Zahlenspiele

Im (Kopf)Rechnen bin ich eher schwach und überlasse den detaillierten Umgang mit Zahlen gerne anderen. Da aber heute die Vorabmeldung der Wirtschaftswoche Bundeswehr ist ineffizienteste Nato-Armee für Furore sorgt, habe ich doch mal versucht, das zu Grunde liegende Zahlenmaterial anzusehen – und bei aller Zurückhaltung: Da kann doch irgend etwas nicht stimmen? (Natürlich auch mit dem Vorbehalt, dass ich bislang nur die Vorabmeldung der WiWo kenne und nicht den ganzen Bericht.)

Also gucken wir mal, welche Zahlen die European Defence Agency (EDA) dazu veröffentlicht hat – auf diese Agentur beruft sich ja der Bericht. Da stoße ich als aktuellste Veröffentlichung auf die Defence Data of EDA participating Member States in 2009, die einen Vergleich der EDA-Mitgliedsstaaten (alle EU-Staaten außer Dänemark) erlaubt.

Und natürlich gibt es dort, das ist ja der Kern der nunmehr bekannt gewordenen Kritik, einen Deployability-Vergleich: Wie viel Prozent der gesamten Truppe steht überhaupt für Auslandseinsätze zur Verfügung? Dazu empfiehlt sich S. 41:

Ärgerlicherweise fehlt in dieser Übersicht – warum auch immer – ein Land, das uns besonders interessiert: Deutschland.

Und da beginnen dann die Zahlenspiele. Die beiden anderen großen europäischen Nationen melden nach diesem Zahlenwerk recht beeindruckende Werte für die Deployability: Großbritannien fast 40 Prozent, Frankreich 36 Prozent und auch Italien noch 30 Prozent, mal ganz abgesehen von den Niederlanden mit mehr als 40 Prozent.

Deutschland fehlt, wie gesagt. Und nach der WiWo-Berechnung sieht das dann so aus: 30.000 einsatzfähige Franzosen, 22.000 einsatzfähige Briten. Gegen 7.000 einsatzfähige Deutsche.

Jetzt ist natürlich die Frage, woher die Zahl 7.000 für die Bundeswehr kommt. Da schaue ich mal auf die aktuellen Einsatzzahlen, derzeit etwas mehr als 6.500.

Und dann behalte ich im Hinterkopf, dass generell die Faustregel eingesetzte Soldaten mal drei gilt: Ein Drittel in der Ausbildung/Vorbereitung für den Einsatz, ein Drittel im Einsatz, ein Drittel in Regeneration/Nachbereitung. Würde ich das auf die WiWo-Zahlen übertragen, müssten die Franzosen 90.000 einsatzfähige Soldaten vorhalten.

Mit allem Vorbehalt: Da scheinen mir doch die Berechnungsgrundlagen ein wenig verrutscht. Für wahrscheinlicher halte ich es, dass man den 30.000 Franzosen und 22.000 Briten dann 21.000 Deutsche gegenüberstellen müsste.

Nun ist das immer noch ein Wert, der die Bundeswehr deutlich ineffizienter als die großen Verbündeten in Europa dastehen lässt, und in der Tat dürfte die Deployability bei den beiden anderen höher sein, gar keine Frage. Aber ein so brutaler Unterschied, wie ihn die Berechnungen nahelegen? Das scheint mir, höflich ausgedrückt, sehr merkwürdig. Aber vielleicht sehen wir dazu noch detaillierte Zahlen.

(Dass Deutschland seit Jahren unter dem NATO-Ziel bleibt, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, wird von manchen Bündnispartnern ja ohnehin schon lange kritisiert. Allerdings kann ich mir nicht wirklich vorstellen, dass ein Verteidigungshaushalt von um die 50 Milliarden Euro hier zu Lande politisch durchsetzbar wäre.)