Trotz Mängeln in der Ausbildung gute Chancen für die Gorch Fock

Über den Bericht des Verteidigungsministeriums an den Bundestags-Verteidigungsausschuss zur Gorch Fock ist gestern bereits eine Menge geschrieben worden (und ich habe da den Bericht fälschlich als den der Havariekomission eingeordnet). Dieser Bericht ist nun der, der als offzieller Ministeriumsbericht gilt – nachdem ein früherer Bericht der Marine zwar den Abgeordneten vorgelegt wurde, dann aber ausdrücklich nicht als Stellungnahme des Ministeriums eingeordnet wurde.

In der Takelage der Gorch Fock (Foto: Bundeswehr/Mandt via flickr unter CC-Lizenz)

Die Berichterstattung der Kollegen will ich hier nicht duplizieren, aber zur besseren Einschätzung ein paar Stellen aus dem Bericht widergeben. Vor allem ist ja interessant, welche Schlussfolgerungen nach Unfällen wie dem Tod der Kadettin Sarah Lena Seele auf dem Großsegler für die Ausbildung der Offizieranwärter (OA) gezogen werden:

Zur besseren Vorbereitung der OA auf ihre Zeit auf der Gorch Fock sowie zur notwendigen Anpassung der Ausbildung werden weitere Maßnahmen angeordnet, die mit Beginn der Ausbildung der OA der Crew VII/2011 erprobt werden sollen.

Erstens wird der Ausbildungszeitraum auf der Gorch Fock so verschoben, dass die OA erst nach einer sechsmonatigen Dienstzeit an Bord gehen. Die Zeit davor soll zur gezielten Vorbereitung und auch Verbesserung der lörperlichen Leistungsfähigkeit genutzt werden. Eine wissenschaftliche Begleitung und Überprüfung durch das Schifffahrtsmedizinische Institut der Marine wird sichergestellt. Im Rahme der besonderen Anforderungen, die ein Klettern und Arbeiten in der Takelage der Gorch Fock mit sich bringen, sind auch die medizinischen Vorschriften anzupassen.

Zweitens sollen die OA bereits vor ihrer Ausbildungsfahrt schrittweise an die Verhältnisse an Bord der Gorch Fock herangeführt werden. Das Schiff wird dazu längere Zeit in Flensburg liegen, so dass praxisnahe Einweisungen möglich sind.

Drittens wird die Ausbildung auf der Gorch Fock von sechs auf sieben Wochen verlängert. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die für die Segelvorausbildung vorhandene Zeit zu kurz sein dürfte. Dies hat sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Beauftragte für Havarieuntersuchungen der Marine festgestellt. Letzterer macht dafür vor allem die stetig sinkende sportliche Leistungsfähigkeit der OA verantwortlich. Um diesen gesellschaftlichen Tatsachen wirksam begegnen zu können, wir der Segelvorausbildung 50 % mehr Zeit eingeräumt als bisher. Dadurch wird auch eine eventuelle klimatische Umstellung erleichtert.

Viertens wird der Einsatz in der Takelage intensiver vorbereitet. Dazu wird an der Marineschule Mürwik (MSM) eine Trainingsanlage errichtet werden, die den Teil eines Mastes der Gorch Fock nachbildet. Die OA werden an dieser Anlage vor ihrer Segelausbildung geschult. Dies gewährleistet ein besseres Heranführen an das Aufentern sowie eine Verringerung des Risikos und ein frühzeitiges Erkennen von Höhenangst.

Fünftens werden Kadettenoffiziere von der MSM eingeschifft, die sich zusätzlich um die Belange der OA kümmern werden. Hierbei sollen bestehende Hierarchien nicht konterkariert werden. Es werden jedoch ergänzende Möglichkeiten geschaffen, sowohl die Dienstaufsicht als auch die Betreung der OA während des für sie fordernden Ausbildungsabschnittes zu intensivieren, um so der Kritik der fehlenden Präsenz der Offiziere zu begegnen und der Bildung informeller Strukturen entgegenzuwirken.

Sechstens wird zukünftig durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt, dass dem Kommandanten Gelegenheit gegeben wird, Urlaub außerhalb der Zeiten der Segelvorausbildung zu nehmen. Grundsätzlich ist die Inanspruchnahme eines kurzen Urlaubszeitraumes des Kommandanten nicht zu beanstanden, da eine lange Auslandsreise kräftezehrend ist und wenig Spielraum für Erholung bietet. Die Anwesenheit des Kommandanten bei Eintreffen der OA und Beginn der Segelvorausbildung ist jedoch geboten.

