Koran in die Müllverbrennung? So verliert man den Info-Krieg
Nein, es geht nicht um den Islam. Nicht in erster Linie jedenfalls. Der Zwischenfall auf der ISAF – faktisch: US – Basis Bagram in Afghanistan könnte in die Lehrbücher: als Beispiel, wie man (wenn auch vermutlich unbeabsichtigt) die Bevölkerung eines Landes gegen sich aufbringt. Deshalb gehen aus meiner Sicht auch die Diskussionen über den intoleranten Islam und die Vergleiche von Religiosität in islamischen Ländern mit anderen Gesellschaften in diesem Fall an der Sache vorbei.
Bislang scheinen die Fakten so auszusehen: Routinemäßig wurde in Bagram Papier aussortiert, routinemäßig wurde es zur Müllverbrennung gefahren. Was aber nach den bisherigen Berichten erst dann afghanischen Arbeitern auffiel: Im Altpapier waren religiöse Druckwerke – und eben auch etliche Exemplare des Koran. Vermutlich war es denen, die für die Entsorgung zuständig waren, gar nicht erst aufgefallen. Oder sie hatten sich keine Gedanken darüber gemacht. Das wird jetzt jedenfalls untersucht.
Der US-Journalistenkollege Matthieu Aikins hat das sehr schön auf den Punkt gebracht: Der strategische Gefreite fährt eine Wagenladung Koran zur Verbrennungsanlage, und niemand hat da noch mal drüber nachgedacht?
Genau das ist es. Ehe sich jetzt Stimmen erheben, die sollten sich nicht so haben, gegenüber anderen Religionen seien Muslime auch nicht tolerant etc.: Da haben Soldaten aus Dummheit die Bevölkerung nachhaltig gegen sich aufgebracht, spielen damit dem Gegner in die Hände und gefährden ihre eigenen Kameraden. Nicht mehr und nicht weniger.
Natürlich gab es daraufhin gewaltsame Demonstrationen vor der Basis Bagram, natürlich kursieren Fotos von angesengten Koran-Exemplaren, natürlich haben die Taliban diesen barbarischen Akt scharf verurteilt (und nebenbei darauf hingewiesen, dass es allein in diesem Jahr der dritte Vorfall dieser Art sei).
Und natürlich hat der ISAF-Kommandeur und US-General John Allen sofort reagiert – mit gleich zwei Videos heute, in denen er sich bei den Afghanen entschuldigt und das Ganze als Fehler, als Versehen bezeichnet.
Und mit einer schnell veröffentlichten Weisung an die ISAF-Truppen:
Gen. John R. Allen, commander of the International Security Assistance Force, today issued a new directive that all coalition forces in Afghanistan will complete training in the proper handling of religious materials no later than March 3.
Hm. Ich hatte mir gedacht, so ein complete training in the proper handling of religious materials gehört schon weit vorher in die Ausbildung. So als Teil von Lessons Learned aus jahrelangen Erfahrungen.
Nachtrag: Auch US-Verteidigungsminister Leon Panetta hat sich Allens Entschuldigung angeschlossen – ein Zeichen, wie ernst die USA diesen Vorfall nehmen.
Nachtrag 2: Die Bücher stammen offensichtlich aus dem Gefängnis, dass die USA in Bagram betreiben, meldet AP:
Muslim holy books that were burned in a pile of garbage at a U.S. military base in Afghanistan had been removed from a library at a nearby detention center because they contained extremist messages or inscriptions, a western military official said Tuesday.The military official with knowledge of the incident said it appeared that the Korans and other Islamic readings were being used to fuel extremism, and that detainees at Parwan Detention Facility were writing on the documents to exchange extremist messages.
Ich mache mir gar nicht die Mühe und lese mir die Kommentare vom ersten Beitrag durch. ^^ Dort wird sich vermutlich altbekanntes finden, was bestimmt nichtmal falsch ist, aber nichts mit der Geschichte zu tun hat.
