Nach dem Tod Rabbanis: Nur Verzweiflungstaten der Aufständischen in Afghanistan?
Den tödlichen Anschlag heute in Kabul auf den afghanischen Ex-Präsidenten Burhannudin Rabbani, inzwischen Vorsitzender des Hohen Friedensrates, zu bewerten maße ich mir nicht an.
Allerdings stellt sich auch für den Beobachter von außen die Frage: Bei aller militärischen Unterlegenheit der Taliban und anderer Aufständischen-Gruppen, bei allen berechtigten Hinweisen darauf, dass sie taktisch und operativ keine Erfolge erzielen – sind solche Anschläge, wie der von wenigen Tagen auf die US-Botschaft und das ISAF-Hauptquartier und die Serie der tödlichen Angriffe auf afghanische Führungspersonen wirklich nur als Verzweiflungstaten der Aufständischen zu werten?
Dieses Erklärungsmuster von ISAF und westlichen Staaten scheint mir zunehmend dünn. Denn auf die Wahrnehmung im Land selbst haben diese Attacken eine verheerende Wirkung.
(Und noch eine andere Frage, die auch die deutsche Politik beantworten muss: hat der Tod Rabbanis Auswirkungen auf die Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember auf dem Petersberg bei Bonn? Und wenn ja, welche?)
Dass es sich um „Verzweiflungstaten“ handele, ist eine propagandistische Umdeutung der Tatsache, dass sie sich militärisch nicht durchsetzen können. Sie tun eben, was sie können, was aber möglicherweise vollkommen ausreicht. Beim Anschlag auf Rabbani ist jedoch höchst unklar, wer für diesen eigentlich verantwortlich ist. Da sind sehr verschiedene Hintergründe denkbar.
sind solche Anschläge, wie der von wenigen Tagen auf die US-Botschaft und das ISAF-Hauptquartier und die Serie der tödlichen Angriffe auf afghanische Führungspersonen wirklich nur als Verzweiflungstaten der Aufständischen zu werten
Natürlich nicht. Das ist reine Durchhaltepropaganda für Dumme.
Anthony Cordesman hat die derzeitige ISAF Informationsveranstaltung bereits mit den berüchtigten 5 o’clock Tea Follies in Vietnam verglichen. Hier ein alter Time Bericht darüber.
Die Taliban scheinen sich inzwischen zu dem Anschlag bekannt zu haben. Die Frage ist ob der Anschlag der Friedenskommisson galt deren Vorsitzender Rabbani war oder ob es mehr um seine Person ging. Ich tippe auf letzteres.
Zustimmung. Alles immer den Talibs in die Schuhe zu schieben, macht die Sache auch einfacher. Die Motive der Leute da sind vielfältig.
Naja, die Situation wird – um es mal euphemistisch zu umschreiben – noch bunter. Zumal wir eben nicht nur die schoene Dichotomie Regierung vs Taliban haben. Dieses Jahr war kein sehr gutes fuer (tadschikisches) Jamiat-Fuehrungspersonal. Sayyedkheil, Khan Mohammad, Shah Jahan, Daoud und jetzt der alte Mann hoechstpersoenlich…
Ich vermute mal, dass in einem gut gesicherten Gouverneurspalast im Westen von Mazar-e Sharif grade eine gewisse Persoenlichkeit der Zeitgeschichte sich zitternd unter ihrem Bett verkriecht. Rabbanis glorreicher Maertyrertod entspannt auch nicht grade die Konflikte in Baghlan und Kunduz und Takhar, wo (tadschikische) Jamiat-Anhaenger sich neu bewaffneten paschtunischen Jamiat-Gegnern gegenuebersehen (die wiederum aus Kabul und fallweise direkt/indirekt vom Westen unterstuetzt werden). Und wenn wir dann noch feststellen, dass die Jamiatis im Norden nur noch verdammt wenige Jonbesh-Leute uebriggelassen haben, die irgendwas zu sagen haben und sich zeitgleich (ein Schelm, wer Boeses dabei denkt) in den usbekischen/ turkmenischen Siedlungsgebieten mittlerweile eine z.T. erfolgreichere Aufstandsbewegung etabliert ist als in den alten paschtunischen Hochburgen gleich nebenan, koennen wir so langsam ganz entspannt und gelassen dem Buergerkrieg ab 2014 entgegensehen. За здоровье!
