So stoppte die NATO den Gaddafi-Konvoi
Nachdem bereits gestern recht konkrete Gerüchte umliefen, Kampfjets der NATO hätten einen Konvoi in Libyen beschossen und damit zur Gefangennahme des ehemaligen Staatschefs Muammar Gaddafi beigetragen, hat die Allianz das jetzt im Wesentlichen bestätigt:
At approximately 08h30 local time (GMT+2) on Thursday 20 October 2011, NATO aircraft struck 11 armed military vehicles which were part of a larger group of approximately 75 vehicles manoeuvring in the vicinity of Sirte. These vehicles were leaving Sirte at high speed and were attempting to force their way around the outskirts of the city. The vehicles had a substantial amount of mounted weapons and ammunition, posing a significant threat to the local civilian population.
The convoy was engaged by NATO aircraft to reduce the threat. Initially, only one vehicle was destroyed, which disrupted the convoy and resulted in many vehicles dispersing and changing direction.
After the disruption, a group of approximately 20 vehicles continued at great speed to proceed in a southerly direction, due west of Sirte, and continuing to pose a significant threat. NATO again engaged these vehicles with another air asset. The post strike assessment revealed that approximately 10 pro-Qadhafi vehicles were destroyed or damaged.
At the time of the strike, NATO did not know that Qadhafi was in the convoy. NATO’s intervention was conducted solely to reduce the threat towards the civilian population, as required to do under our UN mandate. As a matter of policy, NATO does not target individuals.
We later learned from open sources and Allied intelligence that Qadhafi was in the convoy and that the strike likely contributed to his capture.
NATO does not divulge specific information on national assets involved in operations.
Zwar mag die NATO nicht bekanntgeben, welche Nationen die beiden Luftschläge ausgeführt haben, die den Konvoi stoppten. Allerdings hatte Frankreich bereits zuvor von einem Einsatz seiner Kampfjets in diesem Zusammenhang berichtet – und aus den USA kamen Meldungen über einen Drohnenangriff. Das passt: beim ersten Angriff ist hier die Rede von NATO aircraft, beim zweiten von another air asset.
Ich bekomme das Kotzen wenn ich da diePropaganda von „posing a significant threat to the local civilian population“ lese.
Mit was haben die Revolutionäre bitte auf Sirte geschossen? Zuckerwatte? Sieht mir nicht so aus.
„Posing a significant threat to civilian population“
Glauben die das eigentlich selbst?
Scheint, als habe sich der Realitätsverlust von Gaddafi auf NATO-PAO übertragen. Wie bei Highlander. Ansonsten: Good job.
Zum Glück waren keine deutschen Tornados in der Luft ;-)
@Gregor,
ja wirklich, da können wir uns glücklich schätzen. Sonst wäre die Vomitation einzelner Mit-Kommentatoren kaum noch beherrschbar.
Bei CNN beginnt in Kürze der Stream eines NATO-Briefings zu Libyen:
http://edition.cnn.com/video/flashLive/live.html?stream=1
Hier wird schlicht der Text der Resolution in ein Pressestatement gebracht, um so das Vorgehen zu rechtfertigen.
Die Beteiligten wurden innerhalb kurzer Zeit so tief in den Konflikt hinein gezogen, dass sie die zu Grund liegende Resolution sehr „weit“ auslegen musste, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen.
Die ethische Frage ist, ob hier der Zweck die Mittel heiligt.
Juristisch werden die Handlungen schon abgesichert worden sein, die NATO wird da fähige Juristen im Einsatz haben.
Politisch ist der Verlust von Gaddafi sicherlich kein großer Verlust für die Menschheit.
Ich bezweifle aber, dass die Rebellen ohne die tatkräftige Unterstützung überhaupt so weit gekommen wären. Daher wieder der Bogen zurück:
Heiligte hier der gute Zweck das vielleicht fragwürdige Vorgehen, nämlich das direkt Eingreifen in den inneren Konflikt eines souveränen Staates?
Die Resolution war spaetestens als die Nato sich fuer den Angriff auf den Rebellen Konvoi aus gepanzerten Fahrzeugen entschuldigen musste nur noch ein Vorwand.
Das Gadaffi jetzt vermutlich hingerichtet worden ist, ist der letzte Akt in einem Krieg, der ein „totaler Krieg“ gemäß dem libyschen Revolutíonsführer sein sollte.