Die meisten Aufgaben, die einem im Leben so begegnen, beinhalten einige Punkte, die man unbedingt beachten sollte, wenn man denn irgendwann zu einem annehmbaren Ergebnis kommen möchte. Ein solcher Punkt ist definitiv: „Wenn du ein paar Millionen sehr gläubige Leute auf deine Seite bringen willst, verbrenn am besten nicht ihre heiligen Schriften.“ :) Es geht natürlich nicht darum, in irgendeiner Form unterwürfig zu handeln, aber man tut gut daran, sich nicht in dumme Situationen zu bringen.
Falls dieser Vorfall 1. überhaupt so stattgefunden hat und 2. überhaupt überwindbar ist, sollte man sich vielleicht mal „fünf Warums“ fragen.
– Warum brennen da haufenweise Korane? – Weil ein Gefreiter sie in großer Zahl in eine Verbrennungsanlage gesteckt hat. (Wenn es wirklich so passiert ist.)
– Warum tat er das? – Weil zu viele davon da waren…
– Warum waren zu viele Korane in einer US-Basis (sind die alle konvertiert oder was?)… Ab da wird es schon schwieriger und ist beim besten Willen und großer Fantasie von außen nicht zu beantworten. Nur wie zum Henker kann man denn bitte in so eine Lage kommen?
Und natürlich hätten die Psyopper der Taliban etwas anderes gefunden, um Propaganda und Agitation gegen ISAF zu betreiben. Und natürlich hätten die üblichen Verdächtigen in westlichen Medien wieder (sinngemäß) „böse ISAF“ geschrieben.
Will man solche Kampagnen vermeiden, dann hilft es ausgesprochen wenig, noch einen kultursensiblen Befehl herauszugeben und die für den Müll zuständigen Gefreiten in kultursensibler Müllverbrennung zu schulen. Es wird immer jemanden geben, der trotzdem gegen kulturelle Gebräuche und Sitten verstößt. Und es wird wieder Kampagnenführer geben, die das verwerten.
Will man solche Kampagnen stoppen, muss man die Kampagnenführer knacken. Fehler auf dem Niveau „Koran ausversehen im Altpapier gelandet“ wird es immer wieder geben in einer Maschinerie mit hunderttausenden Menschen. Und wenn man gerade nichts bei ISAF-Soldaten entdecken kann, findet man bestimmt wieder irgendeinen Provinzpfaffen, der einen Koran verbrennen möchte.
Taktisch mag die Entschuldigung von John Allen richtig sein. Strategisch muss das Problem anders gelöst werden.
Angesichts dieser Aufregung würde es mich doch wirklich sehr interessieren, was denn nach dem Glaubensverständnis der sich jetzt echauffierenden Islamisten mit einem alten, zerfledderten Koran zu geschehen hätte, wenn man ihn nicht mehr benutzen möchte, etwa weil man sich für viel Geld einen neuen und noch viel prächtigeren gekauft hat. Muss man die alten Ausgaben dann alle aufheben, werden die dann von Generation zu Generation vererbt? Würde ja auf lange Sicht zu wirklich gewaltigen logistischen Problemen führen…
Und selbst wenn dies so sein sollte, es also nach religiösen Regeln absolut verboten ist, nicht mehr benötigte Korane zu entsorgen: Dann besteht ja wohl doch noch ein gewaltiger Unterschied zwischen einem Verbrennen als symbolischem Akt und dem Vorgang hier. Wer aber alles über einen Kamm scheren will und dann diesen Vorgang als Anlass für Gewalt nimmt, hat entweder wirklich mittelalterlich geprägte religiöse Vorstellungen oder, wahrscheinlicher, trägt ohnehin einen großen Hass mit sich herum, der sich ein Ventil sucht. Und dann ist eben jeder Anlass recht.
Naja. Ich denke für den Gläubigen geht es erstmal darum, dass ein Ungläubiger so etwas nicht tun darf und die Entscheidung darüber beim Gläubigen liegen muss.
Was mit alten Büchern passiert kann uns wirklich herzlich egal sein, aber
dass die Jungs da bei sowas steil gehen ist absolut nicht neu.