@ turan saheb
„…koennen wir so langsam ganz entspannt und gelassen dem Buergerkrieg ab 2014 entgegensehen“
Dann war doch die erbetene ISAF Intervention wenig erfolgreich. Oder sehe ich das falsch. Sofern nach der erbetenen Intervention die Situation ähnlich der ist wie zuvor, dann hätte man es auch lassen können. Oder?
Klar hätte man es lassen können ;-)
Mit zu wenig zu viel erreichen zu wollen hat noch nie funktioniert :-(
@J.König – die erbetene ISAF Intervention
Wer hat denn bitte die wann erbeten?
@ b
Ein grüner Weltverbesserer hat auf dem Petersberberg 2001 große Politik gemacht mit gleichzeitiger Desinformation der deutschen Öffentlichkeit über den wahren Charakter des ISAF-Einsatzes.
Im Jahre 2008 hat man in Deutschland noch öffentlich diskutiert über den „guten“ Wiederaufbaueinsatz ISAF und den „bösen“ Kampfeinsatz OEF, der hauptsächlich von den angelsächsischen Ländern der NATO geführt wurde. Dabei wurde die moralische Überlegenheit des deutschen Einsatzes gegenüber den Amerikanern mit ihren endlosen Bombeneinsätzen betont. Dabei haben die Deutschen z.B. bei ihrer selbstgewählten originären Aufgabe, der Polizeiausbildung auf ganzer Linie versagt !
Grünes Gutmenschentum – für den Einsatz von Streitkräften nicht zu gebrauchen !
@ b
Danke für den alten Bericht.
@ turan saheb:
„Taschakor“ für ihre – einmal mehr – profunde Analyse.
Zu Verzweiflungstat und taktischer Überlegenheit darf ich nur an ein Randgespräch bei den amerikanisch-vietnamesischen Friedensverhandlungen 1975 erinnern:
Oberst Summers: „We have won every battle“
Vietnamesischer General: „This is true, but it is also irrelevant.“
Genau diese elementare Erkenntnis hat unsere Generalität auch mehr als 35 Jahre später nicht verstanden. Das „Targeting“ von HVT ist eben auch für die Gegenseite keine Nebensache.
@ b
Ich bin zar kein großer Fan dieser Seite: http://de.wikipedia.org/wiki/ISAF
aber sie könnte Ihre Frage beantworten, wer was erbeten hat.
Da muss ich jetzt mal den ganzen Lageverstehern widersprechen. Nach Pressemeldungen (u.a. http://www.faz.net/artikel/C31325/ehemaliger-afghanischer-praesident-getoetet-taliban-bekennen-sich-zu-anschlag-auf-rabbani-30690172.html) wurde Rabbani durch einen „Gast“ getötet, der den Sprengsatz in seinem Turban versteckte.
Dieses ist – zweifelsfrei – ein schwerer Verstoß gegen den „Pashtunwali“, den Ehrenkodex der Pashtunen, welcher im Allgemeinen in ganz Aghanistan geachtet wird.
Somit ist dieser Anschlag aus afghanischer Sicht – unabhängig von der Einstellung zu den Talibs – nicht akzeptabel. Dieses ist auch den Hintermännern wohlbekannt.
Daraus lässt sich nach meiner Meinung sehr wohl ableiten, dass eine gewisse Verzweiflung vorhanden ist.
@Jeffe
„Dieses ist – zweifelsfrei – ein schwerer Verstoß gegen den “Pashtunwali”, den Ehrenkodex der Pashtunen, welcher im Allgemeinen in ganz Aghanistan geachtet wird. Somit ist dieser Anschlag aus afghanischer Sicht – unabhängig von der Einstellung zu den Talibs – nicht akzeptabel. Dieses ist auch den Hintermännern wohlbekannt. Daraus lässt sich nach meiner Meinung sehr wohl ableiten, dass eine gewisse Verzweiflung vorhanden ist.“
Es gibt auch Paschtunenführer, die Angriffe auf ISAF als Verstoß gegen den Paschtunwali dargestellt haben, weil ISAF ja mit Zustimmung der Regierung im Land sei und somit Gaststatus habe. Geholfen hat es nicht. Auch Afghanen sind nur Menschen und nicht automatisch auf solche Regeln festgelegt.
