Und jetzt die Russen: Kein Abzug aus einem instabilen Afghanistan
Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man das mit einem Schuss Ironie betrachten. Die internationalen Truppen, fordert der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview mit dem afghanischen Sender ToloNews, dürften sich nicht vom Hindukusch zurückziehen, so lange die Situation in Afghanistan instabil sei:
Russia Demands Nato Not Leave Afghanistan Unstable
(…)
Lavrov said the Nato-led mission entered Afghanistan with a mandate to establish a stable government and an adequate defence force, and they should not leave until that job is done.
„We see it from the point of international law. The presence of the international stabilisation force in Afghanistan has been mandated by the UN Security Council. The mandate is clear. They must fulfill this mandate before they leave, and before they leave, they must report to the Security Council that the mandate has been fulfilled,“ Lavrov said during a Moscow-based interview with TOLOnews.(…)
He said Russia had a right to demand for the mandate to properly implement because of its support of the Nato-led mission in providing transit possibilities through Russian territories.
„I think the Northern Route has become the major supply route for Isaf in Afghanistan – I think two third of deliveries are done by the northern route,“ he said. „We believe this is our contribution to fulfill the mandate which the international forces received from the Security Council and we have the right to demand this mandate, to which we contribute, is implemented before the operation is over.“
Das Interview im Wortlaut (leider Lawrows englische Aussagen weitgehend mit Farsi-Voice over):
Schaut man sich die Lage Russlands und seines „Hinterhofes“ an, schaut man sich an, wie sehr das ISAF-Engagement Ressourcen schonen half für Russland und die ZAR-Anrainer, wie umfassend ISAF hier die Voraussetzungen schuf, für den Aufbau effektiver Grenzregime, wiederum als eine Voraussetzung für bis vor dem Engagement schwerlich umsetzbare vorwiegend ökonomische und friedensstabilisierende Entwicklungen, so ist das eine ganz klar logische und verständliche Aussage.
Mehr noch sollte dies durchaus auch einmal der deutschen Diskussion als Illsutration dafür dienen, wenn über die Frage debattiert wird, ob und wie sehr ISAF erfolgreich war/ ist und was die Soldaten/ Soldatinnen da eigentlich leisteten.
Ganz klar ist dabei auch die Frage erlaubt, wie lange ISAF noch die Hausaufgaben für die Anrainer-ZAR und Russland erledigen sollte und ob nicht bereits der Punkt erreicht ist bzw. in sehr naher Zuknft erreicht wird, dass diese ihrer Verantwortung in und für diese Region nicht wieder übernehmen können-kurz: wir unsere Ressourcen wieder anders einsetzen oder gar schonen können.
Meint der das Ernst was er da von sich gibt? Dass ISAF doch bitteschön erstmal den Job zu Ende bringen soll, bevor an Rückzug zu denken ist? Und dass Russland doch ein Recht darauf hat weil es seine Nordroute für den Nachschub zur Verfügung stellt? ich kann ja verstehen, dass Russland in nicht mehr nach AFG reingehen will, wir alle kennnen den Grund. Aber Ansprüche gegenüber den dort jetzt Kämpfenden geltend zu machen, bloss weil man eine Transportroute zur Verfügung stellt finde ich doch, gelinde gesagt, überheblich.
Lavrovs Punkt ist das die Sowiets ein geordnetes Afghanistan hinterlassen haben.
Man hat damals fünf Jahre Planung und intensiver Arbeit investiert um das zu ermöglichen. Man verliess ein Afghanistan mit einem stabilen Regime, einer funktionierenden Armee und Luftwaffe und mit internationalen Verträgen die den Abzug begleiteten und Stabilität garantieren sollten. Leider wurden diese Verträge (Geneva Accords) von der US-Pakistan Seite sofort gebrochen. Das Najibullah Regime brach erst drei Jjahre nach dem Abzug zusammen als die sich auflösende Sowiet Union den Geldhahn völlig zudrehte während die Mujahedeen von den USA und den Saudis weiter finanziert wurden.
