Minderheitensport? Oder Bewährungsprobe?
Der Titel lädt, leider, zu einem Missverständnis ein. Bewährungsproben einer Nation hat Christoph Schwegmann das von ihm herausgegebene Buch über Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland überschrieben – und vielleicht liegt es an der früheren Tätigkeit des Herausgebers als Zuständiger für Strategische Kommunikation im Büro des Verteidigungsministers, dass er in diese Falle läuft: Bewährungsproben der Nation, das sind im Verständnis der meisten Deutschen in diesen Tagen Krisen der EU und des Euro, die Frage von Aufschwung und Wirtschaft, der Ölpreis und vielleicht auch noch – zwischendurch – gefährliche Bakterien, die das blitzblanke Land nicht in den Griff bekommt. Aber Einsätze der Bundeswehr im Ausland? Militär als Mittel der Außenpolitik? Ist das eine Bewährungsprobe?
Auf die Frage nach der Wichtigkeit politischer Probleme kommt bei spontaner, offener Nennung die Außen- und Sicherheitspolitik im Allgemeinen und der Krieg in Afghanistan im Besonderen überhaupt nicht vor. Seit dem Ende des Kalten Krieges messen die westlichen Gesellschaften der Sicherheitspolitik und dem Militärischen einen immer geringeren Stellenwert zu schreibt denn auch Michael Rühle, bei der NATO für die Beobachtung neuer, wachsender Bedrohungen zuständig, in seinem Beitrag für Schwegmanns Buch. (…..) Diese Missionen trotz ihrer geographischen Distanz und ihres scheinbar diffusen Charakters gleichwohl als unmittelbar relevant für die eigene nationale Sicherheit zu vermitteln, bleibt die große Herausforderung der vergangenen Jahre. Gelingen kann dies nur, wenn Sicherheitspolitik von den Verantwortlichen thematisiert und zugleich offensiv für den als richtig erachteten Weg geworben wird.
Oder, wie ich meinen (journalistischen) Arbeitsbereich bisweilen umreiße: wir betreiben Minderheitensport, sollten aber versuchen, den aus dieser Nische herauszuholen.
Unter der Prämisse, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr unmittelbar relevant für die eigene nationale Sicherheit sind und damit tatsächlich Bewährungsproben einer Nation, bekommt dieses Buch seinen Charme. Nicht nur, weil es aus dem Bundestag die ganze Bandbreite der Fraktionen und Meinungen versammelt – wo sonst stehen Andreas Schockenhoff (CDU) und Paul Schäfer (Die Linke) mit ihren jeweiligen Haltungen zu Missionen deutscher Streitkräfte auf so engem Raum nebeneinander? Sondern vor allem, weil hier einige aus ihrer Erfahrung berichten, die in den vergangenen Jahren die politische, rechtliche und faktische Vorbereitung eines Auslandseinsatzes mit organisiert haben. Und deutlich machen, wie komplex das Gefüge ist, das dem tatsächlichen Marschbefehl vorausgeht.
Natürlich, auch das gehört zu einem solchen Buch, wiederholt sich manches, was in der öffentlichen Debatte schon angeführt wurde. Doch wenn Christian Freuding, Oberstleutnant im Planungsstab des Verteidigungsministeriums, klagt: Welche Waffensysteme einzusetzen sind, ist eigentlich eine taktische, militärfachliche Problemstellung, die die Kommandeure im Einsatzland oder die Bundeswehrführung für sich entscheiden müssten. Weil dies sich aber zur Instrumentalisierung in einer politischen Debatte eignet, werden diese Fragen dennoch oft von Politikern und anhand politischer Überlegungen beantwortet ist das zwar nicht unbedingt neu, aber eben auch bislang eine vergebliche Klage gewesen. Die deshalb in dieser Debatte immer wieder ihren Platz hat.
Unterm Strich: Wer – zu Recht – moniert, dass viele Verantwortliche in Politik und wichtigen Fach-Funktionen zwar immer wieder die Diskussion über Auftrag, Rolle und Einsätze der Bundeswehr fordern, sie aber meistens selber nicht führen, kommt vielleicht mit diesem Buch ein Stück weiter. Ob er die Frage der Entsendung deutscher Soldaten ins Ausland nun als Bewährungsprobe einer Nation ansieht oder nicht.