Die Nato hat das Mandat schon einige Tage nach Kriegsbeginn überzogen. Dies war nur der letzte Akt.
Viel interessanter ist jetzt die Frage, was momentan bei den arabischen Despoten in den Regierungszentrale gedacht und beraten wird. Vermutlich herrscht bei einigen „Herrschern“ blanke Panik. Und um es mit Wowereit zu sagen: „Und das ist gut so“. Mal sehen wie dieser vollkommene Erfolg der Rebellen, was immer ihre Motive gewesen sein mögen, in der arabischen Welt aufgenommen wird.
Russland und China haben sich die Vorgehensweise der NATO genau angesehen und werden diese Art der Militärpolitik ebenfalls anwenden und uns fehlen dann die Argumente. Wer Recht bis zum Geht nicht mehr dehnt, der beugt es.
Russland hat sich in Tschetschenien auch nicht mit Ruhm bekleckert und über China muss man in Punkto Menschenrechte und dem Recht eines Volkes über sich selbst zu bestimmen, nicht weiter reden.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus, die Nato hat geholfen einen Despoten zu stürzen nachdem dieser angefangen hatte, seine Bürger abzuschlachten.
Also in meinen Augen war der Nato-Einsatz in Libyen wesentlich mehr gerechtfertigt, als der amerikanische Irak-Krieg. Hier wird es rechtlich bedenklich.
Genau Tschetschenien, mit dem Einmarsch der USA im Irak sind in Tschetschenien die Dämme gebrochen und jeder war ein Terrorist und durfte getötet werden und keiner behauptet das China ein Vorbild wäre. Aber der Westen war es! Wesentlich mehr gerechtfertigt? Entweder es ist was nach Recht und Gesetz oder nicht. Man sollte den Despoten keine Träne nachweinen, jedoch sind wohl um die 30 000 Menschen getötet worden und es werden noch mehr sterben als er sich mit Schröder oder dem franz. Präsident traf, wäre eine Festnahme leichter und mit keinen/kaum Opfern verbunden gewesen (wäre zwar nicht rechtens aber das spielt ja keine Rolle). Die Art und Weise wie das Recht umgesetzt wird ist die Frage oder sollten wir morgen in Weißrussland, Saudi Arabien Kuwait uvm einmarschieren?
Hier ein Artikel des Daily Telegraph aus dem Juli 2007. Damals waren Sarkozy und Gaddafi noch ein Herz und eine Seele, wie man auf den Fotos schön sehen kann:
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/1558689/Trust-Libya-with-nuclear-power-says-Sarkozy.html
Sarkozy hatte dem Revolutionsführer gerade ein französisches Kernkraftwerk verkauft (was ist eigentlich aus diesem Deal geworden?).
So kann es gehen wenn man die teuren Rafale erst kaufen möchte und dann doch nicht. Das hat ihm die Regierung von Frankreich übel genommen.
„Kurz vor Gaddafis Besuch beim Parlamentspräsidenten löste die Polizei eine Demonstration der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ nahe der Nationalversammlung auf. dpa“
http://www.abendblatt.de/politik/europa/article507680/Libyen-will-auch-Hubschrauber-und-Kampfflugzeuge-kaufen.html
„Wenn man nicht jene Länder anerkennt, die den Weg der Respektabilität gehen, was soll man dann jenen sagen, die sich für den entgegengesetzten Weg entscheiden“, sagte Sarkozy. „Ich habe kein Problem, mich mit Gaddafi zu treffen, der die Opfer von Lockerbie entschädigt, dessen Geheimdienste mit westlichen Diensten zusammenarbeiten und der die bulgarischen Krankenschwestern freigelassen hat“, sagte Sarkozy
Bei Merkel hört es sich beim Verkauf von 200 Panzern an Saudiarabien rechtfertigt dann so an: «Einer der wichtigsten Stabilitätsanker der Region»: Kanzlerin Merkel über ihren Geschäftspartner König Abdullah.
Libyen galt, ähnlich wie Saud Arabien, als Garant der „Stabilität“.
@ Elhanan
Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht !
Gadaffi war jetzt einfach fällig.
Der saudische Januskopf, das saudische Königshaus ist auch irgendwann fällig.
Saudi Arabien ist weltweit der geistige Brandstifter des islamischen Terrorismus.
