Deutschlands blinder maritimer Fleck
Über die maritime Abhängigkeit des Exportlandes Deutschland können die Experten viel, lange und trefflich reden – meist erreichen sie im Land mit der drittgrößten Handels- und größten Containerflotte weltweit nur wenige. Was die Bedeutung von Meer und Seewegen für die deutsche Bevölkerung und Wirtschaft angeht, scheint es wirklich (mal abgesehen von den Küstenländern) einen blinden Fleck zu geben.
Vor ein paar Tagen haben einige dieser Experten dazu was Lesenswertes aufgeschrieben:
Die sichere Nutzung der See spielt für moderne Industriegesellschaften wie die Bundesrepublik Deutschland und ihre europäischen Partner eine zentrale Rolle. (…)
Die starke politische, ökonomische und ökologische Abhängigkeit Deutschlands und der EU von Entwicklungen auf See wird jedoch weder von den Politikern noch von den Bürgern mit der notwendigen Klarheit erkannt. Im Gegenteil, mit Blick auf die See und ihre Bedeutung lässt sich durchaus von einem gewissen Desinteresse, ja gar von einer Blindheit sprechen. Sie führt dazu, dass maritime Fragen weder in Deutschland noch in Europa besondere Aufmerksamkeit genießen.
schreiben die beiden Ex-Admirale Lutz Feldt (früherer Marineinspekteur), Hans-Joachim Stricker (früherer Befehlshaber der Flotte) sowie Carlo Masala und Konstantinos Tsetsos von der Bundeswehruniversität München in ihrem Gastbeitrag Kein Land in Sicht? für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.* Die Kontrolle über die See, so ihr Fazit unter Berufung auf ein Zitat US-Admirals Alfred Thayer Mahan, bestimmt den wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes – und da stellt sich Deutschland derzeit recht schwach auf.
Dieser Ansatz provoziert natürlich auch Widerstand, sehr schön dargestellt in dem taz*-Artikel Deutschland, volle Kraft voraus (einen Kommentar des selben Autors vom gleichen Tag habe ich online leider bislang nicht gefunden). Dessen Kernvorwurf, wenn auch nicht wörtlich so ausgesprochen: Deutschland setzt auf power projection zur See und will wieder Fähigkeiten wie zuletzt im Zweiten Weltkrieg haben – wer denkt bei dem Satz Die neuen 90 Meter langen Tarnkappenschiffe (…) sollen lange Zeit weltweit vor fremden Küsten kreuzen und erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder Landziele beschießen können nicht automatisch an die Beschiessung der Westerplatte?
Nun ist eine solche Befürchtung für diejenigen, die sich ansatzweise mit der Deutschen Marine beschäftigen, ein wenig absurd. Angesichts der Situation dieser Teilstreitkraft auch in den kommenden Jahren dürfte die Behauptung, sie setze auf power projection, ähnlich zutreffend sein wie die Aussage, dass die taz den Meinungsmarkt in Deutschland zu kontrollieren droht… aber das ist eine andere Baustelle.
(* Hier werden üblicherweise, die meisten Leser wissen das, deutsche Verleger-Webseiten nicht verlinkt. Aus zwei Gründen mache ich in diesem Fall eine Ausnahme: Zum einen halte ich das Thema für wichtig. Und zum anderen hatte ich ja lautstark – erst hier und als Folge dann hier – moniert, dass der Gastbeitrag von Feldt und den anderen bei der FAZ hinter einer Paywall verschwunden und damit der öffentlichen Debatte entzogen war. Nachdem die FAZ ihn jetzt für jedermann sichtbar gemacht hat, sollte das auch genutzt werden.)
(Foto: Archivbild 2008: Die Fregatte Lübeck begegnet vor der spanischen Atlantikküste einem Frachtschiff, beladen mit Containerversetzkränen – Bundeswehr/Böhnke via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)
@Memoria
ich habe mal in einem 3-seitigen Memo den Satz „Ein Schiff ist kein Schiff“ geschrieben. Der damalige Minister hat das verstanden und fand den Satz gut (der damalige GI weniger, denn er wollte doch seine Arche) . Will sagen: entweder 3 ETruS oder JSS oder eben keins. Spätestens mit dieser Neuausrichtung der BW und auch mit Blick auf den HH-Plan ist das Thema imho tot.
@J.R.
„Nein, im Gegenteil: Es trägt enorm zu Macht und Wohlstand Europas bei.“
Ja, auch der Drogenabhängige fühlt sich gut, solange er Stoff bekommt und die Beschaffung nicht gestört wird. Sie sprechen von der Gegenwart und ich meinte die Entwicklung fortgeschrieben und da ist klar, dass wir wohl eher neue Mitbewerber bekommen, die Rohstoffe teurer werden als das uns diese nicht zur Verfügung stehen werden. Zu dem wird die Bedeutung des Landwegs über Russland/Türkei zunehmen.
