Generalbundesanwalt: Drohnen-Angriff auf Deutschen in Pakistan kein Kriegsverbrechen


Die Entscheidung des Generalbundesanwalt zum Tod eines deutschen Staatsbürgers in Pakistan (auf die mich mehrere Leser hingewiesen haben), ist ein wenig überraschend – und hat vielleicht auch Auswirkungen auf die deutsche Debatte über das Thema Kampfdrohnen: Die Behörde hat das Verfahren eingestellt, mit dem der Tod des Deutschen Bünyamin E. durch einen Drohnenangriff untersucht wurde. Es gebe keinen hinreichenden Verdacht für das Vorliegen einer Straftat, teilte die Bundesanwaltschaft am (heutigen) Montag mit. Der Getötete sei nicht als Zivilist anzusehen, sondern Angehöriger einer organisierten bewaffneten Gruppe gewesen – damit sei der Angriff auf ihn kein Kriegsverbrechen.

Die Entscheidung der Karlsruher Strafverfolger enthält zwei interessante Argumentationsstränge: Zum einen wird auch für Pakistan ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt angenommen, also umgangssprachlich: eine (Bürger)Kriegssituation. Der Drohneneinsatz, bei dem der Deutsche ums Leben kam, war Teil dieser Auseinandersetzungen, heißt es in der Erklärung. Auch wenn der GBA bewusst vermeidet, diese Drohne einer der Kriegsparteien zuzurechnen.

Damit hat der Generalbundesanwalt nach seiner rechtlichen Bewertung des Kundus-Luftangriffs im September 2009 zum zweiten Mal Auseinandersetzungen, an denen deutsche Staatsbürger – wenn auch auf unterschiedlichen Seiten – beteiligt sind, als Krieg eingeschätzt, der nach dem Völkerstrafrecht zu bewerten ist. Das wird dann auch für andere mögliche Fälle getöteter Deutscher in Pakistan gelten.

Die zweite Argumentation folgt dem in der ersten angelegten Gedanken:

Nach dem Ergebnis der Untersuchungen steht fest, dass Bünyamin E. nach Pakistan reiste, um sich im Sinne des gewaltsamen Jihad an den dortigen militärischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Nacheinander schloss er sich mehreren aufständischen Gruppierungen an, die die pakistanische Armee und die in Afghanistan stationierten ISAF-Streitkräfte bekämpften. Er ließ sich zum Einsatz im bewaffneten Kampf ausbilden, wurde mit einer Waffe ausgestattet und war mit seinem Einverständnis für einen Selbstmordanschlag vorgesehen. Seine gesamten Aktivitäten in Pakistan waren darauf ausgerichtet, an feindseligen Handlungen teilzunehmen. Zum Zeitpunkt des Drohneneinsatzes am 4. Oktober 2010 nahm er an einem Treffen von acht männlichen Personen teil, darunter Mitglieder von Al Qaida und den Taliban. Dabei sollten die Planungen für ein Selbstmordattentat unter seiner Beteiligung auf Angehörige der pakistanischen Armee oder der ISAF-Streitkräfte vorangetrieben werden.

Die zweite Überlegung ist nur logisch: Wer als Kämpfer in einem Krieg teilnimmt, muss damit rechnen, dass die Regeln des Krieges gelten. Allerdings ist für mich als Nicht-Jurist (und schon gar nicht Völkerrechtler) noch nicht ganz einsichtig, wie die Einschätzung eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts in Pakistan zu bewerten ist. Im Umkehrschluss heißt das doch sicherlich, dass der Angriff eines solchen Jihadisten auf amerikanische Soldaten in Pakistan (und auch auf deutsche Soldaten in Afghanistan) keine Straftat ist, weil diese Soldaten nach den Regeln des Völkerstrafrechts legitime Ziele sind? Das kann mir bestimmt ein Jurist erklären.

Nachtrag: Leider mit ein wenig Verspätung eine Stellungnahme der Grünen-Bundestagsabgeordneten Katja Keul, die nicht nur Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion, sondern auch Juristin ist (und so weit ich das sehe, ist es die erste/einzige Stellungnahme einer Partei oder Fraktion?):

Die Begründung für die Einstellung des Verfahrens im Fall Bünyamin E. ist erstaunlich. Der Generalbundesanwalt erklärt Pakistan zum Bürgerkriegsgebiet, in dem feindliche Kämpfer getötet werden dürfen. Unklar bleibt dabei, warum ausgerechnet ein ausländischer Staat, in diesem Fall die USA, beteiligte Kriegspartei sein soll. Selbst wenn es sich in Pakistan um einen Bürgerkrieg handeln sollte, können nicht andere Staaten militärisch auf pakistanischem Territorium operieren. Da außerdem kein Einverständnis der pakistanischen Regierung zu Drohnenangriffen ausländischer Staaten vorliegt, scheidet eine völkerrechtliche Legitimation auf dieser Grundlage ebenfalls aus. Das Töten eines deutschen Staatsbürgers durch den US-amerikanischen Staat in einem Land, in dem weder Deutsche noch Amerikaner Krieg führen, ist daher nicht nach Völkerstrafrecht, sondern nach allgemeinem deutschem Strafrecht zu ahnden.

(Foto: Eine Drohne vom Typ MQ-9 Reaper, betrieben von der britischen Luftwaffe und ausgerüstet mit Hellfire-Raketen und GBU-12-Bomben auf dem Flugplatz Kandahar in Afghanistan – Crown Copyright/defenceimages.mod.uk/Cpl Steve Bain ABIPP via flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz)