Deutschlands blinder maritimer Fleck
Über die maritime Abhängigkeit des Exportlandes Deutschland können die Experten viel, lange und trefflich reden – meist erreichen sie im Land mit der drittgrößten Handels- und größten Containerflotte weltweit nur wenige. Was die Bedeutung von Meer und Seewegen für die deutsche Bevölkerung und Wirtschaft angeht, scheint es wirklich (mal abgesehen von den Küstenländern) einen blinden Fleck zu geben.
Vor ein paar Tagen haben einige dieser Experten dazu was Lesenswertes aufgeschrieben:
Die sichere Nutzung der See spielt für moderne Industriegesellschaften wie die Bundesrepublik Deutschland und ihre europäischen Partner eine zentrale Rolle. (…)
Die starke politische, ökonomische und ökologische Abhängigkeit Deutschlands und der EU von Entwicklungen auf See wird jedoch weder von den Politikern noch von den Bürgern mit der notwendigen Klarheit erkannt. Im Gegenteil, mit Blick auf die See und ihre Bedeutung lässt sich durchaus von einem gewissen Desinteresse, ja gar von einer Blindheit sprechen. Sie führt dazu, dass maritime Fragen weder in Deutschland noch in Europa besondere Aufmerksamkeit genießen.
schreiben die beiden Ex-Admirale Lutz Feldt (früherer Marineinspekteur), Hans-Joachim Stricker (früherer Befehlshaber der Flotte) sowie Carlo Masala und Konstantinos Tsetsos von der Bundeswehruniversität München in ihrem Gastbeitrag Kein Land in Sicht? für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.* Die Kontrolle über die See, so ihr Fazit unter Berufung auf ein Zitat US-Admirals Alfred Thayer Mahan, bestimmt den wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes – und da stellt sich Deutschland derzeit recht schwach auf.
Dieser Ansatz provoziert natürlich auch Widerstand, sehr schön dargestellt in dem taz*-Artikel Deutschland, volle Kraft voraus (einen Kommentar des selben Autors vom gleichen Tag habe ich online leider bislang nicht gefunden). Dessen Kernvorwurf, wenn auch nicht wörtlich so ausgesprochen: Deutschland setzt auf power projection zur See und will wieder Fähigkeiten wie zuletzt im Zweiten Weltkrieg haben – wer denkt bei dem Satz Die neuen 90 Meter langen Tarnkappenschiffe (…) sollen lange Zeit weltweit vor fremden Küsten kreuzen und erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder Landziele beschießen können nicht automatisch an die Beschiessung der Westerplatte?
Nun ist eine solche Befürchtung für diejenigen, die sich ansatzweise mit der Deutschen Marine beschäftigen, ein wenig absurd. Angesichts der Situation dieser Teilstreitkraft auch in den kommenden Jahren dürfte die Behauptung, sie setze auf power projection, ähnlich zutreffend sein wie die Aussage, dass die taz den Meinungsmarkt in Deutschland zu kontrollieren droht… aber das ist eine andere Baustelle.
(* Hier werden üblicherweise, die meisten Leser wissen das, deutsche Verleger-Webseiten nicht verlinkt. Aus zwei Gründen mache ich in diesem Fall eine Ausnahme: Zum einen halte ich das Thema für wichtig. Und zum anderen hatte ich ja lautstark – erst hier und als Folge dann hier – moniert, dass der Gastbeitrag von Feldt und den anderen bei der FAZ hinter einer Paywall verschwunden und damit der öffentlichen Debatte entzogen war. Nachdem die FAZ ihn jetzt für jedermann sichtbar gemacht hat, sollte das auch genutzt werden.)
(Foto: Archivbild 2008: Die Fregatte Lübeck begegnet vor der spanischen Atlantikküste einem Frachtschiff, beladen mit Containerversetzkränen – Bundeswehr/Böhnke via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)
Auch wenn die Vergleiche mit der Westerplatte wirklich abstrus sind:
35 Jahre alte Schiffe die nicht mehr ganz so modern sind haben wir auch heute noch.
Allerdngs sind die Entfernungen bei Power Projection heute ganz andere, und in einem ganz anderen Umfeld.
Wenn die mMn zu stark verkleinerte Marine aus Personal- und Materialmangel bald nicht mehr ihre Pflichten, national und im Bündnis, erfüllen kann sollte man sich echt Sorgen machen wie man da Abhilfe schaffen kann.
Die deutsche Marine ist das beste Beispiel für die Konzeptionslosigkeit deutscher Sicherheitspolitik. Es ist in Deutschland schon politisch inkorrekt von deutschen Interessen zu sprechen, ganz besonders wenn es um Militär geht. Schließlich sind wir die Insel der Seeligen und im Fall der Fälle werdens die USA schon für uns richten. Hauptsache wir bleiben „sauber“.
Wie kann es denn sein, dass ausgerechnet die Marine in dieser Reform die meisten Federn lassen muss? Also gerade die Teilstreitkraft an der sich die wirtschaftlichen und politischen „Interessen“ der BRD noch am leichtesten abbilden ließen?
Aber wie meinte doch vor einigen Jahren ein deutscher Politiker in einem Interview des Deutschlandradio:
(Wer weiß, wer das sagte, bekommt dafür ein Extra-Fleißkärtchen).
@Chickenhawk: Der Bundesköhler war’s.
@ chickenhawk
Ich beiß dann doch mal an: Als die Briten den Opiumkrieg begannen dachten sie sich wahrscheinlich auch, dass „ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“ ;)
Wenn verantwortlicher Politiker solchen militiärischen Wirtschaftskriegen den Weg redet, ohne den Begriff „Notfall“ zu definieren und auf Sicherungsmechanismen einzugehen, dann macht das Angst und zerstört Vertrauen . Dieses schwurbelige Zündeln, und sei es aus Fahrlässigkeit, hat der deutschen Sicherheitspolitik einen Bärendienst erwiesen.
