Gastbeitrag zum Buch (1): Foxtrott 4
Den Film von Jonathan Schnitt über seine Erlebnisse und Eindrücke während mehrerer Monate mit der Bundeswehr in Afghanistan haben vielleicht einige gesehen, manche möglicherweise auch das Buch Foxtrott 4 gelesen. Was hier bislang hier noch fehlt: eine Rezension des Buches.
Aus verschiedenen Gründen (unter anderem, weil meine gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch nicht so ganz behoben sind, aber auch, um dieses Format auszuprobieren) öffne ich Augen geradeaus! mal für einen Gastbeitrag mit einer Rezension von Foxtrott 4. (Eine weitere Buchrezension zu einem anderen Buch kommt später am heutigen Tag.)
Zum Autor dieses Gastbeitrags: Daniel Lücking war als Bundeswehroffizier für die Truppe für Operative Information zwischen 2005 und 2008 insgesamt 11 Monate in Afghanistan im Einsatz. Seit 2010 studiert er Online-Journalismus am Mediencampus der Hochschule Darmstadt und setzt sich mit der Veteranenpolitik, wie auch der Darstellung des Afghanistaneinsatzes in den Medien auseinander. Er bloggt (natürlich) auch, unter Medienkonsument.de – von dort übernehme ich als Crosspost seine Rezension:
Jonathan Schnitt war sechs Monate zusammen mit deutschen Soldaten im Auslandseinsatz. An einem der wohl gefährlichsten Einsatzorte der Bundeswehr der vergangenen zwei Jahre. An einem der wohl gefährlichsten Einsatzorte der Bundeswehr der vergangenen zwei Jahre. 53 Soldaten sind bisher in Afghanistan umgekommen – 15 von ihnen fielen seit dem Gefecht am Karfreitag 2010 im Bereich um die afghanische Stadt Kunduz.
In seinem Buch Foxtrott 4 und der TV-Dokumentation schildert Kriegsdienstverweigerer und Journalist Jonathan Schnitt seine Erfahrungen als „Embedded Journalist“ – als Journalist, der den Einsatz der Soldaten hautnah begleitet. Mittendrin, statt nur dabei.
Er beschreibt den Alltag der Soldaten, den eintönigen Wachdienst auf der einst schwer umkämpften Höhe 432 – die mitten im Indianerland liegt. Ein Bereich, der 2010 schon an die Taliban verloren schien.
Doch auch Patrouillenfahrten oder die Gespräche des Nachrichtenoffiziers mit den Einheimischen bringen für den Leser kaum neue Erkenntnisse zu Tage.
Schnitt begleitet eine Gruppe Soldaten, die im besten Sinne des Eides „treu dient“. Im Angesicht der latenten Bedrohung durch Sprengfallen und Attentäter stellen sich die Soldaten tapfer dem Einsatz – und sie haben Glück. Ihre sechsmonatige Einsatzzeit vergeht, ohne dass einer ihrer Kameraden fällt oder schwer verletzt wird. Auch ihr Kompaniechef zeichnet sich in den Gesprächen durch eine korrekte soldatische Haltung aus. Auf mich wirkt er gerade zu mustergültig und wie ein Vorzeigesoldat. Für ihn ist es der erste Einsatz in Afghanistan.
Kritische und über Politik diskutierende Soldaten – den Staatsbürger in Uniform – präsentiert Schnitt seinen Lesern nicht, dafür aber fast eine Art Lagerfeuer-Romantik vom unbestritten harten und fordernden Dienst.
Von insgesamt 67 Bildern, die im Buch präsentiert werden zeigen nur 14 die afghanische Bevölkerung – der überwiegende Teil besteht aus ansichtskartentauglichen Motiven, wie man sie in Bundeswehrbroschüren finden kann.
Darüber hinaus fehlt es an Bildern von beschädigten, beschossenen und angesprengten Fahrzeugen. Selbst als eine Patrouille des Kompaniechefs angesprengt wird, bleibt Schnitt in der Erzählhaltung anstatt Bilder der Fahrzeuge zu zeigen.
Notwendig wäre dies, weil Schnitt korrekterweise deutlich ausführt, dass die Soldaten Gedanken an diese Verletzbarkeit, Verwundung und Tod verdrängen, um im Dienst funktionieren zu können.
Die Bilder von angesprengten und beschossenen Gefechtsfahrzeugen kennen Soldaten, wie auch Journalist Schnitt aus der Vorbereitung auf den Einsatz. Und so sehr sich die Soldaten bemühen stumpf zu sein und die Bedrohung nicht an sich heran zu lassen: die Gefahr kennen sie alle.
Dem Leser wird das jedoch vorenthalten.
Dünn fällt auch das Kapitel über die journalistische Objektivität aus, in dem Schnitt nicht einmal vier der insgesamt 211 Seiten widmet.
