Der NATO-Bündnisfall – jetzt wegen des arabischen Frühlings?

BW Einsatz ACTIVE ENDEAVOUR Bandschnalle bronze(Foto via wikimedia commons)

Die Operation Active Endeavour, die Seeraumüberwachung im Mittelmeer, ist die letzte Mission, die für Deutschland vom NATO-Bündnisfall nach den Anschlägen des 11. September 2001 in New York und Washington noch geblieben ist. Im Rahmen der vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündeten uneingeschränkten Solidarität patrouillieren Schiffe und Boote der Deutschen Marine als letzte deutsche Einheiten unter Artikel 5 des NATO-Vertrags an der Südflanke der Allianz.

Nun nimmt die Bundeswehr an dieser Mission ohnehin nur noch gelegentlich teil; das vorerst letzte deutsche Schiff war die Fregatte Karlsruhe, die in den vergangenen Tagen auf dem Transit zum Antipiraterie-Einsatz vor Somalia während ihrer Fahrt durchs Mittelmeer der Operation Active Endeavour unterstellt war.

Also ein Auslaufmodell, zumal sich nach mehr als zehn Jahren nach 9/11 tatsächlich die Frage stellt, ob der NATO-Bündnisfall ewig aufrecht erhalten werden muss? Keineswegs, sagen Außenminister Guido Westerwelle und Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Vor dem für den (morgigen) 14. November geplanten Beschluss des Bundeskabinetts zur Verlängerung dieses Einsatzes, die dann noch vom Bundestag gebilligt werden muss, haben sie eine interessante Begründung für das Andauern dieser Mission gefunden.

In einem Brief an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen vom (gestrigen) 12. November schrieben die beiden Minister:

Die sicherheitspolitische Relevanz von ACTIVE ENDEAVOUR ist – insbesondere vor dem Hintergrund der politischen Umbrüche in der arabischen Welt – gestiegen. Die Entwicklungen in der arabischen Welt haben zu einer erhöhten Volatilität inbesondere unseres südlichen Umfelds geführt. In Nordafrika sind Aktivitäten terroristischer Gruppierungen festzustellen, insbesondere der Al Qaida im Maghreb (AQM). Es besteht die Gefahr, dass Al Qaida-Ableger oder lokale, AQM-affine Gruppen unkontrollierte Gebiete als Rückzugsräume nutzen. Die Krise in Syrien hat mittlerweile eine regionale Dimension angenommen. Terroranschläge sind Bestandteil der bewaffneten Auseinandersetzung, in der auch Jabhat al Nusra, eine von A Qaida anerkannte Terrorgruppierung, zunehmend von der unübersichtlichen Lage profitiert.
Die Operation ACTIVE ENDEAVOUR leistet einen Beitrag dazu, unser Lagebild im Mittelmeerraum zu verdichten. Sie entfaltet eine abschreckende und präventive Wirkung im Mittelmeer, die im gesamten Bündnis hoch geschätzt wird.

Nun ist die Lagebeschreibung ja nachvollziehbar (das mit dem außenministeriellen Lob für die Entwicklungen des arabischen Frühlings in Übereinstimmung bringen müssen andere.) Dennoch ist es zumindest merkwürdig, den wegen der 9/11-Anschläge ausgerufenen NATO-Bündnisfall jetzt mal eben für die Anti-Terror-Patrouillen aus anderen Gründen im Mittelmeer umzuwidmen.

Anders gefragt: Würde die Bundesregierung für den vorbeugenden Einsatz gegen Terrorismus in Nordafrika einer Ausrufung des NATO-Bündnisfalls zustimmen? Das scheint mir doch recht unwahrscheinlich. De facto macht sie aber genau das. Das ist schon recht nah an der US-Haltung zum Global War on Terror.