Piratenbekämpfung: Schünemann bringt CDU auf Kurs
Es scheint eine neue Entwicklung, die das Handelsblatt unter der Überschrift CDU will Anti-Piraten-Kampf drastisch verschärfen heute meldet: Soldaten als Schutzteams an Bord besonders gefährdeter deutscher Schiffe, Geiselbefreiung durch KSK und GSG9.
Dann lese ich allerdings, dass es ein Beschluss des CDU-Bundesfachausschusses Innenpolitik ist, und dessen Vorsitzender ist der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann. Und schon ist klar, wo die Bausteine für das Anti-Piraterie-Konzept herkommen: Aus einem Papier, das Schünemann bereits im März vorgelegt hat. Auszüge daraus:
5. Welche seegestützten Maßnahmen sind sicherheitspolitisch zielführend?
a) Bekämpfung von Piratenschiffen
• Im Rahmen internationaler „Task Forces“ wie insbesondere ATALANTA sollte sich Deutschland aktiv daran beteiligen, die operativen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu verbessern, gegen Angriffsboote der Piraten („Skiffs“) vorzugehen. Gleiches gilt für die Unbeweglichmachung der Mutterschiffe („Dhows“) und auch deren Befreiung durch Spezialkräfte, um die Seeräuber am Horn von Afrika in ihrem Operationsradius einzuschränken und ein weiteres Ausgreifen der Piratenplage in den Indischen Ozean zu verhindern.b) Präventiver Schutz bei Piratenattacken
• Geschützte Konvois minimieren das Risiko von Piratenattacken erheblich. Daneben sind aber auch die Möglichkeiten der Piraterieabwehr bei Schiffen außerhalb geschützter Konvois zu erhöhen. Effektiver als das reaktive Entsenden weit
verstreuter Kräfte bei Angriffen auf Schiffe ist das Einschiffen von Marineschutzkräften zur Abwehr von Kaperversuchen (sog. Vessel Protection Detachments). Die Gesamtzahl der deutschen Marineschutzkräfte ist allerdings begrenzt. Ihr Einsatz sollte daher nach den folgenden Prioritäten erfolgen:(1) Schiffe unter deutscher Flagge von besonderem Sicherheitsinteresse (Öl- und Gastanker etc.);
(2) Weitere Schiffe unter deutscher Flagge;
(3) Schiffe deutscher Reedereien unter anderer Flagge (sog. ausgeflaggte Schiffe).Dabei werden ausgeflaggte Schiffe in der Regel auf privates Sicherheitspersonal zurückgreifen müssen, wenn sie außerhalb geschützter Konvois fahren. In Fällen von Schiffen unter deutscher Flagge, die außerhalb geschützter Konvois fahren und auf
„Vessel Protection Detachments“ zurück greifen müssen, ist zu prüfen, ob die Reedereien an den anfallenden Kosten beteiligt werden können.c) Interventionsmöglichkeiten bei gekaperten Schiffen
• Flankierend müssen auch von deutscher Seite die Möglichkeiten zum raschen Zugriff auf gekaperte Schiffe geschaffen werden; dies ist innerhalb der EU-Mission ATALANTA nicht vorgesehen, wurde aber etwa von den Niederlanden „im nationalen Alleingang“ im Fall des unter deutscher Flagge fahrenden Containerschiffes „Taipan“
am 05.04.2010 bereits erfolgreich durchgeführt.• Für eine jederzeitige Reaktionsfähigkeit wären aus den Einheiten der Spezialisierten Einsatzkräfte Marine (SEK M) gebildete Einsatzteams im Operationsgebiet bereitzuhalten. Hierfür muss die Verfügbarkeit angesichts der geringen
Personalstärke durch eine bessere Nutzung der Fähigkeiten innerhalb des SEK M sichergestellt werden.• Die Befreiung von Geiseln auf entführten Schiffen deutscher Reedereien ist das Einsatzgebiet hierauf trainierter Spezialkräfte wie KSK bzw. auf polizeilicher Seite GSG 9. Für ihren erfolgversprechenden Einsatz sind mittelfristig die notwendigen
logistischen Voraussetzungen zu schaffen sowie klare Kommunikations- und Kommandostrukturen vorzuhalten, um für extreme Fälle vergleichbar der Geiselnahme von Besatzungsmitgliedern der „Hansa Stavanger“ im Jahr 2009 besser
gewappnet zu sein. Geiselbefreiungsaktionen sind wegen ihrer hohen Risiken für Leib und Leben der festgehaltenen Besatzungsmitglieder nur als „ultima ratio“ in Betracht zu ziehen.(…)
7. Zusammenfassung „Maßnahmenpaket Pirateriebekämpfung“
Die abgestufte Antwort auf die Herausforderung der Piraterie am Horn von Afrika für Deutschland lautet:
a) kurz- und mittelfristig: optimierte Piraterieabwehr durch militärische Schutzkomponenten
• bündnisgemeinsamer Schutz von Schiffen aller Flaggenstaaten im Konvoi;
• aktiveres Vorgehen gegen Piratenschiffe im Rahmen der EU-Mission ATALANTA;
• präventiver Schutz von Schiffen besonderen Sicherheitsinteresses unter deutscher Flagge durch „Vessel Protection Detachments“ der Marine;
• Verbesserung der Interventionsmöglichkeiten bei gekaperten Schiffen durch spezialisierte Kräfte der Marine und als „ultima ratio“ bei Geiselbefreiungen durch das KSK.b) kurzfristig: Verbesserung und Fortentwicklung der technischen Abwehr- und Schutzmaßnahmen von Schiffen deutscher Reedereien gegen Piratenattacken
c) kurzfristig: restriktivere Informationen zu Frachtrouten, Angaben zu Schiffen und Frachtgut im Internet, welche sich Seepiraten zunutze machen können
d) kurzfristig: Bündelung der polizeilichen Ermittlungsarbeit bei Entführungen von Schiffen deutscher Reedereien beim BKA
e) mittelfristig: Schaffung eines internationalen Strafgerichtshofs zur Überstellung und Verurteilung von Seepiraten
Undjetzt wüsste ich gerne, was der der CDU angehörende Verteidigungsminister von den Überlegungen des Bundesfachausschusses seiner Partei hält…
Nette Vorschläge, nicht viel Neues. Das meiste davon könnte national schon seit Jahren umgesetzt sein. Die Bundesregierung müsste es einfach nur – tun!
