Schweizer Tango-Scramble – Kampfjets gegen Kavallerie
Im – nach wie vor anhaltenden – Streit zwischen Deutschland und der Schweiz über den Umgang mit Steuerflüchtigen und Bankgeheimnis sind die Äußerungen des früheren deutschen Finanzministers Peer Steinbrück unvergessen – der hatte den Eidgenossen in markiger Rhetorik mit der Kavallerie gedroht. Aber es ist ja nicht so, dass die Schweizer solchen Truppen gegenüber wehrlos wären…
Am (gestrigen) Mittwoch kehrte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Thomas Kossendey zusammen mit Abgeordneten und dem Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus von einer Reise nach Djibouti und in den Südsudan zurück. Über Hinter dem Comer See, im Schweizer Luftraum, näherten sich zwei Schweizer Abfangjäger der Maschine der Flugbereitschaft: Die Alarmrotte der Eidgenossen. Ein wenig unüblich, und natürlich, so berichteten Teilnehmer der Reise, machten sofort die Witze über Steinbrücks Kavallerie-Drohung die Runde. Aber auch Überlegungen, ob die Schweizer nur mal vorführen wollten, dass sie den Eurofighter nicht brauchen (tatsächlich ist ja die Kaufentscheidung für einen neuen Abfangjäger zugunsten des schwedischen Gripen gefallen).
In Sichtkontakt: Die F/A-18 D Hornet der Schweizer Luftwaffe (Foto mit freundlicher Genehmigung von Rainer Arnold)
Die beiden Schweizer Maschinen drehten dann ab, als Kossendeys Flieger bei Zürich den Schweizer Luftraum verließ. Die Piloten hatten die Luftwaffenmaschine zum Üben benutzt – zum Abfragen und Eskortieren eines verdächtigen Flugzeugs. Ein echter Tango-Scramble.
Nachtrag: Die Schweizer haben natürlich, höre ich, ordentlich und höflich vorher angefragt, ob die Global 5000 des Staatssekretärs mitspielen mag.
Was machen Schweizer Kampfjets über dem Comer See? Wissen die Italiener davon?
Ups, mein Fehler. Angabe war „hinter dem Comer See“; habe ich unpräzise reingeschrieben. Italien war nicht gemeint. Wird korrigiert.
„ob die Schweizer nur mal vorführen wollten, dass sie den Eurofighter nicht brauchen (tatsächlich ist ja die Kaufentscheidung für einen neuen Abfangjäger zugunsten des schwedischen Gripen gefallen)“
Na ja, man rechnet kampfwerttechnisch 1 Eurofighter = 2,14 Gripen!
Moin,
Das ist nicht unüblich in der Schweiz. Ist mir schon zweimal passiert. In Dänemark kommt es ebenso häufig vor.
Die Schweizer erkennen noch Hochwertziele.
Diese harmlose Episode gibt Anlass, über die deutsche Außenpolitik im allgemeinen und das Verhältnis zur Schweiz im besonderen nachzudenken.
Grundsätzlich ist es ja so, dass Deutschland überall als liebenswert, friedfertig und allen Konfrontationen abgeneigt wahrgenommen wird. Ein deutscher Soldat tut, mehr als 65 Jahre nach Ende des des Zweiten Weltkriegs, keiner Fliege mehr etwas zu Leide.
Wenn es hingegen um die Verfolgung von Steuerhinterziehern im Ausland geht, legen die Deutschen ein Verhalten und eine Rhetorik an den Tag, welche nach internationalen Maßstäben ungewöhnlich aggressiv ist. Peer Steinbrücks Kriegsmetaphorik steht beispielhaft dafür
In der Vergangenheit wurde berichtet, dass der Bundesnachrichtendienst den Telefonverkehr etwa in Liechtenstein systematisch überwacht, und Erkenntnisse über Steuerhinterziehung weiterleitet.
Daher meine Vermutung: Wenn ein Flugzeug der Luftwaffe Schweizer Territorium überfliegt, so liegt bei den Schweizern die Vermutung nicht fern, dass die Deutschen schlichtweg Spionage betreiben.
