn es dann doch los geht, dann sind die selben Herren wieder nicht „sprechfähig“. Siehe Libyen, Mali, Syrien etc.
EUBG hin oder her die zukünftigen Einsätze werden wahrscheinlich Ausbildungs- und Unterstützungseinsätze in Afrika. Vergleichbar EUTM und dem niederländischen Beitrag in Mali. Vor allem bei Blauhelmeinsätze scheint es eine Bereitschaft in Berlin zu geben sich verstärkt zu engagieren. Dabei spielt wohl auch eine überholtes Verständnis von Blauhelmeinsätzen eine Rolle (nicht so gefährlich wie ISAF).
Wenn das jedoch so ist, dann muss man an das LoA ran.
Denn bspw. logistisch ist man ja schon jetzt über der Kante – noch bevor die neue Struktur eingenommen ist.
Außen- und Sicherheitspolitik nach dem „Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen“ Prinzip :(
Ich finde, wir dürfen die Franzosen hier nicht völlig allein lassen. Das wäre auch gegen unsere eigenen (deutschen wie europäischen) Interessen gerichtet.
Allerdings zur Rolle der deutschen EZ: Herr Lesch hat sich nicht gerade sehr kommunikativ ausgedrückt. Aber im Kern hat er Recht. Ein Ansatz der EZ nach dem Gießkannen-Prinzip ist falsch (wobei auch die Zahl von 50 Kooperationsländern dem schon ziemlich ähnelt). Da kommt dann letztlich gar kein Ergebnis raus, außer der Beruhigung des eigenen Gewissens. Wir sind gut beraten, vor allem dort zu helfen, wo eine hinreichende Chance besteht, dass die Hilfe nicht nur vordergründig ankommt (wenn überhaupt), sondern nachhaltig zu strukturellen Verbesserungen führt. Dahinter muss also eine langfristig angelegte Strategie stecken, die nicht ständig den Schwerpunkt verlagert. Das sicherheitspolitische Instrument der EZ ist nicht auf Tagespolitik oder Hau-Ruck-Aktionen angelegt.
Bozize hat vor rund 11 Monaten Frankreich und die USA um Unterstützung gegen die Seleka gebeten und wurden von beiden Staaten abgewiesen. Hollande wollte keine französischen Truppen in einen internen Konflikt eingreifen lassen. Die FAZ (Link aus bekannten Gründen nicht) zitiert ihn mit den Worten: „Diese Zeiten sind vorbei.“
Bozize hat in seinem früheren Leben schon mehrere Aufstände niederschlagen lassen und putschte sich dann sogar 2003 selber an die Macht. Seitdem herrscht Chaos und es war absehbar, dass er in einer verdammt schlechten Position steht, wie man ja gesehen hat, als der Konflikt später erneut ausgebrochen ist und Bozize sogar aus Bangui und der CAR fliehen musste.
Die Seleka – mitlerweile an der Macht – sieht die Schuld für die erneuten Kampfhandlungen bei Bozize und wirft ihm vor, er hätte vergangene Friedensabmachungen missachtet. Mitlerweile geraten die siegreichen Rebellen allmählich außer Kontrolle.
Klasse Umstände. Egal welche Seite man da unterstützt, man wird sich mit äußerst unbequemen Wahrheiten auseinandersetzen müssen, egal ob Bozize oder Seleka.
Und dieser Kelch soll allen Ernstes von Deutschland angerührt werden? Bevor sich mein Land zu einem afrikanischen Abenteuer überreden lässt, sollen die Franzosen ihre politischen wie auch militärischen Absichten offen auf den Tisch legen. Ansonsten geht das langsam schon in die Richtung: „Spring, Deutschland!“ – „Gerne. Wie hoch darf es denn sein?“
@-MK20-:
Genau hier liegt die Gefahr bei dem Mantra von TdM („mehr Verantwortung in den VN übernehmen“).
Das Gespann Steinmeier/ TdM wird dieses Thema in den nächsten Jahren vorantreiben. Ist ja UN und total gut.
Nur leider vergisst man an höherer Stelle die Lage vor Ort in Afrika und unterschätzt erheblich das Wollen und Können möglicher Gegner (AQMI, Boko Haram, unzählige Milizen, OK).