Wenn wir so weiter machen, dann hat die Mehrheit der Menschen ein SiPo Problem und da hilft auch keine Verdoppelung der Marine und wenn……unrealistisch.
Was ist das EU Konzept der Marinen?
Ohne unsere Partnerkönnen wir nich effektiv Handeln!
@Klabautermann:
JSS ist auch aus meiner Sicht vom Tisch.
Gescheitert sind die Vorgänger jedoch daran, dass man nicht wusste was man wollte.
Man schaue sich die Kosten für F125 an.
Die Werften hätten auch was anderes gebaut.
Mal wieder ein Beispiel dafür wie auch hier die Legende gepflegt wird, dass Politik und Industrie die Hauptschuldigen sind. Obwohl der Bedarfsträger in allen Bereichen allzu oft inkompetent ist.
lol @Memoria
das ist doch das Spiel….Küstengang, Lodenmantelgilde und Luftikus-Club……
Am Ende des Tages sollten aber auch Sie akzeptieren, dass auf der Waffensystemebene component capability vor joint capability kommen muß, wenn man sich nicht so verausgaben will wie die US, bzw. so viel Kohle zum Fenster raus schmeißen kann wie die Chinesen ;-)
@klabautermann
DU warst das?!
;-)
@Memoria
na ja, wer nun den Inkompetenzpreis verdient….ich weiß es nicht ;-)
Militärische Großvorhaben Invest kann man nicht mal eben per Mausklick aus dem engineering desktop in den 3D-Drucker schicken.
F125 ist (nicht zuletzt durch die Marine) zu einem ganz interessanten Konzept gereift
Erinnert mich an das Hilfskreuzer-Konzept des Kaisers ;-)))
@klabautermann:
Das akzeptiert ich auch und sehe auch, dass unsere Marine und ihre Rolle zu oft unterschätzt wird. Trotzdem fordere ich auch von der Marine ein: eine klare Vorstellung davon zu haben was man machen und haben will.
Da gibt es dann wohl keinen grossen Dissens zwischen uns.
@T.W.
jau, „Ich.wars“ ;-)
@Memoria
keinerlei Dissens zwischen uns…..guter Gedankenaustausch, danke ;-)
Die Komplexität von GVI ist mir bekannt. Danke.
Hilfskreuzer waren deutlich innovativer als die F125.
Hilfskreuzer-Ansätze waren was für Atalanta.
Die Idee hatte ich vor Jahren mit dem Fü M informell besprochen.
Ergebnis: Angst vor der eigenen Courage.
Das mein ich auch mit Inkompetenz, die immer stärkere angeblich (!) politisch korrekte Denkweise.
@Memoria
wie bereits geschrieben: kein Dissens ;-)
@klabautermann
Wer sagt, dass das mit dem 3D Print nicht funktionierten könnte
http://3dprintinginsider.com/the-future-of-the-navy-print-me-a-cruiser_b2527
;-)
@Sönke
science fiction ;-)
Das waren Metallschiffe über Tausende von Jahren auch ;-)
@Söenke
sach ich doch: science fiction, also komm mal wieder in 1000 Jahren mit nem funktionierenden Schiffe-Drucker vorbei ;-)
Ist ja ganz nett, dass sich hier so viele die Mühe geben, mich bei diesem Thema wieder in diese lächerlich banale Rüstungs- und Beschaffungsdiskussion zu ziehen, however: I don’t fall for it anymore ;-)
@Klabautermann
Was wäre denn faehigkeitsorientiert die Alternative? Neben Weglassen oder Outsourcen
Ich kann Bang50 Argument hinsichtlich des Mehrwerts nicht nachvollziehen, dann müsste ich konsequenterweise auch die Feuerwehren abschaffen, dann ist Feuer halt eben nur der Verlust der Marktteilnahme…
@Memoria, Klabautermann
Passt zwar auf nur indirekt auf den hier vorliegenden blinden Fleck, deckt eher den grundsätzlichen Professionalismus Fleck ab ( daher ev ein eigener Thread)
http://www.isn.ethz.ch/isn/Digital-Library/Articles/Special-Feature/Detail/?lng=en&id=162902&contextid774=162902&contextid775=162899&tabid=1454243723
Aber da sind auch maritime Wahrheiten verborgen
@Sönke
Fähigkeitorientierte Alternative zur Marine sind natürlich Luftschiffe für die Luftwaffe und Luftschlösser für das Heer ;-)
@Sönke Marahrens:
Den Bericht hab ich heut auch bei DM gesehen und wollt sie drauf hinweisen.
