Kosovo: Warten auf Verhandlungen
Die Lage im Kosovo bleibt zwar angespannt, zu den erwarteten Räumungen der Barrikaden im Norden des Kosovo – und den als Folge befürchteten Auseinandersetzungen – ist es am Dienstag aber nicht gekommen: KFOR willigte nach Berichten serbischer Medien ein, Beratungen der serbischen Gemeindevertreter im Nord-Kosovo am (morgigen) Mittwoch abzuwarten – und verzichtete auf die Durchsetzung des Rechts auf freie Durchfahrt zu den eigenen Stützpunkten:
B92: KFOR extends deadline, barricades still on roads
Tanjug: KFOR returns to base, deadline extended by one day
Update: Dazu habe ich jetzt auch die Pressemitteilung von KFOR:
On 18 Oct 2011, KFOR convoys attempted to supply the KFOR troops at the Jarinje and Brnjak gates by road, but were met with resistance by protestors manning the roadblocks in the north of Kosovo.
“I am disappointed with this outcome. The north did not comply with the request to remove the roadblocks; however, I am looking forward to the upcoming meeting in the north to create positive results. KFOR is ready and resolved to take action on behalf of freedom of movement if the municipality meeting on Wednesday does not have satisfactory results. Our focus is on enabling civilians to lead normal lives,” explained Major General Erhard Drews, COMKFOR.
Ob es zu einer Gesprächslösung kommt, ist derzeit ungewiss. Der serbische Staatssekretär Oliver Ivanovic hat dafür laut Tanjug klare Vorbedingungen genannt:
“An agreement should be reaćed to guarantee that KFOR will not transport Kosovo customs officers, allow armed units to come to north Kosovo, or asist EULEX to deploy the representatives of Kosovo institutions,” Ivanovic told journalists at a barricade on the bridge in Kosovska Mitrovica. He said that this issue will be discussed at the Wednesday meeting of representatives of the local self-governments and KFOR, which will be held after a joint session of the representatives of four north Kosovo municipalities. The agreement will have several phases, and it will start with good will to let through KFOR vehicles provided they do not carry customs officers and heavy machinery, as well as groups of armed people that Serbs see as enemies, Ivanovic said.
Das klingt recht harsch. Andererseits sind das Forderungen, die schon nicht mehr auf KFOR-Ebene verhandelbar sind – sondern EU und NATO mit einbeziehen müssen.
Achso, solche Worte sind also ‚good will‘. Wies gesagt, hört sich für mich so an als soll das provozieren, bzw. eine Eskalation ist gewünscht. Oder Verlust jeglicher realistischer Einschätzung.
@T.W.: Ivanovic fordert die Fortsetzung des Status Quo ante 25. Juli. Etwas anderes war nicht zu erwarten.
@step21
Sie haben ja gestern auch schon mal vermutet, dass Oliver Ivanovic oder andere Vertreter der Kosovo-Serben im Norden des UN WSCR 1244 Territoriums vielleicht provozieren oder eskalieren wollen, vermuten dabei auch Realitätsverlust.
Nun, ich teile Ihre Meinung, dass (auch) von dieser Seite immer mit Provokationen zu rechnen ist, man gelegentlich zur Eskalation bereit ist, dass auch ich immer mal Realitätsverlst vermutet habe.
Nur wurde die gegenwärtige Situation, die ja leider auch schon ein Menschenleben bei den Kosovo-Albanern gefordert hat und bei der im Zuge der Entwicklung bis heute andere Menschen verletzt wurden, jedoch nicht von der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit im Norden des Kosovo provoziert. Es begann damit, dass gerade zu einem Zeitpunkt als die Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina erste Früchte trugen, Herr Thaci einseitig und unabgesprochen vorpreschte mit der Entsendung seiner Uniformierten zu den Checkpoints im Norden. Gleichzeitig hat er dann nach Medienberichten angekündigt, dass kosovo-albanische Richter in einem nächsten Schritt auch die „Rechtsprechung“ über die Serben im Norden übernehmen sollten:
http://www.b92.net/eng/news/politics-article.php?yyyy=2011&mm=09&dd=29&nav_id=76613
Wenn man also in diesem Zusammenhang hier von Provokation und Willen zur Eskalation spricht, sind derzeit m.E. doch in erster Linie die in Pristina Herrschenden zu nennen, die mit ihrem UCK-Hintergrund und bei noch anhängiger Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen, organisierter Kriminalität und auch Organhandel wohl doch unter einem ernsten Verdacht stehen und in ihrem einseitigen Vorpreschen keine Unterstützung haben sollten.
