Mal im Auge behalten: Karzai auf Konfrontationskurs zu den USA

Geht es um den Einsatz internationaler Truppen in Afghanistan, haben inzwischen alle Seiten ihre innenpolitischen Prioritäten im Auge. Das gilt für die USA, wo es nach bald zwölf Jahren Krieg am Hindukusch nur wenig Sympathie für diese Mission gibt. Das gilt für die anderen ISAF-Staaten – bis hin zu Deutschland, wo Truppenstärken und Zukunftsplanungen ebenso stark von innenpolitischen Ereignissen wie der Bundestagswahl bestimmt werden. Und das gilt für Afghanistan selbst, wo der amtierende Präsident Hamid Karzai zwar nicht um eine Wiederwahl kämpfen muss, weil er laut Verfassung nicht mehr antreten kann – aber um seinen Platz und sein Bild in den Geschichtsbüchern und im kollektiven Gedächtnis des Landes kämpft.

In den vergangenen Wochen hat Karzai den Ton gegenüber den USA als der Führungsmacht der (vor allem) westlichen Truppen in Afghanistan verschärft. Aus einer Provinz warf er die US-Spezialkräfte raus (oder verbot ihnen zumindest, dort zu agieren). Am vergangenen Wochenende warf er den Amerikanern vor, mit den Taliban gegen die Regierung in Kabul zu kooperieren – ausgerechnet, als der neue US-Verteidigungsminister Chuck Hagel seinen Antrittsbesuch machte. Und im Westen fast untergegangen ist der Vorwurf des afghanischen Präsidenten, den Amerikanern gehe es doch nur um die Bodenschätze und Minen des Landes, wie der afghanische Sender TOLO News am (gestrigen) Dienstag berichtete:

„Americans have asked Afghans to give them Afghanistan’s mining contracts, and I said ‚Bring your contracts’… Lots of mines are hidden in Helmand and from the start they have been doing their investigations and finishing their photography. But now they understand that we know about them,“ Karzai said in a speech during an official visit to southern Helmand province Tuesday.
Karzai also repeated his condemnation of the Taliban’s attacks as a backhanded support for the US military in Afghanistan because they only serve to prolong the US presence instead of removing it.

Dem Präsidenten, analysiert die New York Times, stehe wohl noch lebhaft das Schicksal des letzten kommunistischen Amtsvorgängers vor Augen: nachdem nicht nur die Sowjetunion abgezogen war, sondern auch die nachfolgende russische Regierung jegliche Unterstützung einstellte und die Taliban in Kabul einmarschierten, wurde er an einem Laternenpfahl gehängt.

Das trickreiche Spiel wird vermutlich Folgen für Afghanistan haben, ebenso für das weitere Engagement der USA im Lande – doch derzeit sind die Folgen noch völlig unklar. Mittelbar wirkt sich das natürlich auch auf die künftige deutsche Präsenz am Hindukusch aus: Ein militärisches Engagement der Bundeswehr im Hauptquartier in Kabul, im operativen ISAF Joint Command (egal, ob das in Kabul bleibt oder möglicherweise nach Bagram verlegt wird) und vor allem die Anwesenheit im Norden wird sehr stark davon abhängen, wie der amerikanische Footprint aussehen wird.

Im Extremfall: Spitzt sich die Konfrontation zwischen Karzai und den USA weiter zu, kommt es womöglich gar nicht zu einer Einigung über den Status der US-Truppen nach dem Auslaufen des ISAF-Mandats und nicht zu einer Einladung der afghanischen Regierung an die internationalen Truppen, zu bleiben – dann wird es auch für die Deutschen verdammt eng.

Das gleiche gilt übrigens, um die Einschätzung noch ein bisschen komplizierter zu machen, völlig unabhängig von Karzais Verhalten – für die finanziellen Möglichkeiten des US-Militärs. Wird das Pentagon angesichts des Haushaltsstreits in Washington weiter kürzen müssen, steht über kurz oder lang der Umfang des Afghanistan-Engagements zur Debatte. Mit den gleichen problematischen Folgen für alle anderen Nationen.

(Foto: ISAF Media/U.S. Air Force photo by Staff Sgt. Sarah Brown via Flickr unter CC-BY-Lizenz)