In Flanders Fields…. oder: das deutsche Problem mit dem Veteranen-Gedenktag
(Foto: Flickr-User Selbe B unter CC-BY-NC-ND-Lizenz)
In Großbritannien, den Ländern des britischen Commonwealth, den USA, Belgien und Frankreich ist der heutige 11. November Veteranengedenktag – Remembrance Day im Vereinigten Königreich, Veterans Day in den USA. Das Datum erinnert an den Waffenstillstand, der den Ersten Weltkrieg 1918 beendete.
Und dieses Datum und das damit verbundene Gedenken, das über den deutschen Volkstrauertag hinausgeht, zeigt vielleicht auch exemplarisch, warum ein Tag der Veteranen und schon das Gedenken an Veteranen in Deutschland so schwierig ist. Ein Zitat aus der Proklamation von US-Präsident Barack Obama, mit der er den diesjährigen 11. November zum Feiertag erklärte:
Whether they fought in Salerno or Samarra, Heartbreak Ridge or Helmand, Khe Sanh or the Korengal, our veterans are part of an unbroken chain of men and women who have served our country with honor and distinction. On Veterans Day, we show them our deepest thanks. Their sacrifices have helped secure more than two centuries of American progress, and their legacy affirms that no matter what confronts us or what trials we face, there is no challenge we cannot overcome, and our best days are still ahead.
In Deutschland gibt es eben nicht diese unbroken chain, aus guten Gründen, auch nicht in der Wahrnehmung. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat bei seinem kürzlichen Definitionsversuch, was ein Veteran aus deutscher Sicht ist, die noch lebenden Soldaten des Zweiten Weltkrieges nur am Rande erwähnt – wie mir schien in der Ansicht, dass es nur noch so wenige gibt und künftig immer weniger geben werde, dass sie für diese Debatte keine Rolle mehr spielen.
Wenn ich allerdings sehe, wie sich vor allem in den angelsächsischen Ländern die Ehrung von Veteranen ungebrochen auf eine fast hundertjährige Geschichte bezieht – weiß ich nicht, ob eine solche Trennung funktioniert. Und ob sie nicht als künstlich empfunden wird. Ich habe keine Antwort auf die Frage, ob man den Bundeswehrsoldat mit Auslandseinsatz (in der noch nicht mal 20-jährigen Geschichte bewaffneter Einsätze der Bundeswehr) als Veteranen ehren kann, über seinen Großvater im Russlandfeldzug aber nichts sagt, weil er zum Dienst für ein verbrecherisches Regime eingezogen wurde.
Ich weiß, wie schwierig das ist. Und ich habe auch keine Lösung. Aber gerade die Erinnerungskultur dieser anderen Länder am heutigen 11. November zeigt, dass kollektive Erinnerung weiter reicht als ein knappes Vierteljahrhundert.
Ist es eigentlich Zufall, daß in Deutschland gleichzeitig der Karneval beginnt?
Sagen wir es so: Die BRD hat ja kaum Veteranen, die in einem richtigen Krieg gekämpft haben. Die paar Truppen, die jetzt im Ausland rumrennen, sind ja zahlenmäßig etwas anderes als es etwa die USA mit Weltkrieg, Korea, Vietnam, den zwei Golfkriegen, Afghanistan etc. etc. haben.
Ihre Zweifel, ob die Trennung funktioniert, teile ich. Und das ist für mich Grund genug, keinen Veteranentag einzuführen. Natürlich wird Opa dann mitmarschieren wollen. Dann jedoch wäre ich bei den Gegendemonstranten zu finden, obwohl ich alle Einsätze der Bundeswehr unterstütze und sogar gerne mehr sähe.
Wenn ich als Deutscher den Veteranen großväterlicher Generationen gedenken will, brauche ich nur durch Europa oder Nordafrika zu reisen und werde überall auf Orte stoßen, an denen sie gewütet und gemordet haben. So passierte es mir erst kürzlich auf einer jetzt friedvollen Insel in Estland: http://mosereien.wordpress.com/2012/10/25/wehrmacht-in-hiiumaa/
Mein Gott bei solcher moralischen Vollkommenheit kann man sich nur verneigen.
PS, zu der estnischen Insel sind die Kommentare der Leser ihres Blogs sehr interessant ;)
Mir hat mal ein Amerikaner sehr eindrucksvoll erklärt, warum er die Deutschen in dieser Hinsicht für viel zu verklemmt halte: Keine Armee dieser Welt habe eine weiße Weste. In jedem Krieg und in jeder Schlacht sind von jeder Seite Gräueltaten begangen worden. Taten die weder Ehrenvoll noch im Verständnis des tapferen Soldaten (aus US-Sicht) wären. Die meisten der jungen Männer die für ihr Land in den Krieg zogen, hätten dies aber aus dem Verständnis heraus getan für langfristigen Frieden, Sicherheit, Ziele, Werte, wasauchimmer zu kämpfen. Es sei demnach der „common sense“ des Veteranengedenkens, dass man sich derer erinnere die Helden seien. Derer die Unmenschliches leisteten und derer die menschlich blieben, auch wenn die Wirklichkeit unmenschlich war. Seiner Meinung nach dürfe man nicht immer als so deutsch zerreden sondern sich auch die leuchtende Seite der Medaille konzentrieren. Letztlich entscheide eben die Geschichte, wer die Guten waren.
Ganz persönlich: Es mag eine etwas naive Sicht auf die Welt sein, die jener Freund hat, aber ich glaube manchmal dass man es sich eben in manchen Fällen einfach machen MUSS um nicht in der Abwägung zerrieben zu werden.
Überdies, und das darf auch nicht vergessen werden, es haben deutsche Soldaten schon weit vor 1914 in Europa für ihre Freiheit und ihre Rechte gekämpft…
Zwei Punkte zu David Ermes:
1. Es ist ein wichtiger Unterschied ob einige Soldaten Gräueltaten begehen (alle Armeen fast immer und überall) oder ob eine Armee ganz Europa und Nordafrika in Schutt und Asche legt und dabei neben dem Angriffskrieg noch einen Völkermord begeht (Wehrmacht).