Da kann ich es auch nicht als unrealistisch ansehen, wenn gefordert wird, dass die mit internationalen Ermittlungsverfahren überzogenen „Verantwortlichen“ (?) in Pristina ihre Uniformierten von den fraglichen Checkpoints zurückziehen, gleichzeitig während der Verhandlungen bis zu einer einvernehmlichen Regelung EULEX die Kontrollen überlassen werden – ggf. mit Unterstützung von KFOR.
Im Albanischen Fernsehen gibt es einen veralteten Beitrag vom 7. Oktober, bei dem General Drews in einer PK zu sehen ist. Leider wird seine Antwort direkt vom Sprecher des Beitrages übertönt und meine Fremdsprachenkenntnisse sind nicht so ausgeprägt.
http://www.youtube.com/watch?v=hQreolgWTM8
„KFOR gives another 24 hrs to northern Serbs (dailies)
All dailies report on the front pages that KFOR has decided to give another day to northern Serbs to remove their barricades. If they do not, KFOR said it will remove the barricades. This is after according to Express KFOR failed on Tuesday to remove the roadblocks in northern Kosovo. Its test failed. The two KFOR convoys were turned back by Serb hardliners. Epoka e Re reports on the front-page headline that KFOR is an army only on paper. According to the paper, “KFOR is failing to respect itself as a serious army, by giving criminals in the north another day to remove their roadblocks”. The paper also claims that the first weeks of Drews’ command have degraded the seriousness of KFOR. Under the headline KFOR’s surrender, Zëri reports that KFOR soldiers once again failed to unblock roads in the north. The paper further notes that only five Serbs stopped KFOR convoys. Kosova Sot reports on the front page that COMKFOR Erhard Drews is holding talks with all parties in order to peacefully solve the situation.
“In general, the citizens of the north failed the test, they didn’t pass the test and now we will curiously wait to see how the meeting in Zubin Potok tomorrow will go, where discussions will be held on this issue. And if there are no satisfactory results from the meetings there, then KFOR is prepared to find another solution. Allow me to strongly emphasize that we will give no additional deadlines for thinking,” COMKFOR General Drews is quoted as saying in Koha Ditore.“
(Quelle: UNMIK Media Monitoring v. 19.10.2011)
@Prediger
Vielen Dank!
Nachtrag: Ah, Webseite gefunden. Wusste nicht, dass das öffentlich zugänglich ist.
Das ist wirklich erschreckend. In den deutschen Medien findet man darüber nichts. Einfach nichts.
@josef
Schwierig für Journalisten die komplexen Zusammenhänge in den berühmten 1:30 min für die Nachrichten darzustellen, ohne dass es unzulässig verkürzt. Zumal ja erstmal die fest- und tiefsitzenden Vorurteile angeknabbert müssten, damit nicht wieder die leichfertigen Schuldzuweisungen in Stammtischmanier herausposaunt werden.