Im Vergleich dazu ist der jetzt anstehende Abzug des „Westens“ ein poltisch chaotische Prozess ohne Sicherung der inneren Stabiltät des Kabul-Regimes, ohne politische Kooperation der Nachbarn Afghanistans und ohne ein funktionierendes nationalistisches (da ethnisch ausgewogenes) afghnanisches Militär.
Da die Russen das Problem eines fallen gelassenen Afghanistans mit ausbaden müssen ist schon verständlich das die darüber sauer sind. Sie haben schließlich gezeigt wie man das besser machen kann.
@b
„Lavrovs Punkt ist das die Sowiets ein geordnetes Afghanistan hinterlassen haben.
Man hat damals fünf Jahre Planung und intensiver Arbeit investiert um das zu ermöglichen. Man verliess ein Afghanistan mit einem stabilen Regime, einer funktionierenden Armee und Luftwaffe und mit internationalen Verträgen die den Abzug begleiteten und Stabilität garantieren sollten.“
Interessant, interessant, DASS habe ich aber anders in Erinnerung…
Kann es sein, dass bei Ihnen der Wunsch, Vater des Gedanken ist?
Tongue | 18. März 2012 – 19:37
Er hat doch recht … denn er sagt doch wohl die Truppen (ISAF) sind mit einem UN-Mandat in AFG und es sollte das Mandat erst erfüllt werden, bevor abgezogen wird. Der Abzug sollte auch auf geheiß der UN erfolgen … Also, wo ist das Problem?
@ Koffer
Details tun auch nicht so zur Sache. Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Amerikaner an allem schuld sind. Damit liegt man nie falsch…
Die ISAF zahlt den Länder, wo die Versorgungsrouten hergehen, hohe Transitgebühren. Wenn die ISAF abzieht, fehlt den Ländern viel Geld, dass diese wieder von ihren Bürgern eintreiben müssen (einsparen oder Steuern erhöhen). Was natürlich nicht beliebt ist, und so manche Regierungschef dort Probleme bereiten wird.
Die Länder könnten auch auf die Idee kommen, sich die Freundschaft zu Russland bezahlen zu lassen.
Sobald Pakistan seine Route zu den Häfen öffnet, beginnt das Rennen raus aus Afghanistan. Dagegen kann Russland nichts machen.
@Koffer – Interessant, interessant, DASS habe ich aber anders in Erinnerung…
Kann es sein, dass bei Ihnen der Wunsch, Vater des Gedanken ist?
Nein. Ich arbeite mit Quellen nicht mit Ideologie – und Sie?.
Zum Beispiel mit BREAKING CONTACT WITHOUT LEAVING CHAOS: THE SOVIET WITHDRAWAL FROM AFGHANISTAN (pdf) von Lester W. Grau, DEM U.S. Experten für den Sowiet Einsatz in Afghanistan.
Sie sollten dringend das ganze Papier lesen aber hier nur ein zusammenfassendes Zitat:
Das ist das Urteil DES U.S. Experten für den Sowiet Einsatz und Abzug in Afghanistan.
Es ist allerdings interessant das Sie das „anders in Erinnerung haben“. Sie sprechen dann sicherlich auch Russisch, haben auch mit deren Originalarchiven gearbeitet und auch etliche Mujahedeen über ihre Sicht der Dinge befragt sowie mehrere Bücher darüber geschrieben.
Falls doch nicht dann werde ich weiterhin Lester Graus Urteil über diese Vorgänge Ihrer „Erinnerung“ vorziehen und auch anderen nahelegen Gleiches zu tun.
@b
Interessant, interessant.
Also, als ich in AFG war, habe ich die Überreste des nach Ihrer Meinung achso planmäßigen Abzuges gesehen.