Christoph Schwegmann (Hrsg.): Bewährungsproben einer Nation – Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland. Mit einem Vorwort von Volker Rühe. Duncker&Humblot, Berlin. 18 € (Buch), 16 € (E-Book), 28 € (Buch + E-Book)
(Randbemerkung: Über neue Bücher schreibe ich recht selten. Allein schon aus Gründen der Faulheit. Nur mal zum Sagen.)
Um die unmittelbar Relevants für die nationale Sicherheit der BRD zu vermitteln, müsste man lügen und genau das geschieht.
Am Ende entscheiden die Abgeordneten im BT und in deren Wahlkeisen ist AFG eben kein Thema! Das Gegenteil ist der Fall, wer es zum Thema macht und die AFG Mission positiv bewertet verliert Wähler!
Im Übrigen belegt die Situation in AFG die Bürger! Wenn man den Terrorismus ernsthaft bekämpfen will dann wäre es wohl zielgerichteter Saudi Arabien mit Sanktionen zu belegen, aber diese Geschäfte möchte man sich im Moment nicht entgehen lassen! Lieber opfert man noch ein paar Menschen in AFG und kauft den Saudis das Öl ab!
Bei der Bw werden 8 Milliarden gespart und Merkel plant Steuerrabatt von sieben Milliarden Euro!
„Das politische Schlagwort Friedensdividende bezeichnet die Entlastung des Staatshaushaltes durch von Senkung der Rüstungs- und Verteidigungsausgaben.“
(Wiki)
So bekommt man Wähler und nicht mit einer unangenehmen Debatte um Auftrag und Ausstattung der Bw!
Unter der Prämisse, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr unmittelbar relevant für die eigene nationale Sicherheit sind und damit tatsächlich Bewährungsproben einer Nation, …
Unter falschen Prämissen wie den obigen kann man alles begründen.
Auslandseinsätze wie der in Afghanistan verringern unsere nationale Sicherheit da sie uns zum Ziel von Terroranschlägen machen. „Bewährungsprobe einer Nation“ ist ein Propagandaslogan für Stumpfbacken der eher in die Zeit von ca 1914 oder auch 1939 passt.
Ein Buch und eine Politik die nicht erstmal diese Prämissen diskutiert ist am Thema vorbei. Die Diskussion um Sicherheitspolitik muss bei eben diesen Prämissen anfangen. Die werden aber von der Politik (man hat den Eindruck auf Anweisung Washingtons) aber einfach hingeplappert und als vorausgesetzte ewige Wahrheit präsentiert. So kann man niemanden davon überzeigen.
Na, schauen wir erst einmal, was drin steht. Auf jeden Fall ein richtiger Ansatz. Mit Vorverurteilungen, wie b sie vornimmt, sollte man immer vorsichtig sein.
Die Autorenliste ist zumindest vielversprechend, wenn man Einäugige zu den Sehenden zählt.
Ein Kapitel/Autor fehlt mir schon jetzt:
Egon Ramms: Ein ungeschminkter Blick auf die politische und militärische Realität er Auslandseinsätze der Bundeswehr!
Ich werde in der Bibliothek wohl mal einen Blick hineinwerfen. Optimistisch bin ich aber nicht.
Stichwort „Bewährungsprobe“: Nur der Ernstfall gibt zuverlässig Auskunft über die Qualität einer Armee und der politischen Führung, deren Willen sie ausführt. Ob es aber eine gute Idee es, wenn man die Verantwortlichen in öffentlichen Darstellungen selbst das Urteil formulieren lässt? Kann man dabei mehr Tiefgang und analytische Schärfe erwarten als in Wahlkampfreden?
Gegen das Buch spricht schon seine Grundthese, dass die diversen Auslandseinsätze „unmittelbar relevant für die eigene nationale Sicherheit“ seien und es nur ein Vermittlungsproblem gebe. Man hat also eigentlich immer alles richtig gemacht? Für Reflektionsbereitschaft spricht dies auf jeden Fall nicht. Schriften aus der Hand aktiver Politiker (die ja die meisten der Autoren stellen) neigen ohnehin dazu, langweilige Rechtfertigungstexte zu sein.
