Minderheitensport? Oder Bewährungsprobe?

Der Titel lädt, leider, zu einem Missverständnis ein. Bewährungsproben einer Nation hat Christoph Schwegmann das von ihm herausgegebene Buch über Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland überschrieben – und vielleicht liegt es an der früheren Tätigkeit des Herausgebers als Zuständiger für Strategische Kommunikation im Büro des Verteidigungsministers, dass er in diese Falle läuft: Bewährungsproben der Nation, das sind im Verständnis der meisten Deutschen in diesen Tagen Krisen der EU und des Euro, die Frage von Aufschwung und Wirtschaft, der Ölpreis und vielleicht auch noch – zwischendurch – gefährliche Bakterien, die das blitzblanke Land nicht in den Griff bekommt. Aber Einsätze der Bundeswehr im Ausland? Militär als Mittel der Außenpolitik? Ist das eine Bewährungsprobe?

Auf die Frage nach der Wichtigkeit politischer Probleme kommt bei spontaner, offener Nennung die Außen- und Sicherheitspolitik im Allgemeinen und der Krieg in Afghanistan im Besonderen überhaupt nicht vor. Seit dem Ende des Kalten Krieges messen die westlichen Gesellschaften der Sicherheitspolitik und dem Militärischen einen immer geringeren Stellenwert zu schreibt denn auch Michael Rühle, bei der NATO für die Beobachtung neuer, wachsender Bedrohungen zuständig, in seinem Beitrag für Schwegmanns Buch. (…..) Diese Missionen trotz ihrer geographischen Distanz und ihres scheinbar diffusen Charakters gleichwohl als unmittelbar relevant für die eigene nationale Sicherheit zu vermitteln, bleibt die große Herausforderung der vergangenen Jahre. Gelingen kann dies nur, wenn Sicherheitspolitik von den Verantwortlichen thematisiert und zugleich offensiv für den als richtig erachteten Weg geworben wird.

Oder, wie ich meinen (journalistischen) Arbeitsbereich bisweilen umreiße: wir betreiben Minderheitensport, sollten aber versuchen, den aus dieser Nische herauszuholen.

Unter der Prämisse, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr unmittelbar relevant für die eigene nationale Sicherheit sind und damit tatsächlich Bewährungsproben einer Nation, bekommt dieses Buch seinen Charme. Nicht nur, weil es aus dem Bundestag die ganze Bandbreite der Fraktionen und Meinungen versammelt – wo sonst stehen Andreas Schockenhoff (CDU) und Paul Schäfer (Die Linke) mit ihren jeweiligen Haltungen zu Missionen deutscher Streitkräfte auf so engem Raum nebeneinander? Sondern vor allem, weil hier einige aus ihrer Erfahrung berichten, die in den vergangenen Jahren die politische, rechtliche und faktische Vorbereitung eines Auslandseinsatzes mit organisiert haben. Und deutlich machen, wie komplex das Gefüge ist, das dem tatsächlichen Marschbefehl vorausgeht.

Natürlich, auch das gehört zu einem solchen Buch, wiederholt sich manches, was in der öffentlichen Debatte schon angeführt wurde. Doch wenn Christian Freuding, Oberstleutnant im Planungsstab des Verteidigungsministeriums, klagt: Welche Waffensysteme einzusetzen sind, ist eigentlich eine taktische, militärfachliche Problemstellung, die die Kommandeure im Einsatzland oder die Bundeswehrführung für sich entscheiden müssten. Weil dies sich aber zur Instrumentalisierung in einer politischen Debatte eignet, werden diese Fragen dennoch oft von Politikern und anhand politischer Überlegungen beantwortet ist das zwar nicht unbedingt neu, aber eben auch bislang eine vergebliche Klage gewesen. Die deshalb in dieser Debatte immer wieder ihren Platz hat.

Unterm Strich: Wer – zu Recht – moniert, dass viele Verantwortliche in Politik und wichtigen Fach-Funktionen zwar immer wieder die Diskussion über Auftrag, Rolle und Einsätze der Bundeswehr fordern, sie aber meistens selber nicht führen, kommt vielleicht mit diesem Buch ein Stück weiter. Ob er die Frage der Entsendung deutscher Soldaten ins Ausland nun als Bewährungsprobe einer Nation ansieht oder nicht.

Christoph Schwegmann (Hrsg.): Bewährungsproben einer Nation – Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland. Mit einem Vorwort von Volker Rühe. Duncker&Humblot, Berlin. 18 € (Buch), 16 € (E-Book), 28 € (Buch + E-Book)

(Randbemerkung: Über neue Bücher schreibe ich recht selten. Allein schon aus Gründen der Faulheit. Nur mal zum Sagen.)