Sicherheitsabkommen zwischen Afghanistan und den USA: Die ersten Details
Die Entscheidung über ein Sicherheitsabkommen, das Bilateral Security Agreement (BSA) zwischen Afghanistan und den USA steht bevor – und die Abstimmung einer großen Ratsversammlung, einer Loya Jirga, in dieser Woche wird bestimmen, wie es mit der künftigen Präsenz internationaler Truppen am Hindukusch aussieht. Auch für Deutschland hat das große Bedeutung, denn ohne eine US-Truppenpräsenz, die nur mit dem BSA möglich ist, wird auch die Bundeswehr nach dem Auslaufen der ISAF-Mission Ende 2014 keine Soldaten mehr am Hindukusch stationieren.
Die ersten Details des Abkommens, wie es der Loya Jirga vorgelegt werden soll, haben Regierungsvertreter am Wochenende afghanischen Parlamentariern mitgeteilt – und das Afghanistan Analysts Network hat sie hier zusammengestellt. Ein paar wesentliche Punkte:
The BSA is made up of 26 articles and two annexes.
It will be effective for ten years and could then be extended for another ten years. If either country wants to amend or abrogate from the BSA, it must submit a request at least two years beforehand.
10,000 to 16,000 US forces will remain in Afghanistan.
The US will retain independent control of Bagram air base. Small groups of US soldiers will also be deployed to Afghan military bases. Spanta said the US had asked for space for its soldiers in Kabul, Herat, Mazar, Kandahar, Shindand, Jalalabad, Helmand and Gardez. Their mission will mostly be training. (Given the number of US soldiers, practically speaking, the US military would need to be ‘hosted’ by the Afghan National Army anyway.)
The US military will be allowed to come and go from Afghanistan via airbases in Kabul, Bagram, Herat, Mazar and Shindand. US military and their contractors will be able to enter the country on their ID cards; civilian workers will have to get visas. (…)
From January 2015, the US military will conduct no operation on Afghan territory unless the Afghan government requests it.
US soldiers who commit crimes on Afghan soil will be prosecuted according to US law. Spanta said they had tried hard to convince the US not to insist on their soldiers having, as he put it, “judicial immunity” (masuniyat-e qaza’i) (he later corrected himself under an MP’s questioning, saying soldiers would not be immune, but would fall under sole US legal jurisdiction). Afghan attempts to get American soldiers alleged to have committed crimes tried according to Afghan law, he said, had failed and Afghanistan, therefore, had two options: accept this condition and sign the BSA or reject this condition and not sign it.
Der Knackpunkt ist natürlich die verlangte Immunität der US-Truppen, oder besser: dass sie nicht afghanischem Recht, sondern dem Recht ihres Heimatlandes unterliegen. Eine solche Regelung in einem Truppenstatut, einem Status of Forces Agreement, wollen natürlich alle Nationen, die künftig Soldaten am Hindukusch einsetzen – auch Deutschland will seine Soldaten nicht dem islamischen Recht, der Scharia, unterwerfen. An dieser Frage wird sich wohl entscheiden, ob sowohl das Parlament in Kabul als auch die 3.000 Delegierten der Loya Jirga dem Abkommen zustimmen.
Ein wenig überraschend finde ich die genannte Zahl von 10.000 bis 16.000 US-Soldaten in Afghanistan – vor dem Hintergrund, dass bei der NATO von insgesamt bis zu 12.000 Soldaten für die ISAF-Nachfolgemission Resolute Support gesprochen wurde. Allerdings dürften darin auch zahlreiche US-Truppen enthalten sein, die nicht unter eine NATO-geführte Mission fallen, sondern nur unter nationalem amerikanischem Kommando stehen.
Nachtrag 19. November: Auch das Problem der Genehmigung für Night Raids der US-Truppen scheint gelöst, meldet die New York Times.
(Foto: A U.S. Army CH-47 Chinook helicopter assigned to the 10th Combat Aviation Brigade and operated by Soldiers with Texas and Oklahoma Army National Guard units carries a sling-loaded shipping container during retrograde operations and base closures in Wardak province, Afghanistan, Oct. 26, 2013 – U.S. Army photo by Capt. Peter Smedberg via Flickr unter CC-BY-Lizenz)
Was wird denn in dem Container transportiert? Unliebsame, die an Dostum z.w.V. geliefert werden?
Naja mit der Scharia wird es ja wohl weniger zu tun haben, dass man seine eigenen Soldaten selbst verurteilen möchte. Auch in einem laizistischen Staat mit funktionierendem Rechtswesen könnten Strafen für fremde Soldaten deutlich höher ausfallen, als vor einem heimischen Militärgericht… Und bei letzterem kann man deutlich mehr deutlich geheimer halten, was gerade einer Weltmacht wie den USA nicht unwichtig ist.