Und wenn ich mich recht erinnere, dann hielten auch die Russen Ihren eigenen Abzug für relativ „plötzlich“.
Und die von Ihnen angeführten angeblich achso stabilen Jahre waren ja wohl eher einige wenigen Monate, denn nach drei Jahren war die Niederlage des Regimes Nadschibullah ja ABGESCHLOSSEN und da dies ja nicht von heute auf morgen geschah, dürfte meine Erinnerung mich da ja vermutlich nicht trügen ;)
Ansonsten schließe ich mich gerne der Bewertung von @chickenhawk an,
„Details tun auch nicht so zur Sache. Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Amerikaner an allem schuld sind. Damit liegt man nie falsch…“
Ich glaube das beschreibt Ihre „ausgewogene“ Position ziemlich gut…
Koffer | 18. März 2012 – 21:01
„Also, als ich in AFG war“
Ich verfolge Ihre Diskussion die Sie mit b führen und mich würde die Antwort auf seine Fragen interessieren und vielleicht auch mal eine Angabe, wie groß Ihr Einblick in dieses Land tatsächlich war. Also, saßen Sie in einem Kontingent in irgendeinem Camp für ein paar Monate, oder sind Sie im Land rumgereist … ist ja doch ein großes Gebiet. Ich war nur 2 mal in AFG und könnte mir über dieses Land keine eindeutige Meinung bilden … jemand der nur Schleswig-Holstein kennt, wird schwerlich (aus eigener Ansicht) Deutschland beurteilen können.
@Heiko Kamann
Ich bin sicherlich kein Afghanistan Experte, aber ich bin als Offizier und Akademiker in der Lage Quellen auszuwerten. Und die Ansichten von @b sind immer von einer deutlichen USA-Abneigung geprägt und in Bezug auf ISAF von der festen Überzeugung, das „nichts gut ist in AFG“…
Aber wenn Sie einige kleine Impressionen zu dem „planmäßigen“ Rückzug der UdSSR aus AFG haben wollen:
http://asitoughttobe.files.wordpress.com/2009/07/graveyard-of-tanks-afghanistan.jpg
http://www.lonelyplanet.com/tonywheeler/abandoned%20Russian%20tank%2002s.JPG
http://news.bbc.co.uk/media/images/40188000/jpg/_40188532_tanks3_300.jpg
http://1.bp.blogspot.com/_kgDKr5CUr9U/TUU6FOTiWnI/AAAAAAAAAkg/2eysw3i-VGI/s1600/soviettankgraveyard.jpg
Und in Bezug auf die Eigenwahrnehmung des Abzuges verweise ich auf den russischen (!) Film „Die neunte Kompanie“. Das ist zwar ein kommerzieller Film, aber zeigt ziemlich deutlich wie in Russland auch heute noch der Abzug wahrgenommen wird…
Die Nato löst sich auch immer mehr auf:
„The shutdown of Canada’s contribution to NATO’s airborne warning aircraft, known as AWACS, will save about $50 million a year“
http://www.edmontonjournal.com/technology/Canada+bails+NATO+airborne+surveillance+programs/6320490/story.html
Nun gut. Teile dieser Photos beweisen alles und aber auch nichts. Fahrzeuge können bei Gefechten beschädigt/zerstört und dann stehen gelassen worden sein. Ich habe nicht wenige Reiseberichte gelesen, die an endlosen Schlangen an einandergereihten Wracks als Deckung gegen Beschuss berichteten. Diese Wracks wurden in den vergangenen Jahren unter großem Aufwand wieder eingesammelt und bilden nun solche Panzerfriedhöfe. Ob sie dort verschrottet werden sollen oder nun wieder Wirkung vor Deckung gilt, keine Ahnung.
Es ist aber klar, dass die Russen, extra Brücken und Eisenbahnlinien bauten, um das Material zügig abzuziehen. Zudem wurde ja auch viel vor Ort da gelassen, insbesondere die auf den Bildern zahlreich abgebildeten MBT und SPz der 50er und 60er Jahre.
