Nachricht an die Piraten: Haben Waffen, warten auf euch
Das wird nicht nur meine Leser an Bord der Fregatte Bremen im Antipiraterieeinsatz interessieren (von denen ich ein paar in den vergangenen Tagen kennengelernt habe): Einige Handelsschiffe sind offensichtlich dazu übergegangen, die technische Aufrüstung der Piraten vor Somalia als psychologische Waffe zur Abschreckung zu nutzen. Mittel dazu ist das automatische Identifizierungssystem AIS, eine Sicherheitseinrichtung der internationalen Seefahrt. Mit einem Funksignal senden Schiffe ab einer bestimmten Größe Informationen aus – den Namen des Schiffes, den Kurs und Angaben zu Zielhafen und gegebenenfalls Ladung.
Die somalischen Piraten haben über die Zeit technologisch aufgerüstet: GPS-Empfänger zur Positionsbestimmung und Satellitentelefone zur Kommunikation sind bei ihnen inzwischen selbstverständlich – und zum Teil auch AIS-Empfänger, die ihnen Informationen über Angriffsziele verraten.Teilweise lassen sich die AIS-Informationen auch über Internetseiten verfolgen, bequem aus dem Büro.
Das führte dazu, dass etliche Reedereien ihre Kapitäne angewiesen haben, bei der Fahrt durch Piratengewässer dieses AIS-Signal abzuschalten: Die Seeräuber sollen nicht von vornherein wissen, ob sie ein lohnendes Ziel vor Augen haben.
Einige Tanker und Frachter, berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg, nutzen das Informationssystem jetzt gezielt für ihre Zwecke: Das AIS bleibt eingeschaltet – und enthält zusätzlich zu Namen und Kurs den Hinweis, dass sich bewaffnete Sicherheitsteams an Bord befinden. Das hält die internationalen Seestreitkräfte auf dem Laufenden. Und soll Piraten abschrecken. Die können dann schon vorher lesen, was sie bei einem Kaperversuch erwartet.
Nachtrag: Da war ein Leser findiger als ich und hat über marinetraffic.com gleich drei Schiffe entdeckt, die im Datenfeld Destination auf ihr bewaffnetes Sicherheitsteam hinweisen – hier die Screenshots:
Der Tanker Front Endurance: ARMED GUARDS O/B
Der Tanke Cosjade Lake: ARMED GUARDS ONBOARD
Der Frachter Murou: ARMED SECURITY
Wenn man weiß, dass die Piraten AIS zur Vorbereitung ihrer Angriffe einsetzen, so wäre dies doch auch eine Option für die präventive Bekämpfung:
Man könnte die Seeräuber mit manipulierten AIS-Signalen in vorbereitete Fallen locken, also die Variante der sogen. „Q-ships“, oder „honeypots“, wie man es in der Informationstechnologie bezeichnet.
Ich habe mich mal in das AIS System im Bereich des entsprechenden Seegebietes eingeloggt und sofort drei Schiffe gefunden, die angeben, bewaffnete Kräfte an Bord zu haben.
Die Information wird an Stelle des Bestimmungshafens eingegeben.
Da ich weiß nicht, ob es richtig ist, auf die Namen zu veröffentlichen, habe ich diese weggelassen
Es waren:
– Tanker XXXX, Flagge Marschal Inseln, Text: Armed Guard O/B
– Tanker XXXX, Flagge Panama, Text: Armed Guards onbord
– Frachter XXXX, Flagge Panama, Text: Armed Security
Vielleicht interessant ist diese heutige Meldung über mit hohem Aufwand betriebene, hauptsächlich auf privaten Dienstleistern beruhenden Antipirateriemaßnahmen eines italienischen Energieunternehmens bei einem Projekt vor der Küste Nord-Mosambiks, also recht weit im Süden:
http://allafrica.com/stories/201205221402.html
@chickenhawk
schöne Idee. Bleibt nur das Problem was tun mit den Piraten. Das Problem ist meines Wissens nach noch nicht gelöst.
Und die anderen handeln nach dem St Florian’s Prinzip…
@chickenhawk, Täuschung funktioniert nur solange, wie man sie nicht Cross checken kann, und das wird im Interzeitalter immer schwieriger, da niemand ja nahezu EMCON silent fährt…das klappt 1-2 Mal, verursacht die von Christian beschriebenen Probleme, es sei denn man nimmt einen indischen oder russischen Honeypot…. Und dann trecken die Piraten nicht nur per AIS, sondern eben auch per IP oder HF tracker…..früher nannte man das wohl Rüstungsspirale bzw bei NCW Network Forces outperform Non Network Forces…..