2. Die vor 1914 kämpfenden Soldaten würden von einem Veteranentag persönlich nicht mehr viel haben.
An einem Veteranentag erinnert man an die kämpfenden Soldaten / Wehrpflichtigen. Nicht an ein Regime.
Ich denke man kann unter der Annahme dass alle Soldaten /Armeen wie bereits erläutert keinen suaberen Krieg geführt haben an die einzelnen Soldaten als Menschen gedenken. Da kann man mE BW und Wehrmacht über einen Kamm scheren. Auch in Deutschland.
Herr Moser,
warum sollte ich nicht meines Großvaters und meines Urgroßvaters gedenken dürfen, auch wenn das Regime schlecht war? Es gab auch noch andere Kriege außer den zweiten Weltkrieg in denen deutsche, respektive sächsische, preußische etc. Soldaten gekämpft haben. Irgendwo muss es doch mal endlich reichen, ich habe dies schon so oft von ausländischen Kameraden gehört: „Jetzt seid doch mal endlich wieder Stolz auf eure Nation und eure Armee und eure Geschichte.“ Das schließt ein Erinnern an die Verbrechen (und Deutschland ist ja voll davon, überall sprießen Denkmäler diesbezüglich aus dem Boden; gesunder Patriotismus fehlt hingegen, bis auf sehr wenige Ausnahmen überall – diesen gilt es zu fördern und nicht ständig dieses Katzbuckeln vor der „Kollektivschuld“, die doch sowieso von den meisten nur als Politikum missbraucht wird) NICHT aus!!
Und wie bereits oben angesprochen: Zeigen sie mir EINE Armee oder auch nur einen Staat oder auch nur EINEN Menschen, der eine weiße Weste hat. Die Gräueltaten der Amerikaner in Vietnam sind schrecklich gewesen, trotz allem Gedenken sie der Soldaten die dort kämpften…
@David Ermes Noch eine „amerikanische“ Ergänzung: Ein Offizierkamerad hat mir gegenüber vor vielen Jahren uns Deutschen eine Prügelknabenmentalität bescheinigt. Vielleicht fühlen wir uns ja inzwischen in dieser Rolle wohl und wiederholen wieder und wieder die Äußerungen, die politisch korrekt sind. Damit ecken wir nicht an und haben unsere Ruhe.
Was die Wehrmacht angeht ist das Thema noch viel zu emotional aufgeladen, einerseits weil natürlich der Umgang nach dem Krieg mit der „sauberen Wehrmacht“ etwas viel zu einseitig und falsch war, andererseits aber weil die Auseinandersetzung mit ihren Vätern die Gründungslegende der 68er ist.
Bis dieses Thema deutschsprachig neutral gesehen wird, müssen wohl beide Generationen tot sein.
Allerdings sehe ich kein Problem im Gedenken an die deutschen Toten des 1. Weltkrieges.
Irgendeinen moralischen Unterschied zwischen Entente und Mittelmächten gab es dort nicht.
Ich verstehe nicht, was das alles mit „Prügelknabe“, „Scham“, „Verklemmtheit“ oder anderen negativen Begriffen zu tun hat.
Ich schäme mich für nichts, denn ich bin 1975 geboren. Aber ich WILL mich NICHT mit Massenmördern identifizieren und ich WILL sie NICHT feiern. Das hat nichts damit zu tun, daß ich mich nicht traue oder politisch korrekt sein will oder nicht anecken will (Ich ecke ständig und überall an, wie der geneigte Leser leicht merkt), sondern das ist meine freie, überzeugte Werteentscheidung.
Hier bei uns auf dem Lande gibt es in jedem Dorf auf dem Friedhof oder an der Kirche ein Denkmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege. Die genauer zu betrachten ist eine lohnende Sache, denn wenn man sieht, welche Kinder da oft in den letzten Wochen des 2. WK ihr Leben ließen, dann schaudert es einen. Nun ist es ja nicht so, daß es dabei um anonyme Zahlen in irgendeiner Statistik geht, sondern die haben alle Namen, die man im Dorf kennt und wenn man die Leute fragt, dann war das der Onkel, Großonkel oder sonstwer. Aber immer eine Person, ein Gesicht.
@Andreas Moser: Verallgemeinerungen machen das Leben leichter. Darüber wird aber gerne vergessen, daß das, was die Großen getan haben, den Kleinen auf die Füße gefallen ist. Wo ist die persönliche Schuld der vielen Ermordeten, die nach der deutschen Kapitulation aus Böhmen und Mähren kommend die Elbe hinuntertrieben? Der eine oder andere mag persönliche Schuld auf sich geladen haben, aber alle? Auch die Kinder?
Nein, so einfach kann man es sich nicht machen. Nicht die Deutschen waren es, jedenfalls nicht alle. Nicht die Soldaten waren es, jedenfalls nicht alle. So könnte man also der gefallenen deutschen Soldaten des 2. Wk gedenken, aber eben nicht allen.
Genau das ist es, was das Erinnern bei uns so schwer macht, weil selbst ein Stauffenberg zunächst mal für dieses Regime war. Außerdem hat sich unsere Gesellschaft 50 Jahre lang bemüht, ihre Vergangenheit zu vergessen. Und die Tatsache, daß wir diese Vergangenheit mit aller Kraft unter die Nase gerieben bekommen, wenn es um die Schniedel neugeborener Jungs geht, macht den Umgang mit eben dieser Vergangenheit nicht leichter.
@David Ermes: Die Amerikaner haben mit My Lay offenbar weniger Probleme als wir mit Oradour (sur Glane), aber macht es das besser oder macht das irgendwas besser? Wir sollten vielleicht nicht unbedingt den Wettstreit um das dunkelste Büßerhemd gewinnen wollen, aber auch nicht den um die weißeste Weste. Vielleicht sollten wir das mit den Veteranenparaden einfach noch ein bißchen auf die lange Bank schieben.
