RC N Watch: Entwaffnung der Milizen in Kundus
Sehr lesenswertes Stück in der New York Times, das sich der Probleme mit den bewaffneten Milizen, den Arbaki, in Afghanistan und vor allem in der Provinz Kundus annimmt: Afghanistan Seeks To Disband Militias It Armed.
Dazu passend aktuelle Twitter-Einträge des Kabuler BBC-Producers Bilal Sarwary:
Af officials urged Arbaki commanders not to fight each other in Khan Abad. But they kept fighting using heavy&light weapons, Tribal elders
After Taliban lost territory in Kundoz- Arbakis tax&extort from locals. They have little fiefdoms forcing many to join Taliban, Kundoz Intel
Lot of Arbaki commanders have links to MPs& untouchables- did fight Taliban but villagers don’t trust gov because of them,tribal elder
(Angesichts des Telegrammstils mal die Übersetzung: Afghanische Offizielle drängten die Kommandeure der Arbaki-Milizen, in Khan Abad (ein Distrikt nahe Kundus, T.W.) nicht gegeneinander zu kämpfen. Dennoch führten sie die Kämpfe mit schweren und leichten Waffen fort, berichteten Stammesälteste. Nach Angaben aus Geheimdienstkreisen in Kundus gingen die Arbaki nach Vertreibung der Taliban aus der Region dazu über, selbst Steuern und Abgaben von den Einwohnern zu erheben. Sie haben kleine Fürstentümer eingerichtet, mit denen sie viele den Taliban in die Arme treiben. Viele Arbaki-Kommandeure haben Verbidnungen zu Parlamentsabgeordneten und „Unberührbaren“ (ist mir jetzt auch nicht klar, was damit gemeint ist, T.W.). Sie haben zwar gegen die Taliban gekämpft, dennoch trauen die Dörfler der afghanischen Regierung wegen dieser Milizen nicht mehr, sagt ein Stammesältester.)
Das hätte man sich eigentlich denken können. Es war m.E. schon von Beginn an klar, dass die Stammesmilizen genau so handeln würden. Unter anderem liegt das auch daran, dass in einigen Gegenden deren Bezahlung durch die Regierung überhaupt nicht sichergestellt wurde. Es ist wie in weiten Teilen der „normalen“ ANSF: Der Lohn wird, wenn überhaupt, nur unregelmäßig bezahlt.
Deshalb die logische Konsequenz der Führer: Hole ich mir das Geld für meine Truppe von der Bevölkerung…..
@Huemmi – Das hätte man sich eigentlich denken können.
Das hat man auch vorhergesehen. Dieses ist ja nicht das erste mal das man es mit solchen Milizen versucht. In den Jahren zuvor sind ähnliche Konzepte wie die ALP unter anderen Namen (LDI, APPP, APPF) gestartet worden und samt und sonders gescheitert. Aber einen General Petraeus und sein Special Ops Gefolge hat das nicht interessiert. Warum sollte man auch aus der Vergangenheit lernen?
Siehe zum Thema auch aktuell mit genaueren Zahlen und den wichtigen Fragen Thomas Ruttig: ALP programme might create a rude Afghan awakening
@b
„Aber einen General Petraeus und sein Special Ops Gefolge hat das nicht interessiert. Warum sollte man auch aus der Vergangenheit lernen?“
Natürlich waren die Probleme im Vorfeld bekannt. Aber es war eben nicht so, dass es problemfreie Alternativen gab. Man ging bewusst ein Risiko ein. Manche.Amerikaner behaupten, dass sich Kriege anders auch nicht gewinnen lassen. Wir Deutschen wissen das aber besser, denn unser Ansatz, alles nach der StVO zu regeln und keine Risiken einzugehen, hat ja so toll funktioniert in Afghanistan.