„Verzweiflung“ würde ich aus der Aktion zudem nicht schlussfolgern. Die Tatsache, dass man den Unterhändler tötet, unterstreicht m.E. eher, dass man sich sehr stark fühlt und meint, auch ohne Verhandlungen zum Ziel zu kommen. Gestern wurden jene Stimmen in Deutschland endgültig widerlegt, die behaupten, dass Verhandlungen mit den Aufständischen ein aussichtsreicher Weg zur Lösung der Situation sind.
Herrlich „Talibs“. Muhahahaha
Was sollen dass denn bitte schön sein? Geschwister der Teletubbies??
@Berufssoldat
„Muhahahaha“
Auf Ihre Argumentation möchte ich jetzt nicht näher eingehen, aber ich finde auf jeden Fall, dass Ihre Beiträge stets nicht zu unterschätzende Wirkung auf das Niveau jeder Diskussion haben, an der Sie sich beteiligen.
@ Berufssoldat
engl. Plural von talib. Ich bevoruge Kufnuke, Esel****. Ist aber egal, wie sie heißen. Stinken alle und sehen s***** aus, viele sind zu blöd zu allem, haben wirre Regeln im Kopf, machen die abartigsten Dinge mit sich und ihren anderen Kufnuken.
Trotz aller Ekel, allem Wissen über die Minderwertigkeit dieser Volksgruppen lernt man manchmal viel zuschnell sie zu mögen zu achten, sie haben verdammt niedliche Kinder, die nie zu frieren scheinen.
Zum Anschlag zurück. Auch dort wird einer gesagt haben, dass die Aktion alternativlos sei, der Zeck heiligt die Mittel. Und Pashtunwali gilt nicht für alle.
@Roman
„Auch dort wird einer gesagt haben … der Z[w]eck heiligt die Mittel.“
Hätte der Gegner damit nicht recht gehabt? Warum sollte die andere Seite uns den Gefallen tun, sich zu unserem Nutzen zurückzuhalten? Und warum tun wir umgekehrt denen ständig diesen Gefallen? Was hat der Verlierer davon, wenn er sich als moralischer Sieger fühlen kann, bzw. warum leisten wir uns weiterhin ein Niederlagen förderndes Moralsystem? Beim nächsten Mal haben wir vielleicht nicht das Glück, dass es eigentlich um nichts geht. Für die andere Seite geht es in Afghanistan aber um alles, und sie macht uns laufend vor, dass es in solches Situationen der Zweck tatsächlich die Mittel heiligt.
Da hast du völlig Recht. Die Taliban betreiben ernsthaft und intensiv einen Bürgerkrieg, der vmtl. schmutzigsten Form eines Krieges. Und doch profitieren sie davon, das gewisse Regeln eingehalten werden, wie archaisch sie manchmal aus sein mögen. Das in Wagschale zu werfen, obwohl man den alten Mann vmtl. auch anders hätte erwischen können, also da fehlt mir etwas das Verständnis dafür. Aber sicherlich verfügt auch die Gegenseite Personen, die nicht nur Schwarz-Weiß denken, sondern auch grau „können“ und sie werden viele Radikale in ihren Reihen haben, die kaum Grenzen kennen.
@Roman | 21. September 2011 – 12:21: Nicht wirklich ihr Ernst, oder?
@ Roman
Vielen Dank für die Erläuterung ;)
Hallo,
um mich mal als Orakel zu betätigen und Binsen zu verteilen… Die Taliban sind und waren noch nie eine geschlossene Gruppierung, insofern können Sie sich zwar zum Anschlag bekannt haben, richtig direkt diesen in Auftrag gegeben bzw. durchgeführt ???
Welche TB Gruppe (Shura- Quetta, Peshawar..) hat sich zum Anschlag bekannt ?
Wer könnte am meisten davon betroffen sein wenn sich Teile der TB mit dem System Karzai irgendwie arrangieren ? Elemente des Nachbardienstes vielleicht – ein unruhiges AFG als strategische Tiefe für Pakistan ?