Und statt dass er oder die Regierung sich vorne hinstellen, die Sachen konkret machen, Klarheit schaffen und Ängste nehmen kam selbstgefälliges Schweigen.
Auch wenn ich Köhlers Unmut und seinen Rücktritt gut nachvollziehen kann: Als Märtyrer für eine ehrlichere und transparentere Politik taugt er in meinen Augen nicht wirklich.
@ GermanObserver
Genau. Und für diese sachliche Feststellung wurde er von Politikern aus den Reihen von Grünen, SPD, Linke, CDU und FDP sowie der veröffentlichten Meinung im Lande genauso angegangen, als hätte er von der Bundeswehr gefordert, in Polen, Belgien, Österreich und Ägypten gleichzeitig einzumarschieren.
Nun kann sich die Marine ja schwerlich öffentlich beschweren.
In den letzten Jahren wurden etliche Projekte ausgeliefert oder angestoßen.
Leider stimmt die Richtung nicht. Oder vielmehr: Es fehlt eine Richtung.
F124 fahren endlich. F125 wird kommen. Irgendwann vielleicht auch mal das MURKS 180. U-Boote 212 fahren. Der dritte EGV befindet sich im Funktionsnachweis See. Die Korvetten haben endlich ein passendes Getriebe bekommen und fahren sich langsam ein.
Das stellt die Marine meiner Meinung nach vor eine schwierige Situation:
Auf der einen Seite gibt es viel neues Material (mit den bekannten Kinderkrankheiten), auf der anderen Seite stehen ein zunehmend eklatanter Personalmangel und eine wenig zielgerichtete Ausrüstungspolitik.
Über die bisher noch nicht erwähnte aber schwer stiefmütterliche Behandlung der Marineflieger fange ich gar nicht erst an, mich aufzuregen. Das wurde hier bei @T.W. schon oft genug getan.
Man muss eines bedenken: Selbst wenn in den nächsten Jahren plötzlich die Wichtigkeit der maritimen Sicherheit für ein Land wie D erkannt würde, dauert eine „Nachrüstung“ viele Jahre. Fähigkeiten die einmal verloren wurden, können nicht „einfach so“ wieder aktiviert werden.
Umso wichtiger sind solch qualifizierte Beiträge wie der aus der FAZ.
Zum Glück hab ich ja erst mal die Kommentare gelesen, bevor ich dem Impuls nachkomme, zu posten, dass der ehemaliger Bundespräsident Horst Köhler sich bei diesem Thema aufs Gröbste missverstanden fühlte und bald darauf keine Lust mehr aufs Amt hatte..
Davon abgesehen: Natürlich ist das volkswirtschaftlich eines der wichtigsten Themen. Man muss sich ja nur anschauen, welchen Anteil am Welthandel der Transport auf dem Seeweg inzwischen hat. Oder kurz gesagt: Deutschlands Wohlergehen wird auch am Horn von Afrika verteidigt.
Ich finde es gut, wenn diese Debatte substanziell und grundsätzlich geführt wird, ohne dass gleich alle Mahner und Bedenkenträger sie im Keim ersticken.
in der zeitung „die welt“ war in den letzten wochen ebenfalls ein artikel zu lesen:
[Manchmal könnte ich verzweifeln, wie leichtfertig hier manche auf meinem Rücken agieren und meinen, mal eben das Urheberrecht außer Kraft setzen zu können und irgendwo im Internet gefundene Artikel hier einfach reinkopieren. Ich kriege dann die – ggf. teuren – Probleme. Und Sie habe ich genau deswegen schon auf moderiert gesetzt, weil es nicht das erste Mal ist. Wäre nett, wenn dieses rücksichtslose Verhalten ein Ende hätte. T.W.]
„im Land mit der drittgrößten Handels- und größten Containerflotte weltweit“
Tja, aber brauchen wir die denn? Die Schiffe werden in Korea gebaut, fahren mit philippinischen Besatzung unter der Flagge der Bermudas und pendeln zwischen Schanghai und Los Angeles.
Zufällig gehören sie aber einigen deutschen Zahnärzten die damit, dank der Klientelparteien, legale Steuerhinterziehung begehen.
Und dafür sollen jetzt deutsche Soldaten ihren Kopf riskieren?
Wie wäre es denn statt beständig ein Exportland sein zu wollen (was Globalwirtschaftlich nur geht wenn wir anderen ständig Kredit geben bis die nicht mehr zurückzahlen können) mal auf eine durchhaltbare ausgeglichen Handels- und Zahlungsbilanz zu achten. Dann haben anderen Länder nämlich ein ebenso großes Interesse an dem friedlichen Seeverkehr wie wir und werden dafür ebenso sorgen wollen.
„F124 fahren endlich.“
Die Komponente Softwareentwicklung wurde von der Bundeswehr mal wieder massiv unterschätzt. Dennoch ein Erfolg.
“ F125 wird kommen.“
Irgendwann. Sicherlich nicht zum anvisierten Zeitpunkt. Wieder wurden nachträglich die Anforderungen geändert -> 2 Jahre Verzögerung (gesichert)
Ob das Mehrbesatzungskonzept funktioniert fragwürdig, 2 Jahre Stehzeit im Einsatzland noch fragwürdiger. 7000 Tonnen Schiff mit stark begrenzten Fähigkeiten zu einem hohem Preis. Das wesentliche Kernelement eines jeden Kriegsschiffes nämlich AAW wurde vorsorglich weggelassen. Falklandkrieg noch nie gehört….
Von den Marinefliegern fang ich auch nicht an, man hat in der BW halt andere Prioritäten: Fähigkeitstransfer und so….