Wie gesagt: Wenn man ein Ziel erreichen will, muss man gewisse Punkte beachten. Ansonsten muss man damit leben, ein Ziel nicht erreicht zu haben. Und wenn man schon damit anfängt haufenweise Korane zu horten (was, wie gesagt, ziemlich komisch erscheint) sollte man wenigstens dafür sorgen, dass die entweder nicht verbrannt werden, oder es eben die afghanischen Hiwis nicht spitz kriegen.
proper handling of religious materials …
Ich bräuchte da mal so eine Schulung. Die Tücken des islamischen Rechts gepaart mit dem IT-Zeitalter machen mir gerade Probleme.
Also: Ich habe in meinem digitalen Archiv ein Exemplar des Korans als elektronisches Buch. Aus Versehen habe ich diesen Koran an eine andere Stelle kopiert, habe also gegenwärtig zwei heilige Schriften auf meiner Festplatte. Wie kann ich nun diese zweite Version des Korans islamkonform löschen, ohne einen Dschihad auf mich zu ziehen oder eine Todes- Fatwa zu riskieren? Ich will ja schließlich nicht der Schuldige sein, wenn einige Anhänger des einzig wahren Glaubens diese digitale Koranvernichtung als Anlass für ein paar Morde an Ungläubigen nehmen.
Wie verfahre ich außerdem mit meinem Backup- System? Bei meiner regelmäßigen Systemsicherung lösche ich das alte Backup, inklusive des darin gesicherten Korans, und überschreibe das ganze mit einer neuen Sicherung? Ist das Scharia-konform?
Na werd mal nicht albern ^^ Es geht wohl eher darum, dass für einen Moslem ein gedruckter Koran sofort ein heiliger Gegenstand ist.
Ich freue mich sie wieder auf dem Schirm zu wissen. Bei den Verbrennungen ist allerdings nicht klar was tatsächlich ehrlicher Unmut ist und was politisch motiviert ist. Auf alle Fälle wird es nicht einfacher.
@ Niklas
Naja, ganz unrecht hat er ja nicht, man kann aus jeder Mücke einen Elefanten machen!
Monsieur L | 21. Februar 2012 – 19:42
Diese Fragen hätte man ja auf religiöser Ebene klären können und sollen. Statt die Ausgaben zu verbrennen, hätte man sie ja auch in die nächste Mosche bringen können … Übrigens, in vielen Familien gibt es auch alte Bibeln, die vererbt werden …
Auch im Christentum gibt es wiedersinnige Regeln … Gebote genannt: „Du sollst nicht töten …“ Tja, was fängt ein Soldat damit wohl an?
Sun Tzu | 21. Februar 2012 – 19:57
Diskutieren Sie diese Probleme doch mal mit dem Pabst; da er Gottes Vertreter auf Erden ist, wird er Ihnen eine Lösung präsentieren … ist ja schließlich alles Gottes Werk!
@ Niklas: „Naja. Ich denke für den Gläubigen geht es erstmal darum, dass ein Ungläubiger so etwas nicht tun darf und die Entscheidung darüber beim Gläubigen liegen muss.“
Ich glaube kaum, dass „Gläubige“ gleich welche Glaubensrichtung über die Meinungsfreiheit des freien Westens zu entscheiden haben. Dazu die aktuelle Rechtsprechung in den USA:
Selbst in einem besonders umstrittenen Grundsatzurteil aus dem Jahr 1989 der Fall stuften die Richter ein Verbot des Verbrennens der US-Flagge als verfassungswidrig ein. Das Urteil empörte viele patriotisch empfindende US-Bürger. In dem von Richter William Brennan verfassten Urteil, das bis heute Gültigkeit hat, heißt es: „Die Regierung darf nicht die Äußerung einer Meinung verbieten, nur weil die Gesellschaft diese Meinung als beleidigend oder unangenehm empfindet.“ An diesem Grundsatz orientierten sich die Richter auch im Jahr 2003, als sie ein Gesetz aufhoben, das dem rassistischen Ku-Klux-Klan das symbolische Verbrennen christlicher Kreuze verbot.
@ Niklas | 21. Februar 2012 – 20:06
Zitat: „Na werd mal nicht albern ^^ Es geht wohl eher darum, dass für einen Moslem ein gedruckter Koran sofort ein heiliger Gegenstand ist.“
Ungefähr das werden wohl auch die Müllentsorger in Bagram gedacht haben, als sie ein paar alte zerfledderte vermutlich sogar von der US-Armee auf Einfachpapier gedruckte Bücher ins Altpapier geworfen haben. Das war halt Lesematerial für Gefangene und nicht so ein hoch verzierter Koran, wie er in Moscheen als sakrales Element verwendet wird.
Koran ist Koran, ob jetzt teuer handverziert, billig gedruckt oder digital.
Hab die Frage übrigens schon mal mit einem Iman diskutiert. Wendet man die Taliban- Interpretation bezüglich der Entsorgungsregeln an, dann darf man seinen PC nicht mehr ausschalten, wenn man einen Koran in den flüchtigen Arbeitsspeicher geladen hat … denn man würde ja die heilige Schrift ohne erheblichen triftigen Grund vernichten (eben im Arbeitsspeicher). Auf das Medium (Steinplatte, Leder, Papier, digitale Magnetplatte, RAM) kommt es bei der fundamental wahhabitischen Auslegung nicht an.
Die Kairoer-Schule hat da eine Auslegung, die diese Probleme löst. Diese besagt, dass die entsprechende Sure bedeute, als Gläubiger Moslem dürfe man den Koran nicht aus seinem Haus verbannen, auf den Datenträger kommt es aber nicht an. Man darf also selbstverständlich einen Koran entsorgen (wie auch immer), wenn man vorher einen neuen Datenträger mit der heiligen Schrift ins Haus geholt hat.
@ Heiko Kamann | 21. Februar 2012 – 20:27
Na dann schauen wir doch mal was Benedikt XVI dazu gesagt hat:
„Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von ‚Schriftbesitzern‘ und ‚Ungläubigen‘ einzulassen, wendet er sich in erstaunlich schroffer, uns überraschend schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: ‚Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten‘. Der Kaiser begründet, nachdem er so zugeschlagen hat, dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. ‚Gott hat kein Gefallen am Blut‘, sagt er, ‚und nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider‘. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann.“ Benedikt XVI, 12.09.2006, Auszug.
Zum anderen Kommentar: „Du sollst nicht töten“ ist selbstverständlich auch für Soldaten relevant. Da steht ja nicht „Du darfst in keinem Fall töten!“ Auch ein Soldat soll nicht töten, wenn er es vermeiden kann.
Das Thema heizt ja ziemlich an… und einige Kommentare – vor allem in dem anderen Thread – finde ich, zurückhaltend gesagt, unglücklich.
Es geht hier nicht in erster Linie um den Umgang mit Islam und dem Koran. Es geht sehr einfach darum, dass man nicht zigtausende oder hunderttausende gegen sich aufbringt, wenn man erfolgreich sein will.
Ich wäre dankbar, wenn die – bisweilen etwas heftige – Islamkritik nicht zum zentralen Thema hier würde.
Sun Tzu | 21. Februar 2012 – 20:44
Naja, sind ja im wesentlichen Fragen, die bei einer guten Flasche Rotwein vor dem Kamin diskutiert werden sollten …
“Du sollst nicht töten” … Da können wir, wenn wir wollen, Sprachentwicklung ausklammern und es auf unsere Zeit schönreden … aber sind es nicht die 10 Gebote die einzuhalten sind? Ich denke da gibt es keinen Interpretationsspielraum!
„Na dann schauen wir doch mal was Benedikt XVI dazu gesagt hat: “
Das Problem ist, Sie berufen sich auf einen lebenden Menschen, der eigene Interessen durchsetzen will. Er interpretiert die Bibel zum eigenen Interesse … dem Christentum nutzt das übrhaupt nichts. Genauso passiert das in anderen Religionen auch. Schwachsinnige Eiferer, die in ihrer kurzen Wirkungszeit, eigene Interpretationen durchsetzen wollen … egal wieviel Menschen dafür sterben müssen … tja, Relegion halt …
wo ist denn mein kommentar hin?
@Tageberg
Keine Ahnung. vielleicht nicht abgeschickt? (ist weder im Spam-Ordner noch habe ich ihn gelöscht.)
@all
Soll ich anderswo jetzt noch ein religionsphilosophisches Diskussionsforum aufmachen? Scheint ja großes Interesse daran zu geben.
@ T.Wiegold | 21. Februar 2012 – 21:17
Zitat: „Es geht hier nicht in erster Linie um den Umgang mit Islam und dem Koran. Es geht sehr einfach darum, dass man nicht zigtausende oder hunderttausende gegen sich aufbringt, wenn man erfolgreich sein will.“
Ich denke, das „hunderttausende gegen sich aufbringen“ hat so gut wie nichts mit dem Verhalten von ISAF zu tun. Hier haben geschickte Propagandisten der Taliban eine Kampagne durchgezogen, wie wir sie in den vergangenen Jahren schon erlebt haben. Damit werden die regelmäßigen Frühjahrsoffensiven vorbereitet.
Wenn man erfolgreich sein will, muss man die Propagandaabteilung der Taliban und ihre gesellschaftliche Abstützung erledigen. Denn ein derart geringfügiger Anlass wie hier wird sich immer finden lassen. Die ISAF noch defensiver, „kultursensibler“ und verdruckster auftreten zu lassen wäre der vollkommen falsche Weg.
Wieder zeigt sich, dass die Taliban erfolgreich offensiv vorgehen, die ISAF aber aus Angst und Verschüchterung vollkommen defensiv agiert.
@ Heiko Kamann | 21. Februar 2012 – 21:33
Ich denke, mit meinem vorherigen Beitrag ist alles gesagt.
@Sun Tzu, Sie hatten geschrieben: „Taktisch mag die Entschuldigung von John Allen richtig sein. Strategisch muss das Problem anders gelöst werden.“
Ich fürchte, die StratCom Spin Doctors der anti-amerikanischen Koalition in Iran, Afghanistan und Pakistan haben es doch tatsächlich geschafft, dass man Gen Allen dazu gebracht hat, eine Mücke zum Elefanten aufzublasen und nun lassen sie ihn in den Popo schauen…
Eine strategische Lösung des Problems, wie Sie es fordern, ist schon seit einiger Zeit o.b.e. Hier gehts nur noch um Schadensminimierung.
Die fünf Regeln der US StratCom lauten:
1.Geh nie durch eine offene Tür, sondern renn mit dem Kopf gegen die Wand.
2. Stimm nie dem zu, was die andere Seite vorschlägt, sonst giltst Du als Schwächling.
3. Sieh in deinem Gegenüber stets den Inbegriff des Bösen.
4. Vorschläge der anderen Seite sind nur dazu da, dich übers Ohr zu hauen.
5. Und wann immer es so aussieht, als kämest Du voran, wird irgendein teuflischer Zufall alles zunichte machen.
Tja, der Teufel ist eben manchmal der Sheitan
Leute… Das ist doch keine Diskussion über Religionen und die Befindlichkeiten von deren Jüngern. Mir ist es persönlich völlig schnuppe ob sich einer einnässt, weil sein Lieblingsbuch abhanden gekommen ist.
Aber hier muss man mal trennen. Es geht darum, dass ISAF was vom Afghanen will. Bestimmt nicht umgekehrt. Wir wollen, dass die einen Staat unterstützen, der mit uns kooperiert. Nichts anderes. Und auch wenn es um einen Haufen Bauern geht, muss man wohl ein paar Dinge beachten, wenn man möchte, dass sie sich gemäß der Zielsetzung entwickeln.
Selbstverständlich muss man ganz genau hinschauen, ob solche Stories wirklich wahr sind, oder durch eine kleine Notlüge zu entkräften sind. Nur meist ist der Zug schnell abgefahren, weil die Jungs ihre Plakate im Schrank bereit stehen haben. ^^
Auch kann man sich die Frage stellen, was die beste Reaktion ist: Blanke Härte oder das Zugeben eines Fehlers. Das ist nicht immer so eindeutig.
Interkulturelle Kompetenz nennt man das Zauberwort. Bevor man die Schuld bei den Soldaten sucht, sollte sich das amerikanische Militär die Frage stellen, ob man den Betroffenen überhaupt das richtige, feinfühlige, kulturelle Gespür mitgegeben hat… Die Antwort auf diese frage kennen wir jetzt ja fast schon.
Dieser Krieg oder auch der Info Krieg wurde doch schon vor sehr langer Zeit verloren. Ich verstehe nicht, warum sich die Atlantiker einreden, da geht noch etwas. In Afghanistan wird jetzt nur noch Steuergelder sinnlos verbrannt.
