Angriff auf Camp Bastion: Zwei Generale der Marines gefeuert
Vor gut einem Jahr, am 14. September 2012, griffen Taliban in einer komplexen Operation das britisch-amerikanische Camp Bastion in der afghanischen Provinz Helmand an. Bei dem Angriff kam ein Staffelchef der U.S. Marines ums Leben, und die Marines mussten den größten Verlust an Flugzeugen seit Vietnam hinnehmen: Den Aufständischen gelang es, acht Senkrechtstarter vom Typ Harrier (Foto oben) außer Gefecht zu setzen.
Jetzt hat das Debakel ein Nachspiel: Der Kommandeur der Marines, General James Amos, hat zwei verantwortliche Zwei-Sterne-Generale praktisch gefeuert. Den Generalmajoren Charles Gurganus und Gregg Sturdevant legte Amos nahe, in den Ruhestand zu gehen – weil sie nicht alles Erforderliche zur Sicherheit des Feldlagers getan hätten. Eine offizielle Mitteilung habe ich noch nicht gefunden, aber zahlreiche Berichte, unter anderem von Reuters:
A four-month investigation concluded that Major General Charles Gurganus, the top Marine commander in the region at the time, and Major General Gregg Sturdevant „did not take adequate force protection measures within the range of responses proportionate to the threat,“ the Marine Corps said. (…)
Both men accepted that request, the official said. U.S. officials could not recall any similar top-level firings in the 12-year-old Afghan war over failure to properly defend a base.
„Every Marine commander must properly position his command and his Marines to both successfully accomplish the mission and defend itself in any clime and place,“ Amos wrote in endorsing the findings of the investigation by the U.S. military’s Central Command.
Das ist vermutlich nicht nur für den Afghanistan-Einsatz einzigartig. Dass ein General für Versagen im Hinblick auf ein taktisches Ereignis gefeuert wird, dürfte in den meisten Kriegen und (westlichen) Armeen die Ausnahme sein. Interessant wird die Frage, ob die Briten, denen die Basis ja auch mit gehört, Grund für ähnliche Sanktionen sehen.
Nachtrag: Da ist sie jetzt, die quasi-offizielle Mitteilung:
Commandant of the Marine Corps Gen. James F. Amos is recommending to the Secretary of the Navy that two commanding generals be relieved of their duties as a result of the September 2012 insurgent attack on Camp Bastion, Afghanistan.
Upon Amos’ request, the commander of U.S. Central Command, Army Gen. Lloyd J. Austin, III, conducted a thorough investigation into the incident and both agreed that Maj. Gen. Charles M. Gurganus and Maj. Gen. Gregg A. Sturdevant did not take the necessary steps to ensure force protection, resulting in the Sept. 14-15, attack.The attack, which had been planned by insurgents since 2011, took the lives of Lt. Col. Christopher Raible and Sgt. Bradley Atwell. It also resulted in the injury of eight others and the destruction of six AV-8B Harrier jets, costing roughly $24 million each.
Gurganus, the commanding general of Regional Command Southwest and I Marine Expeditionary Force (Forward), and Sturdevant, the commanding general of 3rd Marine Aircraft Wing, were both operating in a coalition environment, with the Bastion Airfield under the command of British forces. The command and control structure was later considered sub-optimal by Austin, and this greatly inhibited Gurganus’ ability to create a unified and integrated defense for the Bastion-Leather-Shorabak Complex.
In addition, Regional Command Southwest had experienced significant drawdowns under Gurganus’ command. Their numbers were reduced from 17,000 to 7,400 over a period of six months. Gurganus’ request for additional forces were turned down. Yet Gurganus’ area of responsibility spanned roughly 36,000 square miles and included 196 combat outposts and forward operating bases within 19 districts.
However, Amos noted that the drawdown of forces was no excuse for the lack of security for the base as well as the underestimation of outside enemy forces.
Der ganze Text hier.
Nachtrag: Auch den britischen Kommandeuren, so berichtet der Telegraph, waren Probleme mit der Sicherheit von Camp Bastion bekannt. Allerdings scheint es da keine personellen Konsequenzen gegeben zu haben – zumindest sind sie nicht bekannt.
(Foto: An AV-8B Harrier aircraft assigned to Attack Squadron 311, is staged at Camp Bastion, Helmand province, Afghanistan, Aug. 9, 2013 -U.S. Marine Corps photo by Sgt. Gabriela Garcia via Flickr unter CC-BY-NC-Lizenz)
Da werden sie in Berlin aber aufschrecken angesichts von soviel Konsequenz. Bei uns wird man für sowas ja befördert (und damit ist nicht der frühere Oberst Klein gemeint).
@LTC007 Dafür müsste es a) jemand in Berlin mitbekommen und b) jemand in Berlin interessieren.
Und Generäle sind ja auch in Deutschland wegen bestimmter Ereignisse oder unterstellter Ereignisse gegangen (worden).
Oder wurden als Schulkommandeur für Ereignisse verantwortlich gemacht, die bei Vorgängern lagen…
Das Rausschmeißen von Generälen hat in den USA durchaus Tradition, im Zweiten Weltkrieg z. B. Generalmajor Lloyd Fredendall als Verantwortlichen für die verlorene Schlacht am Kasserinpass 1942 (gegen Erwin Rommel). Fredenhall wurde dann mit einer Tätigkeit betraut, bei der er keinen Schaden mehr anrichten konnte (und sogar noch befördert).
Aber es war allen Beteiligten klar, dass er wegen Unfähigkeit gefeuert wurde.
@FNU SNU
Selbstverständlich kann auch ein deutscher General seinen Posten plötzlich verlieren, wegen schlechter Presse, öffentlichem Skandal oder politisch unangemessenen Äußerungen – aber wegen taktischer Unfähigkeit? Wohl kaum, es werden doch immer alle Aufträge ganz hervorragend erfült…
Im Vietnam-Krieg gab es sogar einen vergleichbaren Fall: Generalmajor James L. Baldwin wurde 1971 rausgeschmissen, weil er für einen tödlichen Angriff des Vietcong auf einen US-Stützpunkt in die Verantwortung genommen wurde.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_um_FSB_Mary_Ann
Da haben die beiden Herzchen aber Glück gehabt: Darth Vader hat sowas am langen Arm verhungern lassen. Spass beiseite: Verantwortung übernehmen hat bei den Marines einen deutlich höheren Stellenwert als zB. in der Bundeswehr. Dafür findet jeder aktive oder ehemalige Soldat aus dem Stehgreif sicher ein Dutzend Beispiele unabhängig von der Dauer der Dienstzeit.
@ Dirk Limberg
Das ganze trifft übrigens auf beinah alle Dienstgradgruppen zu: oder hat irgendjemand schon mal erlebt, wie ein Zugführer oder S3 Fw wegen Unfähigkeit abgelöst wurde ?
Damit meine ich nicht die Versetzung auf einen anderen Dienstposten, die ohne unmittelbare zuordnungsbare Auswirkung z.B. auf den Dienstgrad blieb.
@Simulant
Wer soll denn den ZhgFhr oder den S3Fw „feuern“ ? Der Kompaniechef den ZhgFhr oder der KasKdt den S3Fw? Wenn auf der Ebene etwas schief läuft, dann haben da drüber schon mindestens 2 andere Ebenen versagt.
Sollte jemand ungeeignet sein, dann wird er „weggelobt“ , das ist aber eine ganz andere Sache.
Ich bin ja sehr für Verantwortung und Konsequenzen, aber den RC Cdr für die Feldlagerabsicherung abstrafen?
Das führt nur zu Angst essen Seele auf und ganz, ganz viel Mikromanagement (GenMaj besichtigt S-Drahtsperre).
Gen. Amos ist ja auch sonst wegen seiner Ablösungen im USMC äußerst umstritten. Die Bw ist sicher die andere Seite des Pendels (siehe PRT Kunduz, 14. Ktgt).
Die goldene Mitte ist beides nicht – nicht mal ansatzweise.
@ Memoria
Was war im 14. Ktgt Kunduz?
@ Memoria
Das sehe ich ähnlich wie Sie.
Personalablösung ist ein ganz heikles, sensitives, aber auch wichtiges Thema mit intensiven Folgewirkungen auch für andere. Die angewandte Philosophie in der Bundeswehr war nach meiner Beobachtung bisher oft falsch, und sie ist auch heute nur selten richtig. Das gilt ausdrücklich für alle Ebenen.
Es darf nicht nur darum gehen, rückwärtsgewandt jemanden wegen eines persönlichen Fehlers oder eines Mangels im eigenen Bereich abzustrafen. Das mag manchmal mit Blick auf das innere Gefüge der Truppe geboten sein, führt aber kaum zu einer angemessenen und gesunden „Fehlerkultur“. Verkrampfung, Verunsicherung und Vertuschungsversuche sind die fatalen Folgen. Neben dem bekannten Mikromanagement aus Gründen der Selbstabsicherung.
Der Blick muss immer nach vorne gerichtet sein, die Frage also lauten: War es nur ein einmaliger Ausrutscher, der im Grundsatz jedem mal passieren kann, oder war es eine grundlegende Eignungsschwäche? Allerdings: Im letzteren Fall muss dann auch sofort und kompromisslos die Reissleine gezogen werden. Um das zu leisten, brauchen wir bei den jeweiligen Vorgesetzten ausgeprägte Beurteilungsstärke und konsequentes Handeln statt falsch verstandener Fürsorge.
Unter dem Druck des „BOST“ habe ich in der alten „Z-Flotille“ so manche „frühzeitige“ Ablösung auch von „förderlichen“ Dienstposten gesehen. Da ging es von A8 bis A14 mit praktisch sofortiger Wirkung auf die Pier (auch im Ausland, dann für Offiziere mit Flugticket nach Köln um beim PersABw einen neuen Dienstposten abzuholen…) und meist mit direktem Einfluss auf die Laufbahnperspektive (Verlust der Kommandantenperspektive bedeutet für die meisten A14er dass sie nie die A15 sehen).
Generell war die Marine bei Offizieren und PUO mit Ablösung von Dienstposten auf seegehenden Einheiten nie wirklich zimperlich (es sei denn… -Stichwort „Goldjunge“).
@TBR
kann ich bestätigen, mußte ich leider auch mal für einen Oberleutnant zur See durchziehen, andererseits hilft ein „schwimmender Stein“ der Karriere durchaus weiter, auch da könnte ich mehrere Beispiele nennen.
So wie ich den obigen Nachtrag lese, war die mangelnde Feldlagerabsicherung nur Wirkung einer ungenügenden C2/3/4-structure und dafür kann man imho sehr wohl den RC-Cdr verantwortlich machen. Insofern finde ich den Schritt konsequent. Ob sowas dann in Mikromanagement endet, liegt wohl eher an der Persönlichkeit des Verantwortlichen. In der aktuellen Generation der güldenen 2-3Sterner Deutschlands wäre das wohl stark zu vermuten.
@all
Siehe Nachtrag oben.