Die Rüstungsbranche rechnet neu

Frank Haun, Vizepräsident des BDSV und Geschäftsführer von Krauss-Maffei Wegmann (Foto Thomas Köhler/photothek.net)

Die alten Zahlen über die Größe seiner Branche mag Frank Haun, Geschäftsführer des Panzerbauers Krauss-Maffei Wegman und Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), nicht mehr hören. Es schmerzt schon zu hören, wie seien so etwas wie die Atmungsreserve der Bauindustrie, klagte Haun am (heutigen) Mittwoch in Berlin über die seit Jahren kursierende Zahl von 80.000 Mitarbeitern in der Rüstungsbranche.

Die Industrie ging deshalb heute auch mit neuen Zahlen und vor allem mit einem neuen Selbstbewusstsein an die Öffentlichkeit. In der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie waren im vergangenen Jahr rund 98.000 Mitarbeiter direkt beschäftigt, bei Zulieferern seien darüber hinaus weitere rund 220.000 Menschen beschäftigt, rechnete BDSV-Hauptgeschäftsführer Georg Wilhelm Adamowitsch vor. Zudem sei die Branche wegen des überdurchschnittlich hohen Anteils innovativer Produkte am Umsatz und dem fünftgrößten Impuls für Forschung und Entwicklung ein wichtiger und unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Volkswirtschaft.

Die Zahlen hatte sich der BDSV in einer Studie vom Darmstädter Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR errechnen lassen, und die Präsentation markierte ein neues Auftreten der Sicherheitsindustrie. Hatten Vertreter der Branche in den vergangenen Jahren immer wieder den Schrumpfungsprozess der deutschen Rüstungsindustrie von einst rund 400.000 auf 80.000 Mitarbeiter beklagt, konstatierte Adamowitsch nun, mit diesen Zahlen werde nicht mehr gearbeitet. Ohnehin wisse keiner so recht, auf welcher Grundlage die eigentlich ermittelt worden seien.

Der BDSV-Geschäftsführer wartete dann lieber mit weiteren positiven Zahlen aus der Studie auf: Danach betrug in den vergangenen sechs Jahren das jährliche Beschäftigungswachstum in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie 4,1 Prozent – gegenüber 0,9 Prozent in der gesamten deutschen Wirtschaft. Die durchschnittliche Arbeitsproduktivität, also die Bruttowertschöpfung pro Arbeitnehmer, liege mit rund 82.000 Euro fast drei Mal so hoch wie der Durchschnitt von um 28.500 Euro über dem Durchschnitt.

Diese Zahlen hängen allerdings auch damit zusammen, dass inzwischen der Begriff der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie deutlich weiter gefasst wird als früher: Der traditionelle Kernbereich, also die Herstellung von Waffen, mobilen und stationären Waffensystemen und Munition stelle inzwischen nur noch den kleineren Teil des Produktionswerts der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, rechneten die Autoren der WifOR-Studie vor. Den größten Teil machten die Güter des Erweiterten Bereichs der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie aus – dazu gehören unter anderem Überwachungs- und Aufklärungstechnik und Technik für den Schutz kritischer Infrastrukturen, aber auch die Einsatzkommunikation von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, von der Bundeswehr bis zum Rettungsdienst.

Mit einer Exportquote von fast 50 Prozent (lt Studie, gemessen im Jahr 2011) ist die Branche davon abhängig, ihre Produkte ins Ausland verkaufen zu können – und damit von den staatlichen Entscheidungen über die Ausfuhr. Da stehe der Primat der Politik nicht infrage, betonten die BDSV-Vertreter einhellig. Die Industrie müsse und werde ihre Exportpolitik auf die außen- und sicherheitspolitischen Maßstäbe der Bundesregierung ausrichten, versicherte  Hans Christoph Atzpodien von ThyssenKrupp, ebenfalls BDSV-Vizepräsident. Über genehmigte Ausfuhren könnten Öffentlichkeit und Parlament natürlich informiert werden: Wir haben keine Scheu vor Transparenz.

Bei Voranfragen für den Export von Rüstungsgütern und Kriegswaffen bleibt die Industrie allerdings mit der Transparenz zurückhaltend. Die Meldungen über angebliche Panzerlieferungen an Saudi-Arabien, klagte KMW-Chef Haun, hätten im vergangenen wie in diesem Jahr dauern die mediale Berichterstattung bestimmt – dabei habe sein Unternehmen noch nicht mal einen Auftrag dafür. Wenn der Auftrag tatsächlich erteilt würde, wäre das ohnehin recht bald öffentlich: Sie können keinen Panzer geheim bauen. Das ist eine Illusion.

Zum Nachhören: Das Eingangsstatement von BDSV-Geschäftsführer Adamowitsch

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(Die Studie selbst soll nach Angaben des BDSV im Laufe des Tages auf dessen Homepage veröffentlicht werden steht hier zum Herunterladen bereit.)