Hochwertziele? Welche Hochwertziele? ;)
chickenhawk | 23. August 2012 – 15:24
„In der Vergangenheit wurde berichtet, dass der Bundesnachrichtendienst den Telefonverkehr etwa in Liechtenstein systematisch überwacht, und Erkenntnisse über Steuerhinterziehung weiterleitet.“
Das ist doch voll in Ordnung, dass sich der BND an Aufklärung von Straftaten beteiligt … kommt uns schließlich allen zu Gute.
„Daher meine Vermutung: Wenn ein Flugzeug der Luftwaffe Schweizer Territorium überfliegt, so liegt bei den Schweizern die Vermutung nicht fern, dass die Deutschen schlichtweg Spionage betreiben.“
Sie lassen sich aber auch gerne mit einer Bundeswehr-Trall zum Schießen nach Kreta fliegen …!
Heiko Kamann | 23. August 2012 – 15:53
„Das ist doch voll in Ordnung, dass sich der BND an Aufklärung von Straftaten beteiligt … kommt uns schließlich allen zu Gute.“
Nö. Denn es ist nicht seine Aufgabe. Dafür gibt es sogar ein Gesetz – § 1 Abs. 2 BNDG („Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus.“)
Und es hat seinen guten Grund, dass dies bislang nicht entsprechend abgeändert ist.
Weder Haushaltsmittel, noch Ressourcen noch die mit der Tätigkeit verbundenen Grundrechtseingriffe sind für Strafverfolgung zugedacht, sondern für die festgelegten Aufgaben.
@Chickenhawk u. H.K.
ich wuerde annehmen dass der BND wenn er den Telefonverkehr nach Liechtenstein anzapft wohl in erster Linie und hauptsaechlich um die Finanzierung von org. Verbrechen bzw. Finanzierung von Terrorismus geht. Wenn dabei was ueber ’steuerneutrale‘ Einkommen deutscher Staatsbuerger herauskommt dann ist das ein netter Nebeneffekt der wahrscheinlich an die Entsprechenden Stellen weitergeleitet wird (wenn es nicht die eigenen Operationen unterwandert)
„tatsächlich ist ja die Kaufentscheidung für einen neuen Abfangjäger zugunsten des schwedischen Gripen gefallen“
zumindest vorerst ist dem so, allerdings gibt es nicht wenige kritiker dieser entscheidung da man ein flugzeug ausgewählt hat (gripen E/F) das es so noch gar nicht gibt. ob die schwedische luftwaffe diese version überhaupt erhält wird im dezember entschieden, und falls es da ein no-go gibt siehts schlecht aus .
ein weiterer kritikpunkt ist das selbst diese aufgewertete version nur bedingt leistungsfähiger sein wird als die bereits vorhandenen F18. da man aber beabsichtigt die hornets in zukunft durch den gleichen typen zu ersetzten ist die entscheidung ehr suboptimal
http://www.blick.ch/news/politik/erben-dann-die-amis-id2008076.html
(ich poste den link einfach mal, wenn ich das richtig im kopf habe bezieht sich das „leistungsschutzgesetz“ doch nur auf deutsche seiten,oder?)
Die Schweizer Banken dürfen durchaus etwas kritischer betrachtet werden, schließlich neigen sie nicht nur bei der Steuerhinterziehung zu „robusten“ Methoden. Erinnert sei nur daran, dass sie in den 90er Jahren nach der Asienkrise die Beihilfe zum Bilanzbetrug systematisch vermarktet haben. Dabei wurden faule Titel der asiatischen Firmen per Pensionsgeschäft über den Bilanzstichtag an die Bank ausgelagert und damit ein zur Wertberichtigung fälliger Asset durch eine Forderung gegen die „solide“ Bank ersetzt, was dann nach dem Stichtag fristgerecht zurückgetauscht wurde. Der Credit Suisse hatte deshalb seinerzeit seine Banklizenz in Korea abgeben müssen und musste in mehreren Ländern (einschl. UK) hohe Bußgelder zahlen.