Das neue Meldegesetz: Kompromiss zwingt Soldaten weiterhin zum Hauptwohnsitz am Standort
Das neue Meldegesetz hat öffentlich ziemlich Aufmerksamkeit erregt – angesichts der etwas merkwürdigen Datenschutzregelungen, die in dem in einer immerhin minutenlangen Beratung im Bundestag verabschiedeten Gesetz enthalten waren. Deshalb war das Gesetz auch in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gewandert. Für die Soldaten der Bundeswehr hatte das neue Melderecht noch eine zusätzliche Bedeutung: Es ging und geht um den Hauptwohnsitz für – unverheiratete – Soldaten an ihrem Standort, unabhängig vom Lebensmittelpunkt, Familie und Angehörigen. Und da haben sich die Innenpolitiker vor allem der Union durchgesetzt: Den Hauptwohnsitz müssen diese Soldaten auch künftig in der Kaserne haben. Lediglich die Frist für die Ausnahmeregelung wird von sechs auf zwölf Monate verlängert. Diese im Vermittlungsausschus ausgehandelte modifizierte Neuregelung werden Bundestag und Bundesrat voraussichtlich kommende Woche endgültig beschließen.
Schon nach dem bisherigen Gesetz galt die Regelung, dass – unverheiratete – Soldaten ihren Lebensmittelpunkt und damit ihren Hauptwohnsitz am Dienstort haben, auch wenn sie nur während der Dienstzeit in der Kaserne wohnen (müssen) und eigentlich ganz woanders zu Hause sind. Das sollte mit der Neufassung des Meldegesetzes geändert werden. Denn auch unter Soldaten gibt es, wie in der ganzen Bevölkerung, zunehmend nichteheliche Lebensgemeinschaften, ob mit oder ohne Kinder. Und Reduzierung und Umbau der Bundeswehr mit der Schließung zahlreicher Standorte, dazu die regelmäßigen Versetzungen, schicken immer mehr Uniformierte als Pendler auf die Auto- oder Eisenbahn.
Doch auf Druck einiger Abgeordneter flog, weitgehend unbemerkt, kurz vor der endgültigen Abstimmung im Parlament die geplante Änderung aus dem Gesetzentwurf: Die Bürgermeister großer Bundeswehr-Standorte vor allem in Niedersachsen hatten Druck gemacht. Denn wenn Soldaten, die bislang in der Kaserne gemeldet waren, nun auch an ihrem tatsächlichen Wohn- statt am Dienstort gemeldet würden, fehlen diesen Kommunen auf einmal Tausende von Einwohnern. Und damit Steuergelder.
Als das Meldegesetz nach der karnevalesken abschließenden Beratung angesichts der merkwürdigen Datenschutzbestimmungen für Meldedaten – auch die ein Wunsch von Kommunalpolitikern – in den Vermittlungsausschuss ging, hatten auch etliche Soldaten und ihre Interessenvertreter die Hoffnung: Das mit der Meldepflicht am Standort, das fällt raus. Nunmehr ist allerdings absehbar: So wird es nicht kommen. Soldaten müssen mit dienstlicher Unterkunft müssen ihren Hauptwohnsitz am Standortnehmen – eine Ausnahme gibt es nur, sofern die Unterkunft für nicht länger als zwölf Monate bezogen wird.
Das ist nämlich der Kompromiss, so man ihn so nennen will. Bisher war im neuen Gesetz die Frist von sechs Monaten vorgesehen, jetzt gilt: Bis zu zwölf Monate nicht ummelden, dann aber hurtig. Das wird vor allem Wilhelmshaven freuen, den künftig größten deutschen Bundeswehrstandort. Denn dort werden dann viele Soldaten gemeldet sein müssen, die zur See fahren. Ein doppelter Gewinn für den Stadtkämmerer: Steuern und Ergänzungszuweisungen fließen ins Stadtsäckel, aber die Zahler können die meiste Zeit die Infrastruktur der Stadt nicht benutzen – weil sie mit ihren Schiffen unterwegs sind.
(Foto: Zurück im Heimathafen, der künftig per Gesetz auch Heimat ist – Bundeswehr/Modes via Flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz)
Dieses Gesetz trifft eben nicht nur die unter 25 Jährigen, sondern auch die, welche bis jetzt eine Zweitwohnung am Standort hatten und nicht (mehr) verheiratet sind!
„Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich bei einem verheirateten Arbeitnehmer regelmäßig am tatsächlichen Wohnort seiner Familie. Die Wohnung kann aber nur dann ohne nähere Prüfung berücksichtigt werden, wenn sie der Arbeitnehmer mindestens sechsmal im Kalenderjahr aufsucht. Bei anderen Arbeitnehmern befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an dem Wohnort, zu dem die engeren persönlichen Beziehungen bestehen. Die persönlichen Beziehungen können ihren Ausdruck besonders in Bindungen an Personen, z. B. Eltern, Verlobte, Freundes- und Bekanntenkreis, finden, aber auch in Vereinszugehörigkeiten und anderen Aktivitäten. Sucht der Arbeitnehmer diese Wohnung im Durchschnitt mindestens zweimal monatlich auf, ist davon auszugehen, dass sich dort der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befindet“ (Lohnsteuerrichtlinien 2005, dort R 42 Abs. 1 Sätze 4–8 LStR 2005.):
Mal von der stattfindenden Diskusion zum Lebensmittelpunkt ab, hängen an der Sache noch andere Dinge als die Infrastruktur. Als ich 2006 als Gefr in WHV an Bord gegangen bin, wollte die GEZ ihre Gebühren von mir haben, da ich jetzt ja einen eigenen Haushalt hätte. Nach Urteilen zählt ja ein 200x60x60cm Bock im 12 Mann-Deck als Haushalt, auch wenn einige Kdt’s es anders bescheinigt hatten. Weis einer (mir stellt sich die Problematik aufgrund Alter nicht mehr) ob die Rundfunkanstalten 17,98€ von jedem „Haushalt“ pro Monat haben wollen? DAS fände ich nämlich eine richtige Sschweinerei.
Ansonsten muss ich gerade zu Augustdorf (Nähe Elterhaus) und WHV auch sagen: Welche Infrastruktur??? Kein Nahverkehrssystem vorhanden, welches von Soldaten genutz werden könnte. Außer den Bw-Shutlebusen. Und die zahlen wir ja eh schon.
Und in WHV gibt es ja teilweise nicht mal mehr Straßenlaternen…
Brommy | 21. Februar 2013 – 22:21
http://www.rundfunkbeitrag.de/
@Brommy
Gabs da nicht ein Urteil aus jüngster Zeit das die Bude an Bord eben keine Unterkunft ist? Ging da glaube ich ums TG und adäquate Bude eines OLT.
Das Meldegesetz ist der größte Unsinn sowieso. Eine Riesenschweinerei, die auf dem Rücken der Soldaten ein Geldtransfer von den Städten in die ländlichen Gebiete austrägt.
Alleine das Recht zu wählen müsste meiner Meinung nach vor dem Bundesverfassungsgericht genügen, um dieses unsinnige Unternehmen zu kippen.
Ich will nämlich da wählen wo ich mich mit der Kommune verbunden fühle!
Es gibt wirklich keinen Ausdruck dafür, was mit uns Soldaten alles getrieben wird.
Zusätzlich ernten wir dann aber nichtmal das verdammte Ansehen, welches uns eigentlich zusteht!
In anderen Ländern (garnichtmal so weit entfernt, siehe Tschechien) bezahlen uniformierte Soldaten nichts, wenn sie öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Ja nichtmal der Taxifahrer will Geld haben!!
Unglaublich!
-Invisible
Oh-man-o-man! Dolle Diskussion!
Bei dem Gesetz geht es doch nur um einen Teilaspekt der Finanzierung von Kommunen.
Ein nicht unerheblicher Teil sind die Schlüsselzuweisungen aus dem Einkommensteueraufkommen und dieser richtet sich nach der Einwohnerzahl.
Gerade kleine Standortgemeinden freuen sich da über eine „erhöhte“ Einwohnerzahl. deswegen kamen die Einwände doch von den kleinen Kommunalfürsten aus den Flächenländern. Und jetzt dürfen alle einmal raten welcher politischen Farbe in der Regel diese Kommunalfürsten angehören.
Insgesamt ein gutes Bsp. unseres immer mehr überkommenden Bürokratismus.
es spielen Alter, Familenstand, ein willkürlich gewählter Zeitraum, usw. eine Rolle.
Wir haben 2013, aber manschmal irgendwie politisch-legeslativ-administrativ gefühlt 1913 ;-)
@MckKenzie
Danke, dass Sie das mal erwähnen – irgendwie scheinen fast alle überlesen zu haben, dass ich oben im Eintrag auch die Ergänzungszuweisungen genannt habe… ;-)
Mal wieder geht es nur um Kohle und die Soldaten sollen den Rücken dafür gerade machen…
Sicher stellen die Kommunen Infrastruktur bereit die von Sdt genutzt wird. Aber die Soldaten bringen auch eine ganz erhebliche Wirtschaftskraft in die Region (nicht umsonst wird immer so ein Kuhandel um Standorte aufgezogen)…alleine der Einzelhandel und die Gastronomie profitieren ungemein von militärischem Personal. Also profitiert ohnehin schon mittelbar die Kommune. Um den Rückfluss von Steuermitteln entsprechend zu steuern müsste man doch nur noch zwischen Bund und Land bzw. Bund und Kommunen eine entsprechende Pauschale oder einen Faktor aushandeln welche(r) sich aus IST-Stärke der Einheiten am Standort ( ./. Heimschläfer), gemittelte Besoldungsgruppe und was weiß ich zusammensetzt. Finanzmathematiker kommen da bestimmt auf einen schönen Faktor um den man die tatsächliche Einwohnerzahl (rechnerisch/fiktiv) erhöhen kann. Das ganze nennen wir „Streitkräftestationierungszuschlag“ und jeder ist glücklich.