„Irgendwann vielleicht auch mal das MURKS 180.“
Am besten gleich bleiben lassen. Wäre lustig, wenn man eine Fregatte ohne Flugabwehr baut, aber dann in das MKS AAW-Fähigkeiten packt.
@b
Die hier im Ursprungsartikel angeführte und von Ihnen zitierte und hinterfragte Größe der deutschen Handels- und Containerflotte ist für das Thema irrelevant; sie illustriert nur, wie wenig Politik und Öffentlichkeit es trotzdem wahrnehmen.
Schlupflöcher für Zahnärzte u.a. stopfen: einverstanden!
„Und dafür sollen jetzt deutsche Soldaten ihren Kopf riskieren?“ Das sollte Teil der grundlegenden Diskussion sein. Keine Vorfestlegung.
Zur Frage der Handelsbilanz: Selbst wenn Deutschland mehr importieren als exportieren würde, änderte sich am Volumen des Welthandels auf dem Seeweg wenig. Der Frachter pendelt zwischen z.B. Hamburg und Shanghai, ganz egal womit er beladen ist und welchen Wert das hat.
@ MG
Achtung, Polemik:
Stimmt, wo kommt man denn hin, wenn es zum Thema Krieg sowas wie Mahner und Bedenkenträger gibt. Vertrauen ist gut, Kontrolle wird überbewertet?
Auch bin ich wirklich neugierig, wo diese Debatte substanziell und grundsätzlich geführt wird – über einen Link würde ich mich freuen. Bisher hab ich ja eher den Eindruck, dass sicherheitspolitische Debatten in Deutschland mittlerweile immer nur gefordert, aber nicht geführt werden. (Diskurs ist alternativlos das mit den Argumenten und Gegenargumenten.)
Und letztlich frage ich mich, welche Szenarien eine Kanonenbootpolitik zu einem der wichtigsten Themen der Volkswirtschaft machen sollen. (Von einem Volkswirtschaftler hab ich das noch nie gehört…) Zumindest die Piraterie vor Somalia und in der Straße von Malakka hat die deutsche Volkswirtschaft nicht berührt (sehr wohl aber die betroffenen Seeleute, aber um die geht es ja nicht, sind ja nur Menschen). Und Staaten haben von der europäischen Wirtschaftsmacht wohl mehr zu befürchten als von deutschen Fregatten. Also, um welche Lagen geht es konkret? Wie im FAZ-Artikel propagiert doch nur wieder die Militarisierung von Frontex durch die Hintertür, damit mehr Budget bei der Marine landet?
@Maggus:
Wie ich schrieb geht es mir nicht um eine Bewertung der Neubeschaffungen für die Marine sondern schlicht um die Tatsache, dass vieles an neuem Material da ist oder zuläuft.
Nach der Analyse müssten Sie dann bei der nächsten Bundestagswahl zwingend die »Alternative für Deutschland« wählen, die bekanntlich zur harten D-Mark zurück will: Frank-Walter Steinmeier meinte nämlich heute in einem Interview mit der Welt, dann würden die deutschen Exporte abgewürgt. Aber für den Weltfrieden muss man halt Opfer bringen…
@JR
Polemisch finde ich das gar nicht.
Mein Einwand bezüglich der Mahner und Bedenkenträger zielte nicht auf Kontrolle und Wachsamkeit ab. Beides finde ich unabdingbar.
Ich hatte eher das im Sinn, was Sie als Schlussfolgerung im zweiten Absatz formulieren: dass Diskurs alternativlos ist, aber leider stets nur gefordert, nicht geführt wird. (Unter anderem, weil er sofort die Mahner und Bedenkenträger aktiviert, was wiederum den Diskutanten lästig ist und dem offenen Diskurs schadet.)
Der Diskurs würde mich schon allein deshalb interessieren, weil ich ebenfalls gern wüsste, welche – nicht rein theoretischen – Möglichkeiten sich abseits der Kanonenbootpolitik eröffnen könnten.
> Frank-Walter Steinmeier meinte nämlich heute in einem Interview mit der Welt, dann würden die deutschen Exporte abgewürgt.
Bisher haben wir Gewinne in privater Hand und Kredite aus öffentlichen Kassen. Ganz gleich wie wir es handhaben wollen, aber dauerhaft ist dieses Konzept nicht.
> Der Diskurs würde mich schon allein deshalb interessieren, weil ich ebenfalls gern wüsste, welche – nicht rein theoretischen – Möglichkeiten sich abseits der Kanonenbootpolitik eröffnen könnten.
Eine ausgeglichene Handelsbilanz …
dann hier mal´n link zu dem artikel:
http://www.welt.de/politik/deutschland/article115056737/Der-Marine-koennte-es-bald-an-Schiffen-mangeln.html
[Den ich diesmal ausnahmsweise stehen lasse, weil eigentlich keine Links zu Webseiten deutscher Reeder, aber aus den oben genannten Gründen usw. … T.W.]
Also, ich sehe nun wirklich nicht, warum die Marine bei der aktuellen Reform im Vergleich zu anderen TSK (!) schlechter weggekommen wäre. Freilich waren und sind die Fähigkeiten der Marine vor und nach der Reform für eine angemessene Daseinsvorsorge Deutschlands für seine Bürger angesichts der hierzulande weitgehend unverstandenen maritimen Abhängigkeit unserer Wirtschaft peinlich mickrig.
Die Personal- und Materialprobleme der Marine sind aber eine andere Baustelle. Hier liegt es ja nicht daran, dass fehlendes Geld oder generell mangelndes maritimes Bewußtsein dazu beigetragen hätte.