Sehr gut zusammengefasst.
Da bleibt nur wieder meine Forderung nach einer besseren kriegstheoretischen Ausbildung in der Bundeswehr.
Ohne die ist alle konzeptionelle Arbeit orientierungs- und somit zwecklos.
„F125 ist (nicht zuletzt durch die Marine) zu einem ganz interessanten Konzept gereift“
Interessant weil hilflos?
Kann mir schon denken wie das wieder gelaufen ist: Och was bauen wir jetzt Fregatte oder JSS. Ach wir können uns nicht einigen also bauen wir ne Mischung aus beidem. Wahnsinn!! Da kann ich der „Hilfskreuzer-Idee“ noch mehr abgewinnen, die wären innerhalb kürzester Zeit verfügbar gewesen.
So ist es. Die Marine kann auf See, an Land und in der Luft kämpfen.
Doch die Frage bleibt……..wann und für welchem Anlass muss die Bw/Marine gerüstet sein?
Das ist bei der Feuerwehr einfach und war es bei der Bundeswehr bis zur unsäglichen Wirtschaftsunterstützungs- und Menschenrechtsverbesserungsdiskussion auch.
Für Landes- und Verteidigung könnte das EU-Arsenal evtl genügen!
Für mehr aber auch nicht.
Ich sehe schon dass ich nochmal nachsetzen muss. Sönke Marahrens hat mit seinem Feuerwehrvergleich den Kern getroffen: Was ist eine ökonomische Frage, was ist eine politische Frage und wann werden diese Dinge miteinander vermischt um einer Sache dienlich zu sein?
Um zu klären was in diesem Fall eine ökonomische Begründung ist, muss ich das ökonomische Gerüst einmal durchdeklinieren:
Die Ökonomie ist in erster Linie die Wissenschaft vom effizienten Einsatz knapper Güter/Ressourcen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und der Verteilung dieser Güter/Ressourcen innerhalb der Gesellschaft – mehr nicht.
In unserem Fall wird nun erörtert ob ein öffentliches Gut (Deutsche Marine) zukünftig mehr Ressourcen erhalten soll um einen eventuellen volkswirtschaftlichen Schaden abzuwenden.
Die Wohlfahrtsökonomie macht zur Bedingung: Das Eingreifen des Staates ist dann gerechtfertigt, wenn es zu Marktversagen kommt (uns also in diesem Fall ein volkswirtschaftlicher Schaden entsteht).
Die Ordnungsökonomen gehen bei dieser Argumentation mit – stellen aber eine weitere Bedingung: Das Eingreifen des Staates ist dann gerechtfertigt, wenn eine tatsächliche Allokationsverbesserung durch den Eingriff zu erwarten ist.
Was für unseren Fall bedeutet, dass die Mehrausgaben für die Marine tatsächlich zu einem erhöhten Wohlstand führen müssten. An diese Stelle möchte ich ein quod esset demonstrandum setzen. Diese Frage sollte Gegenstand der Diskussion sein, da sinngemäß behauptet wird: „Deutschlands Wohlstand muss durch die Marine gesichert werden und dazu bedarf es mehr Ressourcen.“ Diese Frage muss mit eindeutig „JA“ beantwortet werden können, wenn man sich das Gütesiegel “ökonomisch sinnvoll“ umhängen möchte.
Beantwortet man diese Frage nicht befriedigend, gibt man automatisch den Anhängern der Public-Choice Theorie Recht. Wonach zwischen Marktversagen (volkswirtschaftlicher Schaden) und dem staatlichen Handeln (mehr Ressourcen für die Marine) nicht immer ein kausaler Zusammenhang besteht. Begründet wird das mit Lobbyismus und rent seeking Verhalten der staatlichen Bürokratie.
Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass dies hier der Fall ist oder manche Kommentatoren bewusst partikularinteressen Vertreten. Jedoch wurde in dieser Diskussion das Pferd stets von hinten aufgezäumt: “Die Marine braucht mehr Ressourcen, da Deutschlands Wohlstand vom Seehandel abhängt.“
Soweit das Gerüst wenn man ökonomische Gründe für eine maritime Aufrüstung ins Feld führt.