Der angesprochene Film zeigt aber auch ein Dilemma auf. Die letzten Kontingente an Wehrpflichtigen ! wurden dort hingeschickt, obwohl man auf höheren Ebenen bereits den Abzug vorbereitet hat. Um die Soldaten nicht zu demotivieren und sie auch noch zum Kämpfen zu bewegen, hat man ihnen wohl vermutlich eher weniger erzählt. Ob das systematisch durchgeführt worden ist oder nur in Einzelfällen vorkam, kann ich nicht belegen. Ich denke aber, keiner möchte gern am letzten Tag eines Krieges noch sterben, egal wie er ausgeht.
Die These der Planmäßigkeit des Abzuges wird aber auch durch ganz einfache Tatsachen gestützt:
– die Rote Armee besaß erhebliche Prozesserfahrung im verlegen großer Verbände
– eine leistungsfähige Lufttransportflotte stand zur Verfügung
– es gab nationale afg. Verbände, die den Abtransport unterstützten, die KP der Afg war ja noch immer an der Macht
– die „erlösenden“ Sammelpunkte waren direkt hinter der Grenze, von dort konnte in Ruhe alles verteilt werden
– nun ja, es gab kein SASPF und kein Bundesrechnungshof. Alles was nicht passte, blieb halt da. Entweder verschenkt, verkauft, gesprengt oder vergraben. Unsere Jungs haben ja da auch viel in manchen alten Wachposten gefunden.
@Roman
Stimme Ihnen in allen Punkten zu.
Gerade die logistische Leistungsfähigkeit der Roten Armee hinsichtlich großer Truppenbewegungen wird von mir nicht in Zweifel gezogen.
Was mich nur störte, ist die Aussage von @b, dass die Rote Armee Afghanistan in einem politisch und militärisch „stabilen“ Umfeld zurückließ… (und der Annahme, dass die USA, natürlich an allem Schuld sind, alles vermasseln und vollkommen unprofessionell sind)
Ein entscheidender Aspekt: Der letzte sowjetische Soldat in Afghanistan, General Gromow, verließ das Land bekanntlich zu Fuß.
@ Koffer
Was heißt denn stabil in diesem Land? Sowohl heute als auch damals? Nach deren, unseren oder afghanischen Maßstäben? Klar ist aber, das sich die Truppen der KP noch Monate und Jahre hielten, wobei es eben auch Gegenden gab, die ncht einmal die Rote Armee dauerhaft kontrollieren konnte oder wollte.
AFG ist für mich kein Land, sondern ein Geflecht aus diversen Stammesgebieten, die zudem gespickt sind mit manch lokalen Aberwitzigkeiten. Vom Erfahrungsstand heute kann man durchaus sagen, das es die US-Regierung vermasselt hat, nicht so sehr die Army als Ganzes. Zudem kann man durchaus zu der Erkenntnis gelangen, das mit den historischen Vorsprung der USA in Afg, den bislang noch kein Invasor hatte, es durchaus hätte gelingen können. Nachdem das Ganze am Kippen, da zu wenig Truppen vorhanden und der Irak zu viele Ressourcen band, war, hätte jemand „STOP“ sagen und einen neuen Plan vorlegen müssen. Doch den gab es nie. Dieser hätte bspw. nach dem Prinzip „divide et impera“ erfolgen können. Denn erinnern wir uns ganz vage an die Kriegsziele der USA, dann ist da eigentlich nicht die Aufrechterhaltung der afghanischen Nation als solche ein Primärziel. Der Fall Jugoslawien oder auch der Nahe Osten hat es mehrmals gezeigt, das es auch so funktionieren kann.
@Koffer – ein Haufen defektes Militärmaterial, wohl größtenteils Überreste der afghanischen Armee, beweist ebensoviel wie der Schrott der 100+ Helikopter die ISAF bereits über Afghanistan verloren hat nämlich nichts.