Viel interessanter wäre m.E. ein Band mit verschiedenen Perspektiven aus der Hand von Autoren mit entsprechendem fachlichem Hintergrund, die auf Durchführungsebene vor Ort dabei waren und sich unter Pseudonym frei äußern. Ich glaube, dass z.B. ein Kompaniechef der Infanterie mit Kunduz-Erfahrung sich um einiges tiefgründiger zur Lage und den Herausforderungen äußern könnte als alle momentan aktiven Bundestagsabgeordneten. Und wer Texte von Generalen (oder i.Gs., die es noch werden wollen) kennt, der weiss, wie zurückhaltend diese Ebene u.a. aufgrund der Möglichkeit ihrer jederzeit möglichen Abberufung agiert.
Man sollte sich m.E. nichts vormachen: Wer noch Karriere machen will, wäre dumm, wenn er unter Klarnamen Klartext spricht. Das ist übrigens einer der Gründe dafür, warum diverse Fehlentwicklungen kaum noch korrigierbar sind. Selbst wenn es qualifizierte Entscheidungsträger in Berlin gäbe, so sorgt das System durch seinen Konformitätsdruck und seine Filter dafür, dass schlechte Nachrichten und realistische Lageberichte diese gar nicht erreichen könnten. So erklärt sich vermutlich auch die Ansicht, dass es nur ein Vermittlungsproblem gebe.
@ Orontes | 25. Juni 2011 – 19:07
Richtige Einwände. Es handelt sich im Prinzip bei allen Autoren dieses Buches um Einäugige, denen wesentliche Bildung/Erfahrung/Unabhängigkeit fehlt.
Nur ist das alles kein Grund, sich diese Sichtweise nicht mal anzusehen. Zudem ist es zu begrüßen, dass hier die Politik, die eben eine Parlamentsarmee in den Einsatz schickt, den Versuch startet, ihre Motivationen zu erklären. Schon daran fehlt es in Deutschland.
Dass man das quellenkritisch einordnen muss, ist selbstverständlich.
Das von Ihnen skizzierte anonyme Buch der Feldkommandeure wird es leider nie (veröffentlicht) geben, da man auch ohne Namen herausfinden würde, wer dahinter steht. So wichtig so etwas auch wäre. Leider hat die politische und militärische Führung dafür zu deutlich klar gemacht, dass sie an einer realitätsnahen Lagebildeinschätzung nicht interessiert ist.
@Sun Tzu
„Es handelt sich im Prinzip bei allen Autoren dieses Buches um Einäugige, denen wesentliche Bildung/Erfahrung/Unabhängigkeit fehlt. “
Ich wollte keinen der Autoren persönlich angehen, aber vor allem der Faktor „mangelnde Unabhängigkeit“ wiegt m.E. schwer. Bei Politikern gehört die „zielgruppengerechte Darstellung“ ja zum Job und man sollte nichts anderes erwarten. Gerade bei sicherheitspolitischen Themen habe ich es aber persönlich auch in anderen Bereichen erlebt (nicht nur in der Bundeswehr), wie gefiltert wird. Einige anonymisierte Beispiele, die beschreiben, wie es um die Auseinandersetzung mit sicherheitspolitischen Themen in Deutschland steht:
– Die Führung einer bestimmten Institution verdankt ihre Position politischen Entscheidungen. Sie ist daher sehr vorsichtig, Material zu liefern, was die Entscheidungsträger schlecht dastehen ließe, oder mit dem sie ihre Entscheidungen nicht rechtfertigen könnten. Also tut sie es auch nicht und übt mehr oder weniger dezenten Druck nach innen aus, damit alles auf Linie bleibt.
– Eine andere Institution rekrutiert sich aus einem bestimmten Millieu, das sich durch einen engen und starren Gruppenkonsens auszeichnet. Sie selbst sind stolz darauf un meinen, damit bestimmte „Werte“ hochzuhalten. Man muß hier gar nicht mehr aktiv zensieren, weil alle sowieso das gleiche denken, und dies auch unabhängig von den Informationen tun, die sie aufbereiten und auswerten sollen.
