ArcticWatch: Die Fahrt Peters des Großen
Mit der Patrouille des russischen Raketenkreuzers Pjotr Weliki (Peter der Große) in der Arktis ist jetzt auch hierzulande ein Thema wahrgenommen worden, das schon länger auf der internationalen Tagesordnung steht: Der erleichterte Zugang zur Arktis durch das Abschmelzen des Polareises, bedingt durch den Klimawandel. Das eröffnet auch normalen Handelsschiffen die so genannte Nordost-Passage von Europa nach Fernost, die die Fahrt der Frachter um zwei Wochen verkürzt – und weckt Begehrlichkeiten aller Anliegernationen auf die Rohstoffe der Arktis.
(Entschuldigung für die Bild-Text-Schere: Das Foto oben ist natürlich kein Raketenkreuzer, sondern das britische U-Boot Tireless – von der Pjotr Weliki in arktischen Gewässern habe ich kein frei verwendbares Foto gefunden.)
Grund genug, hier mal die Rubrik ArcticWatch zu eröffnen und ab und zu einen Blick auf die Entwicklung zu werfen – denn die hat nicht nur wirtschaftliche und ökologische, sondern voraussichtlich auch sicherheitspolitische Auswirkungen. Von – militärisch durchzusetzenden? – Gebietsansprüchen in dieser Region bis zum Bedeutungswandel für den Nahen Osten, wenn die Nordroute rund um Russland die Südroute durch den Suezkanal ablösen sollte. Und Deutschland ist zwar kein Anrainer der Arktis, aber über internationale Verflechtungen dabei (unter anderem als ständiger Beobachter im Arktischen Rat). Und mit den deutschen Reedereien, die die drittgrößte Handels- und größte Containerschiffflotte weltweit betreiben, direkt betroffen. (Außerdem dient das nicht zuletzt mir als Materialsammlung für die Entwicklung…)
Aktueller Anlass also: Die Fahrt Peters des Großen und die russische Ankündigung regelmäßiger (Militär)Patrouillen in der Region, wie die New York Times berichtet:
Russia’s military said it planned to sail regular naval patrols along shipping lanes in its territory in the Arctic Ocean that opened to commercial vessels only in the last few years, as Arctic ice began melting at a record pace.
The Ministry of Defense announced the move after a flotilla led by the flagship of the Russian Northern Fleet — the Pyotr Velikiy, or Peter the Great — completed a trip across the Arctic Ocean last week to great fanfare at home, where the news media presented the voyage as an example of Russia’s proud naval heritage.
The ship sailed through most of the once fabled Northeast Passage, a voyage that the military said Saturday marked the start of regular patrols to protect the thousands of miles of coastline suddenly open to other countries’ ships on a regular basis.
Der russische Sender Russia Today drückt das noch deutlicher aus: Russian military resumes permanent Arctic presence, bei der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti heißt das: Nach 20 Jahren: Russland wieder in Arktis militärisch präsent – und interessant ist in dem Zusammenhang auch die Grafik der Agentur, in der es in einer Fußnote unter anderem heißt, das die USA keine Grenzen (und damit auch keine Erschließungsrechte) im Arktis-Schelf beanspruchen könnten, weil sie die UN-Seerechtskonvention nicht ratifiziert haben…
Aus russischer Sicht ist übrigens die Frage der wirtschaftlichen Nutzung der Arktis weitgehend geklärt, wie der Sender Stimme Russlands berichtet:
In St. Petersburg ist am Freitag die vierwöchige wissenschaftliche Konferenz zur Erschließung des Festlandsockels zu Ende gegangen. Zu den wichtigsten Themen des Treffens gehörten „internationale Zusammenarbeit und Bewahrung der Arktis als Friedenszone“. Ein weiteres markantes Ereignis war der erfolgreiche Abschluss der ersten in der Geschichte gewerblichen Schifffahrt aus China nach Europa durch die Nordostpassage. Das Containerschiff „Yong Sheng“ lief im Hafen von Rotterdam vor dem geplanten Termin ein, nachdem er die Route in 33 Tagen zurückgelegt hatte.
