Der Fall Mundlos und der MAD: Hier spricht das BMVg

Das Verhalten des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) im Zusammenhang mit dem Rechtsextremisten Uwe Mundlos hat am (gestrigen) Dienstag ziemlich viel Staub aufgewirbelt. Im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum nationalsozialistischen Untergrund (NSU) haben Abgeordnete aller Fraktionen Kritik an dem Dienst und am Verteidigungsministerium geübt.

Heute nun hat das Ministerium mit einer Erklärung reagiert – da sie (noch) nicht auf der Webseite des BMVg zu finden ist, dokumentiere ich sie (Update: inzwischen ist sie eingestellt) hier im Wortlaut:

Zu den Vorhaltungen hinsichtlich der Zusammenarbeit des MAD mit dem 2. Untersuchungsausschuss 17. WP nimmt das Bundesministerium der Verteidigung Stellung:
Vorbemerkung:
Aufgabe des MAD ist nach § 1 des MAD-Gesetzes, die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den
Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,
2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht,
wenn sich diese Bestrebungen oder Tätigkeiten gegen Personen, Dienststellen oder Einrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung richten und von Personen ausgehen oder ausgehen sollen, die diesem Geschäftsbereich angehören oder in ihm tätig sind. Darüber hinaus obliegt dem Militärischen Abschirmdienst die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über die Beteiligung von Angehörigen des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung sowie von Personen, die in ihm tätig sind oder tätig sein sollen, an Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker    (Artikel    26    Abs.    1    des    Grundgesetzes)    gerichtet    sind.
Fazit: Der MAD befasst sich per Gesetz nur mit aktiven Angehörigen der Bundeswehr.

Zum Ablauf der Ereignisse bzw. des Sachverhaltes:
Uwe Mundlos hat während seines Grundwehrdienstes vom 1. April 1994 bis 31. März 1995 zu einer Gruppe von sechs Soldaten gehört, die durch gemeinsames Hören von Skin-Musik und teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten aufgefallen waren. In der Folge wurden sie durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) als Verdachtspersonen in der Bundeswehr bearbeitet. Informationen aus dieser Bearbeitung hatte das MAD-Amt seinerzeit mit Schreiben vom 27. Juni 1995 an das Bundesamt für Verfassungsschutz und an die Landesämter für Verfassungsschutz Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen übermittelt.
Aufgrund der gesetzlichen Zuständigkeit des MAD und der dazu begründeten Verpflichtung, die personenbezogenen Daten zu löschen, die er nicht mehr für seine Aufgabenerfüllung benötigt, wurden die Unterlagen beim MAD gelöscht. Daher existiert im MAD-Amt kein Aktenrückhalt mehr zu diesen ehemaligen Verdachtsfallbearbeitungen. Wann die Löschung erfolgte, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren, jedenfalls aber weit vor dem Aufdecken der NSU-Verbrechen. Der    MAD    konnte    deswegen    bei    der    Einsetzung    des 2. Untersuchungsausschusses 17. WP nicht wissen, dass er früher einmal Uwe Mundlos befragt hatte.
Erst durch ein Freigabeersuchen des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen vom 8. März 2012 zur Vorlage von dort noch vorhandenen MAD-Unterlagen bei der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus sowie bei den Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Landtages wurde dem MAD-Amt der eingangs geschilderte Sachverhalt (wieder) bekannt. In den Akten des LfV Sachsen fand sich allerdings nur ein Hinweis darauf, dass Mundlos vom MAD im März 1995 befragt worden war. Der Befragungsbericht selbst war dort nicht mehr vorhanden. Das LfV Sachsen bat das MAD-Amt um Freigabe dieses Hinweises u.a. auch für den 2. UA / 17. WP „NSU“.
Hierüber hat das MAD-Amt das zuständige Referat Kontrolle und Steuerung (R/KS) im BMVg am 12. März 2012 unterrichtet. Referat R/KS hat am 13. März 2012 durch schriftliche Vorlage die Leitung BMVg informiert und mitgeteilt, dass der Freigabe nichts entgegen stehe. Noch am gleichen Tag hat das MAD-Amt die Freigabe gegenüber Sachsen erklärt. Nach der Osterpause Mitte April hat Sachsen die freigegebene Unterlage an den 2. UA 17. WP übermittelt.
Anfang August hat das MAD-Amt nach Amtsantritt des neuen Präsidenten noch einmal eine Abfrage an die zivilen Verfassungsschutzbehörden gestartet, um nach dem beim MAD nicht mehr vorhandenen Befragungsbericht Mundlos zu forschen. Nachdem zunächst keine Behörde den Befragungsbericht auffinden konnte, übersandte das Bundesamt für Verfassungsschutz den fraglichen Bericht am 29. August 2012 an das MAD-Amt mit der Bitte um Freigabe. Nach Unterrichtung des BMVg erklärte das MAD-Amt am 5. September 2012 gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Freigabe für den 2. Untersuchungsausschuss 17. WP.
Zu jedem ehemaligen Soldaten liegen die Personalakten zum Beispiel zu Zwecken der Wehrüberwachung,    der    Rentenversicherung    etc.    beim    zuständigen Kreiswehrersatzamt. Mit der Personalakte von Uwe Mundlos ist derzeit der Generalbundesanwalt befasst. Diese wird nach ausdrücklicher, dortiger Freigabe, die das BMVg beantragt hat, durch das BMVg an den 2. Untersuchungsausschuss 17. WP übersandt werden.