Personalprobleme gab es schon vor der Reform bzw. der m.E. richtigen, aber überstürzten Abschaffung der Wehrpflicht. Letzteres hat die Lage kurzfristig verschärft. Was die Marine vor allem braucht, ist bestimmtes Fachpersonal. Fachpersonalmangel ist für Dtl. eine größere Bedrohung als Arbeitslosigkeit. Ich weiß nicht, ob die Marine das für sich verstanden hat. Mir scheint, dass hier auch Leute vergrault werden.
Bei den Materialproblemen haben Marine, ex-BWB und Industrie nicht gut geleistet. Auf Auftraggeberseite (Marine und BWB/BAAINBw) halte ich übermäßigen Kompetenzabbau für schuldhaftes Verhalten. Das repariert sich auch nicht.
Die Bedeutung des Seehandels für Deutschland kann man gar nicht hoch genug einschätzen, eine Stärkung der Marine wäre deshalb richtig.
Aber leider bekommt Deutschland ja nicht mal die neue Elbvertiefung hin. Das Bundesverwaltungsgericht lässt sich viel Zeit und sog. Umweltschuzverbände werden weiter alles tun, um die Elbvertiefung zu verhindern.
Ach, der Hermannus Pfeiffer… Sein Buch „Seemacht Deutschland“ habe ich vor drei Jahren mal verrissen: „Hermannus Pfeiffer hat ein Buch vorlegt, dass auf den ersten Blick eine zu lang offen gelassene Lücke im Sachbuchbetrieb unserer Republik füllt: „Seemacht Deutschland“. Die maritime Abhängigkeit dieses Landes von den Ölraffinerien im Nahen Osten oder den Werkbänken Asiens ist im globalisierten 21. Jahrhundert, in einer Zeit, da über 90 % des Welthandels über See geht, gerade in der Exportnation Deutschland kein Geheimnis mehr. Auch die Einsätze der Deutschen Marine, etwa am Horn von Afrika, sind mittlerweile im täglichen Bewußtsein angekommen. Umso abträglicher, dass sich dieser wichtigen Thematik nur wenig genährt wurde. Doch Pfeiffers Untertitel will einen noch weiteren Bogen spannen: Hanse, Wilhelminische Zeit und der von ihm so betitelte Maritime Komplex sollen betrachtet werden. […]Die vorgebrachten Thesen sind windschief und halten einer nüchternen Prüfung selten stand. Die historischen Beispiele von Wirtschafts- und Militärmacht zur See entdeckt der Autor schließlich in Verschmelzung in dem seiner Ansicht nach vorherrschenden Maritimen Komplex, der Schifffahrtsbranche, Deutsche Marine und deutsche Politik – einem schaurigen Kraken gleich – im Griff hat. […] Fazit: Auch wenn das Werk eine lobenswerte Ergänzung im deutschen Markt darstellt, ist der Titel irreführend, der Leser (zumal wenn er bzw. sie vom Fach ist) wird zumindest erstaunt zurückbleiben und sich wünschen, das Buch umtauschen zu können. Das Buch gleicht eher einem Seelenverkäufer denn einem schlagkräftigen publizistischen Schlachtschiff.“
Er hat sich nicht geändert.
Danke für den Themenanstoß, Herr Wiegold!
Aber Sie haben doch heute gelernt, wie das alles zusammenhängt: Erstmal müssen Sie der deutschen Wirtschaft, die sich erdreistet, überall in der Welt ihre Produkte zu verhökern (oder man muss vielleicht sogar sagen: den Kunden aufzudrängen), diese Unsitte nachhaltig austreiben. Wenn man nichts mehr nach Übersee verkauft, braucht man auch keine Frachtschiffe. Und wenn man keine Handelsschiffahrt mehr hat, braucht man auch keine Marine mehr, die ohnehin nur für Kanonenbootpolitik zu gebrauchen ist.
;-)
Dass Köhler wegen seiner Aussage zur SiPo zurücktrat ist eine Legende und dieses Thema wurde in AG schon ausführlich behandelt!
Dass wir vom Export abhängig sind, wie ein Drogenabhängiger, ist das Problem und nicht die angeblich kleine Marine. Die gewährleistung des Nachschubs an Drogen zögert den Tod nur hinaus. Die Abhängigkeit ist langfristig das SiPo Problem und nicht die angebliche Sicherung des Zuganges zu Rohstoffen. Siehe koloniale Geschichte unserer Nachbarn.
Wenn man die Marine der EU betrachtet, ist nicht die Größe (Kleine) das Problem sondern die fehlende Koordination!
Glaubt jemand im ernst, dass wir mit einer Marine in doppelter Größe unsere potentiellen Gegner beeindrucken könnten? Wie groß müsste eine Marine der BRD sein um unserer Exportmacht entsprechen zu können?
Die Größe der Marine oder deren Ausrüstung ist doch egal, wenn es am politischen Willen fehlt selbst mit ein paar leichtbewaffneten Piraten fertigzuwerden.
@Wolfgang-2
> Eine ausgeglichene Handelsbilanz …
Das mag eine Option sein, sicher eine naheliegende, außerdem eine vernünftige, aber nicht zwingend die einzige.
@chickenhawk
> Wenn man nichts mehr nach Übersee verkauft, braucht man auch keine Frachtschiffe.
Das gilt nur unter der Prämisse, dass man auch nichts mehr aus Übersee bekommt…
@ Hohenstaufen
Die Bedeutung des Seehandels für Deutschland kann man gar nicht hoch genug einschätzen, eine Stärkung der Marine wäre deshalb richtig.
Jetzt müssen Sie die beiden Teilsätze nur noch in Verbindung setzen.
Was sind die Bedrohungensszenarien für den Seehandel, und warum ist die deutsche Marine dagegen das geeignete Werkzeug?
