Erneuter Schießunfall in Afghanistan – wieder mit der P8
Anderswo hab ich schon mal den Spruch erwähnt: Dreimal ist ein Trend. Deswegen stellt sich langsam die Frage: Was ist mit der Pistole P8, der Dienstwaffe der Bundeswehr in Afghanistan?
Am 15. September hat sich um 11.57 Uhr Ortszeit (09.27 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit) ein deutscher Soldat im Observation Point North (Distrikt Baghlan–e Jadid) während der Schießausbildung unbeabsichtigt mit seiner Pistole P 8 in den Fuß geschossen.
Am 23. August gab es einen weit schwer wiegenderen Zwischenfall mit dieser Waffe:
Am 23. August um 18.20 Uhr mitteleuropäischer Zeit (20.50 Uhr Ortszeit) wurde innerhalb des Camp Marmal in Masar-i Scharif ein deutscher Soldat durch eine Schussabgabe am Kopf schwer verletzt.
(…)
Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen ist Folgendes festzuhalten: Ein Soldat führte eine Sicherheitsüberprüfung an seiner persönlichen Waffe (Pistole P8) durch. Dabei löste sich ungewollt ein Schuss und verletzte seinen Kameraden.
Archivbild mit P8: Gulf of Oman (May 5, 2004) – A Boarding Team member assigned to the German Frigate FGS Augsburg (F213) provides security for the remainder of his team as they board a local cargo dhow. U.S. Navy photo by Photographer’s Mate 1st Class Bart Bauer via WikiMedia Commons
Und im Dezember vergangenen Jahres starb ein Soldat im OP North, wiederum war eine P8 die fragliche Waffe, wie die Thüringer Allgemeine unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft Gera berichtet:
Am Abend des 17. Dezember soll sich der damals 21-jährige Hauptgefreite zunächst in seinem Unterkunftszelt aufgehalten haben, wobei er beabsichtigt habe, in das benachbarte Internet-Zelt aufzubrechen. Beim Verlassen der Unterkunft muss laut Bundeswehr-Befehl die Dienstpistole immer teilgeladen mitgeführt werden. Der Angeklagte habe deshalb seine ungeladene Dienstwaffe, eine Pistole Heckler & Koch P8, an sich genommen. (…) Nachdem der Hauptgefreite wiederholt eine Funktionsprüfung der Waffe durchgeführt hatte, führte er vermutlich auch das Magazin in die Pistole ein. Kurze Zeit später betrat ein anderer Soldat das Zelt – und beide Männer fingen laut Anklageschrift an, mit ihren Waffen herumzuspielen. (…) Der Thüringer soll seine Waffe dann auf den Kopf des Geschädigten gerichtet und den Abzug betätigt haben. Wobei er davon ausgegangen sein soll, dass die Waffe nur teilgeladen, ist, so die Anklage weiter. (…) Laut Staatsanwaltschaft sagte der Thüringer Schütze zunächst gegenüber Feldjägern aus, dass das Magazin seiner P8 klemmte, als er es in die Pistole einführen wollte. Daraufhin wollte er es hineingeschlagen – und dabei löste sich der tödliche Schuss. Ein Gutachten des Thüringer Landeskriminalamtes ergab jedoch, dass mit der Waffe alles in Ordnung war. Eine Fehlfunktion konnten die Ermittler nach ihren Untersuchungen ausschließen.
Nun bin ich weit davon entfernt, mich mit der Handhabung einer P8 auszukennen. Doch diese Reihe von drei Zwischenfällen (nebenbei: Meldungen über Unfälle mit anderen Waffen habe ich in der Häufung bisher nicht gesehen) führt zu der Frage: Ist diese Pistole unsicher – oder ist die Ausbildung an dieser Waffe nicht ausreichend?
(Foto: yetdark via flickr mit freundlicher Genehmigung des Urhebers)
@ Rado
Oder lieber das Mädchen aus dem San-Bereich °_°
Ne, im Ernst. Manche kommen mit der P8 einfach nicht klar. Besonders Frauen oder Männer mit kleinen Händen haben Probleme mit dem Griffstück und dem m.M.n. viel zu hohen Abzugsgewicht. Was aber nie zu Schießunfällen sondern eher zum Nichtschießen bzw. zum Treffen geführt hat. Ansonsten, bevor sich hier weiter über Übung etc. abgelästert wird, stelle ich mal eine freche Behauptung auf: Jeder Rekrut und jeder Landser/Dienstgrad wird kaum einen Schießunfall haben, wenn seine Ausbildung in der AGA gut gelaufen ist UND er sich im Dienst befindet. Damit will ich sagen, dass die meisten Schießunfälle solcher Art weder an der Kiste, Im Feld, beim Drill oder auf der Schießbahn sondern im Container, Zelt, Pritsche etc stattfinden. Nicht die Ausbildung (sofern sie ein gutes Mindestmaß hat, was aber eigentlich alle richtige Soldaten haben) sondern Zeitpunkt und Ort sind entscheidend. Wer abends übermüdet nach dem Duschen im Container seine Waffe überprüft macht eher was falsch als der Trupp bei der Vorbereitung zum Gefecht.