Wenn ich den einen oder anderen Kommentar hier lese, bin ich froh, dass die Schreiber nicht vor Ort sind und die Situation dort weiter verschlimmern. Keine Ahnung von InfoOps und PsyOps, Begriffe durcheinanderwerfen und dann vom heimischen Sofa sich herablassend über die fehlende Härte von ISAF äussern. Das sind genau die, die keine Ahnung von interkultureller Kompetenz haben und sich wundern, warum so „Kleinigkeiten“ wie die, egal wie zustandengekommene Koranverbrennung, oder auch der eine oder andere „Kollateralschaden“ durch Drohnen dazu führt, dass es zu weitern Anschlägen kommt. Diese Klientel ist genauso verbohrt und intolerant, wie die, die diese Vorfälle für sich ausschlachten.
Das Ergebnis:
Gewalttätige Proteste und Strassensperren in Kabul, Jalabad, Parwan, Laghman, Logar, Gardez und anderen Gegenden. Alle Botschaften, NGOs und selbst Nachrichtenagenturen haben die Türen zugemacht und bringen ihre Leute in Sicherheit. Angeblich rufen Parlamentsmitglieder zum Jihad gegen die Besatzer auf.
ISAF hat im Osten Nangahars bei einer Aktion heute neun Schüler und einen Wachposten verletzt. Das wird die Stimmung weiter anheizen.
Nun, es mag vielleicht verschwöhrerisch klingen, aber wir wollten ja 2014 abziehen, was ja auch bald ist. Vielleicht eine geplante Aktion damit das Argument nicht mehr zieht: „Ist ja alles so stabil hier“
Wenn ich mir das wieder angucke, dann wird mir wieder bewusst, wie kaputt die Köpfe dieses Landes sind. Da könnten wir auch bis 2054 bleiben, es würde nichts ändern.
Das Problem ist nicht eine nicht sensibel genug durchgeführte Entsorgung von Alt-Koranen, sondern die Kombination aus absoluter Machtlosigkeit der Afghanen im eigenen Land (gefühlt und echt) und Vorkommnissen wie diesem, die als Katalysator dienen. Die Frustration über das sich langsam dem Ende nähernde westliche Experiment ist in weiten Teilen der Bevölkerung enorm hoch, auch unter unseren eifrigsten Unterstützern. Wir erinnern uns, wie frustriert hier die meisten Kommentare sind, wenn mal ein, zwei oder drei Deutsche in Afghanistan umkommen – dagegen ist es ganz natürlich, dass ständig Afghanen in Afghanistan getötet werden. In die Luft gesprengt von Taliban, erschossen an einer Straßensperre der afghanischen Polizei, bei einem ISAF-Drohnenangriff aus Versehen oder aufgrund schlechtem Intel aus dem Leben befördert… Und „die kharejis (Ausländer)“ sind nun einmal nicht nur optisch die prägende Macht des Landes, die dann dafür verantwortlich gemacht wird.
Ganz nebenbei ist ja nun auch auf unserer Seite nicht zuletzt aufgrund der Frustration nach 10 Kriegsjahren die Idee von dem Krieg der Kulturen und Hass auf Afghanen ud den Islam nicht ganz unverbreitet… die berühmten Aufnäher „infidel/ kafir“ oder „pork eating crusader“ sind da nur die leicht erkennbare Oberfläche, gelegentlich bekannt werdende Leichenschändungen oder Herabsetzungen der „Kuffnucken-Religion“ sowieso. Insofern (und weil ich weiß, wie freizügig ISAF gerne mit der Wahrheit umgeht) kann ich mir auch gut vorstellen, dass eigentlich ganz was anderes passiert ist und die Erklärungen jetzt nur nachgeschoben werden. Und wenn ich mir das vorstellen kann, dann bestimmt auch eine ganze Menge Afghanen…
Lange Rede kurzer Sinn – wie Sun Tzu glaube ich nicht, dass die Entschuldigung irgendwas anderes bewirkt als die bürokratische Absicherung des Kommandeurs im eigenen System. Allerdings fällt mir auch kein anderer Weg ein, um zu reagieren. Kampagnenführer, die wir angehen könnten, braucht es bei der gärenden Lage gar nicht – außer wir wollen noch mehr Märtyrer schaffen. Ich würde sagen, so kommt das halt bei solchen Einsätzen: man hat ein Gelegenheitsfenster, wo Optimismus und guter Willen das Misstrauen der Bevölkerung überwiegen. Irgendwann schließt sich das halt, die Frustration nimmt überhand und wir werden immer mehr zum Teil des Problems.