(Auch gerade unter dem Gesichtspunkt, dass viele Güter von/nach Deutschland nicht auf deutsch beflaggten Schiffen unterwegs sind? Oder dass Reder selbst für die Sicherheit ihrer Schiffe sorgen könnten? Oder dass Piraterie eben nicht in Europa auftritt, und europäische Staaten dadurch rein wirtschaftlich gesehen sogar einen Wettbewerbsvorteil haben? Wenn das verschiffte Volumen für alle Handelsnationen gleichermaßen zunimmt, ändert sich dann für im speziellen Deutschland? 2004 blieben 74% der europäischen Warenexporte in der Region Europa, 9% gingen in die USA – hat sich hier die Bedrohungslage geändert? HWWI, S 12)
Oder mal ganz Meta: Wenn die Sicherheit der Handelswege so wichtig und gefährdet ist, warum scheint sich dann das Recht für internationale Gewässer immer noch auf „der betroffene Flaggenstaat entscheidet, Piraterie darf verhindert werden“ zu beschränken? Warum gibt es keine internationale Meerespolizei?
Sind die Probleme nicht seltsamerweise gerade „bedrohlich“ genug, dass mehr Geld für die Marine dabei rausspringen soll, aber keine langristigen internationalen Anstrengungen unternommen werden müssen? Ein Schelm wer böses dabei denkt…
Hier werden zwei Fragen vermengt, die aus guten Gründen auseinander gehalten werden müssen. Denn aus der Tatsache, dass die Produktion am Standort D einen hohen Exportanteil aufweist folgt noch lange nicht, dass wir das Zeug auch selbst über See transportieren müssen. Die Schweiz weist ähnliche Industriestrukturen auf, ist aber bekanntermaßen maritim nicht so stark engagiert – wie es umgekehrt Länder gibt, die traditionell Transportleistungen im Seeverkehr für andere erbringen ohne selbst große industrielle Exporteure zu sein (Beispiele liefern Griechenland, Norwegen oder auch Ägypten). Die Frage, ob wir selbst auch transportieren wollen, ist dann ganz simpel eine Frage der (politischen) Preise (d.h. Subventionen): Was darf uns unsere Handelsmarine denn so kosten?
Davon getrennt ist die Sicherheit der Seewege zu sehen, die deutlicher als viele andere Aspekte der internationalen Verkehre aufzeigt, wie erschreckend schwach der große Hegemon USA und das von ihm aufgebaute und unterhaltene System der Absicherung geworden ist. In den 70er/80er Jahren waren die heutigen Probleme kaum vorstellbar. Bei dem was jetzt bewältigen ist, spielt es keine Rolle, ob eine Hand voll deutscher Fregatten, Korvetten oder Uboote mehr oder weniger herum schippert. Es fehlt gar nicht so sehr an bewaffneten Kräften zum Ordnung machen, sondern an einer verlässlichen, arbeitsfähigen Ordnung selbst. Ich erinnere nur an das TamTam um die Frage, welcher Staat und welche Gerichte nach welchen Regeln über festgesetzte Piraten zu urteilen haben. Wenn da vernünftige, arbeitsfähige Regelwerke und Strukturen aufgebaut werden könnten, wären wir weiter – obwohl dazu nur mit Tinte geschossen werden muss.
Die ganz andere Frage, ob wir die derzeit existierende deutsche Seeverkehrswirtschaft brauchen, kann mit einem glatten „Nein“ beantwortet werden. Denn die war bereits vor der Lehman-Krise extrem teuer, die Subvention pro Arbeitsplatz/Jahr lt. Rechnungshof im gut im fünfstelligen Bereich. Die Krise tut das ihre dazu, es noch deutlich teurer werden zu lassen. Wohlgemerkt: Die selbst verschuldete Reedereikrise, an deren Wurzel die völlig irrsinnige Gier der Rickmers und Konsorten liegt (Gier frisst auch bei Reedern Hirn). Die Reeder gingen ins Jahr 2008 mit einem Orderbuch, dass auch ihnen auch ganz ohne Lehman-Krise das Genick hätte brechen müssen. Dies schlägt sofort auf die finanzierenden Banken durch: Die Reeder haben natürlich ganz so wie die bösen Investmentbanker bei den Hypothekenverbriefungen mit fremdem Geld gezockt. Die HSH-Nord und die Commerzbank gehören nicht zufällig zu den größten Hilfeempfängern bei der Bankenrettung. Das muss so sein, die beiden gehören zu den weltweit wichtigsten Schiffsfinanzierern. Rechnen wir also noch die anteilig auf die sauer gewordenen Schiffskredite fälligen Subventionen ein, dann liegen die Subventionen pro Job/Jahr über 50.000 Euro – was nur wenige Seeleute unter „brutto“ auf ihrem Lohnstreifen sehen. Wenn die Subventionen pro Arbeitsplatz über das Bruttoeinkommen je Arbeitsplatz hinaus gehen, wird es billiger, wenn man die Leute bei vollem Gehalt nach Hause schickt und sich den Rest spart. Genau in dieser Lage sind wir.
Und dabei haben wir noch immer nicht die indirekte Subvention der Reedereien durch den hoffnungslos überteuerten Marineschiffbau berücksichtigt, der den deutschen Reedern subventionierte Werftkapazitäten zur Verfügung stellt . . .
Wenn also ein gewisser Herr Nagel herum läuft und großmäuliges Zeug über die Leistungen der deutschen Reeder erzählt, immer daran denken: Nagel ist Lobbyist. Solche Leute riskieren die fristlose Kündigung, wenn sie aus Versehen die Wahrheit sagen. Wenn ehrlich wäre, würde er nicht für einen Verband deutscher Reeder sondern den Förderverein „Schwimmender Steinkohlebergbau“ auftreten. Soviel zu den blinden Flecken.