Realitätsferne Naivität war noch nie eine gute Grundlage für Politik. Man kann nur hoffen, dass wir uns lange genug aus diesen Abenteuern heraushalten können.
Im Zweifel ist sogar die Informationslage in den Ministerien eher…enttäuschend; jedenfalls, wenn Zentralafrika bisher nicht im Fokus stand (und das gilt nunmal für viele afrikanische Staaten).
Deutliches VN-Mandat und „Friedensmission“ klingen besser als NATO-Einsatz oder „europäische Intervention“.
Wie sehen besser Informierte eigentlich die Gefahren, daß es auch in Zentralafrika zu einem verdeckten Stellvertreterkrieg zwischen Saudis und Iran kommt?
Die Hisbollah entwickelt ja eine rege Reisetätigkeit.
Einfach ist die Lage nirgends in Afrika. Es ist einfach unfassbar, wie schwer die Interessen der einzelnen Akteure zu durchschauen sind und wie wenige wirklich vertrauenswürdige Partner man findet.
Trotzdem: Eine Vogel-Strauß-Politik hilft da auch nicht weiter. Eine bloße Beobachterrolle wäre nicht nur zu bequem, sondern längerfristig auch für uns riskant. Die Globalisierung rückt die meisten Konflikte irgendwann verdammt nah an uns ran, wenn eine Lösung oder zumindest Eindämmung misslingt.
Ein im engeren Sinne klassischer militärischer Beitrag der Bw scheidet bei Zentralafrika wohl eher aus – dies auch im Falle eines UN-Mandats. Nicht aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern weil wir auf derartige Einsätze aus mehreren Gründen nicht wirklich gut vorbereitet sind, anders als etwa die Franzosen. Aber subsidiäre Unterstützung sollten wir Frankreich nicht verweigern, wo immer wir das können.
Und natürlich hat TdM grundsätzlich Recht, wenn er fordert, dass wir Deutschen in der UN mehr Verantwortung (das bedeutet ja noch nicht d i e Führungsrolle!) übernehmen müssen. Mittelmacht zu spielen und sich zugleich wie ein Kleinststaat erschrocken wegducken, wenn das Wort Militär fällt, das passt ja schlecht zusammen. Und dann auch noch einen ständigen Sitz im UN-SR wollen, das geht gleich gar nicht.
Um nicht missverstanden zu werden: Das ist jetzt kein Plädoyer für einen ungebremsten Weg in Abenteuer.
@KeLaBe:
Ein deutscher Sitz im UN-Sicherheitsrat ist immer noch der schlechteste Grund für einen Einsatz.
Wenn man negativen Entwicklungen entgegenwirken will, dann muss man vor Ort wirklich handeln.
Hat bei ISAF schon nicht geklappt.
Wirklich sinnvoll wären Ausbildung und Mentoring, aber auch dafür bräuchte man weitaus mehr als bei ISAF und EUTM Mali passiert. Die Niederländer zeigen ja gerade, dass Unterstützung mehr ist als Lufttransport und Sanität (wo wir bereits jetzt an Grenzen stoßen).
Ich befürchte am Ende liegen wieder mal Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander.
Dann ist die Überraschung wieder, wenn es knallt und schief läuft. Man wollte eigentlich nur auch dabei sein.
Was lernen wir denn aus ISAF? Offensichtlich wenig.
@ Memoria
Da kann ich in keiner Weise widersprechen. Und eigentlich verstehe ich die Forderung von TdM auch so. Ob den großen Worten auch Taten (und Lerneffekte) folgen, da bin ich genau so skeptisch wie Sie.
@ califax
Die beiden Antagonisten Iran und Saudi-Arabien konzentrieren sich derzeit vor allem auf Syrien. Dort ist das Ergebnis noch immer ziemlich offen und der Einsatz der eigenen Mittel besonders lohnend.
Zentralafrika, also ein Staat, in dem weniger ein Dualismus zwischen Sunniten und Schiiten, sondern mehr zwischen Christen und Moslems besteht, spielt in diesen Überlegungen wohl weniger eine Rolle. Und die Hisbollah hat in der komplexen Lage im Libanon genug zu tun.