Lesen sie den U.S. Militärhistoriker Grau. Der hat mehr von Afghanistan gesehen als Sie und der weiss sicherlich wovon er da spricht. Oder halten Sie den für ideologisch verblendet?
Das der Abzug der Sowiets lange geplant und kontolliert durchgeführt wurde beweisen auch die Protokolle des Politbüros der UdSSR. Hier können Sie die nachlesen: THE SOVIET EXPERIENCE IN AFGHANISTAN: RUSSIAN DOCUMENTS AND MEMOIRS
Bereits im Oktober 1985 wurde der Abzug aus Afghanistan diskutiert und von da ab gezielt politisch und militärisch vorbereitet (siehe Dokument 17).
Die Regierung in Kabul war nach dem sowietischen Abzug tatsächlich stabiler und handlungsfähiger als das jetzige Karzai Regime. Dieses trotz des andauernden Bürgerkrieges mit den Mujahedeen. Bergab ging es damit erst als das Geld ausging.
@Roman
„Was heißt denn stabil in diesem Land? Sowohl heute als auch damals? Nach deren, unseren oder afghanischen Maßstäben?“
Keine Ahnung, da müssen Sie @b fragen, von mit kam die These nicht…
„Klar ist aber, das sich die Truppen der KP noch Monate und Jahre hielten, wobei es eben auch Gegenden gab, die ncht einmal die Rote Armee dauerhaft kontrollieren konnte oder wollte.“
Habe nie etwas anderes behauptet.
Ausgerechnet der Rechtsnachfolger der Sowjetunion erklärt jetzt wie’s geht??? Dabei sind die Kommunisten doch mit Schuld: ihre Machtübernahme 1978 und der sowjetische Einmarsch 1979 hat doch das Land erst ins Chaos geführt.
TK | 19. März 2012 – 7:49
Aber wir haben das UN-Mandat angenommen und wollten uns entsprechend kümmern … das war ja wohl bei der Sowjetunion anders. 1978 ist auch schon ne Weile her … mein Kalender schreibt 2012.
Also ich muss Koffer zustimmem, was ist denn eigentlich stabil? Nur weil die Russen damals schon Oktober 85 begonnen haben über den Abzug zu reden macht alles gleich stabil. Seit wann wird denn über den ISAF exit diskutieret? Doch wohl allermindestens seit Obama im Amt ist (siehe Woodward’s Obama’s Wars). Und da gab es auch tolle Pläne wie man Stabilität erreichen kann. Nur planen und was dabei rum kommt am Ende sind halt zwei verschiedene Sachen.
Was Quellen angeht muss ich auch sagen, dass ich nicht unbedingt behaupten würde das man ein stabiles Land hinterlassen hat. Aber ich gebe b insofern recht als das sie damals wirklich viele Ressourcen darauf verwendet haben um Stabilität zu erreichen.
Die „9. Kompanie“ als Dokument heranzuziehen ist, gelinde gesagt, gewagt.
Die Russen haben nun mal ein anderes Verhältnis zum Tod im Krieg als die Amerikaner und so mußten in dem Film eben alle sterben, während sie in der Realität 6 Tote hatten, allerdings fast jeder Überlebende verwundet war.
Im Prinzip war das von der Intensität vergleichbar mit einem der Gefechte im Süden so um 2007.
Der Kommandeur der Mujaheddin war übrigens Haqqani, nach dem heute das gleichnamige Netzwerk benannt ist…
Bei den Russen muß es eben im Film mehr Tote geben als in der Realität, bei den Amis ist es umgekehrt.
Diese „Friedhöfe“ sind größtenteils Material der afghanischen Volksarmee, nicht Material der roten Armee.
Das Buch „Afghantsy“ von Robert Braithwaite ist sehr interessant und stellt vieles aus russischer Sicht dar.