– Eine wiederum andere Institution steht im Wettbewerb um Beratungsaufträge, Projekte oder Berufungen in Kommissionen etc. Kein guter Geschäftsmann verärgert jedoch potentielle Kunden.
– Der Mitarbeiter einer Institution hat sich zuweit vorgewagt und gilt dort jetzt als „nicht mehr vermittelbar“. Also schreibt er einen Beitrag, dessen eigentlicher Zweck darin besteht, den richtigen Leuten gegenüber die richtigen Stichwörter fallen zu lassen.
– Bei noch einer anderen Institution (die sich offiziell wissenschaftlich gibt) sollen sogar höchste Regierungsstellen direkt in Personalentscheidungen eingreifen, wenn Mitarbeiter ihren Verstand in öffentlichen Äußerungen zu unabhängig gebrauchen.
Einige dieser Beispiele haben übrigens mehr oder weniger direkte Relevanz für den hier angesprochenen Sammelband.
So kann man fast die ganze deutsche „strategic community“ durchgehen: Man ist jederzeit staatstragend, verlässt den großen Konsens nicht, hat einen sicheren Job und ist todlangweilig bis irrelevant. In diesem Zusammenhang hoffe ich immer noch darauf, dass sich kritische Journalisten mal des einen oder anderen Vorgangs annehmen, aber man sollte sich auch als Journalist ja nicht zuviele Feinde machen. Sonst klappt es nicht mit den Journalismus-Preisen (Tschuldigung, musste sein).
@ Orontes | 25. Juni 2011 – 19:48
Da will ich doch mal wieder eine Gretchenfrage stellen:
Wenn unser Land so geführt wird, wie Sie es beschreiben: Wo ist dann noch der Unterschied zu den Strukturen der DDR?
Wer als „Dissident“, also als nicht 100%ig linientreu in Erscheinung tritt, wird gnadenlos abgestraft und beruflich, oft sogar in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Existenz vernichtet.
Wo ist da noch die pluralistische freiheitlich demokratische Grundordnung, die man als Soldat gelobte/schwor, zu verteidigen?
Was ist aus der Freiheit geworden, wenn alle in Abhängigkeit gefangen sind und freies Denken sofort bestraft wird?
@Sun Tzu
„Wo ist dann noch der Unterschied zu den Strukturen der DDR?“
Ohne zu sehr dramatisieren zu wollen: Das System der DDR sorgte dafür, dass der Apparat am Ende aufgrund des durch ihn aufgebauten Konformitätsdrucks auch nicht mehr wusste, wie die Lage tatsächlich aussieht, und ebenso zur Selbstkorrektur unfähig war. Natürlich waren die Methoden, mit denen die DDR-Strukturen operierten, deutlich extremer, aber die Logik war teilweise nicht viel anders.
Die Stärke freiheitlicher Demokratien gegenüber solchen Systemen liegt theoretisch im ständigen Wettbewerb, zu dem sie alle Beteiligten zwingt, und der durch weitreichende Transparenz und Pluralismus begünstigt wird. In Wettbewerben gibt es aber auch Verlierer, weshalb nicht jeder von Wettbewerb und Pluralismus etc. begeistert ist. Eine Antwort darauf sind Kartelle oder andere informelle Strukturen, die Wettbewerb unterdrücken. Die Methoden, mit denen man Herausforderer des Kartell-Konsenses (wenn sie überhaupt so weit kommen) erledigt, sind ja bekannt. Solche Kartelle findet man in Deutschland auf vielen Gebieten, und das Feld der Sicherheitspolitik ist m.E. noch nicht einmal am schlimmsten betroffen.