Am Petersburger Treffen nahmen Repräsentanten von 238 Unternehmen aus 21 Ländern teil. In den Plenarsitzungen ging es vor allem um die Zusammenarbeit im Bereich der fortschrittlichen Verfahren zum Abbau des Kontinentalschelfs. In diesem Sinne gehört die Arktis zu den aussichtsreichsten Regionen des Planeten. Unter ihrer Eisdecke liegen sieben Prozent der heutzutage bekannten Weltvorräte an Erdöl und ein Drittel der Weltvorräte an Gas verborgen. In diesem Zusammenhang wurden bei der Konferenz Fragen nicht nur technischer bzw. ökologischer, sondern auch geopolitischer Art aufgeworfen. Insbesondere betrafen sie die eventuelle Konkurrenz und sogar Konflikte rund um den Abbau der Arktisschätze. Russlands Repräsentant im Arktischen Rat Anton Wassiljew erklärte beim Forum, dies sei kein Problem, da sich gut 90 Prozent der Naturschätze der Arktis im Küstenmeer der entsprechenden Länder befänden, so dass es „nichts mehr zu teilen“ gäbe.
Noch ist mir nicht klar, ob sich das mit der im Mai dieses Jahres verkündeten US-Strategie für die Arktis beißen könnte. Aber das wird dann sicherlich hier auch ein Thema.
Ein paar Links zu grundsätzlichen Aussagen Deutschlands auf der Webseite des Auswärtigen Amts:
20.000 Meilen unter dem Nordmeer
Deutsch-norwegische Zusammenarbeit in der Arktis
Nachtrag – danke für den Leserhinweis: 2007 pflanzte Russland seine Flagge auf den Meeresboden am Nordpol und meldete so seine Ansprüche an:
(Archivfoto 2004: North Pole, Apr. 19, 2004 – The Royal Navy Trafalgar class attack submarine HMS Tireless sits on the surface of the North Pole. Tireless surfaced with the U.S. Navy Los Angeles-class attack submarine USS Hampton (SSN 767) for ICEX 04, a joint operational exercise beneath the polar ice cap. The Ice Exercise demonstrates the U.S. and British Submarine Force’s ability to freely navigate in all international waters, including the Arctic. – U.S. Navy photo by Chief Journalist Kevin Elliott)
Vor einigen Jahren gab es doch diese dramatisch wirkenden Bilder von einem russischen U-Boot, welches demonstrativ die russische Fahne auf dem Meeresboden unter dem Eis des Nordpols plazierte:
http://www.youtube.com/watch?v=YujsRuN3PK8
(Das ist ein Bericht bei Foxnews, es ging aber seinerzeit weltweit durch die Presse).
@chickenhawk
Danke für den Link (trotz Foxnews ;-) ) – aber ich habe ja das Problem, dass die hier verwendeten Bilder dafür auch frei sein müssen, alles andere würde zu teuer…
Es gibt sogar einen Wikipedia-Artikel zu dem Thema:
Das größte Kriegsschiff in der Arktis seit dem „Unternehmen Wunderland“? ;)
FoxNews ist zwar journalistischer Sondermüll, aber wir brauchen da aus Deutschland gar nicht auf die Amerikaner herabzublicken: SPON ist z.B. ungefähr genauso tendenziös, nur eben aus einer anderen Richtung.
Ok, mit den OT’s sind wir dann so weit durch, oder?
Tja, das Thema taucht leider in der Presse mit schöner Regelmäßigkeit auf, und eignet sich bestens, um in bester „the-day-after-tomorrow-und-Roland-Emmerich-2012-Manier“ einen klimawandelbedingten internationalen Konflikt um Territorien und Schürfrechte herbeizu“orakeln“. SPON ist da leider oft ganz vorne mit dabei.
Tatsächlich geht es dort sehr, sehr viel nüchterner zu. Die russische Flaggensetzung war zwar ein vielbeachteter, aber völkerrechtlich unverbindlicher Akt. Alle acht arktischen Anrainerstaaten haben sich in ihren Polarstrategien zu friedlicher Zusammenarbeit verpflichtet und tun dies auch praktisch, ob im Bereich der Forschung, des Umweltschutzes oder auch militärisch: Es gibt seit 2011 ein umfangreiches SAR-Abkommen, das die zur Seenotrettung zu Wasser und aus der Luft befähigten Kräfte aller Anrainer einbindet. Das Ganze wird auch intensiv geübt – nicht nur NATO-intern, sondern auch mit den Russen. Die (dem Vernehmen nach recht erfolgreich) bilaterale Übungsreihe „Pomor“ zwischen der russischen Föderation und Norwegen ist ein gutes Beispiel dafür.