Nur 1-2 % der Muslime weltweit sind Wahabiten, jedoch 90 % der weltweiten Koranschulen unterrichten den Islam in diesem Stil, weil die Schulen von Saudi-Arabien bezahlt werden. Im Endeffekt sind es unsere Petrodollars, die den islamischen Fundamentalismus weltweit fördern. Es ist die gleiche Logik wie der weltweite Rauschgifthandel. Ohne den westlichen Konsum könnten verschiedene Regime nicht existieren. Eins davon ist das Regime in AFG. Wenn Rauschgift nicht verboten wäre und ich finde es richtig, dass es verboten ist, könnten die extremen Gewinnspannen mit Anbau, Handel und Verkauf nicht erzielt werden. Also im Endeffekt fördert das Verbot illegale Struktur (Narco-States). Bei der Aufhebung der amerikanischen Prohibition, war das Geschäftsmodell tot.
In der Realität haben verschiedene saudische Prinzen Al Kaida (mit-)finanziert um den eigenen saudischen König politisch unter Druck zu setzen. Degeneration pur !
Auf der anderen Seite hält Saudi Arabien als absolute arabische Führungsnation Iran im Schach, die zweite Mittelmacht in der Region. Hier gilt wieder die Regel der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Leider kann ich auch keine bessere Lösung anbieten, aber Kriege aus ethischen und moralischen Gründen zu führen ist meistens falsch. Besser ist es handfeste Interessen für einen Krieg zu haben. Wenn als Nebeneffekt die Welt dadurch ein bisschen besser wird, kann man es nur begrüßen.
Ulrich Ladurner in der „Zeit“ über die zynische und verlogene Menschenrechtsideologie des Westens:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-10/gadhafi-zynismus-westen
„Es ist deshalb Zeit, sich von der Menschenrechtsrhetorik zu befreien. Sie vernebelt nur die Zusammenhänge.“
Leider traut sich Ladurner nicht, Carl Schmitt zu zitieren: „Wer Menschheit sagt, will betrügen“. Aber ansonsten teile ich seine Position nach persönlichem Erlebnis „menschenrechtsorientierter“ Politik völlig.
Der Internationale Gaddafi-Preis für Menschenrechte war eine von 1989 bis 2010 jährlich vergebene Auszeichnung, gestiftet von und benannt nach dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi. Vergeben wurde der Preis nach Angaben der Organisation unter anderem an Leute, die sich dem friedlichen Kampf für die Freiheit von Menschen und Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hätten.
Weiß jemand, wer den Preis 2011 erhält? Oder wird die Preisvergabe nun eingestellt. Wäre doch schade, wenn das Vermächtnis eines großen Menschenfreundes zukünftig unerhört bleibt.
@Orontes
“Es ist deshalb Zeit, sich von der Menschenrechtsrhetorik zu befreien. Sie vernebelt nur die Zusammenhänge.”
Da sind wir doch mitten drin. Als wir, der Westen sich zumindest offiziell daran hielt hatten wir den Osten bezwungen. Als der weg war, suchten einige eine neue Legitimation für ihr Kriegshandwerk, Verteidigung war ja leider nicht genug. Das selbe Spiel hatten wir mit den Banken das Recht wurde gelockert und schon war die Gier ohne Grenzen. Wer meint Menschenrechte einzuhalten wäre kein Ziel nur weil sich manche nicht daran halten, der kann dies ja dann auch auf die Innenpolitik anwenden und die Gerichte schließen. Wozu TÜV, Polizei, Feuerwehr uvm wenn Unfälle unvermeidbar sind! Was ist denn das für eine Logig!?! Umkehrung der Ursachen! Auch die Feuerwehr tut vieles um Brände zu vermeiden und schafft es doch nicht zu 100%, dann bekämpft sie diese eben! Aber wer keine Regeln hat, braucht sich auch nicht daran halten.
Elhanan,
Ihre genannten Beispiele dienen doch zum Aufrechterhalten eines funktionierenden Gemeinwesens, eines Staates. Niemand, und ich denke ferner, es ist nicht Orontes Intention, wenn gleich Hardliner, hier Staaten aufzulösen und etwas dümmlich nach Anarchie zu rufen oder dieses ‚Staatswesen‘ zu verklären.
Definitionen – ganz gleich welcher Art – sind stets ein Ausdruck von Macht. Je mehr Variablen sich diese Definition zu eigen machen, desto mächtiger ist diese Defintion, ergo deren Erschaffer. Die Ausübung der Macht funktioniert aber nur dann, wenn alle diese Definition annerkennen und im Machtraum leben, sprich die Durchsetzung von Sanktionen oder ähnlichem führt zu einem Ergebnis.
