Die „Wunderwaffe“ im Feldtest
Erinnert sich noch jemand? Im Dezember 2010 hatte ich (wie einige andere Medien) auf die neue Wunderwaffe der U.S. Army hingewiesen, den XM25-High-Tech-Granatwerfer. Der Economist hat jetzt dieses Waffensystem auch entdeckt und weiß von der Begeisterung zu berichten:
A handful of XM25s are now being tested in Afghanistan by the Americans. So far, they have been used on more than 200 occasions. Most of these fights ended quickly, and in America’s favour, according to Lieutenant-Colonel Shawn Lucas, who is in charge of the weapon’s field-testing programme. Indeed, the programme has been so successful that the army has ordered 36 more of the new rifles.
(Archivbild 2009: U.S. Army via flickr unter CC-Lizenz)
Viel mehr Details über den Informationsstand von vor einem Jahr hinaus stehen leider nicht drin. Aber eine interessante Aussage:
It is also inspiring imitation. Though several European countries are planning to buy the XM25, some of them, including Germany, are working on weapons that operate in the same way, but fire 40mm rounds.
Nun ja. Wie schon im Dezember 2010 angemerkt, ist einer der wesentlichen Entwickler der XM25 die deutsche Firma Heckler&Koch, was allerdings offensichtlich selbst in der (amerikanischen) Fachöffentlichkeit nicht wirklich zur Kenntnis genommen wird. Die Frage ist nur: Ist das eher einem technologischen Nationalismus geschuldet – oder ist vielleicht im Gegenteil das deutsche Unternehmen fürs Image im Heimatland ganz froh, dass nicht sein Name im Zusammenhang genannt wird?
Warum sollte die Beteiligung an der Entwicklung schlecht für’s Image sein? Es handelt sich doch um eine gewaltige technische Innovation.
Mit einem 155 mm Artilleriegeschoss konventioneller Art tötet man auf einen Schwung erheblich mehr Menschen mit potentiell weitaus größeren Kollateralschäden.
Ha, das wurde schon einmal entwickelt. Vor über 25 Jahren war ich auf einem Tag der offenen Tür der WTD 91. Dort waren u.a. 155mm Geschosse für die Erprobung ausgestellt. Die hatten statt normaler Zünder eine Spezialspitze mit einem seitlichen Loch. Auf Nachfragen hat man mir nett erklärt das dort eine Photozelle drinsitzte die die Lichtimpulse der Sonneneinstrahlung messe. Dadurch können dann der 6809 Prozessor zählen wie oft sich das Geschoss durch den Drall in der Luft drehe. Das ganze Innenleben war mit Kunststoff im Vakuum vergossen um die Beschleunigung aushalten zu können.
Mit heutiger Elektronik braucht natürlich mal nicht mehr auf Sonnenschein zu warten um die Rotation der Munition zählen zu können. Die passenden Sensoren gibt es fertig auf nem Chip.
Mit 25.000 USD für eine Waffe
http://www.military.com/news/article/army-to-test-game-changing-gun-in-combat.html
wohl nichts für die BW.
Will man in der Bw überhaupt über den AnbauGranatwerfr36 oder die granat Pistole hinaus noch eine Granatwaffe einführen?
Der hohe Preis kommt zum Teil daher, dass es sich um ein Vorserien-Modell, bzw. Prototyp handelt. In Serienproduktion sollte das etwas billiger werden
Interessant ist auch die Frage, ob und wie man die Proliferation solcher Waffen in der Zukunft verhindern kann. Nicht auszudenken, wenn eine XM25 oder vergleichbare Hardware in die falschen Hände gerät.
Heckler&Koch ist schon lange keine deutsche Firma mehr…..
Universell Einsetzbar ist die XM25 nicht gerade. Die Schießen die Granate in der Nähe des Ziels, die Schrapnellen machen das Ziel Kampfunfähig. Auf sehr kurzer Entfernung und wenn Unbeteiligte in der nähe des Ziels sind, kann man die XM25 nicht abfeuern. Sonst treffen die Schrapnellen sich selber oder einen unbeteiligten.
Für Taliban im freien Gelände zu bekämpfen ist die Waffe natürlich super.
@ Curator:
Da sind Sie wohl auf einem alten Wissensstand seit 2002 gehört Sie wohl wieder einer deutschen „Invenstorengruppe“, zuvor war sie ein ppar Jahre teil von British Aerospace
@ Ben
Nicht nur im freien Gelände. Auch im Häuserkampf ist sie wunderbar. Sofern man natürlich nicht mit unseren ROE hantieren muss, demzufolge nach erst ein Rechtsberater den zu beschießenden Raum nach Zivilisten oder kulturell wertvollen Gegenständen oder seltenen Käfern abgesucht haben muss.
Der Preis der Prototypen liegt bei $ 686.000.