Eine internationale Meerespolizei wäre ungefähr so sinnvoll wie der UN Menschenrechtsrat, befürchte ich.
Eine Bewaffnung der Reeder möchte man eigentlich nicht, weil man dann letztlich private Kriegsmarinen bekommt, den Söldnermarkt noch weiter anfeuert und lustige Ausnahmeregelungen für die private Kriegswaffeneinfuhr an Häfen schaffen muß.
Aber die Frage nach der Bedrohung ist interessant. Obwohl Exportnation sind wir überseeisch von unserem IMporten abhängig. Wir brauchen sichere Routen nach Asien, speziell China. Sonst sind unsere Läden leer. Klingt nach Partnerschaft, denn China ist an diesen Routen ja auch interessiert.
Nächste Frage: Wo kommt unser Öl her? Wie sichern wir diesen Nachschub, wenn die Amis dank Fracking und Ölschiefer den Nahen Osten nicht mehr so dringend benötigen?
@ Elahan
Dass wir vom Export abhängig sind, wie ein
Drogenabhängiger, ist das Problem
Nein, im Gegenteil: Es trägt enorm zu Macht und Wohlstand Europas bei.
Europa importiert vor allem Rohstoffe, und exportiert teure Industriegüter. Die Devisenüberschüsse bedeuten Macht und Sicherheit. Selbst bei ausgeglichener Handelsbilanz ermöglicht das Preisgefälle zwischen Industiegütern und Rohstoffen einen enormen Luxus.
Ein Drittel des weltweiten Warenhandel findet innerhalb der Region Europa statt (das ist also ein enormer, in sich recht stabiler Markt, und damit Machtfaktor). Gleichzeitig gehen über 40% der Warenströme Russlands und Afrikas nach Europa, während Exporte in diese Regionen für Europa gerade mal 2-3% ausmachen. Das ist schon ein enormes Machtgefälle. (Für andere Regionen geht das Gefälle in die gleiche Richtung, ist aber nicht ganz so krass. Selbst für nach Asien ist das Verhältnis des Exportanteils 3:1) Dazu kommt, dass die neoliberal knebelnde Weltwirtschaftsordnung dieses Status Quo auch noch zementiert.
So oder so sorgen die wirtschaftlichen Abhängigkeiten für zwischenstaatliche Stabilität. (Dass sie arme Länder zu Lasten der Industriestaaten benachteiligen, und dadurch Konflikte dort schüren, ist ein anderes Kapitel.)
Die Machtfülle – oder eher das Machtpotential – des Euroraums ist enorm. Und es ist ein Glück, dass die Euro-Staaten die Wirtschaft ernster nehmen als das Militär. Trotzdem ginge da noch soviel mehr. Und gerade die Merkel-Jahre konzentrierten sich ja eher auf die Vormachtstellung Deutschlands innerhalb Europas, als auf die Europas in der Welt.
Deutsche Sicherheits und Außenpolitik ist vergleichsweise unkoordiniert. Während des Kalten Kriegs waren die Hauptziele klar: Westintegration und Wiederveinigung, da brauchte man keine starke Marine, die Nato hatte genug zu bieten. Seitdem hat sich nicht viel geändert, Deutschland denkt kaum über Europa hinaus: http://theblindowl.de/2013/04/03/alternativlose-europolitik-deutsche-macht-in-europa-ohne-machtstreben/
Und für europäische Politik ist eine starke Marine halt nicht nötig.
> Dass wir vom Export abhängig sind, wie ein Drogenabhängiger, ist das Problem
Das sehe ich ähnlich wie J.R.. Unsere wirtschaftliche Position begründet unsere Machtposition. Und so ist gerade der Osten nicht durch Krieg, sondern wirtschaftlich besiegt worden. Zumindest sagt man das so.
Fassen wir mal zusammen, was eine „ausgeglichene Handelsbilanz“ bedeuten würde:
a) Wir hätte relativ hohe Arbeitslosenzahlen vergleichbar mit den Ländern in Südeuropa (>20%?).
b) Wir bekämen kaum noch Rohstoffe und müssten extrem Recyclen (wobei das ggf. sogar gut wäre) – Möglicherweise reduziert das auch unsere Möglichkeiten an Öl und Gas zu kommen.
c) Wenn wir wie derzeit absehbar außerdem auch aus der Kernenergie auststeigen wollen, dann können nur noch maximal 30 bis 40 Millionen Menschen in Deutschland leben (die genaue Zahl können die Experten sicherlich errechnen) wir müssten also die gesamte Migration rückabwickeln und müssten weiter klar auf Nachwuchs verzichten bis war das Ziel erreicht haben.
d) Rückgang des Lebensstandards/Kaufkraftschwund
e) Umfangreiche Realisierung von Verlusten durch bisher eingegangene und gewährte Bürgschaften und Kredite
Ich glaube nicht, dass ein solches Konzept in DE mehrheitsfähig ist. Auch die AfD wird keiner wählen wenn den Leuten klar ist, was das für Konsequenzen hat.
@wolfgang-2
„Fassen wir mal zusammen, was eine “ausgeglichene Handelsbilanz” bedeuten würde:
[eine Reihe Unisnn]“
Eine ausgeglichene Handelsbilanz erreicht man durch höhere Nettoeinkommen gerade in den unteren Lohngruppen die Einkommen unverzüglich in Konsum umsetzen. (erreichbar z.B. durch Senkung der Mehrwertsteuer und Erhöhung der Einkommenssteuer in den oberen Tarifen)
Höherer Konsum führt auch zu mehr Arbeitsplätzen die allerdings in dem für den Export produzierenden Gewerbe verlorengehen würden. Warum sie meinen das dadurch 20% Arbeitslosigkeit geschaffen würde entzieht sich mir.