Am effektivsten wird ein Kartell übrigens dann, wenn es weitreichende Abhängigkeiten schafft und gleichzeitig dafür sorgt, dass alle Beteiligten sich irgendwie die Hände schmutzig machen (etwa indem man von ihnen fordert, Unwahrheiten zu verbreiten). Dann hat man eine sehr feste Struktur, aus der niemand mehr so ohne weiteres aussteigen kann, und in der es auch für gut informierte Beteiligte wesentlich einfacher ist, noch eine Zeit lang so weiter zu machen und zu hoffen, dass der Offenbarungseid erst durch den Nachfolger geleistet werden muss. Wenn es so weit ist, wird das Netzwerk dann sowieso weiter funktionieren und einen nicht an das eigene Geschwätz von gestern erinnern.
Falls jetzt der OT-Eindruck entstehen sollte: Der Bezug zum Thema Sicherheitspolitik bzw. Afghanistan ist jederzeit konkretisierbar.
Der Titel, „Bewährungsproben einer Nation“ scheint mir wenig greifbar. Worin könnte sich eine ganze Nation bewähren, die aus 80 Millionen Individualisten besteht. Personen oder Gruppen können sich bewähren. Insofern könnte man nach der Bewährung der Politiker und Abgeordneten fragen, die seit 1994 für den Einsatz deutscher Soldaten Verantwortung tragen und die sich auf diesem Gebiet einer Bewährungsprobe zu stellen hatten. In diesem Zusammenhang fällt das Urteil dann doch eher mäßig aus:
„Der Afghanistan-Einsatz ist zum Musterfall strukturellen Politikversagens geworden. An ihm lässt sich zeigen, was alles im Argen liegt.“ So Dr. Klaus Naumann in seinem Buch:“Einsatz ohne Ziel“ Insgesamt stellt er die Strategiefähigkeit der politischen Klasse in Deutschland in Frage. Sie habe „den Übergang von der Landesverteidigung zur Sicherheitsvorsorge bisher nicht bewältigt“, so Naumann.
Aber so ist er halt, der deutsche Abgeordnete. Er beschäftigt sich eben lieber mit Mikromanagement und nicht so sehr mit strategischen Zielsetzungen. In Zeiten von Umbrüchen und Herausforderungen reicht die Fähigkeit zur Systemverwaltung eben nicht mehr aus. Woher aber sollen so plötzlich die guten Funktionseliten kommen. Aus unserem Parteiensystem?
Orontes | 25. Juni 2011 – 20:48
Ich kann Ihre Analyse leider nicht widerlegen.
Nur wie sind diese faktischen Staatsstrukturprinzipien, die offenbar schleichend eingeführt wurden, noch damit in Einklang zu bringen?
„Artikel 20 GG
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“
Offenbar geht mutmaßlich die Staatsgewalt nicht mehr vom Volke aus, sondern von Machtoligarchen in Parteien/Bürokratie. Oder wo liegt mein Denkfehler?
Und wenn eklatant gegen Artikel 20, Abs. 1 bis 3 GG verstoßen wird, verpflichtet das nicht zu Art. 20(4) GG? Gilt das Gebot dieses Artikels nicht gerade für Soldaten, die zusätzlich noch einen Eid geleistet haben?
„(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Wird möglicherweise gerade schleichend die grundgesetzlich vorgeschriebene Ordnung Stück für Stück beseitigt? Dazu passt dann auch dieses Verhalten der Regierung: http://augengeradeaus.net/2011/06/das-korrumpierte-gedachtnis-der-demokratie/
Liegen die wirklichen Bewährungsproben unserer Nation vielleicht gerade nicht in Afghanistan oder Libyen, sondern hier bei uns? Bei unserer Demokratie und der Art und Weise, wie sie gelebt und verteidigt wird?
@Sun Tzu
„Wird möglicherweise gerade schleichend die grundgesetzlich vorgeschriebene Ordnung Stück für Stück beseitigt?“
Jetzt werde ich doch OT: Diese mutmaßliche Beseitigung erfolgt m.E. keinesfalls nur schleichend. Es war z.B. das erklärte Ziel der meisten Bundesregierungen, im Konflikt (aber nach Ansicht der Gerichte nicht im Verstoß) zu Art. 20 Abs. 2 GG die Staatsgewalt vom Volke bzw. seinen gewählten Repräsentanten auf transnationale Organisationen zu übertragen, die im Fall der EU keiner Kontrolle unterliegen und auf Kosten deutscher Interessen in großem Umfang mutmaßlichen Rechtsbruch begehen (eine wichtige Klage läuft noch). Diese Übertragung erfolgte zudem unter massiver Desinformation der Bevölkerung, Stichwort z.B. „Transferunion“. Wo wir wieder beim Stichwort „Kartell“ sind: Alle Parteien im Bundestag unterstützen diesen Kurs im Wesentlichen. Wo Opposition aber nur noch theoretisch stattfinden kann, ist auch demokratische Kontrolle defacto außer Kraft gesetzt. Aber man meint ja auch hier, nur ein „Vermittlungsproblem“ zu haben.