Klar kann man diesen Vorfall in alle Richtungen interpretieren und mit möglichen bzw. unmöglichen Gedanken verstricken.
Aber, sollte man nicht auch bei solchen Dingen “die Kirche im Dorf lassen”??!!
Solche Dinge werden so und in anderer Form immer wieder passieren bzw. immer wieder provoziert und ausgenutzt, positiv und negativ.
COM ISAF hat auf diesen Vorfall reagiert und versucht einem erneuten Vorfall vorzubeugen. Völlig richtig. Denn man kann nicht allem vorbeugen und nicht alles von Anfang an regeln.
Auch werden vermeidbare Fehler immer wieder vorkommen. Es ist meiner Meinung nach nur die Frage, wie man damit umgeht!
Eines der offensichtlichen Ziele der Regierungsgegner in AFG ist es, erfolgreich einen Keil zwischen ISAF und den ANSF zu treiben. Das werden sie weiterhin mit allen Mitteln versuchen und wir (ebenso die Afghanen) werden sicher noch einige Kameraden aufgrund dieser Versuche verlieren.
Das ist sehr sehr bitter, aber leider nicht zu vermeiden.
Was dem Pragmatiker bei der ganzen Debatte und auch den Kommentaren hier nicht in den Kopf will: Warum wird da überhaupt argumentiert und eine Debatte über irgendwelche religiösen Themen geführt? Fakt ist, dass sich Soldaten in einer fremden, größtenteils feindlichen Kultur befinden. Fakt ist, dass Soldaten am wenigsten angegriffen werden, wenn sie als Besatzungstruppen (Empfängerhorizont, alles andere zählt nicht) schön die Füße still halten und nicht den Einheimischen mit irgendwas auf die Füße treten. Fakt ist weiter, dass es nur wenige Dinge gibt, die einen Moslem so auf die Palme bringen, wie das Verbrennen eines für ihn bedeutsamen Buches. Wie kann es also sein, dass da nicht _JEDER_ Soldat eingenordet wird, dass er schlicht und ergreifend sich und seine Kameraden gefährdet, wenn er ohne Not die religiösen und kulturellen Eigenheiten des besetzten Gebietes missachtet?
Wie ist das denn bei deutschen Soldaten? Bekommen die _wirklich_ _ALLE_ eine entsprechende Schulung in kulturellen Dingen? Was ich da so manchmal höre habe ich meine Zweifel…
Deutsche und amerikanische Soldaten, sowohl als auch Soldaten anderer Nationen werden in kulturellen Belangen unterrichtet. Das ist bei (fast) allen Teil der einsatzvorbereitenden Ausbildung.
Aber, das macht Soldaten noch lange nicht zu interkulturellen Experten und auch nicht unfehlbar.
Soweit es mir bekannt ist und auch oben zu lesen ist, war das zu verbrennende Material nicht direkt als religiöse Schriften erkennbar und mal vorsichtshalber den Müll zu prüfen, wäre mir bestimmt nicht eingefallen.
Auch wenn es sich vielleicht unsensibel anhört, wir werden niemals fehlerfrei werden und egal was bzw. wieviel wir tuen, es wird immer wieder was „schief gehen“ und Leben kosten… auch wenn wir alles im Bereich des möglichen und unmöglichen unternehmen, um Leben zu bewahren!
David Ermes | 22. Februar 2012 – 19:20
Kultur ist nicht feindlich und Afghanistan ist auch nicht (durch fremde Truppen) besetzt.
Wir Deutsche sollten hier besonders sensibel sein: http://andreasmoser.wordpress.com/2012/02/24/bucherverbrennung-hier-und-dort/ – und dafür braucht es auch kein interkulturelles Training.