Und wer von unseren Politikern gleich welcher Coleur möchte schon erinnert werden, dass unser militärisches Engagement im Kosovo mit einer Lüge begann?
http://www.wdr.de/tv/diestory/sendungsbeitraege/2010/1116/2_luege.jsp
Herr Meyer-Bade,
haben Sie sich eigentlich schon mal mit den Publikationen Ihres früheren Arbeitgebers beschäftigt?
http://www.osce.org/odihr/17773?download=true
Ausführlich, lieber Herr Prediger. Es gab gute Gründe 1998/99 um einzuschreiten – auch militärisch. Das habe ich daher befürwortet, wegen meiner statements auch (verbal) Prügel bezogen. Das alles war so schlimm, ass man nicht noch Lügen dazu auftischen musste (wie vom angeblichen Racak-Massaker (Freunde von mir vom International Medical Corps- Los Angeles , Ärzte unter ihnen, waren damals vor Ort, als die missbrauchten Körper fast noch warm waren. Die konnten auf Grund ihrer Erfahrung in Konflikt und Kriegszonen sofort sehen, dass da ein Fake drapiert war.
Das Eingreifen selbst hätte ich mir jedoch (naiv) anders erhofft, mit tatsächlichem „disarmament und disbanding“ der UCK. Hat man selbstverständlich aus gutem Grund dann nicht getan. Das hätte einen weiteren Konflikt mit den „Freiheitskämpfern“ bedeutet mit viel Blutvergießen. Auch Blutvergießen von Unschuldigen, weil es ja eine der Spezielitäten der UCK war, Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde zu benutzen.
Dann wollte man auch kein UN-Protektorat, weil das zu teuer gewesen wäre – auch geeignetes Personal hätte die UN wohl kaum stellen können. Die einzige Strukture im ganzen „theatre“ hatte die UCK – man hatte dazu die Hoffnung (nach informellem Austausch im AA noch bis 2008!), dass man aus den Kriegshelden der UCK noch gute Demokraten und Menschenrechtsaktivisten machen könnte.
Nun ja, 2008 hat dann natürlich auch schon die Verdrängung eine Rolle gespielt, dass man im Kosovo we andernorts mal wieder auf´s falsche Pferd gesetzt und auf dem falschen Bein Hurra geschrien hatte.
Damit bin ich wieder zurück bei dem, was ich schon gesagt habe: Es ist natürlich einfacher an der Story von den good guys und den bad guys festzuhalten. Der Fraktion werden Sie mich hoffentlich nicht zurechnen wollen. Wegen meines Engagements bin ich von serbischen, kosovarischen und bosniakischen Nationalisten gleichermaßen mit dm Tode bedroht worden. Das macht mich nicht stolz, beruhigt aber hinsichtlich meiner Bemühungen, unzulässige Vereinfachungen und Schuldzuweisungen zu vermeiden.
http://www2.hs.fi/english/archive/news.asp?id=20030313IE2
Auch das International Medical Corps L.A. hat nie behauptet, die Opfer wären Kombattanten gewesen. Für die mit forensischer Medizin vertrauten Kolleginnen und Kollegen waren die Menschen Zivilistinnen, darunter Frauen und Kinder, die offenbar von anderen Plätzen dorthin verbracht worden waren und allem Augenschein nach (Zitat) „drapiert“ waren. Die Verletzungen wiesen nach den Aussagen meiner Kolleginnen und Kollegen daraufhin, dass sie sich die Verwundungen in einer Kampfsituation zugezogen hatten (als Beispiel: weil sie vielleicht zwischen die Fronten geraten waren – oder dorthin „plaziert“ wurden).
Na, da war ich gespannt, als ich dann später bei er OSZE in Prishtina/Pristina war und nochmal eine gemeinsame Untersuchungskommission nach Racak losgeschickt wurde. Die kam allerdings unverrichteter Dinge zurück: Sie war von kosovo-albanischen „Demonstranten“, die „sich spontan versammelten“, mit Waffengewalt (!) vertrieben worden. Die UNMIK-Polizei hatte tatenlos zugesehen…
@Herbert Meyer-Bade
„Es gab gute Gründe 1998/99 um einzuschreiten – auch militärisch.“
Wie hätte die serbische Seite denn Ihrer Meinung damit umgehen sollen, daß sie im Kosovo zuerst zur Minderheit gemacht wurde und dann endgültig verdrängt werden sollte? Ein Serbe fragte Bundeswehrsoldaten dazu einmal, wie Deutschland eines Tages wohl damit umgehen wird, wenn zur Mehrheit gewordene türkische Bevölkerung sich z.B. in Berlin vom Rest des Landes lossagen will, militante Gruppierungen bildet und den deutschen Staat angreift? Die Soldaten kamen angesichts der Frage ins Grübeln und konnten keine Antwort geben.
