Auf dem Weg zu Friedensgesprächen mit den Taliban?
Für mögliche Verhandlungen zwischen den Taliban und dem Westen – das heißt konkret: den USA – scheinen sich die Vorbedingungen seit heute gebessert zu haben. In einer Erklärung auf der Internetseite des Islamischen Emirats Afghanistan kündigten die Taliban ihre Bereitschaft zur Eröffnung eines Büros in Katar und damit de facto zum Beginn von Verhandlungen an: We are at the moment, besides our powerful presence inside the country ready to establish a political office outside the country to come to an understanding with other nations and in this series, we have reached an initial agreement with Qatar and other related sides.
Und aus den USA, berichtet der britische Guardian, gebe es Signale für die Bereitschaft, hochrangige Taliban-Führer aus der Haft in Guantanamo zu entlassen: The US has agreed in principle to release high-ranking Taliban officials from Guantánamo Bay in return for the Afghan insurgents‘ agreement to open a political office for peace negotiations in Qatar.
In der Erklärung machen die Taliban klar, dass ihr Gegenspieler (und damit auch ihre Verhandlungspartner) nur die von den USA geführte westliche Koalition ist: The ongoing issue in the country which came about ten years ago has been between two fundamental elements: on the one side is Islamic Emirate of Afghanistan and on the other is the United States of America and its foreign allies.
Zeichnet sich damit tatsächlich nach mehr als zehn Jahren eine Perspektive für eine wie auch immer geartete Verhandlungslösung am Hindukusch ab? Der Guardian zitiert nach den heutigen Entwicklungen einen früheren amerikanischen Regierungsberater mit den Worten: This doesn’t mean we are now on autopilot to peace. Die Frage sei jetzt, zu welchen Zugeständnissen beide Seiten bereit seien.
Die Frage lautet doch jetzt, wie verhält sich Pakistan zu den beabsichtigiten Friedensverhandlungen ?
Bisher ist doch gemunkelt worden, dass Pakistan jeden Talibanführer, der bereit war mit den USA zu verhandeln gekillt hat oder an die Amerikaner ausgeliefert hat.
Also Friedensverhandlungen mit den Taliban ohne Pakistan und Iran dürften ziemlich wertlos sein.
Das scheint mir eine Nachricht von erheblicher Tragweite zu sein.
Hamid Karzai dürfte dann wohl schon mal die Umzugskartons ordern und Kontakt mit Immobilienmaklern im Großraum Washington DC aufnehmen (ein Bruder von Karzai betreibt in Baltimore ein afghanisches Spezialitätenrestaurant: http://www.helmand.com ).
Nach Medienberichten soll es in der Vergangenheit allerdings bereits mehrfach Gespräche zwischen hochrangigen afghanischen Regierungsmitgliedern und Repräsentanten der US-Regierung mit Taliban-Vertretern im Emirat Katar gegeben haben.
Praktisch bedeutet dies, dass die USA jede Hoffnung aufgegeben haben in AFG irgendetwas grundlegend zu verändern, sprich im westlichen Sinne zu verbessern. Sie werden lediglich sicher stellen, dass von AFG keine terroristische Bedrohung mehr für die USA ausgehen wird. Das hätten die Taliban aber schon 2001 haben können und hätte uns dann viele Leben und Aufwand gespart. Da die Taliban, von Pakistan unterstützt, dank ihres brutalen und rücksichtslosen Vorgehens wieder die Macht in AFG ergreifen werden, war unser Einsatz lediglich eine Fußnote in der Geschichte.
Wer sagt da, man lerne nicht aus der Geschichte…diesmal kommt man vermutlich um Evakuierungen per Hubschrauber von Daechern herum. Applaus!
Der Begriff „Friedens“-Verhandlungen ist vielleicht etwas hochgegriffen.
Mein Eindruck u.a. der amerikanischen Diskussion ist, dass dort zunehmend Zweifel an der eigenen Durchhaltefähigkeit herrschen. Man scheint finanziell nicht mehr den Spielraum zu haben, den Einsatz langfristig mit hohem Aufwand fortzusetzen, und auch am politischen Sinn wird gezweifelt. Militärisch hält man die Lage zwar mittlerweile für besser (das war allerdings noch vor den aktuellen Entwicklungen bzgl. Pakistan), führt das aber auf den enormen Kräfteansatz zurück, der eben nicht unbegrenzt aufrechterhalten kann, und zweifelt verbreitet daran, dass afghanische Sicherheitskräfte und Regierung mittelfristig dazu zu befähigen sind, mit minimaler Unterstützung weiter zu funktionieren. Eventuelle Verhandlungen wären Ausdruck eigener Schwäche und der Absicht, den Einsatz auch unter Aufgabe ursprünglicher politischer Ziele zu beenden. Das bliebe auch den Aufständischen nicht verborgen.