Davon unabhängig kann man eine Aufrüstung aber auch politisch Begründen:“ Wir rüsten unsere Marine auf, um mehr Macht projizieren zu können“
Mein sehr subjektiver Eindruck ist, dass dieser Wunsch oft der Vater des Gedanken ist und man die ökonomischen Gründe nur vorschiebt um der eigenen Position mehr Gewicht zu verleihen. Ich meine jedoch, wenn man an einer Aufrüstung interessiert ist um mehr Macht projizieren zu können (oder Schiffe einfach toll findet wie ich), sollte man das auch so kommunizieren und nicht die Ökonomie dafür “missbrauchen.“
P.s Ökonomen sind manchmal recht sonderbar. Eine Feuerwehr wünscht sich ein Ökonom wenn es brennt – ansonsten ist sie ein unnötiger Kostenfaktor ;-)
Bang50
@Bang50
ich frag mich die ganze Zeit, wer hier von maritimer Aufrüstung schreibt oder redet außer Ihnen? Nach meiner durchaus intimen Kenntnis ist die Marine in den letzten 20 Jahren überproportional im Vergleich zu Heer und Luftwaffe abgerüstet worden und dies trotz ihrer Rolle jenseits von militärischer Verteidigungsvorsorge und Risikoabsicherung wie ich oben bereits schrieb. Wo ist denn bitte ihre Schlußfolgerung auf Basis Ihres ökonomischen Bewertungsmodells in Sachen Heer und Lw ?
Die Marine möchte nur den überproportionalen Demontage-Trend brechen, von Aufrüstung kann hier keine Rede sein.
Die F125 ist mehr mit den „Stationskreuzern“ oder auch „Kolonialkreuzern“, den grossen Brüdern der Kanonenboote von den 1860ern bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs, vergleichbar. Das waren auch Schiffe die im asymmetrischen Bereich sehr gute Fähigkeiten hatten (haupsächlich wegen den großen Besatzungen mit infanteristischer Nebenfunktion und der hohen Seeausdauer) aber in jedem symmetrischen Konflikt praktisch wehrlos waren, zu schwach bewaffnet und gepanzert und dann auch noch langsamer als jeder auf symmetrische Szenarien ausgerichteter Gegner.
Während die meisten dieser Kreuzer ursprünglich symmetrisch ausgerichtet waren aber in der ransanten technischen Entwicklung oft schon mit Ausserdienststellung veraltet war und dann den Dienst in den „secondary theatres“ mit dem Ausüben von „sea control“ verbrachten gab es auch einige Entwürfe („ungeschütze Kreuzer“) die schon von vornherein für diese Aufgaben vorgesehen waren.
Was man der F125 vorwerfen kann ist dass diese Konzept nicht konsequent verfolgt wurde. Aber wenn man F125 mit dem US LCS Programm vergleicht dann kommt Deutschland noch sehr gut weg. Interessanter wäre aber eine Deutsche „Absalon“ gewesen. Nur so weit konnten und können sich die Deutschen Herren der Standards nicht bewegen.
na, wenigstens einer, der mich versteht ;-)
thx @TBR
bzgl Heer/Luftwaffe/Marine schauen Sie in die letzten zwei Zeilen das Feuerwehrbeispiel.
Zitat:“Die Marine möchte nur den überproportionalen Demontage-Trend brechen“ – Für die TSK Verteilungskämpfe stehe ich hier nicht zur Verfügung – das klären Sie bitte auf der politischen Ebene. Ich bitte Sie nur darum, ökonomische Argumente sauber abzuleiten (was in diesem Fall der Marine ein enormes Gewicht verleihen würde) oder gänzlich darauf zu verzichten, wenn es anscheinend primär um den Platz an der Tafel geht (Stichwort: rent seeking)
@Bang50
wie hätten Sie es denn gerne ? Wiener Schule ? Frankfurter Schule ? Chikago-Schule ;-) Neo-konservativ oder -liberal ?
Ich habe nicht ökonomisch argumentiert, sondern politisch-strategisch. Marinen in Deutschland wurden gerne als fleet-in-being und somit als überflüssige Investition betrachtet und behandelt und eingesetzt und prompt gings immer wieder in die Hose ;-)
Eine Marine ist im Zeitalter der Globalisierung und nach Wegfall der Kalten-Kriegs-Schubladierung ein sehr flexibles und vielseitiges politisches asset, wenn man das versteht und zu nutzen weiß und will.
mal spaßenshalber zurück zum Thema:
„der blinde maritime Fleck“ ist doch nur ein kleiner Teil des „blinden sicherheitspolitischen Flecks“
so richtig und wichtig die Überlegungen zur Stärkung der Marine sind, bleibt es doch dabei, das Sicherheitspolitik im Ganzen nichts sexy ist – wichtig ja, aber eben nicht sexy!
soll heißen, man kann mit Sicherheitspolitik Wahlen verlieren, aber nicht gewinnen (jedenfalls in DEU)
@ klabautermann
es geht mir nicht um “Bedrohungsabwehr”….das wäre ja wieder diese ein-dimensionale Betrachtungsweise.
Nur so viel: als global economic player (und Priofteur !) hat Deutschland auch global responsibilities PUNKT
Was die weltweite Verantwortung angeht kann ich Ihnen nur zustimmen.
Nur wo kommt da eine deutsche „Kriegsmarine“ in Übersee ins Spiel, außer zur „Bedrohungsabwehr“?
Als Zöllner und Umweltwächter scheint mir das ein teurer Spass. Und auch Pirateriebekämpfung ist so ein Thema, wo mir die deutsche Marine nicht als Mittel der Wahl erscheint.
(Kleines P.S.: Ich war mal so frei ein paar Punkte, gerade zur Machtprojektion, unter dem reißerischen Titel Kanonenbootpolitik: I’m not convinced. auszulagern. ;) )
@Bang50
Mal Betriebswirtschaftlich: Man investiert (hier: in die Marine) um ein mehr an Produktionsaustoß / Gewinn zu erhalten. Nun ist dieser Gewinn beim Militär nicht direkt sichtbar, weshalb das Geld „verloren“ ist.
Ebenso ist es volkswirtschaftlich nicht rentabel: Wenn die Marine zB 4 zusätzliche F124 bekäme und 3 Mistral (als JSS / ETrUs etc-Ersatz) sowie 20 vernünftige ASW-Helis steigert das nicht das Wohlergehen des DEU Volkes. Also volkswirtschaftlich sinnlos. Die Marine ist jedoch jetzt schon personell und materiell am Limit – in Friedenszeiten. Einzige sichtbare Bedrohung sind ein paar Piraten, die über keine Uboote verfügen. Ist jetzt alle ASW-Fähigkeit sinnlos?
Man kann nicht alles volkswirtschaftlich begründen mMn, was dennoch im DEU Interess liegt.
@J.R.
na ja, sie sind eben noch im Zeitalter der Bedrohungs-orientierten Streitkräfteplanung, bzw. irgendwo 1933 in ihrer Begriffswelt „Kriegsmarine/Kanonenboot…“ verfangen.
Nun, ich bin da eben weniger „jung und naiv“, sondern nen büschen gereifter ;-)
Lassen wir es einfach dabei bewenden.
@ Klabautermann – Na also. Dann haben Sie ja keine Probleme mit meinem Beitrag, da Sie auf politischer Ebene argumentieren.
@ Hans – Bitte schlagen Sie die Stichworte „Öffentliche Güter“ und „Marktversagen“ im Gabler Wirtschaftslexikon nach (frei im Internet) – diese Bereiche sind in der VWL definiert, jedoch anderst hergeleitet als Sie es eben getan haben.
na ja @Bang50
die Marine ist eben in erster Linie ein politisches und kein ökonomisches asset.
Und die Autoren des FAZ Artikels haben das auch genau so gemeint. Ihre Interpretation des Artikels teile ich ausdrücklich nicht. Die Marine versteht sich weder als Wohlfahrtsökonomie-Katalysator noch als -Projektor im Sinne „Kaufst Du mir nicht in China den Simmel ab, dann schneid ich Dir den P….. ab !“ Ergänzen Sie bitte sinngemäß ;-)
@ Klabautermann – Das habe ich auch nie bestritten, ich teile sogar diese Annahme. Ich habe nur trennscharf dargelegt, wie ein ökonomisches Argument beschaffen sein müsste um damit tatsächlich den Erhalt/ die („zukünftige“) Aufrüstung der Marine zu untermauern/rechtfertigen etc… leider, leider erlebe ich es viel zu oft, wie mit „scheinökonomischen“ Argumenten und Statistiken Politik gemacht wird (oft noch untermauert von Ökonomen die dafür ihren Namen hergeben.)
Der Sache (in diesem Forum befinden sich ja fast ausschließlich BW affine Leute) ist am besten geholfen, wenn man Argumente sauber verwendet. Das bedeutet, dass man ökonomische Argumente nur dann verwendet, wenn sie zutreffen (z.B Der Schaden an der deutschen Volkswirtschaft durch Piraterie beläuft sich in 2013 auf die Summe X. Mit der Summe Y investiert in 5 neue Fregatten kann dieser Schaden um den Betrag Z reduziert werden (wobei Y<Z)). Ansonsten fährt man bzgl. Militär mit einer politisch/strategischen Argumentation besser.
Die Stoßrichtung ging auch nicht in Richtung des FAZ Artikels, sondern sollte ihr Ziel hier im Blog finden. Da man angefangen hatte eine "starke" Marine durch den ökonomischen Schaden welche die Piraterie angeblich verursacht herzuleiten. Welchen Schaden eine solche Sichtweise an der Marine anrichten kann (z.B diverse "optimierte" Rüstungsvorhaben, strategischer Tunnelblick) wissen Sie wesentlich besser als ich.
@Bang50
das kann ich so akzeptieren. Ich persönlich halte die reine deutschen-Seehandel-schützen-Argumentationslinie auch für etwas sehr verkürzt ;-) Genau deshalb habe ich ja den politisch-strategischen Aspekt hier eingeführt…..gute Diskussion….so, und da ich morgen früh um 03.30 aus der Hängematte muß, werde ich nu den Hängemattenwalzer singen und BuBu machen ……gute Nacht Aga ;-)
Man könnte dann auch anders argumentieren. Die Piraten haben einen Schaden X verursacht. Mit der Summe Y habe ich zwar fünf neuen Fregatten, muss die aber auch noch bezahlen und unterhalten, wenn schon alle Piraten tot, alt oder reich genug sind. Mit der Summe 5 könnte ich auch die Bahntrassen nach China weiter ausbauen und für deren Unterhalt kann die Wirtschaft dann direkt sorgen.
Damit fallen nicht nur die ganzen stinkenden Schiffe mit ihrem verseuchten Ballastwasser weg, sondern ich kann riesige Summen, die sonst in den Ausbau der Häfen, Flussvertiefungen etc. verbraten werden sinnvoll woanders investieren (In neue Gleise, Eisenbahngeschütze?)
@Roman – Exakt – Sie haben das Prinzip der Opportunitätskosten entdeckt ;-). Das ökonomische Argument trifft nur dann zu, wenn durch eine verstärkte Marinerüstung tatsächlich eine „Allokationsverbesserung“ herbeigeführt werden kann. Oder anderst ausgedrückt, die Entscheidung für die Fregatten und gegen die Bahntrasse ist nur dann ökonomisch rational, wenn die Fregatten meinen Schaden durch Piraten soweit reduzieren, dass mein nun zusätzlicher Wohlstandsgewinn den Gewinn aus der Bahntrasse übersteigt. Wie Sie vielleicht jetzt gemerkt haben, sind Ökonomen an sich herzlose Menschen die stets nach der Nutzenoptimierung fragen und denen erst einmal dabei völlig egal ist was z.B mit den Opfern der Piraterie wird. Dieses streng rationale und modellbasierte Vorgehen ist typisch für Ökonomen aber notwendig um die ökonomischen Zusammenhänge trennscharf herauszuarbeiten.
Da wir aber zum Glück in der Realität kein Homo Oeconomicus sind, gibt es noch eine ethische/moralische Dimension. –> Ich denke in diese Richtung wollte J.R
Mit Klabautermann haben wir herausgearbeitet, dass auch die politische/strategische Ebene diskutiert werden muss. z.B Bringt es uns nichts ökonomisch rationel zu handeln, wenn wir von wütenden Menschenmengen überrant werden oder eine nordkoreanische Fregatte in Kiel andockt.
Ich persönlich halte deshalb eine versuchte Herleitung der militärischen Aufgaben für die Marine über ökonomische Zwänge für eine Sackgasse. Einerseits weil wir dadurch unterstellen, dass der Einsatz der Marine uns tatsächlich einen Wohlstandsgewinn erbringt (Y<Z) und andererseits zu einer "Tunnelstrategie" führt, die z.B Pirateriebekämpfung als oberstes Ziel hat und die eigentlich originären militärischen Aufgaben der Machtprojektion (sei es durch show of force oder tatsächliche Anwendung von Waffengewalt) vernachlässigt. In diese Diskussion möchte ich mich jedoch nicht einklinken, da ich hier schlicht zu wenig Wissen besitze und Politik nicht mein Gebiet ist.
Welche Opfer der Piratie?
Die wenigen Deutschen, die es gibt, die könenn wir freikaufen oder uns bei der Befreiung auf Verbündete abstützen. Es sollte aber wenige Opfer geben, denn einige Züge normale Infanterie kann die eigenen Schiffe auch in den gefährlichen Gebieten schützen. Das ist deutliche kostengünstiger, als von deutschen Werften fehlgebaute Schiffe zu kaufen und zu unterhalten.
Die Entscheidung für Bahntrassen führt uns in andere Abhängigkeiten und Gleise kann man nicht nach Amerika legen. Häfen und Flüsse müssten also trotzdem ausgebaut werden. Dennoch kann Piraterie am Ende der Welt nicht die Begründung sein, uns eine teure und ineffektive Marine zuzulegen. Wir sollten am Besten die lokalen Nationen zu befähigen, die Sachen selber zu regeln. Was im besten Fall sogar zu auswärtigen Aufträgen für unse Werften führt.
@ Bang50
Ich denke in diese Richtung wollte J.R
Naja, in die moralisch/ethische Dimension wollen echte Linke doch immer, und das nicht erst seit Eisenhowers „Every gun that is made, every warship launched, every rocket fired signifies, in the final sense, a theft from those who hunger and are not fed, those who are cold and are not clothed.“ * ;)
Aber eigentlich ging es mir diesmal darum, überhaupt mal die maritimen politisch/strategischen „Aufgaben“ in Übersee herauszuarbeiten, so ganz realpolitisch an der Wirklichkeit orientiert. (Wenn auch mit Schwerpunkt Welthandels-Sicherung, weil das ja imho der Schwerpunkt des FAZ-Artikels war.)
Der nächste Schritt wäre dann gewesen, zu schauen für welche „Aufgaben“ die Marine überhaupt das geeignete Werkzeug ist. (Und da kommt dann natürlich auch über die mögliche Entscheidung für wirtschaftlichere/unblutigerer Mittel ein ethischer Aspekt rein.)
@Bang50 | 14. April 2013 – 18:07
Durch Machtprojektion sorgt man für die Sicherheit des Seehandels.
Geiseln freizukaufen, ist strategisch die schlechteste aller Optionen. Man etabliert damit das Gewerbe erst richtig und versorgt die Akteure mit sehr großen Geldmengen. Diese Akteure haben Zugang zum Waffenhandel, sitzen in korrupten Netzwerken mit Zugang zu politischen Entscheidungen und bauen eine formidable Machtbasis an den Küsten und in politischen und finanzwirtschaftlichen Metropolen auf.
Gutgehende Firmen streben 1. nach Wachstum und 2. nach direktem politischen Einfluß.
Zivile Konzerne in westlichen Nationen beschränken sich bei diesen Ambitionen auf Firmenübernahmen, Produktentwicklung, Lobbying für günstigere Gesetze und Spenden für gemeinnützige Zwecke. Sie profitieren von der liberalen Zivilgesellschaft.
Freibeuter und Warlords profitieren dagegen vom Einsatz ihrer Privatarmeen.
Jede Million Lösegeld kostet also am Ende noch ein paar zusätzliche Milliarden für den Einmarsch in die durch das Lösegeld erst richtig destabilisierten Staaten und die darauf folgenden Stabilisierungsbestrebungen. Protektorate und Kolonien sind sowieso gewaltige Verlustgeschäfte.
Phantomdebatte … Federführer in strategischen Fragen sind Kanzler- und Außenamt und die sind mit „sea blindness“ geschlagen … Maulwürfe. Solange es keine – über eine nette Hochglanzbroschüre der Bundesregierung voller Edelbinsen hinaus gehende – inhaltlich belastbare maritime Strategie der Bundesregierung gibt und selbst in der Pirateriebekämpfung eine Vielzahl von Bundesministerien ihr ganz persönliches Sandkasteneckchen gestalten und gegen andere mit Eimerchen + Schäufelchen tapfer verteidigen, wird am Ende auch für die Deutsche Marine aus einer solchen Debatte nichts zukunftsfähig Sinnhaftes herauskommen – okay: also weiter so!
JSS könnte im Übrigen nicht nur eine militärische oder polizeiliche Dimension haben, sondern auch als zivil nutzbare Forschungsplattform dienen (Stichwort: wir wissen weniger über die Weltmeere als über den Weltraum) und in der humanitären und Katastrophenhilfe (Stichworte: Megastädte in Küstenregionen, Anstieg des Meeresspiegels) wirkungsvoll zum Einsatz kommen.
Das wäre comprehensive … was allerdings viele unserer „Fachpolitiker“ noch nicht mal aussprechen können … Isso!
P.S. Wer die Fakten lesen will, alle Jahre wieder: Jahresbericht des Flottenkommandos – Marineschifffahrtsleitung: Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland, http://www.marine.de unter multimedia / downloads … es gibt also definitiv kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsdefizit!
@Proppentrekker
Bezüglich ihr beschriebenes JSS: Klingt wieder nach überteuerter eierlegender Wollmilchsau. Forschung bitte streichen, dann hat man ein LHD / LPD o.Ä. Damit kann man arbeiten.
@ califax
Da kann ich nicht zustimmen! Geiseln freikaufen und nicht nachbereiten ist meine Meinung nach die schlechteste aller Optionen. In manchen Situationen ist es aus meiner Sicht sinnvoller, Geld zu zahlen und im Anschluss eine Jagd auf die Täter /-innen und Hintermänner / -innen zu machen. Sich per se Handlungsoptionen aus dem Werkzeugkasten streichen zu lassen ist nicht klug. Die Erfahrung stützt ihre Behauptung auf Staatsebene. Privatfirmen, die regelmäßig von Entführungen betroffen sind, lassen schon lange erfolgreich Jagd auf Geld und Täter machen. Und da sind die Summen um ein Vielfaches kleiner, die Jäger teurer, der Zugang zur Region nicht unbedingt einfacher.