Das alte Stabsoffiziere, Uralt-Feldwebel oder Resis mit der P8 nicht können und vmtl. nur Zufallstreffer landen werden bedeutet nicht, das sie im Umkehrschluss ein wandelndes Sicherheitsrisiko darstellen.
@Roman
„..Das alte Stabsoffiziere, Uralt-Feldwebel oder Resis mit der P8 nicht können und vmtl. nur Zufallstreffer landen werden bedeutet nicht, das sie im Umkehrschluss ein wandelndes Sicherheitsrisiko darstellen.“
Vorsicht, nicht nur manch einer von denen wird aufgrund seiner (guten „alten“ konventionellen) Ausbiildung nach einer Einweisung weniger ein Sicherheitsrisiko darstellen als Sie denken ;-)
Aber interressant was hier alles für Argumente angeführt werden…..
Schade das die handwerklichen Basic`s anscheinend immer mehr verloren gehen :-(
In jedem Fall sollte es keine Denkverbote geben, die es hier bisweilen aber gibt.
Darüber hinaus kann man wohl nicht von seiner Situation auf andere schließen. Soll heißen, was in meiner Kaserne – teilweise sogar unter den Einheiten – , bei meiner Schießausbildung gelaufen ist, ist nicht zwangsläufig wonaders ebenso gelaufen. Darin eingeschlossen auch die Quantität der Munition etcpp. Man braucht sich doch auch nur mal bei Youtube und in sozialen Netzwerken umzuschauen und/oder entsprechende Stichwörte einzugeben und man sieht mit Waffen rumblödelnde Soldaten; in Kasernen und im Auslandseinsatz. Einerseits weil sie übermütig auf Rambo machen oder aus Langeweile beim Schrankendienst im Wachhäuschen mit der P8 rumspielen, weil es sonst nichts gibt/geben darf.
Wenn Schießunfälle nicht im Gefecht oder der Gefechtsvorbereitung passieren, weiß ich nicht, ob ich das schlimmer finden soll, als ein Schießunfall im Einsatz. Denn das heißt doch salopp „Feierabend = Hirn aus“. Ich kann die Argumente psychischen und physischen Erschöpfung durchaus verstehen, aber vll würde hier der Waffendrill gute Dienste erweisen.
In jedem Fall sollte eine Analyse ohne Zensur passieren und entsprechende Schritte zur Verbesserung durchgesetzt werden. Die Strukturen sind ja eigentlich da, gute Ideen gibt es auch, dann müssen diese „einfach“ durchgesetzt werden.
„Warum eigentlich P8?“
Wenn die Soldaten das Feldlager verlassen, tragen sie natürlich ihre zugewiesenen Langwaffen wie MP7, G36, G3 oder MG4. Diese Waffen werden aber in 95% aller Fälle innerhalb des Feldlagers in Waffenkammern eingelagert, wenn man sich darin aufhält.
Als sogenannte Backup Waffe hat jeder zusätzlich noch eine Pistole P8. Diese verbleibt immer beim Soldaten, solange er im Einsatzland ist, das ist ein normaler Vorgang der auch bei allen unseren Verbündeten so gehandhabt wird. Übrigens hat diese Regelung schon mehrmals Leben gerettet, letztmalig beim Vorfall, als innerhalb des OP auf die Marder-Besatzung geschossen wurde (wobei hier die Langwaffen allerdings nicht in der WaKa eingelagert werden).
Die 100% Sicherheit innerhalb eines Feldlagers kann nicht garantiert werden und genau deshalb tragen die Soldaten immer eine Waffe bei sich.
Die Frage muss lauten: Wie ist es um die Qualität der Schiessausbildung mit der P8 bestellt! Und die nächste Frage: Wie ist denn der Sachstand beim Umsetzen des „neuen“ Schiessausbildungskonzeptes. Und dann: Wie sieht den der entsprechende Titel für die Beschaffung von 9×19 im Einzelplan 14 aus?