Foxtrott 4 ist für mich damit allenfalls ein Landser-Tagebuch für das es keinen Journalisten gebraucht hätte. Berichte dieser Art haben Soldaten in den letzten Jahren mehrfach veröffentlicht – und dabei in Kauf genommen, sich der Kritik durch die Bundeswehr auszusetzen, sie hätten gegen Geheimhaltungs- oder Verschwiegenheitspflichten verstoßen.
So groß meine Kritik an dem Werk Foxtrott 4 ist – Jonathan Schnitt hat meinen Respekt dafür, dass er sich den Soldaten angeschlossen und die Gefahren und Belastungen auf sich genommen hat. Ich wünsche ihm, dass Buch und Film nicht zu Werbezwecken genutzt werden. Das Potential dazu hat diese Erzählung.
schnitt schreibt kurz und nicht sehr bildlich, orte und geschehnisse werd oft nur mit wenigen worten beschrieben, so dass der leser nicht wirklich tief in die situation eintauchen kann (ich vergleich hier einfach mit der referenz „war“ von sebastian junger).
viele passagen sind sehr kurz und gewähren nur den einblick in relativ isolierte situationen, oft fragt man sich, was an anderer stelle oder später geschehen ist. (zB ansprengung von golf, begegnug mit tf47, etc).
zudem habe ich ein paar übersichtskarten schmerzlich vermisst, die das geschehene und die bewegung im raum für außenstehende nachvollziehbarer gemacht hätten.
für leser ohne militärische vorkenntnisse/bundeswehr vergangenheit halte ich das buch als nur bedingt geeignet, da a) viele situationen aus dem militärische alltag und den operationen zu undetailiert beschrieben sind und damit auch b) das buch aus literarischer sicht nur wenig anreiz bietet, gelesen zu werden.
im endeffekt ein ganz nettes buch, das sich gut und schnell lesen lässt und einen kurzen und relativ facettenlosen einblick, in teile des einsatzes gibt – auf grund fehlender details aber potential zu viel mehr gehabt hätte.
Die Rezension ist mir bisweilen zu soldatisch. Amüsant ist direkt der erste Satz, dass man es sich nicht nehmen konnte, den Tatbestand des Kriegsdienstverweigerers wegzulassen. Dadurch wundert es nicht, dass das Buch als zu aalglatt bezeichnet wird. Die Sache mit den Bildern finde ich so naja… was ist daran „schlimm“, dass es nur wenige Bilder von der Bevölkerung gibt? Wären mehr Bilder überhaupt repräsentativ zum Einsatzgebiet gewesen? Unterhalten sich Soldaten im Einsatz überhaupt kritisch und über Politik?
Die Sache ist doch die, dass sich die Soldaten bei „Sterben für Kabul“ betrogen fühlten und es ja auch bei der Reportage der Zeit aufs Dach gab. Vll war nicht mehr aus den Soldaten heraus zu bekommen, weil niemand „reden“ wollte? Was hat man sich im Kapitel über journalistische Objektivität erhofft?
Ich bin da einfach mal dem Stil gefolgt, der mir bei den meisten Veröffentlichungen begegnen: die Autoren verorten ihre Bundeswehr-Erfahrung oder eben auch, wie Schnitt, die nicht vorhandene. Warum sich ein Journalist diesbezüglich rechtfertigen muss, ist mir nicht ganz schlüssig. Nur weil jemand zu irgendeinem Zeitpunkt bei der Bundeswehr gedient hat oder auch nicht sagt das nichts über die notwendige Distanz oder eine vorhandene Befangenheit aus.
Zum Kapitel journalistische Objektivität:
Rund um das Thema „Embedded Journalism“ ist die Debatte ja nicht tot zu bekommen. Wenn das abendliche Bier mit Soldaten als neutralitäts- & objektivitätsgefährdend gesehen wird, hat das schon etwas tragisch komisches.
In der Berichterstattung rund um den ISAF-Einsatz kommen leider immer weniger Afghanen vor – so zumindest mein Eindruck. Und die Bevölkerung ist ebenso unterrepräsentiert.
Filme, wie „Generation Kunduz“, die das Leben der Bevölkerung mit der Truppenpräsenz zeigen schaffen es noch weniger auf die Mattscheibe (http://www.zeit.de/kultur/film/2012-03/film-generation-kunduz).
Schnitt fügt das Kapitel über „Journalistische Objektivität“ ein – sagt, dass er nur eine Seite zeigt (was ich durchaus in Ordnung finde) weist aber nicht daraufhin, welche Seiten er nicht abdeckt. Neben der Bevölkerung müsste er die Politik in Afghanistan listen, wie auch die deutsche Politik. Zusätzlich sind auch zivile Hilfsorganisationen vor Ort.