@ Andreas Moser
Das ist natürlich ein Grund, weshalb wir keinen Veteranentag einführen und die in Afghanistan gefallenen Soldaten in Vergessenheit geraten sollten. Wie weit wollen sie eigentlich noch in die Vergangenheit gehen. Die Generation Weltkrieg ist schon nahezu nicht mehr existent, wir sollten endlich mal aufhören, uns selbst zu bemitleiden.
Wir sind ein eine stolze Nation mit einer gefestigten Demokratie, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Es gibt keinen Grund, weshalb es diesen Tag nicht geben sollte.
„Ich habe keine Antwort auf die Frage, ob man den Bundeswehrsoldat mit Auslandseinsatz (in der noch nicht mal 20-jährigen Geschichte bewaffneter Einsätze der Bundeswehr) als Veteranen ehren kann, über seinen Großvater im Russlandfeldzug aber nichts sagt, weil er zum Dienst für ein verbrecherisches Regime eingezogen wurde.“
Auf die Gefahr hin, dass mir der Vorwurf entgegenbricht, dass ich es mir zu leicht mache: Ich schon. Und wenn es schon staatlich und in der Masse der Bevölkerung anders gehalten wird, so kann zumindest ich sagen: Ja!
Herr Moser,
ich finde es aus Sicht des Historikers überaus bewundernswert, wie sie die über 18 Millionen Soldaten der Wehrmacht einfach pauschal zusammenfassen und als „Massenmörder“ kategorisieren. Ist Ihnen das nicht selbst etwas zu einfach? Oder verweigern sie diesen Soldaten tatsächlich das menschliche Antlitz? Fehlt Ihnen gar das Wissen, solch eine Kategorisierung überhaupt vornehmen zu können, oder verweigern sie sich bewusst wissenschaftlichen Studien zu dem Thema? Es gab eben nicht DEN mordenden Wehrmachts-Nazi, den sie jetzt so gerne als Antithese zum Gedenken präsentieren. Das es sie gab, steht außer Frage, dies aber auf eine breite Masse projezieren zu wollen, entstammt wohl eher den gelenkten Skandalen der 50/60er und der verquerten Sicht der 70er.
Zu den Gedenkstellen im Ausland eine kleine Anekdote. Als ich in Luxemburg war (sie erinnern sich, das kleine europäische Land, welches zweimal in seiner Geschichte überrannt wurde, beim zweiten Mal aber leider mit dem Gedanken der „Umerziehung“ etc.), sprach ich mit Einheimischen über den Krieg und das Gespräch ging auch hin zum Gedenken. Und selbst diese Leute, teils recht alt und evtl. sogar selbst betroffen, also mit gutem Recht auf Zurückhaltung gegenüber deutschem Militär, bringen an Gedenktagen Blumen an die Gräber der Gefallenen – auch an die der deutschen Soldaten. Und das allein aus Menschlichkeit, weil (Zitat): „im Tod alle Soldaten gleich sind, egal woher sie kamen.“ Ich denke, über diese Einstellung sollten wir alle mal etwas reflektieren. Auch der Jahrgang 1975, egal welcher Werteeinstellung er auch anhängt.
P.S.: Ich rede hier nicht um die, überspitzt dargestellte, „Huldigung“ von Waffen-SS Gefallenen, welche schon einmal eine politische Krise auslöste, sondern ging explizit auf die o.a. Wehrmachtsthese ein.
Eigentlich erstaunlich, dass dieses Thema so wenig Aufmerksamkeit erfährt obwohl doch Erinnerungskultur DAS Thema an den historischen Instituten zu sein scheint.
Dem Ruf nach diversen Gedenktagen möchte ich jedoch entgegenhalten, dass einem staatlich verordneten(!) Veteranentag unweigerlich der Trümmerfrauentag, der Lehrertag, der Gastarbeitertag, der Auswanderertag, der Beamtentag und der Tagtag folgen werden. In einer pluralistischen Gesellschaft ist es nicht mehr legitim eine Gruppe aufgrund von arbiträren Zuordnungen zu feiern. Und wie es Inflation immer so an sich hat, geht sie mit einer Wertminderung einher. Wer meint mit Verweis auf die Fußballer behaupten zu müssen, das sei nicht richtig, der möge bitte einen Augenblick darüber nachdenken was die immer gut gelaunten Fanmeilen genau feiern.
Daraus ergibt sich aber auch für mich, das ein Veteranentag genau so legitim ist wie der CSD, die Maikundgebungen der Gewerkschaften und der Weltaidstag. Analog zum CSD liegt es an den Veteranen wie glaubhaft sie ihr Anliegen und ihre Distanz zu den „Schmuddelveteranen“ aufzeigen können. Es gibt viele Familien die ihre Kinder mit zur prideparade nehmen seit sich deren Veranstallter klar gegen pedophile Gruppen gestellt haben. Die Folgen schlagen sich in der geänderten Rechtslage und im Ansehen in der Gesellschaft wieder. Mit einer vergrößerten Kreta-ISAF-KFOR-feier wird das nicht zu machen sein.
@ltis
Wo Sie gerade die Paraden ansprechen: Zum Veteranengedenktag werden die nicht in nächster Zeit kommen.
Aber nicht nur bei diesem haben wir Deutschen Probleme mit unserer Identität:
In vielen Staaten ist der nationale Feiertag ein wirklicher Feiertag. Selbstverständlich mit Paraden und nationaler Erinnerung.
Der 3. Oktober ist mit Ausnahme der eher halbherzig ausgerichteten Veranstaltung mit den üblichen Reden nur ein Tag an dem man nicht zur Arbeit / Schule etc muss. Vor allem wenn sich ein verlängertes Wochenende anbietet.
Hier gäbe es mE die Möglichkeit, daraus einen richtigen Nationalfeiertag zu machen und an verschiedene Dinge zu Gedenken:
– Die Wiedervereinigung Deutschlands
– Der Widerstand in der DDR (17. Juni)
– Der (demokratische) Widerstand gegen das 3. Reich
– Die Tatsache dass wir ein demokratisches Land sind, und das seit 64 Jahren. Mit demokratischen Strukturen wie BW, Polizei etc.