Neben Rabbani wurden auch noch weitere „Friedens-/Versöhnungsarbeiter“ getötet, Takim-e-Solh Programm, ist der Schaden vielleicht noch größer ? Ist die zarte Verhandlungsinitiative jetzt dahin?
Einer der letzten Jamiat Symbolfiguren ist weg, weitere Destabilisierung des Nordens, wer hat da wohl das meiste Interesse…
@Roman
Manchmal ist Ihre Ironie schwer nachvollziehbar.
Auch wenn die ständigen Wiederholung langweilig empfunden werden dürfte: Alle an den Bücherschrank und mal wieder den Clausewitz abstauben. Die Einleitung reicht völlig aus um zu erkennen, warum ISAF und die übrige westliche Strategie geradezu scheitern müssen. Speziell der Absatz 3 erklärt es:
3. Äußerste Anwendung der Gewalt
Nun könnten menschenfreundliche Seelen sich leicht denken, es gebe ein künstliches Entwaffnen oder Niederwerfen des Gegners, ohne zuviel Wunden zu verursachen, und das sei die wahre Tendenz der Kriegskunst. Wie gut sich das auch ausnimmt, so muß man doch diesen Irrtum zerstören, denn in so gefährlichen Dingen, wie der Krieg eins ist, sind die Irrtümer, welche aus der Gutmütigkeit entstehen, gerade die schlimmsten…
Was der alte Herr immer wieder sagen will ist, daß, wenn man sich einmal zum Krieg entschlossen hat, man ihn mit allen Mitteln und Kräften und mit der äußersten Anstrengung zu führen hat. Mein Umkehrschluß daraus ist, daß man es andernfalls besser ganz lassen sollte. Diese Vorstellungen von C. passen nur schwer in unser heutiges westliches Bild, in anderen Weltgegenden beherzigt man seine Worte doch sehr, auch ganz ohne ihn je gelesen zu haben. Wie anders soll man denn den Einsatz von Selbstmordattentätern verstehen.
Vielleicht gibt es eine Ausgabe von Clausewitz auf Paschdu und wir fragen uns, was lernen denn eigentlich die Kinder in den Schulen auswendig, wenn die Kamera zuguckt. Versteht von uns ja keiner…
Reuters hatte gemeldet das die Taliban sich zu dem Anschlag bekannt haben, aber die Taliban bestreiten das vehement:
Via Kabulpress:
Dann war es wohl jemand anderes. Feinde hatte Rabbani ja genug …
zum Thema Pashtunwali – oh mein Gott, bitte keine sozialromantischen Vorstellungen von einem fixen Regelwerk, an dass sich aus irgendwelchen exotischen Gruenden alle Afghanen aller ethnischen Gruppen einfach mal so halten. Die Wirklichkeit ist viel komplexer als ein amerikanischer Kriegsfilm aus dem Jahr 1988 suggeriert („nanawatai“ sagen und alles wird gut, weil die Afghanen sind halt so). Oder um mal einen zeitgenoessischen Walt-Disney-„Dokumentarfilm“ zum Thema Piraten in der Karibik zu zitieren, „the code is more what you’d call guidelines than actual rules.“ Beim Pashtunwali geht es um ne Menge, aber nicht darum wann und wo man seinen Feind toetet. Wer sich etwas wissenschaftlicher damit beschaeftigen will, dem empfehle ich
dieses schoene Buch: http://easterncampaign.files.wordpress.com/2009/06/heroesbook.pdf, S. 33 – 43 (eine ziemlich schockierende Anekdote fuer alle, die paschtunischen Lebensstil fuer romantisch halten) sowie die ethnologischen Erklaerungen dazu.
Nee, hier regt sich mit Sicherheit niemand darueber auf, dass Rabbani auf eine List reingefallen ist, weder dessen Anhaenger noch seine Feinde (es gab so einige Jubelfeiern in Gegenden, in denen ich das auch gut nachvollziehen kann) und auch nicht die grosse Mehrheit, die einfach nur besorgt ist, was jetzt kommt. Dafuer hat man in diesem Krieg auch schon zuviel gesehen, da war der Turbantrick fast noch erfrischend originell (abgesehen davon dass es diese Jahr schon das dritte Mal war).
Der Angriff ist mE nicht per se ein Zeichen von Schwaeche und auch nicht von Staerke, sondern man hat es halt mit einem mitdenkenden und strategisch wie taktisch flexiblen Gegner zu tun. Muessen sie auch, sie haben ja keine predator-Drohnen und hellfire-Raketen. Gruende, den alten Mann der Jamiat zu toeten, gab es genug, darum wuerde ich auch nicht wie Orontes einen Verhandlungsunwillen sehen; es gibt auf der Gegenseite durchaus einige, die sehr flexibel sind was die Zielerreichung angeht. Verhandlungen auf der Basis „NATO raus aus Afghanistan“ – und das wollen wir ja mittlerweile ja auch und alles andere ist uns eigentlich egal – koennen die sich durchaus vorstellen. Auch wenn weitermnachen wie bisher bis 2014 auch einige reizvolle Aspekte mit sich bringt (Verhandlungen mit jemandem, den man gestern noch verteufelt hat kommt bei der Basis schlecht an und erschwert die kontinuierliche Mobilisierung nach den Verhandlungen). Spannenderweise sind es dann grade viele eingefleischt Jamiatis wie eben Atta, die sich Verhandlungen mit aller Wucht entgegenstellen.
Fuer mich ist das ein taktischer Erfolg der Gegenseite, die Tag fuer Tag ohnehin beweist, dass sie handlungsfaehig ist, auch wenn wir Tag fuer Tag beweisen, dass wir ihnen ordentlich weh tun koennen.
@turan saheb
„…darum wuerde ich auch nicht wie Orontes einen Verhandlungsunwillen sehen; es gibt auf der Gegenseite durchaus einige, die sehr flexibel sind was die Zielerreichung angeht…“
Gibt es denn Anzeichen dafür, dass die höchsten Führungsebenen reale Verhandlungen wollen? Dass nachgeordnete Führer die Seiten wechseln ist ja bekannt, aber ich hatte den Eindruck, dass die öffentlichen Äußerungen der höchsten Ebenen zum Thema Verhandlungen stets das mögliche Ergebnis von Verhandlungen (u.a. Abzug von ISAF) zur Voraussetzung für Gespräche machten. Auch stellten sich alle Meldungen über angebliche Verhandlungen mit den höchsten Ebenen meines Wissens als unzutreffend heraus.
Diese Beschwerden das ISAF sich in seinen Methoden zurückhalte und nicht ernsthaft oder brutal genug kämpft sind unsinnig.
Angefangen hat der Einsatz mit massiven Bombardements durch Wellen von B-52. Von der Nordallianz wurden dann Tausende von angeblichen Talib-Kämpfern in Gefangenschaft umgebracht (wir bezahlen noch heute Herrn Dostum der u.a. dafür verantwortlich war.)
Die auch tötlichen Verhörmethoden der Amerikaner in Bagram sind ja inzwischen bekannt. Das die Marines im Süden ganze Dörfer mit MLRS plattmachen wissen wir aucht. 40 Nightraids pro Tag die i.d.R. Unschuldige treffen sind auch nicht gerade „Fair Play“ und Droheneinsätzen einfach auf Basis von „Verhaltensmustern“ der Opfer sind auch keine humane Kriegsführung.
Wer sich dann beschwert das die Talib, aus Mangel anderer Möglichkeiten, Menschen als Einsatzmittel zur Verbringung von Sprengladungen verwenden macht sich angesichts der Brutalität mancher ISAF Methoden lächerlich.
In einem Guerillakrieg rücksichtslosen Vorgehen zu verlangen ist Unsinn da dann die Methoden dem politischen Kriegszweck entgegenstehen. Ziel im Guerillakrieg ist die Bekämpfung der Guerilla, nicht das Auslöschen der Bevölkerung.
Die Schwierigkeit ist die Guerrilla von der Bevölkerung zu unterscheiden. Das, und nicht mangelnder Brutalität, ist das anscheinend nicht lösbare Problem.
@b: Man muß eben wissen, was man will. Und zwar vorher. Aber gut, über verschüttete Milch soll man sich nicht aufregen.
