ArcticWatch: Die Fahrt Peters des Großen

ICEX 04

Mit der Patrouille des russischen Raketenkreuzers Pjotr Weliki (Peter der Große) in der Arktis ist jetzt auch hierzulande ein Thema wahrgenommen worden, das schon länger auf der internationalen Tagesordnung steht: Der erleichterte Zugang zur Arktis durch das Abschmelzen des Polareises, bedingt durch den Klimawandel. Das eröffnet auch normalen Handelsschiffen die so genannte Nordost-Passage von Europa nach Fernost, die die Fahrt der Frachter um zwei Wochen verkürzt – und weckt Begehrlichkeiten aller Anliegernationen auf die Rohstoffe der Arktis.

(Entschuldigung für die Bild-Text-Schere: Das Foto oben ist natürlich kein Raketenkreuzer, sondern das britische U-Boot Tireless – von der Pjotr Weliki in arktischen Gewässern habe ich kein frei verwendbares Foto gefunden.)

Grund genug, hier mal die Rubrik ArcticWatch zu eröffnen und ab und zu einen Blick auf die Entwicklung zu werfen – denn die hat nicht nur wirtschaftliche und ökologische, sondern voraussichtlich auch sicherheitspolitische Auswirkungen. Von – militärisch durchzusetzenden? – Gebietsansprüchen in dieser Region bis zum Bedeutungswandel für den Nahen Osten, wenn die Nordroute rund um Russland die Südroute durch den Suezkanal ablösen sollte. Und Deutschland ist zwar kein Anrainer der Arktis, aber über internationale Verflechtungen dabei (unter anderem als ständiger Beobachter im Arktischen Rat). Und mit den deutschen Reedereien, die die drittgrößte Handels- und größte Containerschiffflotte weltweit betreiben, direkt betroffen. (Außerdem dient das nicht zuletzt mir als Materialsammlung für die Entwicklung…)

Aktueller Anlass also: Die Fahrt Peters des Großen und die russische Ankündigung regelmäßiger (Militär)Patrouillen in der Region, wie die New York Times berichtet:

Russia’s military said it planned to sail regular naval patrols along shipping lanes in its territory in the Arctic Ocean that opened to commercial vessels only in the last few years, as Arctic ice began melting at a record pace.
The Ministry of Defense announced the move after a flotilla led by the flagship of the Russian Northern Fleet — the Pyotr Velikiy, or Peter the Great — completed a trip across the Arctic Ocean last week to great fanfare at home, where the news media presented the voyage as an example of Russia’s proud naval heritage.
The ship sailed through most of the once fabled Northeast Passage, a voyage that the military said Saturday marked the start of regular patrols to protect the thousands of miles of coastline suddenly open to other countries’ ships on a regular basis.

Der russische Sender Russia Today drückt das noch deutlicher aus: Russian military resumes permanent Arctic presence, bei der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti heißt das: Nach 20 Jahren: Russland wieder in Arktis militärisch präsent – und interessant ist in dem Zusammenhang auch die Grafik der Agentur, in der es in einer Fußnote unter anderem heißt, das die USA keine Grenzen (und damit auch keine Erschließungsrechte) im Arktis-Schelf beanspruchen könnten, weil sie die UN-Seerechtskonvention nicht ratifiziert haben…

Aus russischer Sicht ist übrigens die Frage der wirtschaftlichen Nutzung der Arktis weitgehend geklärt, wie der Sender Stimme Russlands berichtet:

In St. Petersburg ist am Freitag die vierwöchige wissenschaftliche Konferenz zur Erschließung des Festlandsockels zu Ende gegangen. Zu den wichtigsten Themen des Treffens gehörten „internationale Zusammenarbeit und Bewahrung der Arktis als Friedenszone“. Ein weiteres markantes Ereignis war der erfolgreiche Abschluss der ersten in der Geschichte gewerblichen Schifffahrt aus China nach Europa durch die Nordostpassage. Das Containerschiff „Yong Sheng“ lief im Hafen von Rotterdam vor dem geplanten Termin ein, nachdem er die Route in 33 Tagen zurückgelegt hatte.
Am Petersburger Treffen nahmen Repräsentanten von 238 Unternehmen aus 21 Ländern teil. In den Plenarsitzungen ging es vor allem um die Zusammenarbeit im Bereich der fortschrittlichen Verfahren zum Abbau des Kontinentalschelfs. In diesem Sinne gehört die Arktis zu den aussichtsreichsten Regionen des Planeten. Unter ihrer Eisdecke liegen sieben Prozent der heutzutage bekannten Weltvorräte an Erdöl und ein Drittel der Weltvorräte an Gas verborgen. In diesem Zusammenhang wurden bei der Konferenz Fragen nicht nur technischer bzw. ökologischer, sondern auch geopolitischer Art aufgeworfen. Insbesondere betrafen sie die eventuelle Konkurrenz und sogar Konflikte rund um den Abbau der Arktisschätze. Russlands Repräsentant im Arktischen Rat Anton Wassiljew erklärte beim Forum, dies sei kein Problem, da sich gut 90 Prozent der Naturschätze der Arktis im Küstenmeer der entsprechenden Länder befänden, so dass es „nichts mehr zu teilen“ gäbe.

Noch ist mir nicht klar, ob sich das mit der im Mai dieses Jahres verkündeten US-Strategie für die Arktis beißen könnte. Aber das wird dann sicherlich hier auch ein Thema.

Ein paar Links zu grundsätzlichen Aussagen Deutschlands auf der Webseite des Auswärtigen Amts:

Arktis-Grundlagentext

20.000 Meilen unter dem Nordmeer

Die arktische Rechtsordnung

Deutsch-norwegische Zusammenarbeit in der Arktis

Nachtrag – danke für den Leserhinweis: 2007 pflanzte Russland seine Flagge auf den Meeresboden am Nordpol und meldete so seine Ansprüche an:

(Archivfoto 2004: North Pole, Apr. 19, 2004 – The Royal Navy Trafalgar class attack submarine HMS Tireless sits on the surface of the North Pole. Tireless surfaced with the U.S. Navy Los Angeles-class attack submarine USS Hampton (SSN 767) for ICEX 04, a joint operational exercise beneath the polar ice cap. The Ice Exercise demonstrates the U.S. and British Submarine Force’s ability to freely navigate in all international waters, including the Arctic. – U.S. Navy photo by Chief Journalist Kevin Elliott)