„Congress has approved an additional $24.7 million in funding for 36 new prototype XM25s. Currently, there are five prototypes being tested by Soldiers in Afghanistan“
http://www.army.mil/article/66968/XM25_feedback_demonstrates_lethality/
Jain, nicht für die Waffe alleine. Das ist eher der Systempreis. Da kommen Kalibriergeräte, Waffenwerkzeuge, Schusstabellen, hier zu dem ja noch Computer zum aufpspielen der entsprechenden Software usw. dazu.
The Economist kommt bald auch auf Spiegel-Niveau an. Was fuer ein infantiler Artikel! Granatwerfer gewinnen den Krieg gegen den Terror! Hooah! Die Clausewitz-Analogie setzt dem ganzen die Krone auf.
Der Hinweis auf auf Clausewitz war vom Autor aber offensichtlich mit einem kleinen Augenzwinkern versehen…
Im Häuserkampf ist das auch keine Wunderwaffe. Effektiv dürfte die XM25 gegen Heckenschützen sein, die man vorher entdeckt hat.
Auf verdacht kann man die Granaten nicht überall reinballern, schon allein wegen den Granatenkosten. Zum Häuserstürmen eignet sich die Waffe auch nicht. Da kann immer mal eine Granate hängen bleiben, oder Schrapnellen kommen durch dünne Wände.
In bestimmten Situationen ist die Waffe extrem effektiv. einzusetzen, für andere ist sie untauglich.
@ ben … das sagt man nun irgendiwe allen erzeugnissen des menschen nach ;)
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Kriegsentscheidende Fähigkeiten seh ich bei diesem gerät aber auch nicht. klar es legt die latte für die aufständischen wieder etwas höher, aber die technologische übermacht ist jetzt schon erdrückend (NV, drohnen, Flugzeuge aller größen, artillerie, gepanzerte fahrzeuge (leicht und schwer), funk und Sat. -kommunikation, usw usf)
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trotzdem will es der Koalition der willfährigen nicht gelingen die ansammlung von bauern deren ausrüstung selten mehr als kalashe, IED und rpg7 umfasst, in ihre Schranken zu weisen
@markus:
Im Krieg ist nunmal Kampfkraft entscheidend. Dies ist die Multiplikation aus Können (Ausrüstung und Ausbildung) und Wollen (Motivation + Kampfmoral).
Der Gedanke findet sich übrigens auch bei Clausewitz (Vom Kriege, I. Buch). Hinzukommt die Lernfähigkeit der jeweiligen Seite – ebenfalls abhängig vom Wollen.
D.h. weitaus bessere Ausrüstung führt nicht zum Ziel.
Ein motivierter und innovativer David kann einen demotivierten und unflexiblen Goliath auch heutzutage besiegen.
Neben der Asymmetrie der Ausrüstung gibt es eben auch eine Asymmetrie des Willens.
Für das XM-25 wird auch eine Flechette-Munition – im weiteren Sinne eine Art große „Schrotpatrone“ – entwickelt, damit ist man auch im Nahbereich schlagkräftig. Dürfte bei dem Kaliber ziemlich effektiv sein.
Die durchschnittlichen Austattungskosten pro Soldat sind in westlichen Armeen in den vergangenen Jahrzehnten derartig explodiert, es ist schon erstaunlich, dass diese Problematik so wenig hinterfragt wird. Gerade fuer ein Blatt, dessen Kernkompetenz Wirtschaft ist (sein sollte). Die Folgen lassen die Wundererwartungen an Effizienz geradezu als Notwendigkeit zum Selbstlaeufer werden. Die Mini-Stueckzahlen der entsprechenden Systeme sprechen dann auch fuer sich. Im Kontrast dazu steht die Unfaehigkeit der US Army, ebenso seit Jahrzehnten einen adaequaten M-16 Ersatz zu beschaffen, der truppenweit verwendet werden kann. Dito fuer jeden anderen Aspekt der Streitkraefte (siehe Gefechtsfahrzeuge). Einzig die glorifizierten LKWs (MRAP) sind die Ausnahme. Das XM25 ist insofern ein weiteres Statement des Scheiterns.
@markus
Mag es evtl. daran liegen, dass die „Koalition der willfährigen“ nicht auf das Niveau der Taliban herabgefallen ist? Würde man die Kampfführung entsprechend umstellen und dazu noch Repressalien gegen Unterstützer der Taliban verhängen, wäre der Aufschrei der Öffentlichkeit wohl unüberhörbar. Dann könnte man wohl auch das „Bandenkampfabzeichen“, das die Kollegen hier auf ihren Humvee gepinselt haben http://img255.imageshack.us/img255/1103/group12nh.jpg , gleich wieder einführen.
Wollen wir das wirklich?
