Führen statt Facebook

Generalinspekteur Volker Wieker hat in der vergangenen Woche einen Vortrag an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg gehalten, um die studierenden Offiziere auf die Bundeswehr der Zukunft einzustimmen. Sein Vortrag (in der vom Verteidigungsministerium als Redetext veröffentlichten Fassung) ist aus verschiedenen Gründen interessant; mir ist eine Passage aufgefallen, die ich für problematisch halte – weil sie auch einen Generationenunterschied deutlich macht. Und zwar ein – nicht nur für Soldaten – berechtigtes Anliegen zeigt, zugleich aber von einer fundamental anderen Sicht auf die Dinge als die der heutigen Offiziersgeneration kündet:

Ein Blick auf unsere innere Verfassung ist auch dort angezeigt, wo die Kommunikation über soziale Netzwerke und elektronische Nachrichtenübermittlung das Miteinander nicht nur beeinflusst, sondern häufig auch gestaltet. Ich habe über dieses Thema Elb-abwärts an der Führungsakademie bereits einiges gesagt. Hier will ich noch einmal herausstellen: Wir müssen das Thema ernst nehmen – denn die technologische Entwicklung wird weitergehen, wie die neue Generation der Smartphones uns gerade lehrt.
Und viele Entwicklungen, von denen wir noch nichts ahnen, werden wir in wenigen Jahren ganz selbstverständlich in der Tasche tragen. Bereits heute lesen wir täglich Berichte mit militärischem Bezug, die sich aus dem unerschöpflichen und eben auch gnadenlos-unlöschbaren Cyberspace speisen.
Kompromittiert wird dort, wer kompromittierbar ist: Vom Gefreiten bis zum General. Die Themen reichen von Erpressbarkeit bis zum Geheimnisverrat, vom elektronischen Lebenslauf bis zum alltäglichen Bewegungsmuster – für immer abrufbar in einem schier unbegrenzten digitalen Gedächtnis, auf das immer auch medialer Zugriff besteht.
In der schleichenden Gewöhnung unbemerkt, wirkt es aber auch auf unser persönliches Miteinander, denn gerade solche Kontakte lassen sich schwerlich knüpfen, wenn jeder auf der eigenen Cyberstube hockt. Erliegen Sie daher bitte nicht der Verlockung, es zum Führungsmittel aufzuwerten, denn personale Autorität erwächst aus der Persönlichkeit, und ist virtuell eben nur sehr eingeschränkt vermittelbar. Als Vorgesetzte müssen wir erfahrbar bleiben, authentisch in unseren Stärken und Schwächen, zum Anfassen und auch Anlehnen, als Mensch und nicht als Instanz.
Gerade für uns Soldaten ist die Gemeinschaft ein Wert an sich. Nur wer sie persönlich erlebt, wird das Gemeinsame darin erkennen und zur Maxime des eigenen Handelns machen; daraus erst erwächst jene Kameradschaft, zu der wir alle verpflichtet sind.

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Ja, Wieker hat Recht: Soziale Netzwerke ersetzen nicht das direkte Gespräch; ja, wer sich auf das Internet einlässt, läuft Gefahr, dass er sich selbst mehr offenbart als er will und ihm bewusst ist. Und wer nur via Facebook präsent ist, ist letztlich gar nicht präsent.

Gleichzeitig aber: Die Generation, zu der Wieker in Hamburg gesprochen hat, ist die Generation, mit dem Internet, wenn nicht schon mit dem Smartphone großgeworden ist. Die sich in diesem Umfeld so selbstverständlich bewegt wie im (soldatischen) Alltag. Da wirkt es wie ein Fremdkörper, wenn der ranghöchste deutsche Soldat in dieser Entwicklung vor allem, wenn nicht fast nur die Gefahren sieht. Die Gefahren kennen die meisten der studierten Nutzer schon – und noch so erfahrbare Vorgesetzte, die darin nur ein Problem sehen und nicht auch eine Möglichkeit, vergeben damit ein Stück ihrer Autorität.

(Was jetzt meine sehr persönliche Meinung ist – auf den Widerspruch bin ich gespannt.)

(Foto oben: Generalinspekteur Volker Wieker im Oktober bei einem Besuch des deutschen UNIFIL-Kontigents vor dem Schnellboot Wiesel – Bundeswehr/Andrea Bienert via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz; Foto unten: Wieker bei seiner Rede an der Helmut-Schmidt-Universität – Bundeswehr/Reinhard Scheiblich)