Was Art. 20 Abs 4 GG angeht: Dieser dürfte einer der fragwürdigsten im ganzen GG sein, denn eine Regierung, die die Voraussetzung dafür schafft dass man sich auf diesen Artikel berufen könnte, würde wohl kaum dulden, dass jemand dies auch tatsächlich tut. Der Artikel ist also (wie so manches im GG) eher symbolisch gemeint und hätte besser in eine politische Erklärung gepasst als in einen Gesetzestext.
„Liegen die wirklichen Bewährungsproben unserer Nation vielleicht gerade nicht in Afghanistan oder Libyen, sondern hier bei uns? Bei unserer Demokratie und der Art und Weise, wie sie gelebt und verteidigt wird?“
Meiner Ansicht nach braucht man hinter diese Sätze keine Fragezeichen zu stellen.
@Sun Tzu,
was Sie beschreiben, könnte man Verfassungshochverrat nennen. Der Verfassungshochverrat bezeichnet sämtliche Änderungen und Beseitigungen des Wesensgehaltes der Verfassung wie die freiheitliche Demokratie, den Rechtsstaat und die Grundrechte. Er findet nach meiner Ansicht gerade, zumindest im Ansatz, auf dem Gebiet der „Euro-Rettung“ statt. Hier wird in zunehmendem Maße das Budget-Recht des Bundestages infrage gestellt. Im Bereich der Sicherheitspolitik könnte man davon sprechen, wenn die Verteidigungsfähigkeit des Landes nicht mehr gewährleistet ist. Das kann ich aber noch nicht erkennen.
@ Orontes | 25. Juni 2011 – 21:38
“Liegen die wirklichen Bewährungsproben unserer Nation vielleicht gerade nicht in Afghanistan oder Libyen, sondern hier bei uns? Bei unserer Demokratie und der Art und Weise, wie sie gelebt und verteidigt wird?”
Meiner Ansicht nach braucht man hinter diese Sätze keine Fragezeichen zu stellen.
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Und nun? Wir erklären hier gerade unsere freiheitliche demokratische Grundordnung für gefallen!
Ohne das Buch zu kennen, bin ich sehr daran interessiert zu lesen, was Herr Dr. Freuding sonst noch so beigetragen hat.
Denn er ist ein Fachmann und überaus analytisch denkender Mensch, der zudem auch über reichlich Afghanistanerfahrung verfügt.
@Sun Tzu
„Wir erklären hier gerade unsere freiheitliche demokratische Grundordnung für gefallen!“
Na ja, „bedroht“ fände ich angemessener. Zwar funktionieren wichtige Kontroll- und Korrekturmechanismen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt, aber wenn ich Streit mit meinem Nachbarn hätte, würde der Rechtsstaat m.E. wohl noch funktionieren, und die Müllabfuhr kommt sogar hier in Berlin auch immer noch regelmäßig.
Um zum Thema zurückzukommen: Im Bereich Sicherheitspolitik funktionieren diese Mechanismen m.E. eben nicht mehr. Minister de Maiziere bekräftigte jüngst ja nocheinmal, dass es unter seiner Verantwortung passieren könne, dass Deutschland „auf Anfrage“ in Kriege in Pakistan, in Libyen oder im Jemen hineingezogen werden könnte, und der Einwand der Opposition bestand im Wesentlichen darin, wegen Deutschlands „Verantwortung“ auf eine raschere Beteiligung an einer Libyen-Intervention zu drängen.