Generell sind die Konflikte in Afrika aber meist nicht Ergebnis zwischenstaatlicher Machtpolitik oder auch eines religiösen Dissens, sondern des brutalen Profitstrebens diffuser nicht-staatlicher Akteure. Es geht – neben den Verteilungskämpfen zwischen den zahlreichen Ethnien – schlicht um meist nichts anderes als Geld, dies auf dem Wege über OK. Dass bisweilen religiös-extremistische oder auch andere Gruppen sich zumindest vorübergehend in dieser Schwächephase aufschalten und ihren eigenen Vorteil suchen, ist allerdings auch wahr. Umso schwieriger wird es dann, eine Lösung zu finden.
Danke! :)
@KelaBe:
Ich verstehe die Forderung von TdM genau gegenteilig.
Man will „oben mitspielen“ und „Verantwortung übernehmen“, aber eben nicht am Boden, sondern politisch und diplomatisch.
Im AA und BMVg gibt auch genug Leute die das Thema nur so betrachten und die dahinter liegende operative und taktische Realität schlichtweg ausblenden.
TdM befördert diese Sichtweise noch in vielen Reden und Interviews. So redet man fahrlässig einen neuen UN-Einsatz in Afrika herbei. Self-fullfilling Prophecy.
Weil wir halt „Verantwortung übernehmen müssen“ und so – und weil man als deutscher Diplomat in New York dann „ernst genommen“ wird.
@Memoria
Zwar stimme ich mit Ihnen bzgl. der unterschätzten Gegner und realitätsferner Naivität zu, aber bei den Lehren des ISAF-Einsatzes sowie dem Beitrag der Niederländer in Mali fehlt mir ehrlich gesagt noch der ausschlaggebende Zusammenhang.
Einerseits schreiben Sie, dass Ausbildung und Mentoring sinnvoll wären. Weiter oben sind es allerdings schon Ausbildungs- und Unterstützungseinsätze gewesen. Hier überlappen sich Gebiete, die doch wieder in einen neuen ISAF-Einsatz münden werden, Stichwort Knallerei und Überraschungseffekt.
Dasselbe Thema hatten wir hier m.M.n. schonmal mit Bezug auf die Bundeswehr und dem Partnering mit afghanischen Einheiten. Zählt das nun unter Ausbildung und Mentoring, oder doch eher Unterstützung? Und wenn diese Einheiten (wahlweise auch Ihre Niederländer in Mali) ihre Schützlinge mit ins Gefecht begleiten, hat man es dann nicht streng genommen schon mit einem Kampfeinsatz zu tun?
Ausbildung wird zu Unterstützung wird zu Kampf. Drei Gebiete, die allesamt miteinander verschachtelt sind. Wirkt man in einem, steht man mit dem Fuß schon in einem anderen. Was dann folgt ist genau wie Sie bereits sagten: „Dann ist die Überraschung wieder, wenn es knallt und schief läuft. Man wollte eigentlich nur auch dabei sein.“
Die Frage muss demnach nicht lauten, was wir bei ISAF gelernt haben, sondern vielmehr, was wir seit Vietnam verlernt haben. Seinerzeit waren es auch nur Ausbilder, die die Südvietnamesen beraten haben. Dann griffen die Ausbilder mit in die Gefechte ein. Der Rest ist Geschichte.
All diese theoretischen Punkte gehen an sich aber an einem ganz wichtigen Detail vorbei. Wer sich zu einer Ausbildungs- und Monitoring- und Unterstützungs- und Kampfmission bereit erklärt, der hat vorher wohl auch jene Wahl getroffen, welche Landespartei – d.h. eine der Konfliktparteien! – er mit seinem Handeln unterstützt. Irgendwer muss eine legitime Regierung in CAR stellen, sonst ist noch mehr Ärger vorprogrammiert. Die Frage ist: Welche der Parteien wird es sein?
@MK20:
Genau dieser Rutschbahneffekt ist ja das Problem bei vermeintlichen ungefährlichen UN-Einsätzen.