Also mal ernsthaft. Der Schießunfall hat (damit lehne ich mich durchaus weit aus dem Fenster) nichts, aber auch gar nicht mit irgendwelchen Schießkonzepten zu tun. Unerfahrene, dumme Soldaten machen Blödsinn, blödeln, keiner passt auf. Tausend mal geht es gut, einaml nicht. Ich habe Soldaten erlebt, die „spielten“ im Camp P8-Wandern, warfen also eine geladene (mit Manövermunition) geladene und entsichertePistole sich immer im Kreis zu. Die Jungs kamen frisch aus dem Einsatz und hatten es selbst da noch nicht kapiert. Aber alle Pommesgeneräle, dicke Eier und grüne Litzen drauf.
@ StFwdR
Das meinte ich. Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, das dieser Personenkreis eigentlich kein Sicherheitsrisiko darstellt. Die alten Säcke sind meistens erfahren genug um zu wissen wo ihre Grenze ist. Sie blödeln nicht rum, sondern erzählen sich Geschichten von irgendwelchen Übungen 1978 im Sauerland und am Rhein oder was auch immer. Wenn sie die Knarre nicht sichern können, geben sie die einem, der das kann und dann wird dann wieder eine Pistole mit bekannten Ladezustand draus.
@ Magnus
Der Waffendrill ist doch da, zumindest bei den „normalen“ Soldaten. Abends hilft auch kein Waffendrill, kein Schießkonzept, gar nichts. Die sollen einfach ihre Knifften in eine Kiste auf ihre Stube legen und gut ist. Da kommt nachts kein Männchen vorbei und bastelt daran rum. Wenn ich sehe, das von der Rückkehr der Patrouille bis zum Duschen manche Soldaten entweder aufgrund eigenen Antriebes oder weil es befohlen ist bis zu fünf mal eine Sicherheitsüberprüfung machen, dann frage ich mich wozu? Die beste Sicherung ist eigentlich der Kopf, aber da ist manchmal bei manchen der Jungs nur so ein braunes, klumpiges Zeug drinn.
@ Voodoo
Wozu P8 wann und wo. Ist völlig egal, im Heckraum sitzen die Jungs gequetscht, bepackt abertausende Stunden mit tlw. über 50 geladenen verschiedenen Waffen drinn und gar nichts passiert. Warum wohl? Getraut sich Gott da nicht rein, um mit den Dummen dort Schicksal zu spielen?
„Interessant auf dem Bild ist neben der Waffe als Kartenbeschwerer jedoch auch die Richtung der Mündung des rechts stehenden Kameraden, der den Fuß zum Schreiben hochgestellt hat.“
2) Die Mündung überstreicht nur das, was ich auch beschießen will.
Dies setzt jedoch voraus, dass beim Überstreichen jemand die entsprechende Waffe in der Hand hat. Die Waffe des Kameraden der das Bein hochstellt befindet sich in seinem Holster. Die Möglichkeit, dass sich hier ein Schuss ohne seine Beteiligung löst, ist gleich Null.
„Die Beschwererwaffen könnten entladen sein – diese Waffe mit großer Wahrscheinlichkeit nicht.“
Hier verweise ich wieder auf Regel 2). Denn irgendwie sind die Waffen auf den Tisch gelegt worden und sind nach der Besprechung auch wieder aufgehoben worden. Natürlich muss man hier mutmaßen, aber ich gehe nicht davon aus, dass alle Kameraden erst aus dem Mündungsbereich der Waffen herausgetreten sind, bevor die Eigentümer ihre Kurzwaffen wieder aufgehoben haben. Das Argument „die Beschwererwaffen könnten entladen sein“ ist null und nichtig denn: 1) Jede Waffe ist geladen.
Unfälle passieren.
Meiner Meinung nach ist spielerischer Umgang aber kein Unfall, sondern grob fahrlässig. Leider wird so etwas aber immer wieder passieren da Regeln die speziell die jungen Soldaten nicht vor der eigenen Überheblichkeit schützen können. Ich möchte hier nicht behaupten das dieses nur jungen Menschen passieren kann, aber habe ich auch selber die Erfahrung gemacht, dass (speziell) man(n) kurz nach der Pupertät leider nicht immer vernünftig und risikobewusst ist. Bei einer Häufung von Unfällen die entsprechende Waffe nochmal bezüglich der Handhabungssicherheit zu untersuchen ist sicherlich richtig aber glaube ich, auch aus eigener Erfahrung mit der Waffe, nicht das hier entscheidende Mängel zu finden sind.