Das kommt dabei raus wenn man in wichtigen Frage wie den eigenen Selbstverständnis, Zielen und dazu notwendigen Maßnahmen keine klare Antwort hat.
Wer sind wir, was wollen wir, welche Ziele haben wir?
Was sind wir bereit dafür zu tun ?
Dann beantwortet sich der Rest.
@Politikverdruss
was Sie beschreiben, könnte man Verfassungshochverrat nennen. Der Verfassungshochverrat bezeichnet sämtliche Änderungen und Beseitigungen des Wesensgehaltes der Verfassung wie die freiheitliche Demokratie, den Rechtsstaat und die Grundrechte.
Auch bei unserem Thema wurde das GG gebrochen (politisch korrekt sagt man gebeugt)!
Grundlage für die Teilnahme der Bw in AFG
Artikel 24
(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.
Dieser Artikel kann umöglich den Artikel 87a aushebeln sondern ihn nur ergänzen!
.Artikel 87a.
(1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.
(3) Die Streitkräfte haben im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle die Befugnis, zivile Objekte zu schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist. Außerdem kann den Streitkräften im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle der Schutz ziviler Objekte auch zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen werden; die Streitkräfte wirken dabei mit den zuständigen Behörden zusammen.
(4) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.
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Der Geist des GG ist gegründet mit den Erfahrungen der Geschichte. Um in der Zukunft nicht wieder Blendern auf den Leim zu gehen die für einen Krieg immer eine Begründung finden, haben die Väter des GG den Einsatz der Bw so eng geregelt!
Es wurde ständig ausgehebelt und nun sagt TDM auch noch, dass die Bw auch ohne BRD Interesse eingesetzt werden kann.
Konsequent wäre dann den Artikel zu streichen und die Bw nach belieben des Bundestages ohne Zweidrittelmehrheit einzusetzen.
Die Charta der VN, der die Bundesrepublik Deutschland 1973 mit Zustimmung des Gesetzgebers beigetreten ist, sieht vom Sicherheitsrat zu beschließende und durchzuführende militärische Zwangsmaßnahmen in Art. 42 SVN ausdrücklich vor.
1994 hat das BVerfG Out-of-area-Einsätze ausdrücklich gebilligt und mit dem GG als vereinbar angesehen. Als Schutz vor exzessiver Nutzung durch die Exekutive wurde der Parlamentsvorbehalt bestimmt. Ich kann eine Grundgesetzwidrigkeit nicht erkennen.
Ich kann ja Ihre Sorgen vor einem ausufernden Interventionismus verstehen, aber können wir uns aus diesem Geflecht von Verpflichtungen einfach wieder zurückziehen? Besonders auf dem Hintergrund der Bündnissolidarität, die wir während des „kalten Krieges“ selbst erfahren haben. Und macht das Sinn angesichts einer zunehmenden „Entgrenzung“ (Münkler) von Konflikten.
@Politikverdruss
„Die Charta der VN, der die Bundesrepublik Deutschland 1973 mit Zustimmung des Gesetzgebers beigetreten ist, sieht vom Sicherheitsrat zu beschließende und durchzuführende militärische Zwangsmaßnahmen in Art. 42 SVN ausdrücklich vor.“
Ja, hat die BRD aber sie hat ihre Streitkräfte nur zur Verteidigung aufgestellt und die Charta verpflichtet die BRD nicht zur Teilnahme an militärische Zwangsmaßnahmen!
„1994 hat das BVerfG Out-of-area-Einsätze ausdrücklich gebilligt und mit dem GG als vereinbar angesehen“
Aber eben nicht grundsätzlich sondern für den zu verhandelnden Fall.
Wenn das deutsche Volk es möchte, dann kann man doch das GG ändern!
Besonders auf dem Hintergrund der Bündnissolidarität, die wir während des „kalten Krieges“ selbst erfahren haben. Und macht das Sinn angesichts einer zunehmenden „Entgrenzung“ (Münkler) von Konflikten.
Wir sind dem Bündnis gegenüber solidarisch! Teile – NATO entgrenzt im Moment die Konflikte oder hat ein Afghane/Libyer die NATO angegriffen?