Siebtens hat der Inspekteur der Marine das Aufhängen der so genannten „Heizerleine“ und vergleichbarer „Trophäensammlungen“ untersagt. Vermeintliches „Brauchtum“ darf weder diskriminierend, geschmacklos noch verletzend sein. Es muss darüber hinaus in gegenseitiger Rücksichtnahme auch geschlechterübergreifen das persönliche Schamgefühl gewahrt bleiben.

Und für die Zukunft des Großseglers? Da wird zwar noch das Ergebnis einer Kommission zur künftigen Ausgestaltung der semännischen Basisausbildung abgewartet, der Trend, den das Ministerium vorgibt, ist aber eindeutig:

Gerade für die Teamausbildung eignet sich aus Sicht des Bundesministeriums der Verteidigung die Ausbildung auf einem Großsegler in besonderer Weise. Diese Ausbildung soll die fachlichen Lehrgänge an den Schulen als wichtiger Baustein auf dem Weg zum Offizier der Marine ergänzen.
(…)
Bei aufrichtigem Umgang mit allen das Segelschulschiff Gorch Fock betreffenden Fragestellungen besteht die Zuversicht, dass das Ausbildungskonzept zukunftsfähig fortgeschrieben werden kann und die Gorch Fock auch weiterhin ihren Auftrag als Segelschulschiff der Detuschen Marine erfüllen wird.

Ein ständiger Diskussionspunkt ist, warum der frühere Kommandant Norbert Schatz nicht wieder auf seinen Posten kommt. Im Zusammenhang mit dem Tod der Kadettin wird ihm weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Havariebeauftragten ein ursächliches Fehlverhalten angelastet. Doch beide Untersuchungen stellten strukturelle Mängel in der Ausbildung fest – was laut Bericht zu dem Ergebnis führte:

Der Inspekteur der Marine hat in einer persönlichen Unterredung mit dem Kommandanten die angesprochenen Punkte gemeinsam bewertet. Der Kommandant hat daraufhin, in der Absicht, dem Schiff einen unbelasteten Neuanfang zu erleichtern, darum gebeten, nicht erneut als Kommandant eingesetzt zu werden.

Das ist die Berichtsvariante. In seinem offiziellen Beschluss zum Entscheidungsvorschlag des Havarieausschusses nach der Untersuchung des Todesfalls, der Anhang des Berichts ist, hat Marineinspekteur Axel Schimpf allerdings dazu formal härter ausgeführt:

Ein Fehlverhalten von Kommandant oder Besatzungsangehörigen, welches ursächlich zu diesem Personenunfall beigetragen hat, liegt nicht vor.

Sonstiges Fehlverhalten stelle ich wie folgt fest:

Beim Kommandanten Kapitän zur See Schatz, da er

– es versäumt hat, eine Organisation an Bord zu etablieren, die dafür Sorge trägt, dass alle Dienstgradgruppen eine umfassende Ausbildung und Einweisung für die entsprechenden Aufgaben durch die Vorgesetzten stattfindet, insbesondere im Hinblick auf die speziellen Vorgaben der Schiffsführung für die Durchführung der Segelvorausbildung.

– sich nicht um die personelle Ausgestaltung der Segelvorausbildung gekümmert hat und so zwei unerfahrene Soldaten mit der Durchführung am Großtopp beauftragt wurden.

– durch sein Führungsverhalten nicht für widerspruchsfreie, verlässliche und klare Vorgaben an Bord gesorgt hat.

Und:

Der Tod von Frau Obermaat OA Seele sollte allen Vorgesetzten Grund genug sein, den eigenen Führungsstil kritisch zu überdenken: Klare und verbindliche Vorgaben verbunden mit einer ernsthaften Dienstaufsicht und Kontrolle stehen weder im Widerspruch zur Inneren Führung und zum Führen mit Auftrag, noch sind sie ein Ausdruck von Misstrauen gegenüber den Untergebenen. Im Gegenteil: Sie sind Ausdruck eines disziplinierten und fürsorglichen Führungsverhaltens, welches wir unseren anvertrauten Frauen und Männern schuldig sind.