Ich halte es daher für sehr fraglich, ob die Aufständischen zum jetzigen Zeitpunkt ernsthaft verhandeln wollen. In ihrer Position müssen sie nur bis zum Beginn der Rückverlegung warten, um noch bessere Ergebnisse erzielen zu können. Der Ton der zitierten TB-Propaganda ist jedoch ungewöhnlich und könnte darauf hinweisen, dass erstmals reale Initiativen mit der „Senior Leadership“ erfolgten. Es gibt diverse historische Vorbilder für solche Verhandlungsprozesse (u.a. aus dem Ende der Kolonialzeit oder Vietnam in den frühen 70ern), in denen die defacto unterlegene Großmacht auf diesem Weg Gesichtswahrung zu betreiben versuchte, ohne aber über den Willen zu verfügen, die Verhandlungsergebnisse ggf. noch durchzusetzen. Selbst wenn es also Verhandlungen mit einem schön klingenden Ergebnis gäbe, wäre das reale Ergebnis vermutlich ein anderes.
Bis zu einem Verhandlungsergebnis wäre es aber noch ein weiter Weg: Die Aufständischen würden auch im für die NATO günstigsten Fall darauf bestehen, dass ihr Erfolg in den Verhandlungsergebnissen auch als solcher erkennbar wird. Dazu wären Konzessionen v.a. auf Kosten der afghanischen Nordethnien erforderlich, die in der Diskussion manchmal vergessen werden. Die ANA wird z.B. v.a. im Offizierkorps von den Nordethnien dominiert und bietet sich als Akteur eines Putsches oder eines Bürgerkriegs geradezu an. „Frieden“ ist in Afghanistan m.E. bestimmt nicht in Aussicht.
Fuer die Taliban ist das weitestgehend irrelevant. Bei den Amerikanern lautet das Motto „2014 raus“. Jetzt gehts darum, zumindest den Anschein von Einfluss zu wahren. Der Rest der Meute zieht hinterher, genauso wie man sich hat reinziehen lassen. Karzai hat auch schon zig mal durchblicken lassen, dass er mit den Taliban verhandeln will, ungeachtet der Anschlaege auf seine Verwandten in verantwortlichen Positionen. Eine Wahl hat er da kaum. Irgendwann wird er sowieso eine Treppe runterfallen oder auf dem Marktplatz aufgeknuepft. Und die ANA ist doch ein Scherz…was davon uebrig bleibt, kann sich vielleicht wieder im Nordosten verschanzen.
@para
„Und die ANA ist doch ein Scherz…“
Man sollte das relativ zu den Fähigkeiten der Aufständischen betrachten. Ethnisch homogene bzw. homogenisierte Teil- oder Nachfolgestrukturen der ANA könnten m.E. mit der vorhandenen Ausbildung und dem vorhandenen Material als Bürgerkriegsakteure noch relevant werden. Im Norden hätten die Aufständischen mit ihren zahlenmäßig eher schwachen Strukturen und noch schlechter ausgebildeten Kämpfern (von Einzelkompetenz bei IEDs etc. mal abgesehen) dem wenig entgegenzusetzen, zumal diese ANA-Kräfte sich vermutlich nicht mit einzelnen Zellen der Aufständischen aufhalten, sondern direkt deren Bevölkerungsgrundlage angehen würden. Wie gesagt, „Frieden“ sehe ich unter diesen Bedingungen auch bei erfolgreichen Verhandlungen erst einmal nicht bevorstehen. Aber Deutschland und die Bundeswehr wären von diesem Geschehen eventuell nicht mehr direkt betroffen, was aus deutscher Sicht vielleicht ein Fortschritt wäre.
@ Orontes
Volle Zustimmung. Gerade im nördlichen Bereich sind die ANA-Kräfte durchaus kompetent genug, in einem Bürgerkrieg einen wesentlichen Machtfaktor darzustellen. Zudem, wie schon angesprochen, halten sie sich nicht mit der Jagd nach einzelnen auf sondern werden die Paschtunen und wen auch immer vertreiben, umlegen, beim auswandern helfen. AFG wird zerfallen, die Frage ist, in wieviele Teile.