@para
„Im Kontrast dazu steht die Unfaehigkeit der US Army, ebenso seit Jahrzehnten einen adaequaten M-16 Ersatz zu beschaffen, der truppenweit verwendet werden kann.“
Da stimmt allein die Aussage in sich schon nicht. Wenn sie die Armed Forces meinen, also alle Teilstreitkräfte sogar noch weniger, denn es war nie beabsichtigt, für alle eine Einheitswaffe anzuschaffen. Und sie dürfen nicht vergessen: In den USA gibt es eine Rüstugslobby, die noch viel größer und aggressiver ist, als bei uns. Das HK 416 z.B. wird nur durch diverse Hintertürchen und Ausschreibung einer anderen Waffe angeschafft, nicht aber unter dem Label eines Standardsturmgewehrs für den Rifleman.
Sie meinen bestimmt den Ersatz des M4 – und dazu rufe ich nochmal die Rüstungslobby in Erinnerung. Gewinner bei Ausschreibungen gab es schon, aber der war nicht Made in USA… Wo liegt der Fehler da bei der Army, wenn das Pentagon „No, Sir“ sagt?
@Armchair Warrior
Sicher, dass das Bild was mit den Taliban / Afghanistan zu tun hat? Ausrüstung, Gehabe und Uniform lässt mich da eher auf den Irak schließen? Wieder eine National Guard MP Einheit…?
Der Krieg im Afghanistan hat der Westen schon lange verloren. Da wird auch eine XM25 jetzt nichts mehr ändern. Ziel war es ja dort zivile tragfähige Strukturen aufzubauen, damit die Taliban dauerhaft von den Afghanen in Schach gehalten werden.
Der Afghanistan Einsatz ist für die Rüstungsindustrie eine super Geschäft. Ohne den Einsatz könnten viele Militärdienstleister ihren Laden dicht machen. Die Nachfrage nach Drohnen und anderem neuartigen Gerät dürfte schnell sinken. Die Entwicklung und Beschaffung nach dem Gerät würden die USA deutlichst runterfahren. Die Industrie verliert da Mrd.
Der Industrielle Militärische Komplex hat das Hauptinteresse am Afghanistan Einsatz.
Ohne Taliban gäbs für Pakistan auch keine Mrd an Militärhilfe von den USA. Auf das Geld will die Elite Pakistan sicher auch nicht verzichten.
@Voodoo
Sicher bin ich natürlich nicht, sollte auch nur als Beispiel dienen. Aber man stelle sich vor, deutsche Soldaten würden ihre Fahrzeuge derart „verschönern“. Wenn schon eine Palme, die auch ein PzBtl im Wappen führt, der Presse bereits als „Kriegsgrund“ dient.
Die nächste Wunderwaffe im amerikanischen super high tech Arsenal. Damit lässt sich bestimmt die Wende in Afg. erbringen und die technikgläubige Bevölkerung bricht in Jubel aus und freut sich Bürger von „god’s own country“ zu sein.
Leider wird der Krieg in Afg. nicht durch high tech Waffen entschieden, sondern durch die größe des Willens und die Bereitschaft im Schlammelement einen schmutzigen Krieg zu kämpfen. Das Festhalten an dem Technikglauben verdeutlicht das Amerika sich trotz Vietnam, Schweinebucht, Irak, Afg etc… noch nicht auf die neue Art der Kriegsführung eingestellt hat und auch diesen Krieg verlieren wird (schon verloren hat.)
Zur Technik der XM25:
Sie ist ziemlich schwer und die 25mm Granaten haben sich schon in anderen Waffenprojekten als zu schwach erwiesen.
Trotzdem ist die XM 25 wahrscheinlich der erste Wegweiser auf den Weg zum automatischen Granatschützen, welcher in den Inf. Zug einziehen wird.
Die deutsche Entwicklung von Rheinmetall (Hydra) gefällt mir wesentlich besser: schlanker, weniger high tech Schnickschnack, 40mm medium velocity Granaten welche wesentlich mehr Explosivkraft bei größerer Reichweite ins Ziel bringen.
Wenn man das Problem mit den gigantischen Magazinen löst, in meinen Augen die praktikablere Waffe.
@ armchair warrior .. ja partisanenbekämpfung hat tradition und war ja so überaus erfolgreich auf dem balkan, in algerien, ’nam, Palästina, u name it …
@markus
Das ist mir ein wenig zu pauschal. In Algerien etwa war die Partisanenbekämpfung erfolgreich; die FLN war 1958 militärisch besiegt. Der Rückzug Frankreichs aus dem Land war eine politische Entscheidung.
Ein anderes Beispiel für erfolgreiche Guerillabekämpfung durch die Briten war die „Malayan Emergency“ oder auch der zweite Burenkrieg 1899 -1902.
