Zum Tag der Seeleute: Sie sind die Geiseln…
Die International Maritime Organisation (IMO) hat den 25. Juni zum Tag der Seeleute (Day of the Seafarer) ausgerufen und – neben vielen anderen – auch die Internet-Community zum Mitmachen ausgerufen. Nun hat dieses Blog mit Seefahrt selbst nicht so viel zu tun – aber es gibt eine wichtige Gemeinsamkeit: Die Piraterie am Horn von Afrika ist nicht nur eine Angelegenheit der Piraten, der Schiffseigner und der Seestreitkräfte, die versuchen, dieses Problem unter Kontrolle zu bekommen. Es betrifft einige hundert Menschen viel existentieller: Die Seeleute, zum allergrößten Teil aus der Dritten Welt, die als Besatzungen auf den gekaperten Schiffen fahren und als Geiseln über lange Monate in der Hand der Seeräuber sind.
Denn die werden, wenn das Thema Piraterie in Deutschland überhaupt wahrgenommen wird, noch am wenigsten zur Kenntnis genommen. 42 Schiffe mit mindestens 635 Geiseln, meldet die Organisation Ecoterra als aktuellen Stand der Seeleute in Seeräuberhand – eine Zahl, die erfahrungsgemäß immer höher liegt als die offiziellen Zahlen der IMO, des Piracy Reporting Centre oder der EU-Antipirateriemission Atalanta: Manche kleinen Küstensegler, meist Dhaus, wurden von den Piraten gekapert, ohne dass das von staatlichen Stellen je registriert wurde und damit in die offiziellen Statistiken Eingang fand.
Welche Zahlen auch korrekt sein mögen: Hunderte sind es auf jeden Fall. Und sie kommen zum überwiegenden Teil von den Phillipinen, aus Bangla Desh, Sri Lanka, vielleicht auch aus Indien. Aus den reichen Industriestaaten des Westens kommen die wenigsten – und das führt zu einem üblen Paradox: Gerade die Staaten, deren Staatsbürger in größter Gefahr sind, von Piraten als Geiseln genommen zu werden, sind die Staaten, die am wenigsten über die (militärische) Macht zur Befreiung ihrer Staatsbürger verfügen.
Wenn ein Schiff unter US-Flagge wie die Maersk Alabama gekapert wird, wird der Kapitän zur Not von Marines frei geschossen; wenn ein deutsches Schiff wie die Hansa Stavanger in Piratenhand ist, läuft eine große Maschinerie an, die Geiseln zu befreien (dass es dann doch nicht geklappt hat, ist eine andere Geschichte). Doch von der philippinischen Kriegsmarine, die Kreuzer in Marsch setzt, um ihre Leute rauszuholen, habe ich noch nichts gelesen.
(Bei anderen asiatischen Staaten ist das ein wenig anders – und im Vergleich zu EU oder NATO haben vor allem Inder und Südkoreaner gezeigt, dass sie bei Befreiungsaktionen wenig zimperlich sind. Nicht immer zum Vorteil der Geiseln.)
Strich drunter: Im Hinblick auf den Day of the Seafarer wäre es gut, mal an die zu denken, die als meist billige Arbeitskraft die Warenströme in die Industriestaaten sichern. Und am Horn von Afrika Monate auf festliegenden gekaperten Frachtern in glühender Hitze unter übelsten Bedingungen ausharren. Bis die Verhandlungen über die Freilassung ihres Schiffes abgeschlossen sind.
Die IMO fährt derzeit übrigens eine parallele Kampagne unter dem Motto Piracy – IMO Orchestrating the Response. Die Details kenne ich noch nicht. Aber ein einheitliches Vorgehen aller Beteiligten wäre langsam wirklich an der Zeit…
„Day of the Seafarer“ – Wie schön! Darauf können sich die Seeleute aber freuen, dass sie jetzt auch ihren „Tag“ haben im Weltkalender – zusammen mit dem Welttierschutztag – oder dem Weltfrauentag, dem Weltnudeltag oder was auch immer für ein Tag….
Lächerlich!
Überhaupt die IMO – jetzt auch noch zu behaupten:
zeugt von nicht zu überbietender Selbstüberschätzung.
Es wäre ja wirklich seit langem eine der dringendsten Aufgaben der IMO, für ein international abgestimmtes und effektives Vorgehen gegen die Piraterie am Horn von Afrika zu sorgen. Meetings und Konferenzen sind schon mehr als genug abgehalten worden. Aber außer viel heißer Luft und Unmengen von bedrucktem Papier aus London ist da bisher nichts Erkennbares herausgekommen.
Dass ich nicht der Einzige bin, der NICHTS von der IMO „Orchestrierung“ hält, kann man auch auf Shiptalk.com nachlesen.
Fazit: