Der Schütze von Kandahar: Nichts ist privat

Es ist hier ein wenig Off Topic, dennoch bemerkenswert: Während der Streit zwischen den USA und den Afghanen anhält, ob das Massaker von Kandahar vor einer Woche die Tat eines Einzelnen oder doch, wie die Afghanen behaupten, einer Gruppe von Soldaten war – wird in den USA das Leben des mutmaßlichen Täters im Detail öffentlich diskutiert. Privat scheint da nichts mehr. Und was in Deutschland in dieser Situation den Medien sehr übel genommen würde, ist bei den amerikanischen Kollegen Standard.

Nicht ein Boulevardblatt, ein Tabloid, sondern die angesehene New York Times zum Beispiel greift auf das Blog der Ehefrau des Staff Sergeant zurück (das inzwischen für die Öffentlichkeit gesperrt wurde, aus dem die NYT aber ausführlich zitiert). Und auf Gerichtsakten, die zwei kleinere Fälle von tätlichem Angriff belegen. Der Begriff public records wird in den USA halt deutlich anders ausgelegt. Und viele kleine Details werden noch folgen.

Vorsorglich mal der Hinweis, ehe sich eine Flut von Medienbeschimpfung in die Kommentare ergießt: Nein, das zeigt nicht, dass die amerikanische Presse schlecht mit Soldaten umgeht. Mit jedem anderen mutmaßlichen Täter würde sie genau so verfahren – siehe die öffentliche Vorführung des früheren Chefs des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn. Es ist ein grundsätzlich anderer Umgang der Gesellschaft mit dem, was wir als Privatsphäre (und Unschuldsvermutung) ansehen.