Wie sich der Charakter dieser Einsätze aktuell wandelt zeigen die Einsätze im Kongo und wohl verstärkt in Mali.
Was hat ISAF damit zu tun? Genau wie sie schreiben muss man verstehen, dass UN-Einsätze nicht mehr neutral Konfliktparteien trennen, sondern Peace Enforcement betreiben.
Also sind sie unterstützend für eine Konfliktpartei – die Regierung – aktiv. Die Legitimität dieser Regierung ist also von zentraler Bedeutung. Eben wie bei ISAF nur mit blauem Helm und weißen (Luft-)Fahrzeugen.
Solange man sich in der Bw jedoch selbst jetzt keine ernsthaften Gedanken über Gewaltandrohung und -anwendung macht ist alles andere zwecklos.
Zum Mentoring: Ja das gab es schon in Vietnam und tlw professioneller als heute (z.B. Sprachausbildung), aber nun hat man als Bundeswehr ja selbst die Chance gehabt zu lernen und was hat man daraus gemacht? Abt. Einsatz der Brigaden. Eine guter Rahmen der jedoch was Konzeption, Personal und Ausbildung angeht weiterhin nicht ausgefüllt ist.
Kirchenvertreter in CAR sind offenbar anders als Frau Käßmann und Co – ein katholischer Erzbischof hat sich Anden UNSC gewandt:
“We urgently need a well equipped, well trained force under a clear command structure, with a specific and robust mandate to protect civilians from brutal attacks and rapidly restore security. To date the African Union forces have failed to provide this. We have the opportunity to prevent a rapid deterioration of the violence. The cost in delaying is incalculable.”
http://www.thetablet.co.uk/news/163/0/car-archbishop-pleads-for-un-intervention-as-country-spirals-further-into-chaos
@Memoria
Nicht nur die Kirchenvertreter fordern eine kämpffähige Eingreiftruppe, sondern auch die großen NGOs wie die International Crisis Group etc. Die Menschen sterben ja gerade überwiegend nicht durch Kampfhandlungen oder Gewalttaten, sondern durch Krankheiten, vor allem Malaria und fehlende Nahrungsmittel. Hier wünschen sich die Organisationen einen stabilisierenden Einsatz, sodass die Menschen aus den Wäldern wieder in ihre Dörfer (soweit diese noch stehen und nicht niedergebrannt worden sind) zurückkehren können.
@ MK20
Dass sich Frankreich noch im März geweigert hat, in der ZAR zu intervenieren ist richtig. Nach den aus ihrer Sicht positiven Erfahrung der Mali-Intervention, für die sie nicht nur in Europa, sondern vor allem auch auf dem afrikanischen Kontinent viel Zuspruch bekommen haben, hat sich die geopolitische Lage für Holland aber etwas verändert. Die französische Regierung sieht wohl gerade ihre Chance neben dem Schutz ihrer wirtschaftlichen Interessen auch ihr Image wieder aufpolieren zu können, das in den 1990er Jahren vor allem durch ihre Beteiligung in Ruanda und das Desinteresse in Darfur stark gelitten hat.
Darüber hinaus hat ähnlich wie in Mali auch in der ZAR der neue Präsident Michel Djotodia laut Reuters explizit Frankreich um Hilfe gebeten. Mit der VN-Resolution, die wohl am Montag verabschiedet wird, hat die französische Regierung somit auch hier alle rechtlichen Argumente auf ihrer Seite.
Was mich nur irritiert hat, war die Aussage des französisches VN-Botschafters Gérard Araud, der gegenüber France 24 erläuterte, dass er den Einsatz in der ZAR als einfacher einchätzen würde, als den Einsatz in Mali, da man in der ZAR nur gegen einen losen Haufen von Kriminellen vorgehen müsse. Zwar will Frankreich nur sechs Monate im Land bleiben und den Aufbau der AU-Mission unterstützen, bis die ihre 3.500 Mann auf dem Boden hat, mir kommt es aber so vor, als ob man die Situation etwas unterschätzt. Aus meiner Sicht dürfte es viel schwerer werden, alle marodierenden Gruppen auszuschalten, da sie über keinerlei Kommandostruktur verfügen und auf Seiten der Ex-Séléka viele Kämpfer aus dem Tschad und dem Sudan kommen sollen. Da der Tschad mit 800 Mann auch gleichzeitig das größte Kontingent der AU-Mission stellt, sehe ich hier das Problem, dass die Bevölkerung nur geringes Vertrauen in die patroullierenden AU-Einheiten stecken wird und Frankreich über einen längeren Zeitraum und mit einem größeren Kontingent im Land bleiben muss, als bisher gedacht.