@ SapperTom
„Auf Grund häufiger Schießunfälle (mexikanischem Entladen mit Gefährung Dritter) sind die Streitkräfte der Republik Südafrika in den Grenzkrigen dazu übergegangen ohne Ansehen der Person Militrägerichtverfahren einzuleiten“
Dies mag in der Situation Südafrikas funktioniert haben, wäre in der Situation der Bw im Einsatz aber das genau falsche Signal. Die Einleitung von Disziplinarverfahren bei jeder unfreiwilligen Schussabgabe führte sehr wahrscheinlich zu Angst vor der eigenen Waffe. Um ja nichts falsch zu machen, die Waffe am Besten gar nicht erst laden und auch nicht mit ihr üben. Der Soldat muss im Gegenteil häufig mit seiner Waffe und auch scharfer Munition umgehen, um richtig mit ihr umzugehen. Leider gehen viele Soldaten so selten mit scharfer Munition um, dass sie sehr nervös im Umgang mit ihrer Waffe werden, wenn sie mal scharf geladen ist. Und wenn schon Militärgerichtsverfahren, dann nicht für einen Kistenschuss – da gäbe es ganz andere Sachen, die vor Gericht gehören.
„Weiß jemand, wie es in der guten alten Zeit (vor KTG) mit den BVs beim Waffenumgang war?“
Wie so vieles war der Umgang mit solchen BV noch ein Relikt der alten Friedensarmee, wo der Umgang mit Gefechtsmunition noch dem mit einer heiligen Reliquie entsprach. Einige Vorschriften sind noch nicht an die Realität angepasst worden.
@ Markus Balfy
So what? Was tut dieses entladene MG3 der Kinderhüpfburg? Solche Touristenphotos sind zwar peinlich aber ungefährlich.
Und was tut eine geladene Pistole, die als Briefbeschwerer benutzt wird, dem daneben stehenden Soldaten? Die Waffe wird auf niemanden Schießen, solange niemand den Abzug betätigt. Bei ISAF trägt die Mehrheit der Infanterie ihre Pistolen seitlich vor der Brust und fertig geladen, damit sie ihre backup-Waffe griffbereit haben. Dies hat nie zu Schießunfällen geführt. Dass im Grundsatz die Mündung einer Waffe nicht auf Kameraden zielen soll ist in Ordnung für die Rekrutenausbildung, bei höherem Ausbildungsstand muss von solchen Grundsätzen abgewichen werden können, wenn es sinnvoll ist.
Ich finde es auch merkwürdig (im eigentlichen Sinne) dass solche Vorfälle passieren. Es hat nichts mit der P8 zu tun, abgesehen davon dass die P8 als Pistole eben bei einer kleinen Bewegung einen sehr großen Raum abdeckt, es liegt eher daran, dass die Soldaten die Gefahr die einer Waffe immer innewohnt nicht sehen.
Bei uns war es 2003 so, dass wir nach einem Handwaffenschießen in Afghanistan zurück ins Lager kamen und die Soldaten unserer Batterie ohne jeden Befehl (hab ich vergessen) anfingen ihre Waffen zu reinigen. Sie wussten halt, dass diese Waffen ihre Lebensversicherung waren und dass sie sie gut behandeln mussten. Bei uns fiel auch nie ein Schuss in die Kiste, die simple Tätigkeit der Sicherheitsüberprüfung konnten alle problemlos durchführen.
Unsere Leute wussten was eine Waffe ist, was sie kann und was sie notfalls auch anrichten kann.
Und das den Leuten beizubringen ist eigentlich nicht schwer, es braucht halt nur etwas mehr Zeit bei der Ausbildung, das ist alles.
@cynic2:
Zitat von Ihnen: Dass im Grundsatz die Mündung einer Waffe nicht auf Kameraden zielen soll ist in Ordnung für die Rekrutenausbildung, bei höherem Ausbildungsstand muss von solchen Grundsätzen abgewichen werden können, wenn es sinnvoll ist.
Nein, eben nicht. Von diesem Grundsatz darf niemals abgewichen werden, denn das verhindert solche Unfälle.
Ich muss hier wieder dem Drill ein großes Lob aussprechen, denn nur wenn ich Nachts aus dem Schlaf gerissen, nass und hungrig bin genau weiss wass ich mit meiner Waffe anstelle, dann kann ich Unfälle verhindern. Und dazu gehört eben auch, dass ich niemals eine Waffe auf einen Kameraden richte, Punkt.
Ich gebe zu, meine Aussagen passen auf Rekruten, junge Kameraden die noch nicht viel Erfahrung mit Waffen haben. Aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass ich mehr Angst vor den „erfahrenen“ Soldaten, Unteroffiziere und Stabsunteroffiziere aufwärts, Leutnants und aufwärts hatte als vor dem „gemeinen“ Soldaten OG. Denn diese wussten was sie in der Hand hatten.
Werferfehler