Der vollständige Einsatz aller Mittel und dann auch mit der allergrößten Anstrengung im Sinne Clausewitz‘ bedeutete dann eben nicht, alles aus der Luft flachzulegen und den Rest on Ground mit 10000 Mann erledigen zu wollen. Das reicht eben nicht. Wenn man ein Land im Griff haben will, muß man es besetzen und das so, daß es keine Freiräume mehr gibt. Vielleicht kommt die Besetzung Deutschlands im Verlauf des 2. WK dem noch am nächsten. Da hat anschließend kein Werwolf mehr mit dem Schwanz gewedelt. Aber das Beispiel zeigt auch, daß die große Lösung keine Angelegenheit von 10 Jahren ist, sondern daß man zwei Generationen dazu braucht. Und damit sind wir zurück am Anfang: Was will man denn erreichen und was ist das Erreichen dieses Zieles wert?
Übrigens – ich beschwere mich nicht über mangelnde Brutalität sondern darüber, daß es von allem zu wenig ist: Personal, Waffen, Munition und vor allem an einer Vorstellung über das Ziel und den Weg dorthin.
Vielleicht wird ja auch so ein Schuh draus: Die anfängliche große Anstrengung und auch der Einsatz von viel Technik hat auch viel bewirkt. Die Taliban waren beinahe auf Null, zumindest waren sie über längere Zeit nicht in der Lage, den Kopf aus der Deckung zu heben.
Der Erfolg der ersten Zeit wurde aber dann durch zu frühes Nachlassen und Reduzieren der Kräfte riskiert, bzw. bis hin zum inzwischen immerhin möglichen kompletten Mißerfolg entwertet.
Wirklich schlimm sind an der Entwicklung folgende Dinge: Sie kostet auf allen Seiten Leben und Lebenschancen, außerdem soviel Geld, daß man das ganze Land damit hätte vergolden können (und unsere H4- Empfänger dazu). Und es kostet den Westen jeden Respekt und die Glaubwürdigkeit. Ohne den Glauben an die Bereitschaft des Gegners zum vollen Einsatz funktioniert keine Abschreckung. Das hat auf anderem Niveau der NATO- Nachrüstungsdoppelbeschluß (frühe 80er Jahre) eindrucksvoll bewiesen.
@b
„Diese Beschwerden das ISAF sich in seinen Methoden zurückhalte und nicht ernsthaft oder brutal genug kämpft sind unsinnig. Angefangen hat der Einsatz mit massiven Bombardements durch Wellen von B-52. Von der Nordallianz wurden dann Tausende von angeblichen Talib-Kämpfern in Gefangenschaft umgebracht (wir bezahlen noch heute Herrn Dostum der u.a. dafür verantwortlich war.)“
In der von Ihnen beschriebenen „rücksichtslosen“ Phase des Einsatzes fanden dessen größte Erfolge statt, in denen u.a. Dostum mit westlicher Rückendeckung im Raum Kunduz günstige strukturelle Bedingungen schuf die jahrelang nachwirkten, und in der auch die höchsten Führungsebenenen der Taliban offenbar mangels Alternativen vorübergehend verhandlungsbereit wurden.
„…angesichts der Brutalität mancher ISAF Methoden“
Wenn ISAF „brutal“ ist: Wie beschreiben Sie dann das Handeln des Russen in den 80ern oder das, was in 90% aller anderen bewaffneten Konflikte geschieht?
„Ziel im Guerillakrieg ist die Bekämpfung der Guerilla, nicht das Auslöschen der Bevölkerung. “
Das „Auslöschen“ hat ja wohl auch niemand hier gefordert! Ziel im Übrigen auch aktuell nicht die Vernichtung des Feindes, sondern die Kontrolle der Bevölkerung und der Aufbau eines Staates. Die Politik hat diesen Auftrag erteilt, ohne die dazu erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen bzw. die erforderlichen Maßnahmen freizugeben. Rein persönlich meine ich, dass der ganze Einsatz mangels deutscher Interessen in Afghanistan überflüssig ist, aber wenn man schon die ambitionierten Ziele u.a. der Bundesregierung teilt, dann muss man sich darüber klar werden, dass diese nur erreicht werden können, wenn man das eigene Handeln primär an den Erfordernissen dieses Auftrags ausrichtet und nicht an sekundären rechtlichen, christlich-ethischen oder innenpolitischen Faktoren.