Und dass auch Soldaten (und Polizisten) für diesen Staat und diese Freiheit ihr Leben lassen, auch in AFG.
Wenn man sich dann vor der Angst auf das eigene Land gelöst hat kann man eher an anderes erinnern.
BTW: Die USA haben uns im Namen der Demokratie befreit, aber man sollte auch sehen dass 20 Jahre später die Schwarzen immer noch im Bus hinten sitzen mussten. So viel zur weißen Weste.
Die Amerikaner haben nach Vietnam gelernt, zwischen der Politik, die einen falschen Krieg befahl, und den Soldaten, die ihn zu kämpfen hatten, zu unterscheiden. Ich halte persönlich keinen der Auslandseinsätze der Bundeswehr seit den 90ern (an den wichtigsten habe ich teilgenommen) für politisch richtig, würde mir aber wünschen, daß man die Fehler der Politik nicht den Soldaten anlastet, ebensowenig wie man die Fehler der Politik 1939-45 den damaligen Soldaten anlasten sollte. Nur selbstgerechte und arrogante Menschen würden versuchen, sich moralisch aufzuspielen, indem sie sich über diese Soldaten erheben und diese pauschal herabzuwürdigen versuchen.
In Teilen der Bundeswehr wird übrigens der 20. Mai als eine Art Veteranentag gefeiert, trotz aller Selbstgerechtigkeit und Arroganz jener, die offenbar lieber auf die Gräber der Gefallenen spucken würden.
@Orontes
Für diejenigen, denen der 20. Mai spontan nichts sagt: Ich nehme an, das bezieht sich auf den Beginn der Luftlandeoperation Merkur, den Angriff deutscher Fallschirmjäger auf Kreta. Im weiteren Verlauf nicht nur ein positives Beispiel.
@T. Wiegold
Korrekt. Dieser Tag wird weiterhin gefeiert, weil damals viele tapfere Fallschirmjäger gefallen sind. Die damals gezeigte Tapferkeit achten auch die Briten, die damals auf der anderen Seite standen. Die Gefallenen und Veteranen pauschal als Kriegsverbrecher zu bezeichnen, wie es manche Gegner des Gedenkens tun, hat mit historischen Fakten nichts zu tun und erinnert an stalinistische Praktiken, unter denen deutsche Kriegsgefangene ebenfalls pauschal als Kriegsverbrecher behandelt wurden
Und solange man deutschen Soldaten jegliches Veteranengedenken und jegliche positive, gefechtsbezoge Traditionspflege mit Bezügen zur deutschen Militärgeschichte verweigert, wird es solches improvisierte Gedenken stets geben, inklusive des Risikos, das dies nicht immer so geschmackssicher ausfällt wie man es sich vielleicht wünschen würde. Angesichts der Bedingungen im Einsatz haben viele Soldaten emotionale Bedürfnisse, die über die offizielle, klinisch reine und künstliche Traditionspflege hinausreichen. Nimmt man dieses Bedürfnis nicht ernst, muß dies negative Folgen haben.
Ich habe selber „gedient“, aber ich muss sagen dass ich Schwierigkeiten habe mit dem Veteranengedenken. Bei allem Reiz, den das Soldatenleben für mich hatte / hat, blieb doch immer ein unterschwelliger Ekel angesichts der Tatsache, wofür man hier trainiert (zu meiner Zeit waren wir noch nicht in Afghanistan), und die endlosen Namensreihen auf den Kriegsgräbern und -denkmälern lösen bei mir unweigerlich nur den Gedanken „arme Schweine“ aus. In großem Dienstanzug und Klimbim anzutreten und mir mittelmäßiges Gesülze irgendwelcher ungedienter weltfremder Politiker anzuhören scheint angesichts dessen einfach eine völlig leere Geste bestenfalls und Glorifizierung von etwas, was nichts Glorreiches hat schlimmstenfalls.
Gleichzeitig ist mir natürlich klar, dass das – man kann vielleicht Parallelen zur Beschneidungsdebatte ziehen – wieder so ein Fall ist, wo die Deutschen meinen, es besser zu wissen als der Rest der Welt, was mich natürlich meinem Urteil gegenüber misstrauisch stimmt. Ich muss auch sagen dass ich aus „Abenteuerlust“ zum Bund gegangen bin und mir nicht ganz sicher bin, was daran jetzt überhaupt so lobenswert sein soll. Ich weiß nicht, wie viele Gefallene und Traumatisierte aus „guten“ Gründen zum Bund sind und ob das irgendetwas ändert, vermutlich nicht.
Wahrscheinlich ist es anmaßend, als Friedens“soldat“ den Leuten, die wirklich Scheiße erlebt haben, zu sagen, dass sie nicht öffentlich anerkannt werden sollten. Vielleicht sollte man die Veteranen befragen, wie sie das haben möchten? Ihre Meinung scheint mir die wirklich bedenkenswerte zu sein. Ich würde das offizielle Gedenken aber unabhängig davon lieber auf die Soldaten der Bundeswehr beschränkt sehen.
Das Problem mit Unternehmen Merkur sind die Massenhinrichtungen griechischer Zivilisten als Vergeltung für vermeintliche (aber in geringem Umfang auch tatsächlich begangene) Morde an Fallschirmjägern.
@JCR
Sie würden wegen Mord und Verstümmelung von gefangenen Fallschirmjägern durch griechische Partisanen doch auch nicht umgekehrt alle Zivilisten auf Kreta als Verbrecher bezeichnen und griechischen Partisanen ihr Gedenken an ihre Veteranen verweigern wollen? Falls doch, müssten Sie auch Briten wegen Dresden und Amerikanern wegen Hiroshima verbieten, ihren Veteranen zu gedenken.
@tez
„…und die endlosen Namensreihen auf den Kriegsgräbern und -denkmälern lösen bei mir unweigerlich nur den Gedanken “arme Schweine” aus.“
Und wie sollte man damit umgehen? Auch die Bundesrepublik hat solche „armen Schweine“ hervorgebracht (zum Glück nicht allzuviele), die für die Eingebungen von verantwortungslos handelnden Politikern Leben und Gesundheit geopfert haben. Ein Veteranengedenktag könnte aller dieser „armen Schweine“ gedenken, und zwar wenn möglich ohne Politikerreden oder sonstige Instrumentalisierung durch jene, die immer wieder Soldaten für mehr oder weniger fragwürdige Anliegen opfern. Als ehemaliger Soldat weigere ich gleichzeitig, mich von anderen Veteranen zu distanzieren, nur weil irgendjemand, der selbst nie gedient hat, dies von mir fordert. Ich begegne jedem ehemaligen Soldaten, der für deutsche Armeen im Einsatz war und sich dabei anständig verhalten hat, mit der gleichen Achtung wie ich Veteranen anderer Streitkräfte begegne die das gleiche für ihr Land getan haben. Ein Veteranentag, der von Veteranen ernst genommen werden will, sollte sich jeglicher Politisierung gleich welcher Richtung strengstens enthalten.
Man muss nicht immer gleich pauschal jeden deutschen Soldaten als Kriegsverbrecher bezeichnen. Um die Fallschirmjägertruppe als politisch „geladen“ zu bezeichnen bedarf es jedoch keiner Moralakrobatik. Wenn ich nun die Ehrung dieser Truppe ablehne, dann spucke ich nicht auf deren Gräber, distanziere mich aber deutlich von denen die heute diese politische Ladung zumindest weichzeichnen möchten.
Und schon sind wir mitten drin in der schönsten Vereinnahmungsdebatte…
Um der Debatte aber vielleicht ein wenig der ideologischen Schärfe zu entziehen und weil es so schön passt (ab 1:30):
http://www.youtube.com/watch?v=8VtGbJHXTQ8
@A. Horstmann
Wo wir gerade dabei sind: Hier ein Lied von Garth Brooks, der britischen und deutschen Veteranen des Ersten Weltkriegs ein gemeinsames musikalisches Denkmal jenseits jeglicher politischer Instrumentalisierung gesetzt hat (wobei sein Titel „Belleau Wood“ historisch nicht ganz korrekt ist, aber das soll hier keine Rolle spielen)
http://www.youtube.com/watch?v=IuD-hwDa8YQ
Weniger bekannt als Garth Brooks, aber historisch korrekter: „Christmas in the Trenches“
http://www.youtube.com/watch?v=sJi41RWaTCs
@Orontes
Re: „arme Schweine“
Für mich wäre die Schlussfolgerung, das Gedenken lieber persönlich, intern und still halten, und keinen theatralischen Staatsakt daraus zu machen. Ich würde mich aber wie gesagt den Kameraden unterordnen, die das historische Pech hatten, tatsächlich hingehen und leiden zu müssen. Wenn die eine öffentliche Anerkennung ihrer Leistung schätzen würden, dann ist das das natürlich weitaus schwerwiegender als meine persönlichen Bedenken.
Es gibt eine Menge berührende englischsprachige Lieder zum Thema.
Redgum – Only 19 (Vietnam)
http://www.youtube.com/watch?v=aXaczfR_lo0
Dropkick Murphys – The Green Fields Of France (1. WK)
http://www.youtube.com/watch?v=6UvQ52A7ksM
@tez
„Für mich wäre die Schlussfolgerung, das Gedenken lieber persönlich, intern und still halten, und keinen theatralischen Staatsakt daraus zu machen.“
Ich glaube (kann aber nur für mich sprechen), dass der theatralische Staatsakt auf deutscher Seite weder dem Landser von damals noch dem Soldaten von heute zusagen würde. Auch die Angelsachsen (die typischen Mohnblumen tragen zu dieser Jahreszeit ja nicht nur Briten) wählten ja eher eine stille Form des Gedenkens. Triumphalismus stände angesichts des sinnlosen Massensterbens ohnehin keiner Seite gut zu Gesicht.
Persönlich würde ich politische Worte egal welcher Richtung bei einem Veteranengedenken aufs Schärfste ablehnen und bei einer eventuellen unwürdigen Veranstaltung dieser Art deren Schauplatz umgehend verlassen. Schon beim Volkstrauertag sind manche Aktivistenseelen ja leider nicht davor gefeit, das Gedenken in die eine oder andere Richtung für ihre niederen Zwecke zu benutzen. Der Volkstrauertag ersetzt aber m.E. keinen Veteranentag, weil man für das Handeln des Veteranen nicht nur Trauer empfinden muß. Es wird immer junge Männer geben müssen, die freiwillig oder unfreiwillig ihr Leben für die Allgemeinheit einsetzen, und ob dies richtig war oder nicht, ist oft erst nach einiger Zeit zu beurteilen.
„May God give you strength/
Do your job real well/
If it all was worth it/
Only time it will tell“.
http://www.youtube.com/watch?v=69zvFnVa03g
Hm. Wäre dann so was bei uns denkbar?
Remarks by the President on Veterans Day
Teile der Politik sind in der Frage schon weiter. So schreibt die Junge Union in ihrem neuen Grundsatzprogramm u.a. folgendes: „Die Junge Union fordert die Einführung des nationalen Gedenktages für die Veteranen und Gefallenen der Bundeswehr seit 1955.“
In eine ähnliche Richtung geht der 12. November, den die JU im letzten Jahr zum „Tag der Solidarität mit der Bundeswehr“ ausgerufen hat.
Ich hab für mich die Erfahrung gemacht, dass das Veteranengedenken in der Grande Nation und in Great Britain mit sehr viel Geschichtsklitterung und unangebrachter Heroisierung einhergeht, und nur zu gerne zur eigenen nationalen Überhöhung instrumentalisiert wird.
Gerade in Verdun ist es mir aufgefallen, wenn über die Fakten und das Gedenken an die Toten hinaus versucht wird dem Irrsinn einen heroisch-nostalgisch-martialischen Anstrich zu verpassen. Da bin ich über die nüchternere und ehrlichere deutsche Herangehensweise doch sehr froh.