@ Proppentrecker
Ein JSS ist mal gar nichts. Teurer Müll, der im Bedarfsfall eh in der Werft rumliegt oder am anderen Ende der Welt ist. Wieviele waber sind sinnvoll? Und wo sollten die stationiert sein? Was bringt uns der Katastrophenschutz, wen die geretteten Menschen später eh verhungern, sich zu Tode scheißen oder als Narco-Banditen oder als Asylsuchende später unsere Gesellschaft schädigen?
Auf Haiti verrecken jeden Tag hunderte Menschen, obwohl die Welt im ungeahnten Ausmaß geholfen hat. Betrifft uns das Sterben? Schadet es uns? Da man beides mit nein beantworten kann, brauchen wir auch keine Vorsorge zu treffen. Die beiden einzigen Regionen, die mir jetzt so spontan einfallen, in der wir Interessen haben und die Gefahr hoch ist sind Italien und die Türkei. Beide Länder sind ausreichend stark sich selbst zu helfen, haben starke Nachbarn und mit unseren bisherigen Mitteln können wir auch ausreichend helfen.
„im Land mit der drittgrößten Handels- und größten Containerflotte weltweit“
passend: Die deutsche Schiffsmisere
Die offensichtliche wirtschaftlichen Fehlentwicklung „der größten Containerflotte weltweit“ ist, glaube ich, kein gutes Argument mehr Geld in die Marine zu stecken.
Wenn ich mir die Beiträge hier so anschaue, fange ich an den alten Tirpitz mit seiner hirnverbrannten Aufrüstungspolitik für einen knallharten Realisten zu halten. Leute: Lasst die Tassen im Schrank!
Wie viele Trägerkampfgruppen oder wenigstens Zerstörer/Fregatten-Flottillen (entsprechend den SNMG) soll die Marine denn so haben, um die Gebiete Westküste Afrika (Schwerpunkt vor Nigeria), Indischer Ozean mit Schwerpunkt Horn von Afrika (bis zur Südküste arabische Halbinsel, West-Pazifik mit Schwerpunkt Malacca-Straße/Indonesien abzudecken? Demnächst könnte Bedarf auch vor Cape Hope entstehen, wenn Südafrika denn den Weg Zimbabwes geht. Und was vor der sibirischen Küste möglich ist, wenn die Nordroute Dank Klimawandel denn tatsächlich geöffnet wird, bleibt auch noch abzuwarten. . . . Also Butter bei die Fisch: Wie soll das gestemmt werden? Und wenn diese Vorstellungen realisiert würden, wäre die US-Navy dann überhaupt noch groß und schlagkräftig genug, um von der deutschen Marine als gleichberechtigter Partner anerkannt zu werden? Also: Lasst die Tassen im Schrank.
So langsam wird es Zeit sich ehrlich zu machen und einzugestehen, dass Deutschland gar nicht in der Lage ist, den durch Irrsinns-Subventionen über alle wirtschaftliche Vernunft hinaus aufgeblähten zivilen deutschen Seeverkehr zu schützen. Unser Handelsflotte ist darauf angewiesen, dass andere aus eigener Tasche für die Sicherheit auf See sorgen. Für uns selbst rechnet es sich schon jetzt nicht mehr. Und dabei nie vergessen: Niemand braucht eigene Handelsschiffe um exportieren zu können. Das sollen die erledigen, die es besser können als die Deutschen. Warum wohl gibt es kaum noch deutsche Seeleute?
Ich sehe da gerade, dass ich eben noch einen wichtigen Punkt vergessen habe: Die „größte Containerschiffflotte der Welt“ ist eine rein statistische Größe, die keinerlei praktische Bedeutung hat. Man muss zwei Sorten Reedereien unterscheiden: Es gibt einerseits reine Schiffsvermieter (Charterer), die die Schiffe besitzen und an die „Linienreedereien“ weiter reichen. Letztere sorgen dafür, dass die Schiffe Beschäftigung haben, also Fracht von A nach B transportieren. Die deutschen sind nur in der ersten Gruppe (Vermietung der Schiffe an operativ tätige Reedereien) von Bedeutung: Die deutschen Eigner (ganz überwiegend Ein-Schiff-KGs) überlassen ihre Schiffe in aller Regel „richtigen“ Reedereien im Ausland für die operative Tätigkeit. Auch von daher gibt es keinerlei nennenswerten praktischen Zusammenhang der deutschen Containerflotte zum deutschen Export.