Ich würde sofort verweigern, wenn mich einer in einen Einsatz schicken wollte und dort der heimischen „Rechtssprechung“ ausgesetzt wäre.
Bitte nicht wieder die üblichen Verschwörungstheorien betreffs NATO-Truppen-Statuten.
Es ist ganz einfach warum es diese Statuten gibt: Weil lokale Rechtssprechung oftmals unverhältnismässig funktioniert, sei es in der USA, in Afghanistan oder in Deutschland. Ein Bespiel, ein erstinstanzlicher US-Richter würde ein Urteil fällen dass jeder Bundeswehrsoldat für die Verbrechen der Wehrmacht persönlich haftbar gemacht wird. Natürlich würde das von der nächsten Instanz gekippt aber es würde monatelange Unsicherheit produzieren und das kann eine Armee nicht brauchen. Also kann ein US-Richter solche Urteile über deutsche Soldaten eben nicht fällen. Über amerikanische Soldaten übrigens meistens auch nicht. Anderes Beispiel, ein Taliban-Richter in einem Kuhdorf fällt ein Urteil dass alle amerikanischen Soldaten getötet werden müssen. Ohne Truppenstatuten wären die NATO-Truppen zur Amtshilfe verpflichtet. Und daher kann ein afghanischer Richter solche Urteile auch nicht über amerikanische Soldaten fällen.
Stichwort 10.000 -16.000 US Soldaten. Es ist zu erwarten, dass der überwiegende Teil unter nationalen Kommando geführt werden wird (Nicht unüblich. Hatten wir auf dem Balkan auch schon). Und wenn die Amerikaner nur die Hälfte der derzeitigen Civil Contractors weiterbeschäftigen, kann man noch mal bis zu 50.000 zivile Amerikaner dazurechnen.
als wichtig in einem künftigen Abkommen erscheint mir auch, ob von AFG Boden aus Drohneneinsätze in PAK erfolgen dürfen. Dies ist für die Pashtunen auf beiden Seiten der Grenze von großer Bedeutung. Die Probleme der USA mit PAK in dieser Hinsicht sind ja schon virulent.
Das ist ein Zentraler Punkt in allen Truppenstatuten Weltweit für die USA. Man hat da auch immer angst vor politisch motivierten Urteilen / Anklagen.
Was die 10.000 bis 16.000 US Truppen angeht so werden wohl knapp die Hälfte auf Luftwaffe / SOF / Intel. / und andere Einheiten deren Zweck nicht die Ausbildung der Afgh. ist sondern der „Krieg gegen den Terror“.
mhh wie haben sich ANA und ANP denn ihre eigene zukunft so vorgestellt ? die sind auf die fliegenden US einheiten für transport, CAS und REC ja mindestens so angewiesen wie die BW.
die luftstreitkräfte der Afghanistans befinden sich afaik ja noch im aufbau (und das ist noch nett umschrieben). fährt man da das saudische modell ? ausländer in heimischen uniformen ?
@Hans Frommer
Da das US-Militär heute keinerlei Einsätze in PAK durchführt, werden diese auch in einem künftigen Stationierungsabkommen nicht auftauchen.
Bewaffnete Kräfte anderer US-Regierungsstellen außerhalb der Streitkräfte und ihre Einsätze werden, denke ich, nicht von dem Abkommen erfasst.
Das ist nicht passiert! ;-)
Letztendlich geht es bei der Frage über ein Truppenstatut, also bei der Genehmigung von ausländischen Soldaten auf afghanischen Boden, darum, ob und wenn ja wie die Taliban-Bewegung an der zukünftigen afghanischen Regierung bzw. am Parlament beteiligt werden.
Meiner Ansicht nach werden aufgrund der herrschenden Kräfteverhältnisse und aufgrund der Hegemonialmacht Pakistan die Taliban im zukünftigen afghanischen Parlament und vermutlich auch in der zukünftigen afg. Regierung beteiligt sein. Die Frage ist jetzt inwieweit sich dies mit der (event. ) doch relativ massiven zukünftigen Präsenz von amerikanischen Truppen und Unterstützungskräften auf afg. Boden verträgt.
Ich denke mit dieser Frage wird sich die Loya Jirga befassen. Wenn es für die Amerikaner bzw. für den Westen negativ ausgehen sollte, d.h. wenn die Afghanen nach 2014 keine ausländischen Soldaten mehr in ihrem Land haben wollen, was dann ?