@all
Hinsichtlich solcher Typen wie @Andreas Moser gilt
„DON’T FEED THE TROLL!“
@T.W.
„Für diejenigen, denen der 20. Mai spontan nichts sagt: Ich nehme an, das bezieht sich auf den Beginn der Luftlandeoperation Merkur, den Angriff deutscher Fallschirmjäger auf Kreta. Im weiteren Verlauf nicht nur ein positives Beispiel.
Ja, aber nun einmal eines der wenigen Beispiele von (vielfachen) persönlichen Heldenmut und kontinuierlichem Veteranengedenken über die letzten 60 Jahre bis hin zum heutigen Tage…
Und eines sollte man auch wissen: Die aus heutiger Sicht zu verurteilenden Taten auf Kreta wurden NICHT im Zuge der Operation Merkur sondern im Nachgang und im wesentlichen NICHT von FschJg verübt und außerdem waren die unmittelbaren Taten von nur sehr beschränktem Umfang (wenn ich mich recht entsinne eine sog. „Süneaktion“). Alles andere entwickelte sich über die Monaten und Jahre der folgenden Besatzungszeit und hat (mit Ausnahme des Inselkommandanten) NICHTS mit der FschJgTr zu tun.
@J.R.
„Gerade in Verdun ist es mir aufgefallen, wenn über die Fakten und das Gedenken an die Toten hinaus versucht wird dem Irrsinn einen heroisch-nostalgisch-martialischen Anstrich zu verpassen. Da bin ich über die nüchternere und ehrlichere deutsche Herangehensweise doch sehr froh.“
Ja, aber Soldaten brauchen nun einmal nicht nüchterne Fakten, sondern Helden und Vorbilder. Natürlich sollten diese wahrheitsgemäß sein, aber wer glaubt denn bitte schön, dass die überlieferten Geschichten der frühen christlichen Märtyrer bis ins letzte Detail stimmen?!?!
Es geht doch um die Richtung und um die Vorbildfunktion an den man sich als Soldat orientieren kann. Nicht an der Frage welche Schuhgröße das Vorbild hatte und wann er welchem Klassenkameraden in der 5. Klasse auf dem Pausenhof mal eine zusehr gewischt hat ;)
(@Koffer
Ich hoffe sehr, dass es bei diesem Thema nicht persönlich wird.)
@T. Wiegold
In Deutschland gibt es die „unbroken chain of patriots who have always come forward to serve“ nicht, auf die der US-Präsident sich bezieht. Derzeit leben in Deutschland Veteranen aus mindestens fünf deutschen Staaten, die sich z.T. feindlich gegenüberstanden. Viele von ihnen können belastbare Gründe dafür vorbringen, warum das, was sie taten, ihnen zum entsprechenden Zeitpunkt als moralisch richtig oder zumindest gerechtfertigt erschien.
Wer weiß, ob in einigen Jahren nicht eine deutsche Regierung entscheidet, daß z.B. der Afghanistan-Einsatz moralisch falsch war und dafür ebenfalls gute Gründe vorbringen kann?
Ich behaupte, daß es ein überzeitliches und überstaatliches soldatisches Ethos gibt, daß mit dem Begriff „Ritterlichkeit“ beschrieben wurde. Wer diesem Ethos entsprechend gehandelt hat, verdient aus meiner Sicht die entsprechende Achtung als Veteran, egal ob er in Reichswehr, Freikorps, Wehrmacht etc., Nationaler Volksarmee oder Bundeswehr oder der Armee eines anderen Landes gedient hat.
Man muß zwischen Politik und individuellem Soldaten unterscheiden. Die meisten Veteranen können dies. Ich durfte vielen Veteranen vieler Nationen und vieler Kriege begegnen, die Ritterlichkeit bei ihren Gegnern stets erkannt und mit der angemessenen Achtung voreinander beantwortet haben. Keiner von denen, die ganz vorne standen, neigte nach meinem Eindruck zu lautem Getöse, das eher eine Sache der Politiker ist.
Einen Veteranentag sollte man ganz den Veteranen überlassen und keinesfalls in die Hände von Politikern oder Aktivisten geben, die in der Regel nicht wissen, wovon sie reden, und so einen Tag nur herabwürdigen könnten.
Tatsache ist aber auch, dass es neben der Wehrmacht noch andere militärische Traditionen gibt, deren zu gedenken es sich lohnt.
Nächstes Jahr ist das Jahr, in dem sich die Hauptschlachten der Befreiungskriege zum 200. mal jähren.
Wird da von offizieller Seite irgend etwas gemacht?
@ Koffer
Geschichte und Gesellschaft zu verbiegen, damit sich die Soldaten besser fühlen, ist schlicht falsch. Sorry, schonender kann ich’s nicht auf den Punkt bringen.
Die Problematik des ganzen kann man ja sehr gut am angesächsischen Raum sehen:
Sobald da ein Krieg erstmal läuft ist es in Teilen immer noch als verpönt, den zu kritisieren, weil es ja die Soldaten belastet. Und Kritik am Militär ist ja eh unpatriotisch.
Auch die Wahrnehmung von Krieg ist teils um einiges stärker aufs militärische Konzentriert, und dort nicht zuletzt auf nette Abenteuergeschichten.
Wenn man sich dann noch anschaut, wie im etwa US-Wahlkampf Krieg und Militär als Bühne instrumentalisiert werden. Nee, muss ich echt nicht haben.
Da ist mir der nüchtern-unbequeme deutsche Blick um einiges lieber. Und mit der bundesdeutschen „Krieg ist scheiße“-Einstellung fühl ich mich um einiges sicherer, als mit dem angelsächsischen „Krieg ist die Geburtsstunde für Helden“-Mythos.
Letztlich geht es hier doch auch nicht um den Feiertag, sondern um Interesse für und ehrlichen Umgang mit jenen, die für Deutschland ihre Haut riskieren. Da würde ein Feiertag derzeit gesellschaftlich genau nix bringen. Außer die Bundeswehr vielleicht noch etwas mehr vom Gros der Gesellschaft abzugrenzen, und der Politik ne Bühne für Sonntagsreden und populistisches Getue zu bieten.