Wie Kommentator HansG die fehlenden Karten bemängelt, fehlt mir die Draufsicht auf den gesamten Einsatz. Von seiner Vita her zu urteilen hätte Jan Schnitt das durchaus kompetent abdecken können müssen. Die Frage ist, wer das wollte oder auch nicht wollte …
Mit keinem Wort habe ich eine Rechtfertigung zum Thema KDV von Ihnen gefordert. Dennoch erinnerte es mich sehr an die erste Frage eines jeden Offiziers: „Haben Sie gedient?“ Wenn es unerheblich ist, kann man es auch weglassen. So erscheint es mir zumindest, als habe sich Jonathan Schnitt auf Grund seiner Verweigerung schon diskreditiert, woraufhin der Drops mit dem Buch eigentlich schon gelutscht ist. (In der Art mit einem KDVler sprechen wir nicht.)
Ich persönlich hätte eine feuilletonistische Rezension mit dezenter Einstreuung der eigenen Erfahrung besser gefunden.
Mag sein, dass die Bevölkerung unterrepräsentiert ist, die Frage, die ich aber habe, ist, wieviel Kontakt hatte die Einheit mit denen? Hat sie den Großteil auf der Höhe gesessen und nur hin und wieder ein kurzes Kontaktgespräch geführt?
Danke für den Nachsatz zur „Journalistischen Objektivität“.
@Magnus
„Dennoch erinnerte es mich sehr an die erste Frage eines jeden Offiziers: “Haben Sie gedient?”
Ihr Soldatenbild beruht eher auf alten Klischees als auf der Realität der Bundeswehr der Gegenwart. Solche Fragen hört mann seit langem (wenn überhaupt) nur im ironischen Sinne.
Unabhängig davon kann man natürlich diskutieren, ob praktische Erfahrung des Journalisten mit dem Thema diesem hilft, kompetenter darüber zu berichten. Militärisch erfahrenen Journalisten unterlaufen m.E. in den meisten Fällen deutlich weniger sachliche Fehler (ein Klassiker: Verwechslung von Maschinengewehr und Sturmgewehr), und sie können das beobachtete besser in seinen militärischen Kontext stellen.
Als Anmerkung meinerseits:
Auf das „nicht-Dienen“ des Autors wird sowohl im Klappentext, als auch innerhalb des Buches deutlich hingewiesen.
@Daniel Lücking:
bezgl. der „Draufsicht auf den Einsatz“ stimme ich Ihnen voll zu. Das Buch liefert einen sehr isolierten Einblick, ohne Einordnung in das Gesamtbild.
Da hätte noch einige Seiten gefüllt werden können ;)
@Orontes: Mitnichten, dies war eine, der ersten Fragen, die ich vor wenigen Monaten gefragt worden bin. :D
@HansG: Welche Auswirkungen hat das auf das Buch? Setzt sich Schnitt damit auseinander?
Die Rezension hat mich überrascht, denn ich habe einige Kritikpunkte beim Lesen als ausgesprochen positiv empfunden.
Ich habe von dem Buch keine neuen Erkenntnisse erwartet. Ich wollte etwas über einen Einsatz lesen, den Einsatz Munsteraner Soldaten. Der Ansatz, dass ein Journalist, sei er nun gedient oder nicht (mir vollkommen egal), eine Dingo-Besatzung für – wenn auch unterbrochen – 6 Monate begleitet, fand ich gut.
Dass es sich bei den Soldaten um Männer handelt, die „treu dienen“, war für mich selbstverständlich, da es sich um ein von der Bundeswehr unterstütztes Projekt handelt.
Ich hatte keine kritische Darstellung des Einsatzes o.ä. erwartet und klar war, dass der Journalist von der BW „genehmigt“ und die Soldaten, die er begleitet, von selbiger ausgewählt waren. Da greift auch die BW nicht auf die „Querulanten“ zurück, oder? Zumal ich einige der Äußerungen gar nicht so unkritsch fand. Ich denke, da kann man J. Schnitt keinen Vorwurf machen.
Mir hat das Buch insofern gefallen, als das es den Einsatz 6 Monate begleitet und relativ unaufgeregt darüber berichtet hat – sicher wäre das anders gewesen, wenn einer der Soldaten verletzt oder gefallen wäre, aber Gott sein Dank, blieb es in den 6 Monaten verhältnismäßig ruhig. Als Frau eines Soldaten, möchte und brauche ich das auch nicht in jedem Buch zu lesen, um zu wissen, dass so ein Einsatz lebensgefährlich ist. Ebenso vermisse ich keine Fotos von angesprengten Fahrzeugen und auch die Bevölkerung Afghanistans interessiert mich in diesem Zusammenhang nur am Rande. Das mag nur aus meiner Perspektive so sein, aber nur aus dieser kann ich lesen und hier schreiben.
Es ist, so glaube ich, gut gelungen die Stimmung im Einsatz einzufangen. Ich empfand es als ausgesprochen wohltuend eben nicht zu viel über Politik und philosophisch-psychologisches Seelengekrame zu lesen.
Jeder empfindet das sicher anders und ich gebe zu, ich habe keinen der „Landser-Tagebücher“ gelesen. Vielleicht sollte ich das mal :)
Mir haben Buch und Film gut gefallen.