Würden die Amerikaner dieses Votum nach all den Opfern akzeptieren ? Wohl kaum, also es wird spannend werden !
Das Bilateral Security Agreement (BSA) zwischen Afghanistan und den USA scheint noch lange nicht „in trockenen Tüchern“, vgl. http://www.salzburg.com/nachrichten/welt/politik/sn/artikel/mehrere-tote-bei-anschlag-in-kabul-82874/). Den extremistischen Taliban muß zugetraut werden, daß diese die Zusammenhänge und die Bedeutung für einen Verbleib von Restkontingenten der ISAF-Staaten nicht verstehen (wollen), vgl. http://kurier.at/politik/ausland/isaf-abzug-aus-afghanistan-vor-dem-sprung-ins-kalte-wasser/36.167.458, als auch den dortigen weiteren Link zum Interview mit dem italienischen Kommandanten der ISAF-Truppen in West-Afghanistan in Herat, General Michele Pellegrino.
Es wird kein SOFA geben.
Laut NYT gibt es noch einen wesentlichen Punkt der im Moment streitig ist. Die Amerikaner beharren darauf das ihre Todeschwadronen (night raids) afghanische Häuser betreten dürfen, die Afghanen sind sehr strikt dagegen:
http://www.nytimes.com/2013/11/18/world/asia/afghan-talks-at-impasse-before-vote-officials-say.html
Dann ist da auch noch die Frage was denn die CIA und die von ihre angeheuerten afghanischen Banditen demnächst noch dürfen. Da wird es sicherlich auch keine volle Bewegungsfreiheit mehr geben.
Erstaunlich sind die vielen Stützpunkte die die Amerikaner haben wollen. Die müssen ja alle mit dem ganzen Luxus den die mitschleppen ausgestattet und versorgt werden. Da kommt zu den 16,000 Soldaten noch mal schnell das Doppelte an Zivilen.
Aber ich denke das Geplänkel jetzt ist alles nur Augenwischerei. Die Afghanen wollen die fremden Soldaten loswerden und die Amerikaner werden froh sein das sie einen Grund zum vollen Abzug haben.
Al Qaeda in Afghanistan braucht man jetzt ja nicht mehr als Schreckgespenst. Das man hat sich in Libyen und Syrien ja gerade neu geschaffen.
Hier gibt es das in Frage stehende Dokument mit den strittigen Punkten rot markiert.
http://msnbcmedia.msn.com/i/MSNBC/Sections/NEWS/BSAdocument.pdf
@b
Oder man trifft sich in der Mitte:
Immunität: ja
„night raids“: nein.
Derlei wird ja auch bereits kolportiert, daher überrascht mich die Absolutheit ihrer obigen Aussage.
Verhandlungsgeschick eben.
Zu neuesten Stand vom 19. November, auch zu NIght Raids, siehe Nachtrag oben.
> Laut NYT gibt es noch einen wesentlichen Punkt der im Moment streitig ist. Die
> Amerikaner beharren darauf das ihre Todeschwadronen (night raids) afghanische
> Häuser betreten dürfen, die Afghanen sind sehr strikt dagegen:
Einsatzkommando der ISAF sind genau so wenig ein Todesschwadron wie mein Kaminkehrer ein Todesschwadron ist. Denn in weniger als 1% der Einsätze wurde überhaupt ein Schuß abgefeuert. Da ist wohl die Wahrscheinlichkeit höher von meinem Kaminkehrer absichtlich oder versehentlich erschlagen zu werden.
Andererseits bin ich für solche Rabulistik immer sehr dankbar, sie bringt den unreflektierten Hass des Gegenübers bestens ins Licht.
Gibt es schon eine Info zum Ergebnis der Loyal Jirga?
faz.net berichtet gestern, Karsai habe angekündigt, dass das Sicherheitsabkommen erst nach der Wahl 2014 unterzeichnet werden solle, falls die Loya Jirga dem Dokument zustimmt.
Zur Loya Jirga eine Einschätzung vom Afghanistan Analysts Network:
http://www.afghanistan-analysts.org/shocks-in-a-lacklustre-speech-president-karzai-addresses-the-jirga
@TW: Danke für den Link. Das Abkommen, wenn es denn so kommt hat, dürfte den „contractors“ nicht gefallen.
Und für die DEU Beteiligung dürfte Art. 16 Abs.3 ein ernstzunehmendes Hindernis darstellen. Danach wird nämlich die Einfuhr von Alkohol (und Pornos) nach AFG untersagt…
[Sorry, der Kommentar war wegen eines darin verwendeten Begriffs ;-) im Spamfilter gelandet…. T.W.]