@Christian | 23. Mai 2012 – 11:21
Diese Fälle würde ich generell so handhaben: Waffen und Ausrüstung vernichten, Personalien feststellen (DNA-Probe) und dann an Ort und Stelle mit eiserner Ration Trinkwasser und Schiffszwieback freilassen.
Ziel kann nicht die Strafverfolgung sein (dabei kommt nur ein gigantischer Schildbürgerstreich heraus, kann man aktuell in Hamburg studieren kann).
Es geht vielmehr darum, möglichst viele Piraten auflaufen zu laufen. Die Sache mit den Q-ships musste bisher immer deswegen als wenig praktikabel angesehen werden, weil das Operationsgebiet der Piraten so riesig ist. Wenn sich die Seeräuber jedoch tatsächlich mit AIS täuschen lassen, so scheint es mir ein gangbarer Weg zu sein.
@ Sönke Marahrens | 23. Mai 2012 – 11:52
Das ist schon richtig. Jedoch sind die Piraten durchaus keine unbezwingbaren kriminellen Superhirne. Piraten haben in der Vergangenheit ja auch schon mal – man darf vermuten: versehentlich – eine Fregatte der US Navy angegriffen.
Es geht darum, bei der Piratenabwehr listenreich zu agieren und richtig gemein zu sein.
Nun wenn man gemein sein möchte, könnte man auch gerade ein VPT verschweigen und das Schiff möglichst verlockend beschreiben um somit die Piraten in eine Falle zu locken.
Auf der angegebenen Seite scheint der Bereich Horn von Afrika (bewusst?) ausgeklammert – die Screenshots sind aus den Seegebieten von und zum Persischen Golf. Trotzdem hochinteressant.
@Ulrich
Das hat einen ganz simplen technischen Grund: Das AIS-Lagebild wird aus den Daten von Funkstellen an den Küsten zusammengestellt, die die Signale empfangen. An der Küste Somalias (und offensichtlich auch entlang der langen Küsten von Oman und Jemen) gibt es solche Antennenstandorte nicht; die Daten werden von den Schiffen zwar ausgesendet, aber eben nur von anderen Schiffen (oder Flugzeugen wie den Seefernaufklärern) empfangen.
Genau. Und man könnte noch einen Schritt weiter gehen:
So eine Schiffsfalle “ (aka Q-Ship aka honeypot) könnte auch ein leicht bewaffnetes und für diesen Zweck umgewidmetes Handelsschiff sein. Die Besatzung bestünde aus einigen wenigen Marinesoldaten. Sozusagen ein Hilfskreuzer, wie man ihn auch im 1. und 2. Weltkrieg kannte.
Denn über eine Eigenart des Anti-Pirateneinsatzes wird eigentlich kaum gesprochen: Es stellt einen ausgesprochenen overkill dar, wenn man mit schwer bewaffneten Fregatten, also Kriegsschiffen, welche für einen modernen, hochtechnisierten Seekrieg konzipiert wurden, Jagd auf Piraten in Motorbooten macht. Da müssten sich flexiblere Lösungen finden lassen.
@chickenhawk
Man nennt das dann auch landlaeufig einen Pyhrus Sieg erringen, und Regel Nr 1 im Gefecht lautet nach wie vor Unterschaetze niemals deinen Feind…..
@chickenhawk
„…an Ort und Stelle mit eiserner Ration Trinkwasser und Schiffszwieback freilassen.“
Ich seh vor meinem inneren Auge schon die Schalgzeilen deutscher Medien ablaufen.
„Deutsche Marine lässt somalische Seefahrer verhungern!“ (Nichts für ungut)
@ Chickenhawk
Was helfen die ganzen Strategiepläne, wenn man seine eigenen Waffen nicht gegen die Piraten einsetzen will ?
In dem Wort „Abschreckung“ steckt implizit die Haltung darin, dass die Piraten den Angriff auf ein bestimmtes Schiff unterlassen werden, weil sie sonst eines auf die Mütze bekommen. Wo haben die Piraten denn dieses Risiko, außer wenn sie auf eine indische Fregatte oder auf ein russisches Kreuzfahrtschiff treffen ? Russisch Roulette schreckt eben nur ab, wenn mindestens eine Patrone in der Trommel ist und man auch gewillt ist zu schießen !
… das gibt es alles schon seit drei Jahren, wenn auch nicht ganz ernst gemeint. Geschmackssache halt…
http://www.somalicruises.com/