Zu dem Vorwurf der beabsichtigten Anwerbung von Uwe Mundlos:
Der damalige Wehrpflichtige Uwe Mundlos wurde am 8. bzw. 9. März 1995, d.h. ca. drei Wochen vor seinem Dienstzeitende durch den MAD befragt. Anlass der Befragung war das gemeinschaftliche Hören von indizierter Musik (sog. „Skin-Musik“) mit fünf weiteren Soldaten.
Des    Weiteren    stand    Uwe    Mundlos    im    begründeten    Verdacht    der rechtsextremistischen Betätigung, da man bei ihm sog. „NS-Devotionalien“ (z.B. Bilder von Rudolf Heß, Adolf Hitler usw.) gefunden hatte.
Zu dieser Zeit gab es keine Anhaltspunkte für oder auch nur Hinweise auf rechtsterroristische Absichten von Uwe Mundlos. Seine Befragung ergab im Gegenteil, dass er ausdrücklich die Anwendung von Gewalt ablehnte. Er bezeichnete sich selbst als „politisch unmotiviert“ und die NPD „sei ihm in Sachen Asyl- und Ausländerpolitik zu radikal“. Weiter: „Körperliche Gewalt würde er…nicht anwenden.“
Der Bericht über die am 8. bzw. 9. März 1995 durchgeführte Befragung des Uwe Mundlos schließt mit folgender Anmerkung:
„Zu diesem Zeitpunkt wurde MUNDLOS, Uwe (6) gefragt, ob er sich vorstellen könne, ihm bekanntgewordene Termine für Anschläge auf Asylantenheime der Polizei oder den Verfassungsschutzbehörden zu melden. Diese Frage wurde durch MUNDLOS, Uwe (6) verneint. Er selbst würde zwar an solchen Aktionen nicht teilnehmen, könne sich jedoch nicht vorstellen, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren.“
Dies ist kein Hinweis auf eine beabsichtigte Quellenwerbung. Vielmehr entspricht diese Frage im Rahmen der Befragung von Extremisten nach Auskunft des MAD- Amtes dem geltenden Standard der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden.
Hätte Uwe Mundlos positiv geantwortet, wäre diese Information allenfalls für die zivilen Verfassungsschutzbehörden von Interesse gewesen und unverzüglich an diese weitergeleitet worden. Eine Anwerbung von Uwe Mundlos als Quelle des MAD war – soweit heute noch feststellbar – aufgrund seiner nur noch geringen Restdienstzeit nicht möglich und deswegen von vorneherein zu keiner Zeit beabsichtigt.

Bewertung:
Aus heutiger Sicht war das Verhalten des MAD in den 90er Jahren korrekt. Einem Verdacht auf Rechtsextremismus bei dem damaligen Wehrpflichtigen Uwe Mundlos wurde nachgegangen. Die zuständigen Sicherheitsbehörden wurden anschließend informiert. Wegen der rechtlich vorgegebenen Löschungsfristen konnte der MAD in der Phase der Aufdeckung der NSU-Mordserie deshalb auch keinen Beitrag mehr zur Aufklärung leisten. Insbesondere konnte er von sich aus mangels Aktenbeständen nicht aktiv den Untersuchungsausschuss unterrichten.
Obwohl der Untersuchungsausschuss seit Mitte April über den Vorgang schriftlich durch das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz informiert gewesen ist, wurde es bedauerlicherweise seitens des BMVg unterlassen, auf die bevorstehende Übersendung zusätzlich gezielt hinzuweisen.
Der seit 1. Juli 2012 amtierende Präsident des MAD hat nach Amtsaufnahme erneut alle Anstrengungen auch gegenüber anderen Sicherheitsbehörden unternommen, auch außerhalb der eigenen Zuständigkeiten entsprechende Unterlagen mit MAD- Bezug für den 2. Untersuchungsausschuss 17. WP zusammenzutragen.
Der Bundesminister der Verteidigung teilt die Auffassung des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, dass das Unterlassen eines eigeninitiativen Hinweises, trotz des Wissens, dass die Unterlagen dem Untersuchungsausschuss alsbald seitens des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz vorliegen würden, „unsensibel“ gewesen ist.
Der neue Präsident des MAD und das BMVg werden den Untersuchungsausschuss bei seiner notwendigen und dankenswerterweise parteiübergreifend angelegten Arbeit auch weiterhin umfassend unterstützen.