Diese Lösung zeichnet sich ja auch in Somalia ab. Jeder nimmt soviel, wie er auch effektiv kontrollieren kann. Sicherlich hat Kenia sich da mehr erhofft, aber was man nicht halten kann, sollte man auch nicht erobern.
Natuerlich werden die Kapazitaeten der ANA im Normalzustand Buergerkrieg (gleich welcher Intensitaet) eine Rolle spielen, das erkenne ich vollkommen an. Aber die ANA als Struktur oder erkennbar kohaerente Kraft wird m.E. enden. Zunaechst wird jede Ethnie sehen, was sie bekommt und jeder „Chef“ seine Ressourcen an sich ziehen. Schon das wird die ANA zerreissen. Die werden nicht automatisch in den Zustand der Nordallianz von 2001 uebergehen, alle gegen die Paschtunen.
Der gleiche Verteilungskampf wird wohl unter den Paschtunen erfolgen…Quetta Shura vs Haqqani vs Karzais Kohorten. Der Treppenwitz der Geschichte wird wohl der Umstand werden, dass unter solchen Bedingungen Afghanistan fuer irgendwelche ambitionierten Terrorgruppen vermutlich ein besseres Domizil werden wird als es das allein unter den Taliban je war.
Tja, die Pakistanis haben die Logistik dicht gemacht und die Russen auf der anderen Route auch. Das hat man nun davon wenn man ständig die anmeckert von deren Wohlwollen man abhängig ist.
In den Verhandlungen werden die Amerikaner U.S. Basen in Afghanistan fordern. Sie werden zudem von den Taliban irgendwelche „demokratische“ (Menschenrechte, kein AlQaeda, Regierungsbeteiligung etc.) Garantien haben wollen. Die Taliban, ihre Sponsoren und auch andere Nachbarländer Afghanistans werden U.S. Basen ablehnen. Das wird zu einer Fortsetzung und Verstärkung des Abnutzungskrieges führen bei dem sich jetzt auch wieder die pakistanischen Taliban, versöhnt mit ihrer Regierung, einbringen werden. NAch zwei drei weiteren Jahren die Amis endlich genug haben und nur noch weg wollen.
Letztendlich werden die Amerikaner komplett aus Zentralasien abziehen und die Taliban alle möglichen Versprechen geben an die sie sich nach dem Abzug nicht mehr gebunden fühlen werden.Den Rest kaspern dann die Afghanen unter sich aus.
Da das alles (seit längerem) absehbar ist fragt man sich warum da noch ein Deutscher seine Gesundheit und Leben riskieren muss. Um den Amerikanern zu helfen ihr Gesicht zu wahren? Ist das das Leben eines Deutschen wert?
Die Amis werden beileibe nicht aus Zentralasien abziehen. Mag sein, dass das great game derzeit etwas Sand im Getriebe hat, aber sich dort zurückzuziehen ist sicherheitspolitisch eine Katastrophe.
Joa so ist das nunmal.
„Die Lage ist besser als je zuvor. Die Taliban sind geschwächt und aus ihrer Schwäche und Verzweiflung heraus können sie nur noch einzeln hier und da mal versuchen der ISAF Schaden zuzufügen.“
So oder so in etwa reden die Politiker zur Zeit.
Da frag ich mich wie man auf die Idee kommen kann, den Taliban gegenüber Eingeständnisse machen zu wollen, wenn man doch eh wie beschrieben kurz vor dem Ziel ist.
Passt ja irgendwie nicht zusammen!
@Roman Die Amis werden beileibe nicht aus Zentralasien abziehen. Mag sein, dass das great game derzeit etwas Sand im Getriebe hat, aber sich dort zurückzuziehen ist sicherheitspolitisch eine Katastrophe.
Die Amis würden nie aus dem Irak abziehen hat man vor kurzem noch gesagt.
Die Amerikaner haben in Zentralasien keine Nachschublinien. Damit ist ein Verbleib dort schlicht nicht möglich. Zudem ist jede Stationierung innerhalb der CSTO-Staaten nunmehr von der Zustimmung all dieser Staaten erforderlich.
CSTO tightens foreign base norms
Manas wird 2014 zugemacht und dann war es das.
Für wen soll das eigentlich „eine Katastrophe“ sein? Warum?
OT Am 21 Dezember: RC N Watch: Jetzt fährt die Eisenbahn
Ich war da skeptisch:
Dafür wurde mir dann vorgeworfen pakistanische Propaganda zu machen.
Tolonews heute: Hairatan-Mazar Railway to Operate Soon
Very soon …