Wie kann man überhaupt noch in dieser Angelegenheit Agenturen wie „Reuters“ überhaupt noch glauben und an Orontes: ISAF und jeder Krieg ist Brutal und verstößt nun mal gegen jedes Menschenrecht. Naja, wie gut doch dass die NATO heute das Libyen-Mandat verlängert hat. Schön weiter bomben NATO, damit die Flugverbotszone eingehalten wird ( Wer fliegt eigentlich noch von der alten Regierung?)
Die NATO kotz mich an.
Ich schäme mich als Deutscher Soldat für all diese Kriege sehr!!
Eine Verzweiflungstat war es eventuell.
Eine Ausweichhandlung aber mit absoluter Sicherheit. Gäbe es noch etwas auf dem Schlachtfeld zu gewinnen würde man auf dem Schlachtfeld kämpfen und nicht die eigenen Leute durch blutige Attentate diskreditieren und stattdessen großzügig Bedingungen stellen.
Ich möchte hierbei auf Erfahrungen mit diversen Bürgerkriegen verweisen:
Erst kämpfen Armeen gegeneinander bis einer die Oberhand gewinnt.
Dann kämpfen Aufständische gegen eine Armee bis die Armee die Oberhand gewinnt.
Dann kämpfen Terroristen gegen Sicherheitskräfte bis die Sicherheitskräfte die Oberhand gewinnen.
Dann kämpfen organisierte Verbrecher gegen zivile Vertreter bis diese die Oberhand gewinnen.
Danach halten sich stille Mafiosi als Volk getarnt mit geheimen Verbrechen über Wasser.
Danach ist der Bürgerkrieg entschieden. Eine der Parteien hat sämtlichen politischen Einfluß verlohren.
Crass Spektakel | 22. September 2011 – 19:17: „Gäbe es noch etwas auf dem Schlachtfeld zu gewinnen würde man auf dem Schlachtfeld kämpfen und nicht die eigenen Leute durch blutige Attentate diskreditieren und stattdessen großzügig Bedingungen stellen.“
Wozu kämpfen, wenn der Gegner sich selbst besiegt?
Abgesehen davon geht Ihre Interpretation ja mal sehr an der Realität vorbei.
Spektakulaer an der Sache ist ueberhaupt nur, dass es geklappt hat, nicht dass Rabbani angegriffen wurde (in erster Linie als Expraesident und Fuehrer der Jamiat, der durch sein Handeln wesentlich den Buergerkrieg ab 1992 verschuldet hat. Dass er auch von Karzai fuer diverse Friedensaktivitaeten eingespannt wurde, ist noch der geringste Teil seiner Vita).
Wobei ich es schon spannend finde, dass Quetta sagt, dass sie es nicht waren – durchaus glaubwuerdig, denn wenn sie es gewesen waeren, haetten sie es ruhig sagen koennen. Hier werden jeden Monat Dutzende Afghanen getoetet, die ausserhalb ihrer Doerfer oder vielleicht mal ihres Distrikts voellig unbekannt sind. Aber das sind die Leute, deren Tod dafuer sorgt, dass die Emirats-kritischen Stimmen verstummen und die Leute ihre Steuern entrichten (manchmal hat es auch den umgekehrten Effekt und Anti-Taliban-Milizen bewaffnen sich). Das nehmen die Talibs auch auf sich – alte Maenner, zum Teil unbewaffnet (und nicht wie bei Rabbani hermetisch abgeriegelt und von Leibwaechtern beschuetzt). Und mal ganz ehrlich – wir machen es ja auch, und versuchen durch unser targeting die Dynamik im Lande zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Da wuerde ich mir nur ein erhebliches bisschen mehr an Informationen ueber die Lage, Dynamiken und Zusammenhaenge im Lande wuenschen, leider sind die Talibs da doch erheblich besser aufgestellt, moeglicherweise weil sie einfach in der Flaeche praesent sind. Dafuer verbringen sie weniger Zeit fuer Powerpoint-Praesentationen, da haben wir einduetig die Nase vorn. Mal gucken was diesen Krieg entscheiden wird.
Zum Thema Friedensverhanldungen, mittlerweile haben wir ja als Verhandlungsgrundlage „2014 raus sein aus Afghanistan“ und die Talibs haben „die NATO muss raus aus Afghanistan“. Das passt doch gut zusammen…?