Wäre da Stolz auf die eigene Arbeit nicht der bessere Weg? Und ist nicht genau das der Teil, der bei der Bundeswehr zwischen Maskotchen der Rüstungsindustrie, Kasernen-Verwaltungsdienst-nach-ZdV und Hauptsache-irgendwie-dabeigewesen-Einsätzen auf der Strecke bleibt? Würde man sich da nicht eher ein Beispiel an den Niederlanden nehmen, die auch ohne den angelsächsischen Pomp über eine transparentere (und erfolgreichere) Militärpolitik anscheinend (mittlerweile wieder) mehr Respekt für ihre Soldaten erreicht haben?
Ganz nebenbei:
Wenn ich, als überzeugter Zivilist, keine Schwierigkeiten damit hab, unter den Soldaten der Gegenwart Helden und Vorbilder zu finden: Warum sollten sich dann deutsche Soldaten damit schwerer tun?
@J.R.
„Wenn ich, als überzeugter Zivilist, keine Schwierigkeiten damit hab, unter den Soldaten der Gegenwart Helden und Vorbilder zu finden: Warum sollten sich dann deutsche Soldaten damit schwerer tun?“
Ein Veteranentag kann die unterstützende Erwartungshaltung einer Gesellschaft ausdrücken, die es nicht akzeptiert, wenn Soldaten der Helden- und Vorbildrolle nicht gerecht werden. Auch wenn die möglichen Anlässe für Heldentum (d.h. die Pflichterfüllung unter Aufgabe des eigenen Lebens) momentan eher begrenzt sind, so ist es historisch betrachtet doch sehr unwahrscheinlich, daß dies so bleiben wird. Irgendwann wird Deutschland wieder Helden brauchen, und wenn die Bundesrepublik sich einen Gefallen tun will, schafft sie schon jetzt die kulturellen Voraussetzungen dafür, daß diese Helden zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden.
Empfehlenswert: „Der kleine Frieden im großen Krieg“ von Michael Jürgs
Einfach surreal, das zu lesen. Bezeichnenderweise waren sich deutsche und britische Soldaten schnell einig, daß Krieg nur stattfindet, wenn es Leute gibt, die bereit sind zu schießen und andere, die bereit sind, sich erschießen zu lassen. Die Franzosen und Belgier waren deutlich zurückhaltender, aber es war ja deren Heimat, die da im Stellungskrieg unterging.
Heute aktuell: Die NZZ über französische Aufarbeitung der eigenen Kriegsgeschichte.
http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/die-spuren-der-gewalt-1.17787786
@J.R.
Geschichte und Gesellschaft zu verbiegen, damit sich die Soldaten besser fühlen, ist schlicht falsch. Sorry, schonender kann ich’s nicht auf den Punkt bringen.
1. Das habe ich nicht gesagt.
2. Soldaten brauchen Helden. Das ist so einfach wie Klossbrühe klar ist. Das war schon immer so und wird auch immer so sein. Wenn es Ihnen nicht gefällt: Ihr Problem. Soldaten aller Länder waren sich und sind sich hierüber einig.
„Da ist mir der nüchtern-unbequeme deutsche Blick um einiges lieber. Und mit der bundesdeutschen “Krieg ist scheiße”-Einstellung fühl ich mich um einiges sicherer, als mit dem angelsächsischen “Krieg ist die Geburtsstunde für Helden”-Mythos.“
Ne, ist klar. Und genau mit so einem „nüchternen“ Blick verweigert man Soldaten das was Ihnen meistens wichtiger ist als vieles andere: Anerkennung.
Tolle Wurst!
„Wenn ich, als überzeugter Zivilist, keine Schwierigkeiten damit hab, unter den Soldaten der Gegenwart Helden und Vorbilder zu finden: Warum sollten sich dann deutsche Soldaten damit schwerer tun?“
Soldatische Helden können nur in Extremsituationen geboren werden. Das muß nicht immer der Krieg sein, aber das kann im Regelfall auch nicht der Friedensdienst in der Garnison sein.
Deutschland hat das noch nicht verstanden. Aber das wird schon noch… ;)
@J.R.
„Tatsache ist aber auch, dass es neben der Wehrmacht noch andere militärische Traditionen gibt, deren zu gedenken es sich lohnt.
Nächstes Jahr ist das Jahr, in dem sich die Hauptschlachten der Befreiungskriege zum 200. mal jähren.“
Stimmt! Denn deutsche Militärtradition ist auch, aber halt auch viel mehr als „nur“ der II. WK!!
„Wird da von offizieller Seite irgend etwas gemacht?“
Da würde ich fast gegen Wetten :(
Diese (Pseudo-) „Political Correctness“ in Deutschland ist einer der Gründe, warum ich froh bin, für dieses Land (bzw. seine Bewohner) nicht mehr in Einsätze ziehen zu müssen.
Ein Veteran ist ein Veteran-und zwar nicht nur dann, wenn es den Herren von der Linksfraktion gerade so passt.
Es ehrt andere Nationen, das sie (auch im Falle Deutscher Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges) eben NICHT so denken-und es beschämt mich umso mehr, als das die heutigen Deutschen meinen, im Sinne der „Alles war schlecht“-Mentalität grundsätzlich alle Deutschen Soldaten in einen Topf zu werfen zu müssen.
@JCR
Hauptschlachten der Befreiungskriege zum 200. mal jähren.
Wird da von offizieller Seite irgend etwas gemacht?
Zum Befreiungskrieg wurde er im Nachhinein, für die süddeutschen Staaten begann das Niederringen von Freiheitsbewegungen die dann in die Ereignisse von 1848 und 1866 mündeten. Also für Süddeutschland nichts zu feiern.