Da Definitionen aber immer einem (früher Moral; heute Wertekanon, tendenziell Ethik) nicht rein rationalen Hintergrund unterliegen, können sie nicht – auf den lieben Planeten Erde – universell ausgelegt werden. So mag es zwar fantastisch klingen, dass sich alle Variablen an gleiche Regeln halten, doch ist dies der Unterschiedlichkeit der Variablen geschuldet nicht möglich.
Wir hingegen nutzen nun unsere Macht und die Macht der Definition (Menschenrechte), um eben jene durchzusetzen, teilweise entgegen der Ansicht anderer Akteure (Variablen). Das Problem dabei ist, dass wir uns argumentativ so hoch bewegen, dass das eigentliche Ziel teilweise nur mit großen Umwegen zu erreichen ist und viel dramatischer, dass ‚wir‘ ,um das Ziel zu erreichen, unsere eigene Definition ignorieren – und so das ganze System ‚Definition und ihre Machtausübung‘ beschädigen.
Es sollte ein Ergebnis, vlt aber eher Nebenwirkung, unseres Handelns sein, dass sich dich Situation verbessert – Menschenrechte – aber nur um derer zu handeln, ist schlicht verlogen, wneig zielführend und kriegstheoretisch ineffizient.
(Linkempfehlung habe ich bereits an anderer Stelle gegeben)
Das sich die Situation in Deutschland verbessert sehe ich nur tendenziell. Das Herr Ladurner die Erkenntnis gewonnen hat, ist für die ZEIT ein Gewinn, da einiges wirklich hart an der Grenze zum Erträglichen war – wenn nicht schon politische Aktivität.
Nicht jeder paktierte mit Gaddafi.
Angela Merkel hielt stets Distanz zu Gaddafi und vermied jedes Treffen mit ihm. Gerhard Schröder hatte Gaddafi nach Berlin eingeladen.Als Merkel dann Kanzlerin wurde, lehnte Merkel ein Kommen Gaddafis ab, obwohl Außenminister Steinmeier wohl immer noch dafür war.
http://www.welt.de/politik/ausland/article13582828/Warum-Gaddafi-nie-vor-dem-Kanzleramt-zelten-durfte.html
an alle die grün hinter den ohren sind ohne die nato damals keine freiheit für uns in deutschland
@torte
hä?
Und weil wir Freiheit haben heißt das daß wir alles, was unsere heiligen Freiheitsbringer tun kritiklos schlucken müssen?
Weil wir ja frei sind?
*facepalm*
PS. Es gibt auch Satzzeichen
@torte
Völlig richtig, die NATO damals! Im Moment macht sie Europa nicht wirklich sicherer. Auch ist die NATO keine Person und somit nicht verantwortlich für das was passiert! Die NATO ist ein Werkzeug von Politikern und dass kann man richtig oder falsch einsetzen. Bündnistreue ist wenn man einen Bundnispartner in der Not hilft (Artikel 5), wenn aber ein Bündnispartner einen Partner zum Beistand für eine Aktion die nicht Grundlage der Vereinbarung ist nötigt ist die höchst unanständig und genau das Gegenteil von Bündnistreue! Die BRD hätte wohl keinen Partner bei einem Angriff hängen lassen.
Ob dem tatsächlich so ist: Da wäre ich mir nicht so sicher.
Zum Glück sind die Szenarien für einen möglichen Bündnisfall zur Zeit ziemlich theoretisch.
Tatsächlich?
Mir fallen da ganz spontan Spanien vs. Marokko, Türkei über den Georgienkonfflik, im wesentlichen aber durch die Attacken der PKK aus dem Nordirak heraus ein. Dies ist eigentlich mit dem 11.09.01 gleichzusetzen. Nur dass die Türkei die Bündnistreue nicht eingefordert und keinen Kriegszustand erklärt hat. Türkei/Syrien/Israel ist auch noch eine Option. Der Balkankonflikt kann auch nochmal aufbrechen. Insbesondere dann, wenn Griechenland weiter in die Krise rutscht. Der Zerfall Belgiens ist weiterhin nicht abgewendet. Und unsere baltischen Freunde können vmtl. auch nicht jede Nacht ruhig schlafen.