Geöffnete Feldpost: Die Sortiermaschine war’s. Möglicherweise

Das hatte damals für mächtigen Wirbel gesorgt: Einzelne Briefe von Bundeswehrsoldaten im Afghanistan-Einsatz kamen geöffnet in der Heimat an. Und es fehlten ausgerechnet USB-Sticks und Speicherkarten aus Kameras – aus Briefen von Soldaten, die im OP North südlich von Kundus eingesetzt waren. Schon im vergangenen Jahr hatte die Bundeswehr gezielte Manipulation für unwahrscheinlich gehalten, der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus sah dennoch Ungereimtheiten.

Archivbild vom August 2010: Die deutsche Feldpost in Faisabad, direkt neben Uschi’s Friseursalon

Nun scheint die Angelegenheit endgültig amtlich abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt, zuständig wegen des Sitzes des zentralen Feldpostamtes in der hessischen Stadt, hat das Verfahren eingestellt. (Die Kollegen von der Welt hatten das gestern schon mitbekommen.) Die Mitteilung der Staatsanwälte vom (heutigen) Donnerstag:

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren wegen möglicher Feldpost-Manipulation ein

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat unter dem 05.07.2012 das gegen Unbekannt gerichtete Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Diebstahls und der Verletzung des Briefgeheimnisses eingestellt, da die Ermittlungen keine strafrechtlich relevanten Sachverhalte ergeben haben.
Die umfangreichen Ermittlungen führten zu dem Ergebnis, dass möglicherweise eine Sortiermaschine im Briefzentrum in Darmstadt für die Beschädigungen der Sendungen ursächlich war. Eine von unbekannten Personen erfolgte Öffnung der Postsendungen ist zwar nach wie vor nicht auszuschließen, konnte aber in keiner Weise nachgewiesen werden.
Nachdem sämtliche Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhaltes und zur Überprüfung der als auffällig gemeldeten Feldpostsendungen der Soldaten mit Einsatzgebiet Afghanistan als ausgeschöpft gelten können, war das Ermittlungsverfahren einzustellen.

Also: Es war die Sortiermaschine. Möglicherweise. Aber wie sagte der Wehrbeauftragte schon im vergangenen Jahr? Ich weiß nicht, ob die Sortiermaschine etwas gegen die Soldaten aus dem OP North hat.

Nachtrag: So ganz zufrieden ist der Wehrbeauftragte nach der Einstellung der Ermittlungen nicht – gerade flattert mir seine Stellungnahme ins Postfach:

Auch wenn die umfassenden und mit großer Sorgfalt geführten fast anderthalbjährigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Darmstadt im Ergebnis keinen eindeutigen und einer Person zurechenbaren Nachweis für eine gezielte Verletzung des Brief- oder Postgeheimnisses und damit ein strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben haben, haben die Untersuchungen Defizite bei der Beförderung der Feldpost sowohl im Inland als auch im Einsatzland offenbart.
Die Staatsanwaltschaft hat festgestellt, dass sich an mehreren Stellen auf dem Transportweg der Feldpost Gelegenheit für Eingriffe in das Post- und Briefgeheimnis sowie den Diebstahl von Postgut bieten. Anderslautende Berichte des Verteidigungsministeriums vom 24. Januar 2011 sowie vom 5. April 2011 waren somit unzutreffend.
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat allein auf dem Postweg der für Afghanistan bestimmten Feldpost aus Deutschland mindestens drei potenzielle Tatorte für unberechtigte Zugriffe auf die Postsendungen identifiziert. Ebenso wurden mehrere Möglichkeiten eines unberechtigten Zugriffs auf Postsendungen im Bereich des OP North im Zeitraum ab November 2010 identifiziert. Auch beim Transport der Feldpost vom OP North ins Camp Marmal nach Masar-i-Scharif gab es zumindest in Einzelfällen – so bei einem Transport vom 19. Januar 2011 – Möglichkeit zum Zugriff auf die Post, da diese nicht in einem verschlossenen und versiegelten Umschlag angeliefert worden sei, sondern in einem offenen Beförderungsbehältnis.
Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft scheint es dennoch am wahrscheinlichsten, dass die Beschädigungen von Briefen durch eine Sortiermaschine der Deutschen Post entstanden sind. Dies legen laut Staatsanwaltschaft ein Selbstversuch und auch eine kriminaltechnische Untersuchung beschädigter Briefumschläge nahe. Allerdings betont die Staatsanwaltschaft auch, dass es sich lediglich um eine begründete Vermutung handelt. In der Einstellungsverfügung stellt die Staatsanwaltschaft Darmstadt fest: „Folglich kann in keinem der von Soldaten aus Afghanistan gemeldeten Fälle des Verlusts von Speichermedien definitiv nachgewiesen werden, dass der Verlust auf die Sortiermaschine der Deutschen Post AG beim Postzentrum 64 in Darmstadt und nicht auf eine Straftat zurückzuführen ist.“
Festzuhalten bleibt: In der Zeit von Oktober 2010 bis Januar 2011 sind zahlreiche Postsendungen von Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan beschädigt und zum Teil ohne Inhalt beim Adressaten angekommen. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft waren 34 Soldatinnen und Soldaten mit einer Anzahl von etwa 50 Sendungen betroffen. Augenfällig ist laut Staatsanwaltschaft „die hohe Anzahl der von den Soldaten gemeldeten Fälle der Beschädigung von Feldpostbriefen mit Inhaltsverlust (USB-Sticks) aus Afghanistan“. Ebenso hat die Staatsanwaltschaft eine Häufung von Fällen bei Soldaten festgestellt, die am OP North eingesetzt waren. Letztlich könne aber nicht gesagt werden, ob das Abhandenkommen von Speichermedien auf ein strafbares verhalten Unbekannter an den im Laufe der Ermittlungen als virulent erkannten Stellen auf dem Postweg von Afghanistan nach Deutschland oder aber auf ein Einwirken der Sortiermaschine beim Postamt 64 in Darmstadt zurückzuführen sei.
Um künftig einen vollständig sicheren Ablauf in der Behandlung der Feldpost zu gewährleisten, habe ich das Bundesministerium der Verteidigung gebeten, die im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Darmstadt aufgezeigten Defizite bei der Beförderung der Feldpost abzustellen und für eine umfassende Überwachung des Feldposttransports Sorge zu tragen. Schließlich handelt es sich beim Post- und Briefgeheimnis um ein Grundrecht, welches jedem Staatsbürger – auch solchen in Uniform – durch unsere Verfassung garantiert wird.