Die Soldaten, weil (tatsächlicher) Lebensmittelpunkt und Hauptwohnsitz wieder dem echten Leben entsprechen, und die Kommunen weil sie nun zweimal finanziell von ihren ach so geschätzten Garnisonstruppen profitieren.
Ist aber wahrscheinlich zu einfach oder? Außerdem was will der Soldat schon tun, streiken darf er ja nicht…
So darf ers nicht, kann er aber schon, sieht dann nur anders aus, kommt aber aufs gleiche raus.
@ Brommy
In Wilhelmshaven war der Stützpunkt durch die Stadtwerke an den ÖPNV angebunden worden. Dieses wurde jedoch nicht genutzt. Infrastruktur ist hier durchaus vorhanden und Straßenlaternen gibt es natürlich auch.
Der Kampf von Wahlbeamten um ihren Standort und in diesem Fall um jeden Erstwohnsitzinhaber hat nicht nur fiskalische Gründe. Als ich vor ein paar Jahren nach Bayern versetzt wurde, war ich als Norddeutscher nicht nur überrascht über die Herzlichkeit der Garnisonbevölkerung gegenüber ihren Soldaten, sondern auch speziell über die des Bürgermeisters. Dieser versuchte mich nämlich als Umzugswilligen zu überzeugen, in diese „liebenswerte“ Gemeinde zu ziehen, insbesondere weil ja auch alle Politiker quer durch die politischen Parteien erfolgreich für den Erhalt des Standortes gekämpft hätten. Als ich gegenüber einem ortsansässigen Kameraden dieses Bemühen um das gemeindliche Wohl hervorhob, hat dieser sich fast krankgelacht. Er empfahl mir einen Blick in die Bayerische Kommunalbesoldungsverordnung. Seitdem weiß ich, dass der besagte Bürgermeister einer Kommune mit 10.124 Einwohnern anscheinend in der ständigen Angst vor sinkenden Einwohnerzahlen lebte und deshalb nicht nur um den Erhalt der Garnison, sondern um jeden Bürger kämpfte. 10.000 Einwohner ist nämlich die magische Grenze, ob in Bayern ein Bürgermeister läppische A 16 oder satte B 2 als Gehalt erhält!
>da haben sich die Innenpolitiker vor allem der Union durchgesetzt: Den Hauptwohnsitz müssen diese Soldaten auch künftig in der Kaserne haben<
Nennen wir doch Ross und Reiter:
Die AG Innen der CDU/CSU-Fraktion besteht aus:
Hans-Peter Uhl (München West/Mitte)
Reinhard Grindel (Rotenburg I – Soltau-Fallingbostel)
Günter Baumann (Erzgebirgskreis I)
Manfred Behrens (Börde – Jerichower Land)
Clemens Binninger (Böblingen)
Wolfgang Bosbach (Rheinisch-Bergischer Kreis)
Helmut Brandt (Kreis Aachen)
Michael Frieser (Nürnberg-Süd)
Franz-Josef Jung (Groß Gerau)
Günter Lach (Helmstedt Wolfsburg)
Stephan Mayer (Altötting)
Beatrix Philipp (Düsseldorf II)
Armin Schuster (Lörrach Müllheim)
Ingo Wellenreuther (Karlsruhe Stadt)
Das schöne an unserem Gesellschaftssystem ist doch, dass man Politiker, von denen man sich nicht gut vertreten fühlt, ganz demokratisch in die Wüste schicken kann – das nächste Mal im September. Von den oben aufgeführten steht der ein oder andere nach Wahlkreisprognose vor einem engen Rennen. Und da auf Grund des Abstandes zwischen schwarz und rot die Listen der Union kaum zum Zug kommen werden (zuviele Direktmandate) kommt ein verlorener Wahlkreis einem Rausschmiss aus dem Bundestag gleich. Als kluger Wähler entlastet man noch den Steuerzahler von einigen Überhang- und Ausgleichsmandaten. Und wer die Union im Ganzen doch irgendwie mag, kann sie mit Zweitstimme immer noch wählen und hätte somit nur dem Direktkandidaten, nicht aber der Partei geschadet. Ist Demokratie nicht wundervoll?
@ T.W. vom 22.02., 0832 Uhr:
siehe auch schon erste Seite, Stichwort Finanzausgleichsgesetz.