Fotos vom Krieg: Simon Klingert auf Augen geradeaus!

An verschiedenen Stellen habe ich schon drauf hingewiesen: Ich bin kein Kriegsreporter. Sondern ein politischer Reporter, der die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik im Blick hat und von Zeit zu Zeit in die Krisengebiete fährt, um aus erster Hand mitzubekommen, wie deutsche Soldaten dort agieren. In meiner Berichterstattung aus Deutschland bin ich – wie so viele deutsche Medien – deshalb auf die Kollegen angewiesen, die sehr viel Zeit in den Kriegs- und Krisenregionen verbringen. Meist Fotografen.

Mit einem dieser Kriegsreporter/Fotografen hab‘ ich jetzt eine Vereinbarung getroffen: Simon Klingert, der erst vor kurzem (erneut) von einem längeren Aufenthalt aus Süd-Afghanistan zurückgekehrt ist, wird hier bei Augen geradeaus! regelmäßig ein Bild aus dem Krieg am Hindukusch zeigen. (Es sind Bilder von seinen Embeds vor allem mit US-Soldaten. Simon arbeitet überwiegend für den amerikanischen Medienmarkt. Weil dort einfach mehr Interesse an solchen Bildern besteht – und weil seine Versuche, mit der Bundeswehr in Afghanistan unterwegs zu sein, bislang alle gescheitert sind…)

A U.S. Army soldier of 1st Platoon, Baker Company, 3rd Battalion 509 Infantry Regiment as part of 4th Brigade 25th Infantry Division shows items from his medkit to local nationals in the town of Gayan in Gayan district of Paktika province, Afghanistan, June 9 2009. © Simon Klingert

Zum Start der Kooperation mit Augen geradeaus! habe ich Simon gebeten, mal kurz aufzuschreiben, warum er das macht – Fotos vom Krieg. Und sich dafür immer wieder in kritische Situationen begibt:

Vom Kriege. Und der Faszination.

Um es gleich vorneweg zu sagen: Ich finde den Krieg faszinierend. Kollegen berichten, wenn sie auf ihre Motivation in den Krieg zu ziehen angesprochen werden, von dem Recht der Öffentlichkeit, die Wahrheit zu erfahren, den Opfern des Krieges eine Stimme zu verleihen, das Leid anderer begreifbar zu machen. Das sind alles gute Gründe, die die Arbeit als Kriegsreporter legitimieren, sie verraten jedoch nicht, warum manche Menschen sich der Unsicherheit, den Gefahren und dem hohen Risiko aussetzten.

Wenn ich sage ich finde den Krieg faszinierend – oder sollte ich sagen »kriegsähnliche Zustände« – dann hat diese Haltung etwas verpöntes an sich in Deutschland, weil der Krieg etwas schlechtes ist und nicht faszinierend zu sein hat. Wie kann Krieg denn überhaupt faszinierend sein, fragen manche mit einem Blick, der Zweifel an meiner Zurechnungsfähigkeit verrät. An dieser Stelle scheint sie immer wieder durch, die »pazifistische Grundhaltung« die angeblich so charakteristisch sei für die Bundesrepublik, für die einen als Überzeugung, für andere als Schutzschild.

Die Antwort liegt jenseits der oft geäußerten Vorwürfe des Voyeurismus als auch der altruistischen Motive, mit denen Kriegsreporter ihren scheinbar mit Schuldkomplexen behafteten Beruf verteidigen. Sie liegt in uns selbst.

Ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass der Krieg ein immerwährender Bestandteil des Lebens war, dessen unendliche »Unmenschlichkeit« die er über die Menschen brachte nicht darüber hinweg täuschen kann, dass er schlussendlich eben doch »menschlich« ist. Meine Faszination für den Krieg ergibt sich aus einer Verbundenheit, vielleicht auch einer Empathie mit den Menschen, die freiwillig und unfreiwillig mit dem Krieg konfrontiert werden. Es gibt keinen anderen Akt, der das gesamte Spektrum an menschlichen Erfahrungen und Emotionen von einem extremen Ende bis zum anderen so vollkommen abdeckt wie der Krieg.

Hass, Wut, Zerstörung, Leid, Verwundung und Tod; Schönheit, Anmut, Leidenschaft, Freundschaft, Brüderlichkeit und Liebe, all das umfasst der Krieg.

Mit dabei sein zu dürfen und dokumentieren zu können was den Krieg in seiner ganzen Komplexität ausmacht und wie die Menschen damit umgehen, ist für mich ein Privileg das die Gefahren, das Risiko und die Entbehrungen allemal wert sind. Ein Kriegsreporter hält das fest was er sieht, ein guter Kriegsreporter hält das fest was er spürt.

Sebastian Junger, ein Kollege und Schriftsteller, den ich persönlich kenne und sehr schätze, bezeichnete kürzlich in einem Interview den Krieg als einen der großen Narrative des menschlichen Lebens, vor allem aber auch des Lebens als Mann. Den Krieg als großes männliches Abenteuer darzustellen liegt allerdings sowohl ihm als auch mir fern, das wäre zu einfach und würde der Komplexität des Krieges nicht gerecht werden.

Junger beschreibt Höhlenmalereien aus der Steinzeit, die zeigen, was die damaligen (männlichen) Zeitgenossen beschäftigte. Tiere die gejagt und erlegt wurden, Männer die gegeneinander kämpfen und, wie sollte es auch anders sein, das zeitlose Objekt der Begierde, die Frau: »Conflict and combat, manliness and proving yourself. Hot chicks«.

Unabhängig von aller Einstellung zum Krieg, die zu finden jedem einzelnen selbst überlassen bleibt, soll dieses Beispiel dazu anregen, sich mit dem Krieg zu befassen und auseinanderzusetzen. Ich nehme aus diesem Grund Abstand von der Höhlenmalerei und werde hier in Zukunft regelmäßig eines meiner Bilder präsentieren. Ich möchte Einladen zum Betrachten, zum Nachdenken und zum Diskutieren. Wenn das gelingt, dann habe ich meine Aufgabe erfüllt.

Simon Klingert ist freiberuflicher Photojournalist mit einem Schwerpunkt auf Kriegs- und Krisengebieten. Im Internet ist er unter www.simonklingert.com sowie auf Flickr und twitter zu finden.

Nachtrag: Das passt dazu: Der britische Guardian hat heute ein Special über Kriegsfotografen veröffentlicht.