Was mir hier auffällt: Die möglichen Konsequenzen für unsere (d.h. deutsche) Sicherheit aus dem anstehenden Abzug werden gar nicht mehr thematisiert., obwohl es doch seinerzeit hieß, dass Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt werde . . .
Und genau das interessiert mich (neben der Frage: Was haben wir draus gelernt?) weitaus mehr als Frage, ob die Russen vor 30 Jahren ein stabiles oder begrenzt stabiles oder instabiles AFG hinterlassen haben. Oder ist es zu schlicht, wenn ich denke, dass der ursprüngliche Auftrag wohl kaum erfüllt ist und daher gilt: Entweder gab es einen Sinn hinter dem Entschluss, die BW nach AFG zu schicken (dann hat der Abzug jetzt auch Konsequenzen) oder es war von vornherein sinnfrei, unsere Leute dort hinzustellen.
@JCR
„Die “9. Kompanie” als Dokument heranzuziehen ist, gelinde gesagt, gewagt.“
Ich wiederhole mich gerne selbst:
„Das ist zwar ein kommerzieller Film, aber zeigt ziemlich deutlich wie in Russland auch heute noch der Abzug wahrgenommen wird…“
Die 9. Kompanie sagt so viel über die russische Seele aus wie „Transformers 3“ über die amerikanische ;)
Das war ein Mainstreamfilm
Diese Äußerung von Peter Struck war auch so ziemlich das absurdeste und dämlichste, was jemals ein deutscher Politiker von sich gegeben hat.
(Ansonsten ist Struck übrigens ein sympathischer und uriger Typ).
@ Chickenhawk
Finde ich nicht. Zwei meiner Ansicht nach wesentliche Faktoren sprechen für seine These. Wir kämpfen dort auf deren Terretorium. Können realtiv frei uns bewegen, müssen nicht auf jeden Toten achten, generieren mit relativ wenig Geld viele Sicherheitskräfte. Zusammengefasst: Wir versuchen den Feind in seinem eigenem Land durch den Fleischwolf zu drehen. Das gelingt uns vlt. weniger gut als den südlichen ISAF-Truppen. Man stelle sich vor, ein Teil der Insurgents, die nicht an AFG gebunden sind kommen uns oder unsere Leute im Urlaub irgendwo in der Welt besuchen. Oder die mit Harz 4 aufgepepplten Pseudoterroristen aus Solingen und sonst wo her, die in AFG umgekommen oder zur Besinnung gekommen sind, hätten irgend einen Scheiß hier gemacht.
Der zweite, viel wichtiger Punkt ist m.E.n. der Beweis der Bündnistreue. Ok, wir haben wenig daraus gemacht und vermutlich betrachtet man uns nun eher als die weinerliche ungeliebte Tante von nebenan als die effektiven, wahnsinigtollen Krauts, aber zumindest sind wir mitgegangen und dabeigeblieben. Nicht wie unsere heißblütigen Spanier.
Die Äußerung von Peter Struck:“Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt.“
Sollte nur dazu dienen, eine Akzeptanz bei der deutschen Bevölkerung für diesen Einsatz zu erreichen. Deshalb die etwas künstliche Konstruktion des Verteidigungsfalles.
Heute sind wir in dieser Hinsicht weiter. Deutschland setzt seine Streitkräfte wieder als Instrument der Außenpolitik ein und die Bevölkerung interessiert es kaum. Deshalb würde sich heute kein Verteidigungsminister mehr genötigt sehen in eine inhaltlich falsche Äußerung wie diese zu versteigen.
Ich meine das ist ein Erfolg des Afg. Einsatzes.
Wer wirklich in Afg. verteidigt wird, haben schon einige Autoren verdeutlicht. Ich kann die letzten zwei Bücher von Peter Scholl Latour zu diesem Thema empfehlen: Russland und seine Anrainer haben sich vor dem Einmarsch der NATO in Afg. einem enormen islamistischen Druck ausgesetzt gefühlt. Der Einsatz in Afg. hat etwas Druck weg genommen und den dortigen Regimen erlaubt sich zu verfestigen. Sie bilden nun eine Brandmauer für Russland.