Reduzieren Sie die Debatte mal nicht so sehr auf Deutschland und seine Marine-Fähigkeiten. Die Bedeutung des Seehandels ist international.
Es gibt eine nicht unwesentliche Auffassung, dass die Sicherung der mare liberum ein Teil der R2P ist und die internationale Staatengemeinschaft sich deshalb zukünftig vermehrt mit der Sicherung der Seewege auseinandersetzen muss.
Zitat: „Fassen wir mal zusammen, was eine “ausgeglichene Handelsbilanz” bedeuten würde: “
Eine ausgeglichene Handelsbilanz wurde in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts (2000 – 2007) auch deshalb nicht erreicht, weil eine massive Kapitalflucht aus Deutschland in den Süden des Euroraums stattfand. Die Zinsen waren im Mittelmeeraum wesentlich besser als in Deutschland. Eine Kapitalflucht aus Deutschland und ein Exportüberschuss sind zwei Seiten derselben Medaille. Beides führt zu einer negativen Handelsbilanz.
Gleichzeitig haben die deutschen Arbeitnehmer einen massiven Reallohnverlust bzw. eine langandauernde Stagnation in diesem Zeitraum erfahren. Sie haben damit den Preis für die hervorragende Exportfähigkeit der deutschen Wirtschaft bezahlt. Jetzt bezahlt der deutsche Sparer den Preis für die Misswirtschaft der südländischen Banken, indem der Sparzins in Deutschland unter der Inflationsrate liegt und sie letztendlich für die Schulden der Südländer bürgen müssen.
Eigentlich hätten die Anteilseigner und Gläubiger der südländischen Banken, in der Masse deutsche und französische Investoren, die deutschen Banken und Versicherungen, die Pensionskassen die ihr Geld in Spanien, Italien und Griechenland angelegt hatten den Preis zahlen müssen. Die sind aber durch die EZB als vorrangige Gläubiger geschützt worden.
Also die Deutschen haben schon ihren Preis gezahlt. Jetzt sind erstmal die Reeder dran, indem sie ausgeflaggte Schiffe wieder zurück holen und in Deutschland ihre Steuern bezahlen und dann auf die Hilfe des Staates hoffen dürfen.
Albrecht von Stosch (General der Infanterie und Admiral – 1872 bis 1883 königlich preußischer Staatsminister und erster Chef der neu gegründeten Kaiserlichen Admiralität) soll gesagt haben: „Wir brauchen Kolonien, denn wir wollen eine Flotte!“ Das war an sich ein echt gutes maritim-strategisches Konzept, auch wenn es von einem Infantristen kam – es war allerdings von hinten aufgezäunt. HaJo und Lutz und Carlo stellen das Konzept endlich auf die Füße, denn wir brauchen offenbar eine Marine, weil wir im wirtschaftlichen Sinne eine europäische und darüber hinaus globale Wirtschafts(kolonial)macht sind ;-)
Das Ende der kaiserlichen Marine und letztendlich das Ende der Monarchie in Deutschland ist dann durch die Matrosenaufstände eingeläutet worden (Schiffe an der Pier rotten und die Besatzung geht vor die Hunde….oder meutert ;-)) Ich hoffe, das Ende der Republik wird jetzt nicht auch wieder durch eine Marine eingeläutet, die man einerseits merkelistisch behandelt und merkantilistisch nicht Ernst nimmt !
Eine muntere Versammlung von Hobbyökonomen hier – vielleicht sollte die „ökonomische“ Diskussion lieber die Frage behandeln, ob Marktversagen vorliegt und ob durch die Bereitstellung eines öffentlichen Gutes „Marine“ eine tatsächliche Allokationsverbesserung eintritt.
@ Klabautermann
Ist die deutsche Marine ökonomisch denn relevant? Oder dient die etwas löchrige Argumentation „Schiffe fahren zur See, also braucht es eine deutsche Marine“ nicht vor allem den Interessen der Institution Marine, und weniger denen Europas und Deutschlands?
(Also das, was Bang50 sagt ;) )
@J.R.
Die deutsche (See)wirtschaft braucht und nutzt massiv die hohe See. Das ist ohne Zweifel ein volkwirtschaftlich sehr relevanter Teil unseres Wirtschaftsmodells. Damit hat nach der 3.Seerechtskonvention auch und gerade Deutschland eine – sagen wir mal – ordnungspolitische Verantwortung nicht nur in den deutschen Küstengewässern und der anschließenden Wirtschaftszone, sondern imho auch im Bereich der internationalen Seefahrtswege…wir können uns natürlich – da wir ja keine Kolonien haben ;-) – auf jeune ecole-artige Küstenverteidigung und -schutz reduzieren als Deutsche Marine, dann wird man Deutschland angesichts seiner Wirtschaftsmacht einerseits und der Abhängigkeit dieser Wirtschaftsmacht vom freien und sicheren Seeverkehr endgültig als Trittbrettfahrer und Öko-Kolonialist brandmarken….und das zu Recht
@klabautermann:
Kann man ja so sehen, dann passt jedoch weiterhin (wie hier schon angesprochen) die konzeptionelle Ausrichtung – oder besser deren Fehlen – nicht dazu.
F125, KGv Basis See, Reduzierung Minenjagd.
Und jetzt bitte nicht der Politik die Schuld geben.
Es könnte, betrachtet vor dem Hintergrund der Wirtschaftskraft Deutschlands, Anspruch der Marine sein, im Schnitt jedes Jahr 2 neue Schiffe / Boote in Dienst zu stellen. Wenn man auf die in den „letzten“ Jahren in Dienst gestellten Einheiten schaut, ich fange da mal 1994 mit den F123ern an, kommt man auf 19 Jahre:
Das wären 7 Fregatten, 5 Korvetten, 3 EGV, 4 U-Boote. Das ist pro Jahr eine Einheit.