Wenn nicht die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien schon seit Beginn der Piraterie-Diskussion so täten, als ob man die Probleme mit der Piraterie nur durch neue Aufgabenzuweisungen oder Rechtsänderungen in den Griff bekäme. Das ist aber nicht nötig: Entweder bekommt die Bundespolizei See, in deren Zuständigkeit Piraterie fällt, endlich mehr vom hierfür erforderlichen Personal und die nötigen Schiffe. Oder die Marine, bei der es die richtigen Schiffe und ebenfalls geeignetes Personal gibt, bekommt den Auftrag. Noch besser wäre es, wenn diese beiden Organisationen auf dem Gebiet der maritimen Kriminalität zusammenarbeiten dürften. Stichwort: Synergieeffekte durch Amtshilfe. Das aber wird von ebendieser Bundesregierung seit Jahren verhindert. Vielleicht, weil es beim Versuch, der Bundeswehr per Grundgesetzänderung mehr Befugnisse im Inneren zu übertragen, stört. Nur: Hier wäre eine Verfassungsänderung gar nicht nötig!
Anstattdessen werden von Zeit zu Zeit solche Thesen veröffentlicht, anstatt das bereits jetzt Machbare anzupacken. Das ist nicht wirklich hilfreich. Man hat den Eindruck, eine Lösung sei gar nicht erwünscht.
Naja, man hoffte vermutlich, das Problem würde sich mit der Zeit von selbst lösen. Also entweder verlieren die Amis die Geduld und bomben da alles platt oder die islamischen Milizen überrennen den Norden und machen dem Geldtreiben ein Ende.
„oder die islamischen Milizen überrennen den Norden und machen dem Geldtreiben ein Ende.“
Das bringt mich auf eine Idee: Es wird ja immer betont, wie wichtig es sei, dass man die strukturellen Probleme im Land löst und nur so ließe sich die Piraterie eindämmen.
Wie wahr! Wir müssen lediglich einen führungsstarken Warlord entsprechend ausrüsten und dabei zusehen, wie sich die Situation beruhigt!
Wenn er erst einmal das Land unter Kontrolle hat, muss er mit seinen Schergen auch nicht mehr zur See fahren und den Welthandel gegen sich aufbringen, um sich mit Devisen zu versorgen.
Das mit der Quelle der Idee ist unvollständig: Dem CDU-Papier ging der identische Forderungskatalog des Reeder-Verbandes (VdR) vom Januar voraus, der jetzt nur 1:1 in CDU-Position transformiert wird (der Forderungskatalog, nicht der VdR, der hat eine CDU ist aber nicht CDU). Im Übrigen ist das völlig überflüssig, die Reedereien kommen sehr gut mit den privaten Security-Firmen aus. Bei Ahrenkiel haben sie mir sogar bestätigt, dass deren Einsatz sogar „kostenneutral“ funktioniert, weil die Schiffe mit den armed guards an Bord auf die Umwege und unwirtschaftlich hohe Fahrtstufen verzichten können. Im Grunde genommen wird der Marine-Einsatz jenseits des direkten Schutzes für WFP damit schon fast überflüssig, eine marktwirtschaftliche Lösung sozusagen.
Das das Problem für die Kauffarteischifffahrt durch den Privatsektor deutlich effizienter zu lösen wäre ist wohl unumstritten. Die Krux sind aber prinzipielle erwägungen zum einsatz von pmc’s (gewaltmonopol etc.) Pragmatisch ist diese abstinenz sicherlich nicht wenn man an die EO aktionen in sierra leone denkt könnte man das piratenproblem auch gleich ursächlich an land lösen (lassen). Aber die deutsche Mentalität kennen wir ja „Fiat iustitia et pereat mundus“
:(
Mit KSK und GSG-9 hat man schon wieder die falsche Abteilung erwischt. Das ist ein Kampfschwimmerjob! Das KSK gehört zum Heer und hat nichts mit Seeeinsätzen am Hut, die GSG-9 hat eine Kampfschwimmerkomponente, welche allerdings eher für Binnengefilde oder die Hafenbereiche gedacht ist, auch wenn sie das könnte…
So schwer ist das nicht, lieber Konzeptverfasser. Auch für einen Laien.