Auch ein Erfolg des Afg. Einsatzes, der uns aber vielleicht erst in 30 oder 40 Jahren klar werden wird, wenn die dortige Region völlig außer Kontrolle geraten ist.
@JCR
„Die 9. Kompanie sagt so viel über die russische Seele aus wie “Transformers 3″ über die amerikanische ;)“
Ohne Witz: mEn sagt Transformers sehr viel über die amerikanische Seele aus…
@chickenhawk
Ich kann mich @Romans Argumenten hier nur abschließen.
Vielleicht wäre es aber besser gewesen, wenn Struck (den ich übrigens gar nicht schätze ;) ) statt von DEU verteidigen von „wir dienen Deutschlands Sicherheit am Hindukusch“, oder?
@ roman … sry aber die mär von den afghanen die uns im Urlaub oder daheim in fetzen sprengen will man doch hier nicht ernsthaft auftischen. Wäre die Nato da nicht eingefallen, würde man sich dort in alter Stammestradition weiter die Köpfe einschlagen. Ein Ausblühen der Konflikte in die Nachbarschaft will ich auch nicht ausschließen. ZA und Südchina,Pakistan wären ideale Spielplätze für dann gelangweilte Talibs / Mudschaheddin.
Weiter kommen die Herren nicht, die könnten sich ja nichtmal eine Bahnkarte bis zu uns kaufen. in der industrialisierten Welt wären sie völlig überfordert.
die arabischstämmigen terroristen finden auch andere Aufmarschräume, sponsoren dürften ebenfalls noch vorhanden sein.
ein wesentlicher teil der terroranschläge „hier“ wurde ja von homegrown terroristen verübt, die ihre anschläge eher als reaktion auf „unsere“ präsenz nahe medina/jerusalem und afgh geplant und durchgeführt haben
@ Markus
Ja. Zustimmung bezug auf die Afghanen. Deswegen ja meine Einschränkung an die ortsungebundenen Akteure. Ein Teil wäre sicher im Kaukasus, Jemen oder sonst wo versickert. Aber Ägypten, Indonesien etc. bieten für solche Leute durchaus sichere Handlungsgebiete. Und es reichen nur wenige aus.
Und ich verweise hier nochmal auf die Radikalen mit deutschen Pässen, die in der IBU unterwegs waren. Vielleicht hätten sie sich nicht so radikalisiert, vielleicht aber doch und hätten es dann hier getan. Wie dem auch sei, sie sind wie die Motten zum Licht und haben sich dort verbrannt.
Leicht OT – Studie zur Vertrauenslücke zwischen ISAF und ANSF:
http://www.michaelyon-online.com/images/pdf/trust-incompatibility.pdf
Die Schlussfolgerungen muss man nicht teilen, aber die Sachdarstellung (einschl. der Anlagen) ist doch interessant.
Wurde dies bereits diskutiert?:
Novosti berichtet, Russland wolle der NATO zum Zwecke der Logistik von und nach Afghanistan die Einrichtung eines Stützpunktes in Uljanowsk an der Wolga (dem Geburtsort von Lenin) gestatten.
http://en.rian.ru/analysis/20120321/172299865.html
Es wird auch auf Äußerungen Lawrows zur Problematik eines verfrühten Abzugs aus Afghanistan eingegangen.
Schlechte Nachrichten aus AFG:
Angriff auf italienische FOB. 1 KIA, 5 WIA.
Siehe: http://www.agi.it/english-version/world/elenco-notizie/201203241657-cro-ren1050-attack_on_italian_base_in_afghanistan_1_dead_5_injured
Mal sehen, ob nun auch in Italien die Abzugsdiskussion intensiviert wird.