„untouchables“ sind Leute, die „untouchable“ sind, die man sich als nicht anzurühren traut, aufgrund ihrer Position, ihren Verbindungen, ihrem Einfluss … wie auch immer. Bestes Beispiel ist der kürzliche verschiedene Karzai. Im Norden dürften damit wohl die „ehemaligen“ Warlords der Nordallianz gemeint. Vielleicht offiziell ohne Amt und Rang, aber trotzdem mächtiger als viele Offizielle der Regierung.
Zum Thema: War ja zu erwarten. Da hat b recht.
Zur Klarstellung: In Khanabad gibt es keine ALP. Was dort entwaffnet wird, sind also wie auch immer geartete Milizen.
Wenn denn nun vorher alles schon so bekannt gewesen ist, verstehe ich als „einfach“ denkender Mensch nicht, dass man da nicht konsequenter vorgeht und sich mehr darum bemüht, erfolgreicher zu sein als in allen Programmen vorher. Im Norden hat man im vergangenen Jahr Arbakis angeworben und die Finanzierung dann einfach mal der Regierung überlassen. Mir ist nicht bekannt, dass das anders geplant gewesen sei. Hätte nicht ISAF oder unmilitärischer, die internationale Gemeinschaft, die direkte Finanzierung sicherstellen können? Ist darüber eigentlich nachgedacht worden? Hm, vielleicht fehlen mir auch Detailkenntnisse…..
@Huemmi
„Wenn denn nun vorher alles schon so bekannt gewesen ist, verstehe ich als “einfach” denkender Mensch nicht, dass man da nicht konsequenter vorgeht und sich mehr darum bemüht, erfolgreicher zu sein als in allen Programmen vorher. “
Offenbar waren die Milizen, die jetzt entwaffnet werden, nicht Teil eines der ISAF-Programme. Bei diesen Programmen gab es Maßnahmen, die bekannte Probleme ansprechen sollten. Zuletzt wurde gemeldet, dass hier das Engagement (AP3 bzw. APPF) deutlich ausgebaut werden soll:
http://www.usatoday.com/news/world/afghanistan/2011-06-29-coalition-expands-afghan-forces_n.htm
Problemlos läuft auch dieses Vorhaben nicht (http://aan-afghanistan.com/index.asp?id=700), aber wer kennt ein Vorhaben in Afghanistan, das ohne Risiko und ohne Probleme funktioniert?
Ich halte den Einsatz für politisch falsch und deutschen Interessen nicht dienlich, aber es ist immer noch besser für Deutschland, wenn die NATO dort Erfolg hat. Dafür muss man auch unkonventionelle Ideen ausprobieren, und manchmal reicht es, wenn diese zu 50% funktionieren anstatt zu 100%.
Bitte mal auf den korrekten Gebrauch der einzelnen Begriffe achten, auch wenn die Presse das des Öfteren nicht tut. Arbaki werden nicht bezahlt und sind auch weder mit ALP, AUP, noch mit Milizen vergleichbar.
Letztere haben sich in der Vergangeheit öfter sowohl als Segen, als auch als Fluch herausgestellt.
@Huemmi:
So weit ich weiß (d.h. mal irgendwo im Netz gelesen habe) haben die Briten vor einigen Jahren mal selbst die Bezahlung der ANP in ihrem Bereich übernommen.
Das hat wohl funktioniert.
Für Deutschland war dieser Ansatz wohl zu pragmatisch. ;-)
Ja, er untergräbt natürlich die Autorität der afghanischen Regierungsstrukturen, aber so lange wir dadurch bis 2014 halbwegs Stabilität hinbekommen, wäre doch ein Kernziel erreicht.
@ Orontes:
Danke für die Hintergrundinfos.
@Chris:
Wenn ich in den letzten Jahren aufgepasst habe, dann sind ARBAKI der Tradition nach Stammesmilizen, und werden vom lokalen Stammesführer eingesetzt und bezahlt. Im Norden hat man sich diese alten Strukturen zu Nutze machen versucht und diese Milizen wurden auch bezahlt. Also ganz so falsch liege ich da nicht, oder?