Djotodia hat Frankreich um Hilfe gebeten? Derselbe Djotodia, unter dessen Führung die Seleka Bozize aus dem Land gejagt hat und der am Ende selbst die Macht für sich beanspruchte? Man soll also einen Mann unterstützen, der durch die Seleka überhaupt erst an die Macht kommen konnte, aber nun seine ehemaligen Waffenbrüder durch internationale Truppen bekämpft sehen möchte. Das ihm für die Aufgabe anscheinend die Männer und Mittel fehlen ist nach dem von ihm mitangeführten Bürgerkrieg wohl eher weniger überraschend. Wie steht denn die Bevölkerung der CAR zu diesem Mann?
Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass man Djotodia unterstützen sollte. Außer seinem Prime Minister wird aus der jetzigen Regierung ohnehin niemand international anerkannt. Naja außer von einigen der Nachbarstaaten. Im Bezug auf diese Länder ist eine Bitte Djotodias um internationale Unterstützung für Frankreich sehr wichtig, damit nicht sofort die Neo-Kolonialismus-Keule gewschwungen werden kann. Primär sollte meine Bemerkung aber die konfuse Situation beschreiben, wenn selbst der ehemalige Rebellenführer keinerlei Gewalt mehr über die anderen Gruppen seiner Koalition hat. Es drückt zudem aus, wie dringend äußere Hilfe benötigt wird, da de faco niemand mehr in der Lage ist, Recht und Ordnung zu garantieren.
Ein sensationell gutes Standing hatte Bozizé bei der Bevölkerung übrigens auch nicht!
Nein, das bezog sich nicht auf Ihren Post, sondern auf Frankreichs schwierige Position. Würde Hollande auf die Bitte eingehen, dann muss er sich auch mit Djotodias Rolle im Krieg auseinandersetzen und kann diese nicht so einfach unter den Teppich kehren. Konfus erschiene dann ebenfalls die Situation, dass Frankreich Bozize vor einem Jahr die Hilfe verweigerte und die Bevölkerung darauf sehr allergisch reagierte, sich sogar von Frankreich im Stich gelassen fühlte. Wenn Frankreich nun Djotodia die Unterstützung zusichern würde, käme das einem Verrat Frankreichs an der Bevölkerung gleich. Wie ich weiter oben bereits andeutete, aber egal welche Seite man unterstützt, es wird die falsche Seite sein.
Sehr paradox, dies alles. Insbesondere wenn äußere Hilfe dringlichst herangeführt werden muss. Optimistisch sehe ich dem Ganzen allerdings nicht entgegen.
Offiziell wird Djotodia überhaupt nicht unterstützt, weil der als internationaler Ansprechpartner nicht existiert. Der einzige, mit dem die Franzosen reden, ist der Prime Minister Nicolas Tiangaye, der seinen Posten nicht durch die Rebellion allein, sondern durch das international anerkannte und unterstützte Power-Sharing-Agreement im Januar 2013 erhalten hat.
Der Sinneswandel Hollands lässt sich wie gesagt wohl mit dem Imagegewinn in Mali erklären. Wäre der Einsatz dort anders und mit Kritik der afrikanischen Regierungschefs (Südafrika, Ruanda, Uganda waren in der Vergangenheit immer sehr schnell dabei jegliche internationale Intervention abzulehnen, haben in Mali aber Frankreichs Engagement gelobt) verlaufen, würde man sich wohl weiter in Bangui einigeln und die Dinge geschehen lassen.
Optimistisch bin ich aber auch nicht. Das Potential eines Flächenbrands steht immer noch im Raum, zumal vergangene Woche ein erneutes Gefecht zwischen Ex-Séléka-Kämpfern und der Armee Kameruns gemeldet wurde.