Schaut man auf den finanziellen Anteil der Beschaffungen im Verteidigungsetat, pro Jahr sind das etwa 10,5Mrd€, sollte man meinen, dass für die kleinste Teilstreitkraft p.a. 1,5Mrd€ zugeteilt werden könnten.
Nun sind Beschaffungen nicht nur die fahrenden Einheiten, sondern auch Flugkörper, Hubschrauber etc…
Gibt es Zahlen zur Verwendung der 10,5Mrd€? Kann man erkennen, wofür die Marine ihren Anteil ausgab?
Die Reduzierung der MKS180 von 8 auf 6 Schiffe darf man so oder so kritisch sehen. Ebenso wie die geringe Anzahl von MH90, die nun beschafft werden.
@Memoria
keine Sorge, die Politik hat an dieser konzeptionellen Ausrichtung der Marine imho nur wenig Schuld – abgesehen davon, dass die F125 in der Marine als „Schröder-Fregatte“ bekannt ist ;-) und man der Marine außer Platitüden im Weißbuch keinen konzeptionellen Freiraum gelassen hat !
Wenn man die KGvBasisSee aufmerksam liest, dann wird man auch die von mir eingebrachte Facette finden. Ich hab nur einmal auf den Aspekt globale Wirtschaftsmacht ohne globale Teilhabe an der maritimen Sicherheit hingewiesen. Ich habe kein Gesamtkonzept Marine skizziert….wer bin ich denn…..nur nen oller Klabautermann ;-)
@klabautermann:
Ich halte die KGv ja auch für eine der besten konzeptionellen Papiere seit Jahren.
Die Marine hat eben Weitblick. Aber ein JSS – darum ging es ja bei der KGv – hätte man anstatt der F125 haben können, wenn man sich mal weit nach ETrUS ordentliche Gedanken gemacht hätte.
Zudem klagt die Marine dank Küsten-Gang seit Jahren auf hohem Niveau.
@ klabautermann
Aber dann doch mal Nägel mit Köpfen: Was sind konkret die Bedrohungen der internationen Seefahrtswege, und gegen welche ist die deutsche Marine das geignete Mittel?
Mir ist schon klar, dass Sie von der Diskussion direkt betroffen sind. Und dass sie vermutlich, wie die Admirals-Autoren des FAZ-Artikels auch, sowieso von der Notwendigkeit einer deutschen/europäischen Marine ausgehen. Eigentlich will ich da auch grad gar keine Grundsatzdiskussion lostreten. Eigentlich will ich nur, dass diese argumentative Lücke geschlossen wird. ;)
@J.R.
es geht mir nicht um „Bedrohungsabwehr“….das wäre ja wieder diese ein-dimensionale Betrachtungsweise.
Nur so viel: als global economic player (und Priofteur !) hat Deutschland auch global responsibilities PUNKT
Und da es auf der hohen See keine Weltmeerespolizei gibt, hat das Völkerrecht diese ordnungspolitische und law enforcement Rolle den Marinen der Nationen übertragen. Deutschland hat die 3. Seerechtskonvention unterschrieben und ratifiziert….
Es geht ja auch nicht nur um Schutz der Seefahrtswege, sondern um die verantwortliche Teilhabe an der völkerrechtlich geregelten Nutzung der Ozeane…..von Umweltschutz bis counter-piracy usw.
@Memoria
da muss ich als sehr direkt betroffener Zeitzeuge und -täter leider widersprechen, das ETruS ist letztendlich durch die Schröder-Fregatte aus dem BW-Plan raus geflogen….so rum wird ein Schuh draus ;-)
@Klabautermann:
Interessant.
Weil man ETrUS und F125 gleichzeitig wollte?
Anscheinend war auch der Marine damals F125 wichtiger.
@Memoria
„Küstengang“…tse, tse. Das wird Lutz aber hart treffen !! Und klagen tut die Marine auch nicht, wir versuchen unseren ganzen Job (und das ist eben nicht nur Verteidigungsvorsorge und militärische Risikoabsicherung) im Rahmen unserer Möglichkeiten zu machen. Diese Möglichkeiten werden aber immer schneller immer geringer….und das ist nicht gut für Deutschland (weder politisch, noch wirtschaftlich, noch militärisch)…..wie ich versucht habe zu erläutern ;-)
@Memoria
sagen wir mal so: weil eine TSK eben nicht so richtig wußte, was Einsatztruppen sind, gleichzeitig aber ein Werftenkonsortium wieder mal mit der Arbeitsplatzkarte wedelte und der Wahlkampf vor der Tür stand ;-)
Ich persönlich halte das MZS (Naumann-Arche), den ETruS und auch das JSS für eine perfide konzeptionelle Venusfalle der land-centric Bundeswehrplaner, in die die Marine ein 3. Mal tappen wird ;-)
@Klabautermann
Den Hinweis auf das Heer hatte ich bereits erwartet. :-)
JSS & Co sind genau deswegen so interessant.
Was ist die bundeswehrgemeinsame Ausrichtung der Neuausrichtung?
Jeder bleibt in seiner Welt. Heer: Panzerkrieg + etwas Einsatz, Lw: Wir machen was die USAF macht. Marine: Wir sichern die Seewege.
Ein JSS ohne amphibische Komponente wäre trotzdem kein Fehler. Aber lieber man verzettelt sich im TSK-Streit.
Nachtrag: Die Küstengang ist eine Marine-affine Gruppe im Haushaltsausschuss.
Argumentationslinien oft wie bei den Kolonien.
Hauptsache Werftenauslastung.
Die Marine liefert wie in der FAZ den geistigen Überbau.