Orontes Einlassung „Ich behaupte, daß es ein überzeitliches und überstaatliches soldatisches Ethos gibt, daß mit dem Begriff “Ritterlichkeit” beschrieben wurde. Wer diesem Ethos entsprechend gehandelt hat, verdient aus meiner Sicht die entsprechende Achtung als Veteran, egal ob er in Reichswehr, Freikorps, Wehrmacht etc., Nationaler Volksarmee oder Bundeswehr oder der Armee eines anderen Landes gedient hat.“
halte ich schon für bemerkenswert. Zunächst einmal erklärt er damit das nackte Töten an sich ohne Rücksicht auf Zwecke oder/und Legitimationen zur ehrenwerten Tätigkeit, was mit gewissen Prinzipien der Bundeswehr und Artikeln des Grundgesetzes wohl kaum in Einklang stehen dürfte. Sagen wir es doch ruhig offen: Orontes betreibt hier rechtsradikale Propaganda. Und das unterstreicht er ja auch selbst noch, in dem er ausdrücklich die unter dem Etikett „Freikorps“ im verdeckten Bürgerkrieg nach dem November 1918 operierenden Mörderbanden ausdrücklich mit einschließt. Kein Soldat der BW hat es verdient mit diesem Abschaum, der bewaffnet gegen Rechtstaat, Demokratie und Menschenrechte kämpfte, pauschal in einen Topf geworfen zu werden.
Wer sich mit solchen Bestrebungen gemein macht (wie Orontes hier) handelt den Grundprizipien unserer Verfassung diametral entgegen. Sollte Orontes je einen Eid auf das Grundgesetz abgelegt haben, steht insowiet der Verdacht auf Meineid im Raum. Sollte Orontes tatsächlich die Haltung der „der BW“ repräsentieren, wäre kein anderer Termin als der 11.11. für einen Veteranentag denkbar.
Noch eine Bemerkung am Rande: Der Hinweis auf die Befreiungskriege hat angesichts der Vorgänge in AFG ein gewisses Geschmäckle: Wer die wesentliche Leistung Scharnhorsts, den Aufbau des Landsturms ernst nimmt, wird fatalerweise die Kampfweise der Taliban und deren Kollegen kaum mehr beanstanden können, denn keine andere Truppe hält sich derart genau an die Vorgaben der Preussischen Landsturmordnung von 1813 (etwa: nur Überfälle, keine langen Kämpfe; oder keine Uniformen, um leichter in der Bevölkerung untertauchen zu können etc.). Mich persönlich überkommt durchaus ein gewisse Heiterkeit bei der Vorstellung, dass irgendein Hauptmann Orontes in einer „Mullah-Omar-Kaserne“ zum Dienst antreten muss im Gefolge der Pflege preussischer Traditionen durch muslimische Terroristen – was vielleicht ein weiteres Argumt für den 11.11. wäre.
Deutsche El-Alamein-Veteranen (!) auf deutschesheer.de:
http://www.deutschesheer.de:80/portal/a/heer/!ut/p/c4/NYzBDoIwEET_aLeQaNCbhIse9aBwW8qGVktLNgte_HiLiTPJJJM3GewwO9LqR1KfIgV8YGv9sX-DYxagly4cAkSyTrx1yhGe5KQ0RQkxrTz1_Ct4354GBpsi65Z5qj7nKKRJYE6iYSOLSCbgB2xN0dRmZ_4qPlXXHi63ar9vzvUV52k6fQGGVIUD/
@Zivi a.D.
Kann bei Orontes Äußerungen nichts von dem erkennen was sie ihm vorwerfen, aber das liegt wohl an der Definition von Ritterlichkeit und da gibt es wohl in jedem Krieg Soldaten die versuchen anständig (was auch immer das ist) zu bleiben!
Viel interessanter ist die Frage wie können wir dazu beitragen, dass bei aller unmenschlichkeit von Kriegen keine Verrohung stattfindet und wie integriert man Menschen die all dies erlebt haben! Dazu kann evtl ein symbolischer Umgang beitragen. Gerade für die, welche sich im Krieg der männlichen Lust des tötens wahllos hingaben, sollte dieser Umgang nicht gelten! Das ändert nichts an politisch falschen Entscheidungen und die haben auch unsere Verbündeten zu genüge getroffen! Evtl sollte man auch die Soldaten ehren, die sich einem Völkerrechtswidrigem Einsatz entzogen hatten oder gar sich gegen einen solche aufgelehnt hatten, auch da haben wir und viele andere Staaten schon Erfahrungen gemacht!
@Elahan: Abgesehen von der direkten Bewertung des Statements von Orontes (der auch nicht ad personam hier „angeschossen“ werden soll) bin ich mit allem völlig einverstanden. Ich sehe allerdings bei Orontes (auch stellvertretend für andere) wie sie sich nach und nach vom Grundgesetz und dessen Koordinatensystem der Werte weg und hin zu eindeutig rechtsradikalen Positionen bewegen. Wobei der Kern des Problems m.E. bei der Politik liegt, die hier nicht klar führt und („symbolischer Umgang“) auch keine glaubwürdige Fundierung für die Einsätze schafft, aber unsere Leute in Flecktarn gerne raus schickt und dann politisch (kein Plan, unzureichende materielle wie immaterielle Ausrüstung, keine Solidarität) im Regen stehen lässt. Orontes und seine Kameraden werden hier auf eine ziemlich perfide Weise verheizt – und füllen das materielle wie politische Vakuum notgedrungen mit hausgemachter Improvisation. Zumindest auf der politischen Seite erweist sich das als ungenießbar .
An diesem Punkt liegen die entscheidenden die historischen Unterschiede zu unseren Nachbarn&Verbündeten: Anders als Briten, Franzosen oder Amerikaner haben die Deutschen ihre Freiheit nicht selbst erkämpft sondern durch die Gunst der Geschichte nachträglich noch geschenkt bekommen. Deshalb hat eine deutsche Rechte immer ganz andere Bedeutung als etwa eine amerikansiche Tea Party: Die USA schwitzen solche Bewegungen aus, wie ein Kind die Masern. Dass das in Deutschland jetzt genauso ausginge, ist eine reine Hoffnung ohne jede historische Erfahrung. Und die Frage, wie die Freiheit gewonnen wurde, macht einen Unterschied, wie man derzeit geradezu labormäßig in Osteuropa sehen kann.