Eine Frage nebenher:
Wo kann man die DEU Beteiligung / Truppensteller der EUBG finden?
Die Liste in Wikipedia endet 2013, Quellen gab es da auch nicht.
Ja,ja: natuerlich geht es um Stabilitaet in Afrika – meinetwegen auch um Menschenrechte, Gleichberechtigung etc. Und irgendwie sind ja ueberall auch deutsche, d.h. europaeische, Interessen betroffen.
Aber es scheint doch, dass eine deutsche Beteiligung vor allem als Hilfstruppe fuer die franzoesische, postkoloniale Afrikapolitik gefragt ist. Alles was Kosten macht, kann man ja an die Deutschen abdruecken . . .
@Jan Hoffmann
Ja und Nein. Zumindest hat nach meinem empfinden die französische Regierung einen Außen- und Sicherheitspolitischen SP gesetzt. Den vermisse ich bei uns nach wie vor. Ein bisschen Balkan, ein bisschen Anti-Piraterie, ein bisschen Afghanistan in Post-ISAF, dazu etwas Active Fence und marginale Beteiligung in VN-MilBeobMissionen. Auch hier gilt wohl Breite vor Tiefe. Und man könnte auch argumentieren, das Frankreich (von industriepolitischen Gründen mal abgesehen) als ehemalige Kolonialmacht eine „historische Verantwortung“ in der Region hat. Macht sich zumindest in den Medien gut. Haben wir Verantwortung? Wollen wir Verantwortung? Können wir Verantwortung?
Edit:Ich weiß nicht was die logistische Unterstützung an zusätzlichen Kosten Verursacht, bzw. eine Ausdrehnung derselben auf den CAR-Einsatz verursachen würde, aber nach dem Lybien/Syrien geeiere wäre das zumindest mal wieder ein Signal an den Nachbar. Ich weiß nicht ob wir können/wollen bzw. Können wollen sollen [sic!], aber jetzt wäre es an der Zeit für die Politik frühzeitig und dauerhaft „Kante zu zeigen“. Im die eine oder andere Richtung.
1. stimme zu: Aussenpolitik im 21. Jahrhundert … findet in Berlin nicht statt. die Industrienation Nummer 3 oder 4 der Welt macht aussenpolitisch beide Augen zu. Eyes wide shut.
2. okay, aber
sollte man dann nicht auch die Bundeswehr gleich mit-abschaffen – und 33 Mrd im Haushalt einsparen – wäre doch nur konsequent – oder ?
3. oder vielleicht doch mehr wagen – auch wenn (siehe viele Kommentare oben) manchmal auch Nebel herrscht??? aber ist nicht der Nebel eben das warum man Politik macht? und auch Aussen-Politik im afrikanischen Nebel? kann das daneben gehen – Ja (Ruanda grüßt). aber seit wann ist weg-ducken und -gucken besser?
4.eine EU Zug mit nur einer Lokomotive „Paris“ und Berlin nicht mal mehr als Tender ? wollen wir das??
semper fo
Vielleicht kann man diesen Beitrag zum Anlass nehmen, um auf eine aktuelle Meldung hinzuweisen: In der Zentralafrikanischen Republik sind gestern zwei französische Soldaten gefallen:
http://www.france24.com/en/20131210-two-french-soldiers-killed-central-african-republic-hollande?ns_campaign=editorial&ns_source=RSS_public&ns_mchannel=RSS&ns_fee=0&ns_linkname=20131210_two_french_soldiers_killed_central_african
Die Franzosen rutschen hier wohl immer mehr rein:
http://aje.me/1btV9fM
Wird interessant zu sehen, ob Frankreich „nur“ eine Finanzierung durch die EU möchte oder doch mehr.
Aktuelle Aussagen von französischen Politikern zur deutschen Zurückhaltung sind sicher auch in Zusammenhang mit der Auflösung des 110eme RI zu bringen.
Die Kräfte sind offenbar weit überdehnt und unzureichend ausgerüstet (CRC-Fähigkeiten?).
If you break it – you own ist.