Alle wirklich ökonomisch spannenden Bereiche des Nordpolarmeeres – die Schelfküsten, unter deren Grund offshore nach Gas und Öl gebohrt werden könnte oder schon gebohrt wird – sind im fast ausnahmslos relativ klar einem jeweiligen Küstenstaat zuzuordnen. Der aktuellste territoriale Anspruch am Nordpol selber – der dabei bestenfalls noch symbolischen Charakter hat – stammt übrigends aus Kopenhagen. Dänemark hat in seiner Arktisstrategie von 2011 die Absicht erklärt, den geografischen Nordpol als Verlängerung des grönländischen Festlandssockels auf dem Lomonossow-Rücken anerkennen zu lassen. Eine entsprechende Untersuchung der Beschaffenheit des grönländischen Schelfs muss dazu bis Dezember 2014 bei der UN-Schelfkommission vorgelegt werden.
Die Arktis ist aus umwelt- und wirtschaftspolitischer Sicht hochinteressant (ja, selbst in D ist eine Leitlinie zur Arktispolitik in Entwicklung). Sicherheitspolitisch kann man die Region – aller Alarmrufe in der Presse zum Trotz – aber weissgott relativ entspannt sehen.
Bei den F125 hat man (vorsorglich?) die Arktistauglichkeit vergessen. Sie sollen weltweit einsetzbar sein, außer in arktischen Gewässern (laut Europäische Sicherheit & Technik). Wie es mit unseren anderen vorhandenen Kriegsschiffen diesbezüglich steht, ist mir nicht bekannt. Aber vermutlich nicht anders.
Lieber Stefan, die wenigsten Kriegsschiffe weltweit werden das militärische Äquivalent einer „Eisklasse“ besitzen…
@Stefan
Wie stellen Sie sich denn das Einsatzprofil für Ihre geforderte Arktistauglichkeit vor?
Welche Eisklasse soll es denn sein für Sie?
http://de.wikipedia.org/wiki/Eisklasse
@MFG
Doch, auch Kriegsschiffe haben Eisklassen. Nur halt nicht so hoch, und nicht wie bei den in der Arktis fahrenden Spezialschiffen.
Aber Sie haben mit Ihrem Einwurf insoweit Recht, dass die wenigsten Schiffe wirklich lange dort operieren können und bei all diesen Hurrabildern der Nordmeerflotte sind die Eisbrecher nicht weit. Was mich wieder zu meiner Frage zurück bringt: Wie stellt sich Herr Stefan denn so einen mehrmonatigen Einsatz in arktischen Gewässern vor? Auf und ab fahren und zeigen „Huhu, wir sind so toll, wir fahren hier rum…“? Denn genau das ist es dann auch was an der Wasseroberfläche zu sehen ist. Ein paar graue Schiffe. Sichthorizont, Radarhorizont, Wirken im Verbund, Lagebild, anyone?
Da bringen mir Seefernaufklärer in den Gebieten und Satellitenüberwachung viel mehr als ein paar Schiffe, die dann leider mal wieder im falschen Gebiet (riesiges Seegebiet, nech) und viel zu weit weg rumfahren.
…wenn denn überhaupt die paar Schiffe funktionieren und fahren – bei de.rian.ru steht jetzt gerade ne Kurzmeldung über einen Brand an Bord eines russischen, eingedockten U-Boots. Dieser Brand sei inzwischen unter Kontrolle. Das U-Boot selbst liege seit 2010 nach einem Schaden im Reaktorkühlsystem im Dock….
@MFG | 16. September 2013 – 7:27
Wenn sich Deutschland in der Arktis militärisch beteiligen will oder soll, dann benötigt es, als Basis, natürlich auch dafür geeignete Kriegsschiffe bzw. mindestens ein Schiff. Ohne diese Voraussetzung ist jede Diskussion dazu unnötig.
Ob die Kirow-Klasse die nötige Eisklasse hat sei mal dahin gestellt.