Die Option, den Guerillakrieg wie die Franzosen in Algerien oder die Briten in Südafrika zu führen, gibt es aber heute nicht mehr. Deswegen ist die Lage in Afghanistan für den Westen letztlich aussichtslos.
@chickenhawk, markus
Eine interessante Studie zu Aufständen hat es von RAND: How Insurgencies End. Von den 73 abgeschlossenen Aufständen wurden 47 von der Regierung „gewonnen“ oder wurden am Verhandlungstisch beendet.
Die Briten waren in Malaya erfolgreich, weil die Kommunisten zum großen Teil aus Chinesen bestanden, mit denen die eigentlichen Malaysier eh keinen Vertrag hatten.
Da konnte das Empire zum letzten Mal teilen und herrschen :)
@J.R. (fastnamensvetter)
Nach den Kriterien von RAND wäre dann der Vietnamkrieg „gewonnen“.
Der Aufstand des Vietcong wurde durch eine Verhandlungslösung (offiziell) „beendet“.
Allerdings fiel Südvietnam danach einer konventionellen Offensive des Nordens zum Opfer
Traue keiner Statistik usw.
Ein Aufstand ist m.E. erfolgversprechend wenn die Aufständischen eine Ideologie haben, für die sie bereit sind, höhere Verluste in Kauf zu nehmen als die Regierung, die sie bekämpfen, diee Aufständischen in der Bevölkerung als ehrlicher wahrgenommen werden als die (oftmals korrupte) Regierung und deshalb Unterstützung genießen und zudem Aufständische und Bevölkerung derselben Volksgruppe/Kultur angehören.
@ JCR
Zwischen dem Friedensabkommen von Paris und dem erneuten Einmarsch der Nordvietnams lagen immerhin zwei Jahre: Das kann man also schon so sehen.
Und die zwei Jahre dazwischen waren – so mein Eindruck – eher durch den politisch-wirtschaftlichen Zerfall Südvietnams geprägt als durch „Krieg“ (Weltwirtschaftskrise,Wirtschaftsausfälle durch US-Abzug, Flucht der Eliten aus dem Land).
Auch wenn das recht trivial ist: Es bringt halt nichts, einen „Krieg“ zu gewinnen, wenn man danach keinen Frieden schaffen kann. Sonst geht es wieder von vorne los. Und mit dem südvietnamesischen Regime war kein Staat zu machen.
In dieser Hinsicht ist der Vietnamkrieg durchaus sehr vergleichbar mit Afghanistan, und die von Ihnen angesprochen Punkte spielen da sicherlich rein.
Was in dem Zusammenhang hinsichtlich der Betrachtungsweise des Vietnamkriegs so nervt, ist dass er oft unzulässig verkürzt wird: „Südvietnam ist letztlich wenig überraschend untergegangen, der Aufstand war halt unbezwingbar“, „Die US-Streitkräfte haben alle Schlachten gewonnen, war also nicht deren Fehler, dass Südvietnam unterging“.
Und diese beiden Extreme dominieren ja auch die Sichtweise auf den Afghanistan-Konflikt.
(Dass es im Rahmen des Vietnamkonflikts durchaus erfolgreiche Aufstandsbekämfung gab – nicht selten entgegen dem Vorgehen der US-Streitkräfte und der südvietnamesischen Regierung – wird halt sehr gerne übersehen.)
Sich da auf irgendwelches technisches Spielzeug zu konzentrieren, dass an den größten und drängendsten Problemen des Konflikts weit vorbeigeht, paßt halt ins Schema.
Und in 10 Jahren werden auch nicht Bücher zum Thema „Warum die internationale Gemeinschaft in Afghanistan scheiterte“ den Buchmarkt zu Afghanistan dominieren, sondern eben „Schlachten und Ausrüstung der Bundenswehr in Afghanistan – der Bildband“.
(Ok, ist ja bereits jetzt so: Bei Amazon liegt „Deutsche Soldaten im Krieg: Die Bundeswehr in Afghanistan. Eine Bilddokumentation“ sehr sehr deutlich vor „Die afghanische Misere: Warum der Westen am Hindukusch zu scheitern droht“)
Voodoo: Nein, ich hab mich schon korrekt ausgedrueckt. Die M-4 ist bekanntermassen nur ein M-16-Derivat, das nie Standardwaffen-Ersatz gedacht war. Dass es trozdem dazu geworden ist, liegt bekanntermassen an einer korrumpierten Beschaffungspolitik, die jeden echten Nachfolger terminiert hat. Winner by default quasi.
HK-416 bleibt erstmal vollkommen aussen vor, was damit etc passiert, haengt von der naechsten Micky Maus-Beschaffung aka Individual Carbine ab. Und dass die US Army nichts entscheidet, sollte klar sein. Dass sie keine neue Standardwaffe bekommt, definiert Unfaehigkeit, und so wars gemeint.