Zu den Milizen im Raum Kunduz hatte Afghanistan Today die Tage erst einen Artikel: „Law enforcers or liability?“. Unter anderem scheint die ALP seit 8 Monaten auf ihren Sold zu warten…
@ Chris
Auch gerade im Raum Kunduz ist die Trennung alles andere als scharf. Zum einen scheinen die 1200 ALP-„Stellen“ vor allem an Milizen vergeben zu werden. Zum anderen gibt es dazu wohl auch noch andere Programme, in denen mit Milizen kooperiert wird (etwa das „Taliban-Aussteigerprogramm“ von Innenministerium und Amerikanern).
Letztlich hat die ISAF im RC Nord das Entstehen und Erstarken der Milizen wohl lange Zeit schlicht geschehen lassen.
@J.R. – Letztlich hat die ISAF im RC Nord das Entstehen und Erstarken der Milizen wohl lange Zeit schlicht geschehen lassen.
Nee – die SpecOps der Amis haben das bewusst gefördert. Es gehört zu deren Standardprogramm lokale Einheiten aufzustellen und für ihre Zwecke einzubinden. Da gibt es ganze Handbücher zu.
Wenn dann aber Befehl von oben kommt woanders hin zu gehen oder eine Ablösung erfolgt, dann bleiben halt solche Milizen einfach über und können sich frei entfalten.
@b
Die ALP im Raum KDZ, die von den US SOF ausgebildet wurden (so 10%), sind in einem ganz anderen Bereich eingesetzt, vergleichsweise gut ausgebildet, in die Bevölkerung integriert und leisten gute Arbeit. General Patraeus und seine SOF hatten daher ganz Recht, dass die ALP funktionieren, wenn man sie führt und finanziert – so viele SOF wurden durch die Alliierten aber nicht bereit gestellt.
Diese Meldung bezieht sich auf Kräfte, die sich inklusive Waffen und Gruppenführern bei der ANP als pro-Regierungsmiliz gemeldet haben und sich ihren Wirkungsbereich selbst aussuchten. Diese Kräfte kommen ursprünglich aus anderen Dörfern, „besteuern“ die Bevölkerung und werden nur rudimentär durch den Polizeichef geführt, wenn der mal durchsetzungsfähig ist (Der gefallene ANP General SAYED KHEL war das…).
@Huemmi
Mit Arbaki hat die Lage im Raum KDZ daher kaum etwas zu tun. Die Mehrheit der Milizen gehört einem lokalen Führer, der sie bezahlt, versucht Geld von GIRoA zu bekommen oder „besteuert“ die Bevölkerung. Richtige Arbaki würden als Selbstverteidigungsmiliz durch ihr eigenes Dorf freiwillig und auch nur temporär finanziert.
@J.R. und b
Das RC N musste erstmal die Frage klären, ob denn die DEU Kontingenttruppe mit den irregulären spielen darf oder nur mit offizieller ANP. Da GIRoA und ANP die Milizen in dem Bereich wollte, hat das RC aber zugeschaut und als die dann zu ALP deklariert wurden, war ja alles gut, für’s RC.
Und zur Frage der Bezahlung liegt das Problem hier beim Afghan face. Die Internationale Gemeinschaft hinterlegt ALP, APRP und Infrastructure Security mit Geldmitteln in Millionenhöhe und überweist die nach Kabul, um damit Waffen, Uniformen, Ausbildung und Sold für die ALP zu bezahlen. Es werden dann unter Beratung der ISAF Anträge aus den Distrikten gestellt und ALP-Stellen zugewiesen – aber es kommen keine Gelder, Waffen oder Uniformen und die ANP will die auch nicht wirklich ausbilden.
Würden die ALP unmittelbar über ISAF-Kräfte vor Ort ausgewählt, bezahlt und ausgebildet, funktionierte das alles schon deutlich besser. Und das Geld liegt vermutlich bei den „untouchables“ in Kabul … oder schn Dubai!
Car bomb explodes in northern Kunduz, killing the head of intelligence operations for a district in the city.