In Kampfsituationen verwundet, dann drapiert, und dazu noch gleich die passenden Geschoßspitzen in den Boden verbracht?
„According to the Ranta report, all of the bullets found by the Finnish investigators were found in the ground directly beneath the bodies. In an ordinary combat situation the bullets would have been more likely to penetrate the bodies, flying further away. The bullets found inside the bodies were taken by the Serb investigators.“
Und ergänzend: http://racak.homestead.com/files/ranta.htm
@prediger
ich kann nur wiedergeben, was ich von Leuten selbst erfahren habe, die zur fraglichen Zeit vor Ort waren. Dann, was geschehen ist, als man den Fall zur Zeit meiner Stationierung untersuchen wollte. Was man dann auffand, als die Ermittler doch kommen durften, muss ich der Beurteilung anderer überlassen – wie schließlich auch jeder glauben kann oder auch nicht, was ich wiedergebe. Wollen wir nun noch zur Schlacht auf dm Amselfeld zurück?
Benennen Sie doch lieber nun mal Ross und Reiter: Sollen die (ehemaligen) Kriegsherren in Prishtina/Pristina nun ihre Vorstellunegn von Recht und Ordnung ( http://www.nytimes.com/2011/10/07/world/europe/death-of-war-crimes-witness-casts-cloud-on-kosovo.html? ) auf das Nordkosovo ausdehnen gegen den Willen von über 90% der Bevölkerung dort? Nun lasse ich übrigens lieber mal wieder andere zu Wort kommen.
@BL
Sie werden bemerkt haben, dass mir die Meinungsbildung damals Kopfschmerzen bereitet hat, z.T. auch auf falschen Informationen beruhte, an der „andere“ ja ganz offensichtlich noch zu gern festhalten (im Forum Anwesende ausgenommen ;-)) )
Heute haben die Kopfschmerzen eigentlich noch zugenommen, wie Sie meinen statements vielleicht auch entnehmen konnten – besonders, jedoch nicht nur, was das Resultat der sogenannten „humanitären Intervention“ (OmG) betrifft: Weitgehende ethnische Säuberung „under the watchful eyes of the international community“… Vielleicht fragen Sie nochmal bei Herrn Prediger nach, der hat ja für alles eine Erklärung. Ich bin dann mal weg…
Herr Meyer-Bade, Racak haben nunmal Sie ins Spiel gebracht und nicht ich. Sehe daher keinerlei Veranlassung zu Betrachtung der Ereignisse von 1389.
Was Ihre Frage angeht, so geht sie am Thema vorbei. UNSCR 1244 hat der KFOR einen klaren Auftrag erteilt, zu dem u.a. Durchsetzung des freedom of movement gehört. An der Durchführung dieses Auftrages wird sie derzeit jedoch massiv gehindert. Und daran bedarf es Abhilfe. Wer nun mit wem zusammenleben möchte oder auch nicht, soll von der Politik geklärt werden.
@BL
Da mir Herr Meyer-Bade den Ball so „elegant“ zugespielt hat: Unterhalten Sie sich doch mal mit Angehörigen des 1. Kontingents, vielleicht können die Ihnen ja Ihre Frage beantworten. Und ich hoffe nicht, daß Sie Morde, Vergewaltigungen, Vertreibung etc. als angemessene Reaktion der serbischen Seite betrachten. Wegschauen hat ja bekanntlich bereits in Srebrenica hervorragend funktioniert…
@ all
Wollen wir bei der Gegenwart bleiben? Ich glaube, die Historie des Einsatzes mit den dazu gehörenden unterschiedlichen Ansichten ist hier jetzt so ausdiskutiert, dass wir an dieser Stelle nicht weiter kommen.