Etwas mehr Pragmatismus wäre da wirklich wünschenswert. Also klemmt den Schiffen ein paar MG’s auf die Reling und gut ist. Gibt genug Guns for Hire. Zur Not rekrutiert sich die UN halt eine nepalesische Begleittruppe oder so. Aus eigenen Ressourcen geht da nicht viel Herr Schünemann, wir haben keine Marineinfanterie.
Wenn das an Land vernünftig (politisch vorbereitet und abgesichert und darauf eine tragfähige Strategie zur Entwaffnung etc.) gemacht wird, wäre sicher allen geholfen. Nur wer traut sich denn in dieses Hornissen-Nest hinein? Reinkommen ist nicht schwer, aber ohne große Blessuren (und damit bei voller Handlungsfähigkeit) wieder raus?
@Niklas
Marineinfantrie haben wir vielleicht nicht, aber der Aufbau des Seebattailons geht stetig voran. ;)
Wenn ich mir die Befreiung des MV Taipan anschaue, dann Frage ich mich warum immer nach KSK, GSG-9 od. KS’lern gerufen wird. Die Befreiung wurde durch niederländische Marines durchgeführt, die in etwa die Qualifikation von spezialisierten Boardingteams haben.
@ Buzz
Das Seebataillon? Ich dachte, wir hätten SEKM und MSK… Also ist ein zusätzliches Bataillon geplant, womit man dann schließlich ein ganzes Regiment hätte, wenn man so will? (Edit: Hab grade nen Alten Artikel hier gesehen, interessant!)
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Gut, wenn die Niederländer das können :) Die haben einen sehr guten „Unterbau“ in Sachen Marineinfanterie, sodass die ein oder andere Operation dieser Art auch durch die Marines gemacht werden kann. Wir sind da noch weit von entfernt.
In der Regel ist es ein Job für Spezialkräfte, wie auch in den meisten Fällen gezeigt.
Ach ja, wenn der Blinde von der Farbe spricht…Gratuliere Herr Minister…
Mehr fällt mir nicht dazu ein. Abgesehen davon, dass MSK und SEKM bereits jetzt hervorragend ausgebildet sind. Man lässt sie nur einfach nicht…Ach was reg ich mich auf…Und täglich grüßt das Murmeltier…
@NMWC, Buzz
Im Einsatz habe ich sowohl Boarding Teams, Vessel Protection Detachments als auch Kampfschwimmer erlebt. Die KS sind absolute Profis, die üben, ausprobieren und verbessern, bis alles sitzt und klappt. Wenn man sich mal den Spaß macht, z.B. Zeiten beim Fast Roping zu stoppen, dann stellt man nämlich fest, dass ein Kampfschwimmerteam komplett an Deck ist und eine Sicherung in derselben Zeit aufgebaut hat, die der erste (!) Soldat eines Boardingteams benötigt, um an Deck zu gelangen und wenigstens mal die Waffe in Anschlag zu bringen. Soviel zu opposed boarding ohne Spezialkräfte.
@ MFG
Was also in erster Linie bedeutet, dass die Bording Teams mehr üben müssen. Ich weiß ja nicht, wieviele Flugstunden die einen bekommen und wieviel die anderen. Aber alleine bei der Betrachtung der Anzahl der verfügbaren Soldaten bedeutet für mich nicht auf Spezialkräfte zurückzugreifen sondern die anderen spezialisierten Kräfte intensiver Ausbilden.
Ich glaube, wir hatten da einige Beispiele auf Video hier im Forum, wie Soldaten Schiffe zurückerobern. Dabei war die Besatzung in sicheren Räumen und die Piraten irgendwo auf dem Schiff. Da sollte es meines Erachtens egal sein, wenn unter Deckung des Marineschiffes dars Boarding-Team eine Minute oder so länger zum abseilen braucht.
Oder irre ich mich?
@Roman
Ich würde sagen, es hängt von zwei Dingen ab: 1.) Leisten die Piraten Widerstand? Ein hovernder Hubschrauber ist auf eine Entfernung von 100-200m zum Deckshaus ein leichtes Ziel… 2.) Wieviel Gewalt darf die Deutsche Marine einsetzen? Punkt 1. hat sich nämlich erledigt, wenn wie bei den Koreanern die Aufbauten zerschossen werden, so dass ohnehin fast alle Piraten tot oder verwundet sind. Die Frage ist dann aber, was unsere Öffentlichkeit daraus macht…
Die intensivere Ausbildung wäre natürlich richtig, bedeutete aber auch, dass sich die relevanten Führungsebenen mit der Realität auseinandersetzen und evtl. eigene Versäumnisse eingestehen müssten.